
- 180 Seiten
- German
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eBook - ePub
Über dieses Buch
"Der Sohn des Wolfs" ist eine 1900 erschienende Sammlung von Erzählungen des US-amerikanischen Schriftsteller und Journalisten Jack London. Der englische Originaltitel lautet "The Son of the Wolf".Inhaltsverzeichnis: - Das weiße Schweigen- Der Sohn des Wolfs- Die Männer von Forty-Mile- In fernem Lande- Auf der Rast- Das Vorrecht des Priesters- Die Weisheit der Reise- Das Weib eines Königs- Eine Odyssee des Nordens- Der Seebauer
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Information
Eine Odyssee des Nordens
Die Schlitten sangen ihr ewiges Klagelied, begleitet vom Knirschen der Geschirre und dem Läuten der Schellen des Leithundes; aber Männer und Hunde waren müde und gaben keinen Ton von sich. Es war eine schwere Fahrt durch den frischgefallenen Schnee, sie kamen weither, und die von steinharten Blöcken aus gefrorenen Elchhäuten schwer belasteten Kufen bissen sich mit fast menschlicher Hartnäckigkeit in der losen Oberfläche fest. Die Dunkelheit brach herein, aber es sollte heute kein Lager aufgeschlagen werden. Der Schnee fiel leise durch die ganz stille Luft, nicht in Flocken, sondern in winzigen, wunderbar geformten Eiskristallen. Es war warm – nur 10 Grad Fahrenheit unter Null –, und das galt den Männern für nichts. Meyers und Bettles hatten ihre Ohrenklappen hochgeschlagen, und Malemute Kid hatte sogar die Fausthandschuhe ausgezogen.
Die Hunde waren früh am Nachmittag ermattet gewesen, begannen sich aber jetzt wieder zu erholen. Die schlausten verrieten eine gewisse Unruhe – sie zerrten ungeduldig an den Strängen, schnauften und spitzten die Ohren. Sie ärgerten sich über ihre schlafferen Brüder und trieben sie, wenn sich die Gelegenheit bot, an, indem sie ihnen tückisch nach den Hinterbeinen schnappten. Jene, derart aufgemuntert und angespornt, halfen wieder die anderen antreiben. Endlich stieß der Leithund des ersten Schlittens ein Freudengeheul aus, streckte sich, daß sein Bauch fast den Schnee berührte, und warf sich eifrig ins Geschirr. Die andern folgten seinem Beispiel. Die Stränge strafften sich, die Schlitten schossen vorwärts, und die Männer klammerten sich an die Steuerstangen fest und zogen hastig die Füße hoch, damit sie nicht unter die Kufen kamen. Die Müdigkeit des Tages war wie weggeblasen, und sie feuerten die Hunde durch Zurufe an. In rasendem Galopp sausten sie durch die zunehmende Dunkelheit.
»Hü! Hü!« schrien die Männer abwechselnd, wenn ihre Schlitten vom Wege abkamen und sich wie Boote im Winde auf die Seite legten, daß sie nur auf einer Kufe liefen.
Dann kam der Endspurt, einige hundert Ellen weit, bis zu dem erleuchteten Pergamentfenster, das anheimelnd von der gemütlichen Hütte, dem prasselnden Yukonofen und den dampfenden Teetöpfen erzählte. Aber die Hütte war von Fremden besetzt. Sechzig heisere Mäuler kläfften herausfordernd im Chor, und ebenso viele zottige Körper stürzten sich Hals über Kopf auf die Hunde, die den ersten Schlitten zogen. Die Tür öffnete sich, ein Mann in dem scharlachroten Mantel der Nordwest-Polizei watete bis zu den Knien durch den Schnee zu den rasenden Tieren und übte ruhig und unparteiisch nach allen Seiten mit dem dicken Ende der Hundepeitsche Justiz. Dann drückten die Männer sich die Hände, und so wurde Malemute Kid in seiner eigenen Hütte von einem Fremden willkommen geheißen.
