Der Hund im Krieg
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Der Hund im Krieg

3'000 Jahre im Einsatz

  1. 508 Seiten
  2. German
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Der Hund im Krieg

3'000 Jahre im Einsatz

Über dieses Buch

Seit Menschengedenken lebt der Hund an der Seite des Menschen. Und seit Menschengedenken kämpft der Hund an der Seite des Menschen. Im Gegensatz zu anderen Tieren dient der Hund heute noch in Konflikten und Kriegen überall auf der Welt. Das Buch zeigt die Entwicklung von prähistorischer Zeit durch alle Epochen hinweg auf. Kamen in den frühen Tagen Hunde noch als aktive Kämpfer oder als Wächter zum Einsatz, so entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein modernes Diensthundewesen. Im 1. Weltkrieg suchten Hunde nach Verletzten oder überbrachten Nachrichten durch die Kraterlandschaft der Westfront. Im 2. Weltkrieg begleiteten ausgebildete Hunde Patrouillen, spürten Feinde auf und sprangen erstmals an Fallschirmen ab. Nach dem 2. Weltkrieg erlangten Diensthunde in den nunmehr vorherrschenden Konflikten auf tieferem Intensitätsniveau eine Nützlichkeit wie kaum zuvor. Auf dem Höhepunkt des Algerienkrieges beispielsweise standen fast 2'000 französische Diensthunde im Einsatz. Aber auch in Malaysia, Vietnam, Korea, Nordirland, Irak, Afghanistan und vielen anderen Konflikten der jungen Vergangenheit nahmen Hunde viele Aufgaben war: Bewachung, Aufspüren von Sprengstoffen und Personen nebst vielen anderen. Die faszinierende Geschichte von Hunden im Krieg wird dargestellt vor dem Hintergrund der allgemeinen (Militär-) Geschichte. Daneben säumen viele rührende Episoden von treuen Begleitern auf vier Beinen den rund 3'000 jährigen Gang durch die Vergangenheit.