Stanley Prince, der ihn hätte empfangen sollen, und der die Verantwortung für den Yukonofen und den erwähnten heißen Tee trug, war durch seine Gäste ganz in Anspruch genommen. Es waren ungefähr ein Dutzend, und zwar eine so unbeschreibliche Bande, wie sie je der Königin bei der Handhabung der Gesetze und Austeilung ihrer Post behilflich gewesen waren. Obgleich sie vielen verschiedenen Rassen angehörten, hatte das gemeinsame Leben doch einen bestimmten Typ unter ihnen entwickelt, einen trockenen, kräftigen Typ mit gestählten Muskeln und sonnenverbrannten Gesichtern, lebensfroh, freimütig, helläugig und zuverlässig. Sie fuhren mit den Hunden der Königin, versetzten die Herzen ihrer Feinde in Angst und Schrecken, aßen ihre karge Kost, waren glücklich. Sie hatten das Leben kennengelernt, hatten Taten verrichtet und Romane erlebt, ohne daß sie sich dessen bewußt gewesen wären.
Sie fühlten sich vollkommen wie zu Hause. Zwei von ihnen waren in Malemute Kids Koje gekrochen, wo sie dieselben Lieder sangen, die ihre französischen Vorfahren gesungen hatten, als sie als erste nach dem Nordwesten gekommen waren und sich indianische Frauen dort genommen hatten. Bettles' Koje hatte eine ähnliche Einquartierung erhalten, und drei oder vier lustige Voyageurs wühlten mit den Zehen in den Decken, während sie zuhörten, wie einer der andern von der Zeit erzählte, als er in der Boodlebrigade unter Wolseley bei den Kämpfen vor Karthum gedient hatte. Und als er müde war, erzählte ein Cowboy von Höfen, von Königen, hohen Herren und Damen, die er gesehen hatte, als er mit Buffalo Bill durch die Hauptstädte Europas gezogen war. In einer Ecke saßen zwei Mischlinge, alte Kameraden von einem verlorenen Feldzuge, setzten Geschirr instand und erzählten von den Tagen, als der Aufruhr im Südwesten flammte und Louis Riel König war.
Rauhe Scherze flogen hin und her, und wilde Abenteuer zu Lande und zu Wasser wurden als etwas ganz Alltägliches erzählt, dessen man sich nur irgendeines lustigen oder merkwürdigen Umstandes halber erinnerte. Prince wurde mitgerissen von diesen ungekrönten Helden, die die Geschichte des Landes hatten werden sehen, und in deren Augen das Große, Romantische nur etwas ganz Alltägliches war, das nun einmal zum Leben gehörte. Er ließ seinen kostbaren Tabak mit verschwenderischer Verachtung die Runde machen, eingerostete Erinnerungen wurden dann gelöst und auch vergessene Odysseen ihm zu Ehren wieder ins Leben gerufen.
Als die Unterhaltung schließlich stockte, die Reisenden sich die letzte Pfeife stopften und die Schlafsäcke auseinanderrollten, wandte Prince sich an seine Kameraden, um Näheres zu erfahren.
»Nun, über den Cowboy weißt du ja Bescheid«, antwortete Malemute Kid, indem er seine Mokassins aufzuschnüren begann; »und es ist nicht schwer zu sehen, daß in den Adern seines Bettgenossen englisches Blut rollt. Die übrigen sind samt und sonders Nachkommen der Coureurs du bois mit Gott weiß wie vielerlei anderm Blut gemischt. Die beiden, die sich an die Tür gelegt haben, sind regelrechte Mischlinge oder Bois brulés. Der Kerl mit der Schärpe um den Leib – beachte seine Augenbrauen und die Form seiner Kiefer – zeigt klar und deutlich, daß sich ein Schotte in das verräucherte Zelt seiner Mutter verirrt hat. Und der hübsche Bursche dort, der sich den Mantel unter den Kopf legt, ist französisches Halbblut – du hast ihn sprechen hören; er kann die beiden Indianer, die sich neben ihn gelegt haben, nicht leiden. Du weißt: als die Mischlinge sich unter Riel erhoben, hielten die Vollindianer Frieden, und seitdem können sie sich nicht mehr ausstehen.«
»Aber was ist der mürrische Bursche am Ofen für einer? Ich möchte drauf schwören, daß er kein Englisch kann. Er hat den ganzen Abend nicht den Mund aufgemacht.«
»Da irrst du dich. Er spricht gut genug Englisch. Hast du seine Augen nicht gesehen, als er zuhörte? Ich sah sie. Aber er hat nicht das geringste mit den andern gemein. Als sie ihren Jargon sprachen, konntest du merken, daß er nichts verstand. Ich möchte selbst gern wissen, was für einer er ist. Laß uns sehen, es herauszubekommen!«
»Leg' ein paar Stücke Holz auf!« befahl Malemute Kid, indem er die Stimme hob und den Mann, von dem die Rede war, anblickte.