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Information

Jahr
2015
ISBN drucken
9783734759901
eBook-ISBN:
9783735706737
Auflage
1

1. Weltkrieg

Frankreich

Der 1. Weltkrieg hinterließ in Frankreich eine unglaubliche Blutspur. 1,5 Millionen Männer starben an einer 700 Kilometer langen Front, die sich quer durch den Norden des Landes zog, von den Vogesen bis nach Flandern. Die Grande Nation zeigte sich nochmals von ihrer erhabensten Seite. Als Führerin der Entente-Mächte erzwang sie in einem nie gesehenen Abnützungskampf die Kapitulation und schließlich den Zusammenbruch des deutschen Kaiserreiches. Doch der Preis war kaum zu verkraften. Im Grunde genommen markierte der Frieden von Versaille ein letztes Aufbäumen Frankreichs als Großmacht, bevor die Bedeutung des Landes mehr und mehr erodierte. Die Franzosen gelten gemeinhin als das hundefreundlichste Volk in Europa. Auch gab es im Lande vor 1914 eine hochstehende Kynologie. Umso erstaunlicher scheint es, dass sich die französische Armee schwer damit tat, das Potential von Militärhunden zu erkennen und zu erschließen.
Bei Kriegsausbruch waren in Frankreich (wie in Deutschland) die Sanitätshunde am besten bereit für den Ernstfall. Das französische Militär eröffnete bereits 1911 einen Zwinger für Sanitätshunde. Allerdings wurde die Anlage von der Société Nationale du Chien Sanitaire betrieben, dem französischen Sanitätshunde-Verein. Dieser hatte die ganze Verantwortung inne und übernahm alle Kosten. Anders gesagt: Es war ein privater Verein, der die fertig ausgebildeten Hunde der Armee gratis zur Verfügung stellte. Die Militärführung blieb indessen skeptisch, obwohl der Einsatz von Sanitätshunden in einigen Kolonialkonflikten durch andere europäische Länder gezeigt hatte, wie nützlich diese Tiere waren. Als 1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, verfügte Frankreich folglich nur über wenige hundert Sanitätshunde. Diese leisteten in der Phase des Bewegungskrieges nützliche Arbeit. Allerdings mangelte es oft an der Schulung der Hundeführer. Als die Front nach der Marne-Schlacht im September 1914 zu einem fest gefahrenen Stellungskrieg erstarrte, konnten die Sanitätshunde keine große Rolle mehr spielen, wie wir in einem eigenen Kapitel noch tiefer ausführen werden. So entschied der französische Stabschef Joseph Joffre, das Sanitätshundewesen im Jahre 1915 einzustellen. Von da an diente nur noch eine bescheidene Anzahl Sanitätshunde als halb-offizielle Helfer.
Abgesehen von den Sanitätshunden waren bei Kriegsausbruch nur eine handvoll anderer Hunde einsatzbereit. So dienten bei den Chasseurs Alpines (Alpenjäger) einige Herdenschutzhunde, die von den Soldaten mit zum Dienst genommen wurden und die hervorragende Bewacher abgaben, etwa auf Außenposten. Nur langsam setzte sich in der militärischen Führung die Meinung durch, dass die französische Armee ein Hundewesen aufbauen sollte. Einer der prominenten Fürsprecher war der Kynologe Paul Mégnin. Im Dezember 1914 wurde das 12. Jäger-Bataillon (Chasseurs) offiziell mit rund einem Dutzend Hunden ausgestattet. An verschiedenen Frontabschnitten wurden Zwinger eröffnet. In den Vogesen und im Elsass gab es je eine Anlage. Rund ein dutzend Hundetrainer bildete hastig 60 Hunde aus. Im November 1915 eröffnete die II. und die VII. Armee einen zentralen Zwinger in Toul, der ermutigende Resultate hervorbrachte. Auf eine einheitliche und offizielle Grundlage wurde das französische Militärhundewesen jedoch erst am 25. Dezember 1915 durch einen Beschluss des Kriegsministers Alexandre Millerand gestellt. Das Programm stand unter der Führung der Infanterie (Direction de l’Infantérie). Dieses sah nun die Ausbildung von Hunden in verschiedenen militärischen Aufgaben vor wie Wachhunde, Nachrichtenhunde, Transporthunde, Patrouillenhunde usw. Von nun an wurde die Beschaffung und Ausbildung systematisch organisiert. Die Armee richtete ein Netz von Zwingern zur Rekrutierung und Ausbildung ein. Man wandte sich an Züchter, Privatpersonen, kynologische Klubs mit der Aufforderung, Hunde an die Armee abzugeben. (vgl. Lecture pour tous, Juni 1919).