Er gehorchte augenblicklich.
»Hat irgendwo Disziplin gelernt«, meinte Prince leise.
Malemute Kid nickte, zog sich die Strümpfe aus und begab sich vorsichtig zwischen den Schlafenden hindurch zum Ofen. Dort hängte er seine nassen Strümpfe zwischen zwei Dutzend andere.
»Wann gedenkt ihr in Dawson zu sein?« fragte er prüfend.
Der Mann blickte ihn forschend an, ehe er antwortete. »Fünfundsiebzig Meilen, nicht wahr? In zwei Tagen vielleicht.«
Ein ganz leichter Akzent war eben zu spüren, aber er sprach glatt und ohne nach Worten zu suchen.
»Schon früher im Land gewesen?«
»Nein.«
»Nordwest-Territorium?«
»Ja.«
»Da geboren?«
»Nein.«
»Na, wo bist du denn her, zum Donnerwetter? Du bist keiner von denen da.« Malemute Kid zeigte auf die Hundekutscher mit einer Handbewegung, die sich auch auf die beiden Polizisten, die sich in Princes Koje gelegt hatten, erstreckte. »Wo bist du her? Ich habe früher schon mal Gesichter wie das deine gesehen, weiß nur nicht, wo.«
»Ich kenne dich«, antwortete der Mann gleichgültig und lenkte damit plötzlich den Strom von Malemute Kids Fragen ab.
»Woher? Mich je gesehen?«
»Nein; aber deinen Genossen, den Priester, Pastilik. Schon lange her. Ihn geben mich Proviant. Ich nicht bleiben lange. Du hören ihn reden über mich.«
»Ach, du bist der, der die Otternfelle für die Hunde verkaufte!«
Der Mann nickte, klopfte seine Pfeife aus, rollte sich in den Schlafsack und gab damit zu erkennen, daß er keine Lust zu weiterer Unterhaltung hatte. Malemute Kid blies die Tranlampe aus und kroch unter die Decke.
»Also, was ist er?«
»Weiß nicht – hat abgewinkt – schließt die Schale wie eine Auster. Aber er ist ein Bursche, der einen schon neugierig machen kann. Ich hab' von ihm gehört. Die ganze Küste redete vor acht Jahren über ihn. Eine Art Mysterium, weißt du. Er kam mitten im Winter vom Norden viele tausend Meilen weit irgendwoher an der Küste der Beringsee und hatte eine Eile, als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Keiner hat je erfahren, wo er herkam; aber es muß weit gewesen sein. Es ging ihm dreckig, als er von den schwedischen Missionaren an der Golovinbucht Proviant kriegte und sich nach dem Weg nach Süden erkundigte. Das hörten wir später. Dann verließ er den Weg an der Küste und fuhr quer über den Norton-Sund. Schreckliches Wetter, Schneesturm und Gegenwind – aber er kam durch, wo Tausende ihr Leben gelassen hätten, verfehlte St. Michael und kam schließlich in Pastilik an. Hatte alle Hunde bis auf zwei verloren und war mehr tot als lebendig.
»Er hatte solche Eile, daß Vater Roubeau ihn verproviantieren mußte, aber Hunde konnte er ihm nicht verschaffen, denn er wartete selbst auf meine Rückkehr, um wegkommen zu können. Unser Odysseus war indessen zu klug, um ohne Hunde zu reisen, und so lungerte er mehrere Tage mißmutig herum. Auf seinem Schlitten hatte er ein Bündel der schönsten Otternfelle, Seeottern, weißt du, die ihr Gewicht in Gold wert sind. In Pastilik wohnte ein alter Shylock von einem russischen Händler, der so viel Hunde hatte, daß er sie am liebsten ersäuft hätte. Na, sie schacherten nicht lange, als aber der merkwürdige Mensch weiter nach Süden jagte, hatte er ein Gespann, das sich sehen lassen konnte. Der Shylock seinerseits hatte die Otternfelle. Ich sah sie, sie waren prachtvoll. Wir berechneten, daß die Hunde ihm mindestens fünfhundert Dollar das Stück eingebracht hatten. Und glaub' ja nicht, daß der merkwürdige Mensch nicht wußte, was Seeottern wert waren; er war irgendein Indianer, aber das bißchen, was er redete, zeigte, daß er unter Weißen gelebt hatte.