Auch Tierheime bargen ein gutes Potential an rekrutierungsfähigen Hunden. Interessant ist in dieser Hinsicht ein bürokratisches Detail. Das Tierheim in Paris verfügte über eine ansehnliche Anzahl von herrenlosen Hunden. Ein Reglement aus dem Jahre 1882 beschied, dass die Vierbeiner das Heim nicht verlassen durften. Das bedeutete wiederum, dass man sie nicht zu den Rekrutierungsstellen der Armee bringen durfte. Viele der armen Hunde wurden deshalb sinnlos eingeschläfert, obwohl sie einen wertvollen Dienst in der Armee hätten leisten können. Es bedurfte der ganzen Autorität des Generals Hubert Lyautey, der zwischen 1916 und 1917 als Kriegsminister amtete, um dies zu ändern. Lyautey drohte sogar, die Hunde zwangsweise zu requirieren, falls diese sinnlose Praxis nicht aufgehoben würde. 1917 wurde das Reglement schließlich geändert. Die Hunde aus dem Pariser Heim konnten nun an die Zwinger der Armee abgegeben werden. Fast 3’000 Vierbeiner konnten so für den Kriegsdienst gewonnen werden. (vgl. Polin 2003, S. 37)
Im Januar 1917 erließ das Kriegsministerium ein Reglement, das die gesamte Beschaffung aller Militärhunde (außer Sanitätshunde) bis ins Detail reglementierte. Die Umsetzung wurde zentral koordiniert durch das Kriegsministerium. Die Rekrutierung der Hunde erfolgte durch private kynologische Klubs, die vom Kriegsministerium akkreditiert wurden und über mindestens eine Zwingeranlage und eine angemessene Organisation verfügen mussten. Diese Klubs organisierten in Absprache mit der lokalen Militärverwaltung in regelmäßigen Abständen Musterungen, bei denen private Hundebesitzer ihre Schützlinge vorführen konnten. Die dort präsentierten Tiere mussten einige Grundvoraussetzungen erfüllen. Alter: über einem und unter acht Jahren. Größe: 0,45 bis 0,60 Zentimeter. Fell: alles außer weiß. Rasse: bevorzugt Hüte- und Wachhunde. Die akzeptierten Hunde wurden sodann in einen Zwinger des Klubs eingewiesen (heute würde man es wohl als Hundetrainingsplatz bezeichnen). Ein Klub besaß mindestens einen oder aber mehrere Zwinger, die jeweils bis zu 60 Hunde aufnehmen konnten und von den lokalen Militärbehörden beaufsichtigt wurden. Dort erfuhren die Vierbeiner ein erstes Training. Dazu gehörte ein sauberer Grundgehorsam. 1) Abrufen. 2) bei Fuß laufen. 3) Sitz. 4) Platz. 5) Warten im Platz. 6) Gewöhnen an Gefechtslärm. 7) Freudiges Arbeiten ohne Anzeichen von Angst bei nicht allzu strenger Korrektur. 8) Bellen abgewöhnen. Diese Grundausbildung dauerte höchstens 30 Tage. Am Ende gab es eine Prüfung. Bestanden die Hunde, wurden sie an einen Zwinger der Armee abgegeben, jeweils ausgestattet mit einem Halsband, einer Kette und einem Maulkorb in tadellosem Zustand. Die Klubs erhielten für die Lieferung und Grundausbildung fünf Francs pro Hund nebst sonstigen Zuwendungen für den Unterhalt der Zwingeranlagen. In den Zwingern der Armee erhielten die Hunde sodann ihren endgültigen Schliff. Je nach individueller Neigung spezialisierte man sie auf eine bestimmte Funktion, z.B. Wach- oder Nachrichtenhund. Ungeeignete Hunde wurden an die Zwinger der Klubs zurückspediert. Für den Transport wurden Eisenbahnwagons zur Verfügung gestellt. Ein Wagon konnte ungefähr 15 bis 20 Hunde laden, wobei jeder Transport von zwei Soldaten begeleitet werden musste. (vgl. Instruction sur le service du ravitaillement en chiens de guerre dans les armées, Direction de l’Infantérie, 5.1.1917)
Nach dem Krieg wollte man die Hunde prinzipiell ihren zivilen Besitzern zurückgeben. Doch es gab Probleme. Viele wollten ihren Hund nicht mehr. So entschied die Militäradministration, dass die ausgemusterten Hunde im Zwinger von Satory gesammelt werden sollten. Die Rassehunde wurden für 100 Francs an zivile Interessenten verkauft, ein auch für damalige Verhältnisse moderater Preis. Die Mischlinge wurden sogar gratis abgegeben. Der neue Besitzer musste sich verpflichten, den Hund nicht zu verkaufen und ihn gut zu behandeln. Zudem kauften bei Friedensschluss viele Soldaten, die während des Krieges einen Hund führten, ihren lieb gewonnen Schützling der Armee ab, um ihn als Begleiter ins Zivilleben führen zu können. (vgl. Lecture pour tous, Juni 1919)
Insgesamt mobilisierte Frankreich im Verlaufe des Krieges zwischen 10’000 und 15’000 Hunde. Zirka 4’000 sind gestorben. 1’500 wurden vermisst oder gerieten in die Hand des Feindes. (vgl. Lecture pour tous, Juni 1919)

Deutschland

Gemeinhin galt Deutschland als das bei Kriegsausbruch führende Land in Sachen Militärhunde. Deutschland verfügte zwar über eine gut entwickelte Kynologie und viel Kompetenz in Sachen Diensthunde. Aber in seinem reich dokumentierten Buch Bedingungslos kommt Petztl zu folgendem Schluss: »Der deutschen Armee standen also entgegen anderer Behauptungen bei Kriegsausbruch 1914 keine genügende Anzahl von Kriegshunden zur Verfügung.« (Petzl 2008, S. 394) Wie wir bereits weiter oben gesehen haben, schlief das deutsche Militärhundewesen 1913 nach anfänglichen Erfolgen wieder ein. Nur bei wenigen Truppen wie den Jägern standen schon vor Kriegsbeginn Hunde regelmäßig im Einsatz. Allerdings schien man mit diesen Hunden nicht allzu viel Sinnvolles angestellt zu haben, wie es in einer zeitgenössischen Publikation ernüchternd hieß: Es hat sich gezeigt, dass »dieselben bei den Truppen in den Garnisonen aus Mangel an Beschäftigung verfaulenzten, Mastkälbern gleich verfüttert und mit der Zeit unbrauchbar werden.« (Centralblatt für Jagd- und Hundeliebhaber Nr. 36 / 37, 11.9.1914)
Centralblatt: Hier müssen wir kurz eine Zwischenbemerkung zur obigen Quelle machen, auf die wir noch einige Male zurückgreifen werden. Das Centralblatt für Jagd- und Hundeliebhaber (kurz Centralblatt) war das offizielle Organ der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaf. Damit war es also eine Fachpublikation in einem neutralen, nicht Krieg führenden Land, das allerdings seine Armee mobilisiert hatte und seinerseits langsam ein Militärhundewesen aufzubauen begann. Indessen wurde rege über die Hundewesen der Kriegsparteien berichtet, insbesondere über jenes in Deutschland. Man entnimmt vielen Artikeln, dass sich die kynologische Szene zumindest in der deutschsprachigen Schweiz ganz am deutschen Vorbild orientierte und dass ein reger Austausch sowie eine freundschaftliche Verbundenheit zwischen deutschen und schweizerischen Züchtern, Liebhabern und Klubs bestanden. Man erblickt eine ziemlich offen gezeigte Sympathie für das deutsche Reich als Kriegspartei.
Das deutsche Militärhundewesen befand sich also bei Kriegsausbruch auf etwa demselben Entwicklungsstand wie in anderen Ländern. Die Initiative für die Weiterentwicklung lag vor allem bei organisierten Hundeliebhabern, die jedoch von der rasch steigenden Nachfrage nach Kriegshunden heillos überfordert waren. Die Klubs seien in der Heranbildung von tauglichen Hunden für den Sanitäts- und Postendienst rückständig geblieben, davon nicht ausgenommen seien auch die »Schäferhundeleute«, heißt es in einem Artikel. Und weiter: »Mit übereilter Schnelligkeit trifft uns nun der Notschrei nach Sanitäts- und Postenhunden, mit meist vollständig ungeübten Hunden sollen nun Sanitätsdienste geleistet werden und dass dazu nun sogar auf den Mann gehetzte Polizeihunde verwendet werden müssen, ist bei der Notwendigkeit klar. (...) Wir werden nun sehen, ob wir mit der Schnellbleiche, mit der unsere Hunde fertig als Ambulanz- und Spähhunde gemacht werden sollen, auch wirkliche Resultate erzielen.« Der Autor des Artikels sah Deutschland gegenüber den anderen Kriegsparteien eindeutig im Rückstand. Die Russen, Österreicher, Engländer und Franzosen hätten bereits massenhaft erfolgreich Hunde im Einsatz. (vgl. Centralblatt Nr. 36 / 37, 11.9.1914)