»Als die See eisfrei wurde, hörten wir von der Nunivakinsel, daß er dort Proviant eingenommen hätte. Dann verloren wir seine Spur, und dies ist das erste, was ich seit acht Jahren von ihm höre. Aber wo kam der Mensch her? Und was hatte er dort getan? Und warum war er fortgereist? Er ist Indianer, ist Gott weiß wo gewesen und hat Disziplin gelernt, was für einen Indianer ungewöhnlich ist. Wieder ein Nordlandrätsel, das du lösen magst, Prince.«
»Danke ergebenst, aber ich habe schon genügend«, erwiderte er.
Malemute Kid schnarchte schon; aber der junge Mineningenieur lag mit offenen Augen da und starrte in die dichte Finsternis, wartete, daß sich die seltsame Erregung, die ihm in allen Adern pochte, legen sollte, und als er endlich eingeschlafen war, arbeitete sein Hirn weiter, und nun wanderte auch er durch das weiße Unbekannte, kämpfte sich mit den Hunden über die unendlichen Wege und sah Männer als Männer leben, arbeiten und sterben.
*
Am nächsten Morgen brachen die Hundetreiber und Polizisten mehrere Stunden vor Tagesanbruch nach Dawson auf. Aber die Mächte, die über die Interessen Ihrer Majestät wachen und das Schicksal ihres geringsten Geschöpfes lenken, ließen ihren Postboten nur wenig Ruhe; eine Woche darauf zeigten sie sich wieder am Stuart, schwer mit Briefen für Salt Water beladen. Nur ihre Hunde waren durch frische ersetzt worden, aber das waren ja auch Hunde.
Die Männer hatten erwartet, daß sie sich mehrere Tage Ruhe gönnen könnten. Außerdem war dies Klondike ja ein neuer Teil des Nordlandes, und sie hätten wohl gern ein wenig von der goldenen Stadt gesehen, wo der Goldstaub wie Wasser floß und in den Tanzlokalen Spiel und Gesang nie aufhörten. Aber sie trockneten ihre Strümpfe und rauchten ihre Abendpfeifen fast mit demselben Behagen wie bei ihrem letzten Besuch, obwohl dieser oder jener aufsässige Geist noch daran denken mochte, zu desertieren und über die unbekannten Berge nach Osten und dann durch das Mackenzie-Tal nach den Schauplätzen ihrer alten Tage im Chippewyan-Land zu gelangen. Zwei oder drei beschlossen sogar, nach Beendigung ihrer Dienstzeit auf diesem Wege heimzukehren, und begannen sofort, diesbezügliche Pläne zu schmieden, wobei sie von dem halsbrecherischen Vorhaben ungefähr sprachen wie ein Städter von seinem nächsten Sonntagsausflug in den Wald.
Der mit den Otternfellen schien von einer inneren Unruhe gepackt zu sein, obwohl er sich nur wenig für die Diskussion interessierte. Schließlich zog er Malemute Kid beiseite und redete eine Weile leise auf ihn ein. Prince blickte neugierig zu ihnen hinüber, und die Sache wurde ihm noch rätselhafter, als sie ihre Mützen und Fausthandschuhe nahmen und hinausgingen. Als sie wiederkamen, stellte Malemute Kid seine Goldwage auf den Tisch, wog sechzig Unzen ab und tat sie in den Beutel des merkwürdigen Menschen. Dann schloß sich der erste Hundetreiber der Beratung an, und es wurden gewisse Vereinbarungen mit ihm getroffen. Am nächsten Tage zog die Gesellschaft weiter den Fluß hinauf; aber der Mann mit den Otternfellen erhielt mehrere Pfund Proviant und kehrte in der Richtung nach Dawson um.