Die kynologischen Vereine sollten also möglichst viele Hunde abliefern. Gleichzeitig erlitt das Vereinsleben aber gerade wegen des Krieges herbe Rückschläge und kam teilweise sogar zum Erliegen. Die Männer, damals unbestrittenes Rückgrat der Hundeklubs, waren an der Front. Die wenigen Daheimgebliebenen waren mehr als genug damit beschäftigt, sich und ihre Angehörigen in der Kriegsnot über die Runden zu bringen. Für Hunde-Aktivitäten blieb nicht mehr viel Zeit übrig. Nicht zuletzt wegen ihrer mangelnden Professionalität stießen die Hundeliebhaber in der Militärbürokratie lange Zeit auf taube Ohren. Die Klubs mussten den Wert der Hunde im Militär richtig anpreisen und betrieben eine Art Lobbyarbeit. Sie sammelten Geld und promoteten die Diensttauglichkeit ihrer Hunde richtiggehend. So organisierte die Frankfurter Zweigstelle des Deutschen Vereins für Sanitätshunde im März 1915 einen Unterhaltungsabend mit einem Vortrag über die Arbeit der Sanitätshunde. Im überfüllten Saal fand sich ein großes Publikum, darunter viel Militär in »Feldgrau«, wobei auch ein stattlicher Geldbetrag zusammen kam. (vgl. Centralblatt Nr. 7, 2.4.1915)
Pathetische Appelle ergingen direkt bei Kriegsausbruch an die Mitglieder der Hundeklubs. Stossrichtung: Strengt euch mehr an, um möglichst viele Hunde in den Dienst abzugeben. Der Übervater aller deutschen Schäferhunde, Max von Stephanitz, erkannte im Krieg sogleich eine Chance zur Profilierung. In einer bereits am 2. August 1914 erschienen Kriegssonderausgabe der Zeitung des Vereins für deutsche Schäferhunde publizierte er einen energischen Aufruf. »Für des Hundefreundes Liebhaber-Betätigung ist in diesen Tagen kein Raum mehr, seiner warten andere, höhere Aufgaben! (...) Denn das Heer braucht nicht bloß Männer, Waffen und Rosse, auch unser Hund kann jetzt nützliche, segenbringende Dienste leisten.« Konkret sah Stephanitz zwei Aufgabenbereiche vor: Sanitätshund und Postenhund. Zu diesem Zeitpunkt war der Bedarf an Sanitätshunden bei der Mobilmachung fürs Erste gedeckt. Doch Stephanitz rief alle Hundefreunde, soweit sie nicht bereits an der Front dienten, dazu auf, mit den Hunden fleißig weiterzuarbeiten, um sie baldmöglichst zum Ersatz anbieten zu können. Über Prüfung und Abgabe solcher Hunde werde später Weiteres mitgeteilt. Eine kurze Anleitung zur Ausbildung von Sanitätshunden könne für 20 Pfenning bestellt werden. (vgl. Centralblatt Nr. 34 / 35, 28.8.1914, in dem der Appell nachgedruckt wurde.)
Man muss das eifrige Engagement der Hundeliebhaber durchaus im Kontext der Entbehrungen des Krieges sehen. Es herrschte in Deutschland weit mehr als bei den Westmächten Mangel an allem, sogar an Lebensmitteln. Daher hatten Hunde einen schweren stand. Sie galten in weiten Kreisen der Bevölkerung als unproduktive Fresser. Hundehaltung stand im Ruf eines unnötigen Luxus in Zeiten des nationalen Notstandes. Die Hundepopulation nahm in allen Ländern markant ab. Daher wollten die Hundefreunde möglichst herausstreichen, dass ihre Schützlinge durchaus einen Beitrag an den Krieg leisten konnten, also nützlich, mitunter sogar heroisch waren und keineswegs nur Luxusobjekte. Bezeichnend ist das Statement eines Richters, der an einer Kriegshundeausstellung in Mainz im Jahre 1916 im Ring stand: »Dass am Nachmittag eine Vorführung von Sanitätshunden stattfand, war ein sehr glücklicher Gedanke und hat diese vielleicht so Manchem immerhin einen kleinen Begriff gegeben, dass die Köter doch nicht so unnütze Fresser sind, wie von den Hundefeinden stets behauptet wird, sondern wohl imstande, da mit einzugreifen und sich nützlich zu machen, wo Menschenfähigkeiten leider nur zu oft und vollständig versagen!« (Centralblatt Nr. 21, 1.11.1916)