»Ich wußte nicht, was ich machen sollte«, antwortete Malemute Kid auf Princes Frage. »Der arme Kerl wollte aus irgendeinem Grunde den Dienst quittieren – wenigstens schien ihm sehr darum zu tun zu sein, obwohl er nicht damit herausrücken wollte, was los war. Du weißt, es ist ganz wie in der Armee; er hat sich auf zwei Jahre verpflichtet, und die einzige Möglichkeit, freizukommen, ist, daß er sich loskauft. Er konnte nicht desertieren und dann hier in der Gegend bleiben, und er war eben darauf versessen, hierzubleiben. Er habe seinen Entschluß gefaßt, sagte er, als er nach Dawson gekommen sei. Aber dort habe er keinen Bekannten getroffen, er besitze nicht einen Cent, und ich sei der einzige Mensch, mit dem er zwei Worte gesprochen habe. So sprach er denn mit dem Vizegouverneur und traf seine Vereinbarung mit ihm für den Fall, daß er das Geld von mir bekommen könnte – leihweise, weißt du. Sagte, er wolle es mir im Laufe eines Jahres abzahlen und mich, wenn ich es wünschte, auf die Fährte nach einem großen Reichtum setzen. Hatte es nie gesehen, wußte aber, daß es großer Reichtum war.
»Und da! Ja, als er mich draußen hatte, weinte er fast. Bat und flehte. Warf sich vor mir in den Schnee, bis ich ihn wieder hochzog. Schwatzte dummes Zeug wie ein Verrückter. Schwor, es sei ein Ziel, auf das er seit Jahren lossteuerte, und er könne es nicht ertragen, wenn es jetzt schief ginge. Ich fragte ihn, was für ein Ziel das sei, aber er wollte es nicht sagen. Er fürchtete, sie könnten den Einfall haben, ihn auf dem zweiten Teil der Reise abzusetzen, und dann bekäme er Dawson zwei Jahre lang nicht zu sehen, und es wäre zu spät. Nie in meinem Leben habe ich einen Menschen gesehen, der so auf etwas versessen war. Und als ich ihm sagte, daß ich ihm das Geld geben wollte, mußte ich ihn wieder aus dem Schnee ziehen. Ich sagte ihm, er könnte es als meinen Anteil an dem Unternehmen ansehen. Aber glaubst du, daß er darauf einging! Nein. Er schwor, er wolle mir alles geben, was er fände, mich reich machen wie einen Geizhals in seinen Träumen, und lauter solches Zeugs. Ein Mann, der sein Leben und seine Zeit wagt, wo ein anderer nur sein Geld wagt, findet es gewöhnlich hart genug, wenn er die Hälfte von dem, was er findet, abgeben soll. Aber hier steckt etwas anderes dahinter, Prince; merk' dir, was ich sage. Wir werden noch von ihm zu hören bekommen im Lande –«
»Und wenn nicht?«
»Dann wird mein besseres Ich einen tüchtigen Stoß bekommen, und ich werde um einige sechzig Unzen ärmer sein.«
*
Die kalte Jahreszeit mit den langen Nächten war gekommen, und die Sonne begann ihr altes Spiel an der südlichen Schneelinie, ehe man etwas von Malemute Kids Anteil hörte. Da hielt an einem rauhen Morgen Anfang Januar ein Zug schwerbeladener Hundeschlitten vor seiner Hütte am Stuart. Der Mann mit den Otternfellen war da, und mit ihm kam ein Mann, wie die Götter ihn jetzt fast zu erschaffen vergessen haben. Wo immer von Draufgängertum die Rede war, wo immer man Geld für nichts rechnete, da wurde der Name Axel Gundersons genannt, und wenn die Leute abends am Lagerfeuer saßen und von Kraft und Entschlossenheit redeten, da fiel sicher auch sein Name. Und wenn die Unterhaltung einschlief, so flammte sie wieder auf, sobald die Frau erwähnt wurde, die sein Geschick teilte.
Wie gesagt: als die Götter Axel Gunderson erschufen, hatten sie sich erinnert, was sie in alten Zeiten vermocht, und ihn so erschaffen, wie die Männer waren, als die Erde jung war. Volle sieben Fuß ragte er empor in seiner malerischen Kleidung, die ihn als einen Eldorado-König bezeichnete. Brust, Hals und Kleider waren die eines Riesen, und um diese dreihundert Pfund Knochen und Muskeln tragen zu können, waren seine Schneeschuhe auch reichlich drei Fuß länger als die anderer Männer. Großzügig, mit buschigen Brauen, gewaltigen Kiefern und scharfen Augen vom blassesten Blau war sein Gesicht, das von einem Manne erzählte, der kein Gebot als das ei...
Inhaltsverzeichnis
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- Das weiße Schweigen
- Der Sohn des Wolfs
- Die Männer von Forty-Mile
- In fernem Lande
- Auf der Rast
- Das Vorrecht des Priesters
- Die Weisheit der Reise
- Das Weib eines Königs
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