Auf der anderen Seite wurden Hunde im zivilen Bereich durchaus begehrt, vor allem als Wächter. Viele einsame Frauen, deren Männer an der Front waren, fühlten sich sicherer mit einem deftigen Wachhund an der Seite. Auch Fabriken und Lagerplätze wurden gerne mit Hunden bewacht. Daher erreichten die Preise für entsprechende Vierbeiner Spitzenwerte. Ein Dobermann kostete 1918 zwischen 300 und 800 Mark, ein Schäferhund 500 Mark und ein Foxterrier immerhin noch zwischen 75 und 100 Mark. (vgl. Centralblatt Nr. 14, 15.7.1918)
Der Aufbau des Militärhundewesen kam immer weiter voran, wobei die realen Erfahrungen der kämpfenden Truppen den Bedarf an Hunden bestens dokumentierten. Nicht anders als in Frankreich standen in Deutschland bei Kriegsausbruch praktisch nur Sanitätshunde zur Verfügung. Sie wurden von privaten Klubs ausgebildet und gratis an die Armee abgegeben. Posten- und Wachhunde waren zumindest in einem gewissen Umfang ebenfalls bereits früh im Einsatz. So hat beispielsweise die Landesgruppe München des Boxer-Clubs bereits im Herbst 1914 zahlreiche Tiere an ein Infanterie-Landsturm-Bataillon abgegeben. Jeder Kompanie wurden zwei Hunde zugeteilt, die als Wächter und Beschützer, speziell auf nächtlichen Patrouillengängen, gute Arbeit geleistet haben. Jeder Hund erhielt einen Führer fest zugeteilt, wobei es sich meist um Forstleute, Jäger oder Schäfer handelte, die mit der Hundepflege vertraut waren. Im Übrigen wurden die Hunde zwei Mal pro Tag verköstigt. Als Futter dienten die Abfälle aus der Küche. Eine 250 Mann starke Kompanie produziere offensichtlich so viele Abfälle, dass man durchaus mehr als zwei Hunde hätte durchfüttern können. Bis Februar 1915 hat alleine diese eine Münchner Gruppe des Boxer-Clubs rund 40 Hunde an besagtes Bataillon abgegeben, was zeigt, dass die Rekrutierung von Hunden relativ schnell große Dimensionen annahm. (vgl. Centralblatt Nr. 3, 5.2.1915) Auch Schlitten- und Zughunde wurden früh rekrutiert. Die legendären Nachrichtenhunde kamen allem Anschein nach jedoch erst relativ spät auf. Der erste offizielle Einsatz in dieser Funktion erfolgte in der Schlacht von Verdun, die am 16. Februar 1916 begann. (vgl. Cron 1923, S. 118) Die Nachrichtenhunde zeigten gute Erfolge. Doch dauerte der Aufbau einer systematischen Ausbildung noch etwas an. Am 1. September 1916 richtete der Feldjäger und Hundekenner Franz Müller im lothringischen Hubertville die erste Kriegshundeschule (KhuS) mit zunächst zwanzig Mann und vierzig Hunden ein, in der er Nachrichtenhunde ausbildete. (vgl. Frank 1994, S. 164) Ab 20. August 1917 wurde bei jeder Armee eine Schule für Nachrichtenhunde eingerichtet. Die Hundeführer dienten den Regimentern zugleich als Brieftaubenwärter. (vgl. Cron 1923, S. 118)
Die Oberaufsicht über das Hundewesen lag bei der Inspektion der Nachrichtentruppen, was allerdings nicht fachlich zwingend war. Den Ausschlag dazu gab vielmehr die erfolgreiche Arbeit der Nachrichtenhunde und wohl die Persönlichkeit von Franz Müller, der über hervorragende Kontakte in die Armeespitze verfügte. Die gesamte Organisation der Diensthunde-Sache blieb dennoch bis ans Kriegsende dezentral und wohl auch in weiten Teilen improvisiert. Die Abgabe und Grundausbildung der Vierbeiner erfolgte in der Regel durch eine Kooperation der Hundeklubs mit örtlichen Militärbehörden. Oftmals war es bestimmt so, dass örtliche Hundeklubs die Tiere jenen Einheiten übergaben, die territorial in ihrer Heimatregion verankert waren, deren Soldaten also aus der Region rekrutiert wurden, in denen auch die entsprechenden Hundeklubs ansässig waren. So gab man die Hunde in gewissem Sinne den eigenen Leuten mit in den Krieg. Es gab aber auch andere Herangehensweisen: Die Kriegshundeschule von Müller rekrutierte ihre Vierbeiner auf eigene Initiative direkt von Zucht- und Gebrauchshundevereinen in der Heimat, die den Tieren bereits den Grundgehorsam beibrachten. (vgl. Frank 1994, S. 170 - 171) Der Verein für Sanitätshunde wiederum koordinierte seine Tätigkeit mit dem Generalquartiermeister, dem Leiter der Feldsanität und den beaufsichtigenden Offizieren, wie der Präsident des Vereins, J. Berta in seinem Jahresbericht 1918 sagte. (vgl. Centralblatt Nr. 44, 15.3.1918)
Die Abgabe der Hunde in den Dienst erfolgte freiwillig. Falls ein Hund den Krieg überlebte, wurde er seinem Herrn zurückgegeben. Falls er starb, erhielt der Besitzer normalerweise eine Urkunde mit dem Namen des gefallenen Hundes. Offenbar herrschte bald nach Kriegsausbruch ein Mangel an dienstfähigen Hunden. Dennoch kam es in Deutschland (anders als später im 2. Weltkrieg) zu keiner Zwangsrequirierung. Zu diesem Mittel griff das deutsche Besatzungsheer allerdings in Belgien. Zudem wurden Hunde aus dem Ausland importiert, etwa aus der Schweiz. Daher beschloss die schweizerische Regierung (Bundesrat) am 18. September 1915 ein Ausfuhrverbot von Militär- und Polizeihunden. Dieser Entschluss kam nicht zuletzt deshalb zu Stande, weil die Schweizer Armee ab 1915 selbst ein Hundewesen aufzubauen begann und im Abwerben von Hunden durch ausländische Streitkräfte eine lästige Konkurrenz sah. (vgl. Centralblatt Nr. 25, 25.11.1915) Wichtig war weiterhin die Unterstützung der Züchter. Denn die Wurfzahlen drohten in diesen Zeiten der Not ständig zu fallen. Der Nachschub an kriegstauglichen Tieren war damit gefährdet. Die Inspektio...

Inhaltsverzeichnis

  1. Motto
  2. Über den Autor
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Einleitung
  5. Vorgeschichtliche Zeit
  6. Frühe Hochkulturen - Vage Hinweise auf Kriegseinsätze
  7. Altertum - Griechenland
  8. Mittelalter bis beginnende Neuzeit
  9. Neuzeit bis 1914 - Einschneidende Veränderungen
  10. 1. Weltkrieg - Frankreich
  11. 2. Weltkrieg - Deutschland
  12. Frankreich: Entwicklungen 1945 bis heute
  13. Krieg in Indochina (1948 - 1954) - Der Veterinärdienst und der Aufbau des Diensthundewesens
  14. Algerienkrieg (1954 - 1962) - Der Veterinärdienst und seine Aufgaben
  15. Deutschland: Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr 1958 bis heute
  16. Großbritannien: Entwicklungen 1945 bis heute
  17. USA: Entwicklungen 1945 bis heute
  18. Vietnamkrieg (1961 - 1973) - Das Trauma der USA
  19. Schlussfolgerungen und Ausblick
  20. Literaturverzeichnis
  21. Impressum