
- 240 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
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eBook - ePub
Philosophiere
Über dieses Buch
Band 6 "Philosophiere!" der Reihe PHILOSOPHISCHE PRAXIS gibt Einblick in gegenwärtige Aktivitäten in diesem jungen Zweig hauptsächlich außeruniversitären Philosophierens. Zu denen, die auch inneruniversitär Studierende mit Philosophischer Praxis bekannt machen wollen, gehören die AutorInnen Roth, Penner, Bulatovic, Mok-Wendt, Zavala.
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Information
1. RITIRO15
MICHÉLE ZESE
Im April 2017 hatte Ran Lahav, organisatorisch unterstützt von Stefania Giordano, ein "Philosophical-contemplative Retreat" in Liguria (Nordwesten Italiens) angeboten. Zu dieser Zeit wusste ich sehr wenig über philosophische Kontemplation. Ich habe Erfahrung in Meditation und war sehr interessiert als ich 2016 einen Vortrag von Ran Lahav in Torino (Turin) gehört habe. Ich sah dann 2017 die Ankündigung des Liguria Retreat (auf Facebook) und entschied mich teilzunehmen.
Es zeigte sich: Ran hatte ein altes früheres Bauernhaus gefunden, das nun Freunden von Freunden als Ferienhaus diente. Es war nicht weit weg von meiner Heimatstadt. Dies kleine Anwesen liegt in einem ansprechenden Hügelland, in Wäldern und Wiesen. Manchmal öffnet sich der Blick auf ein Stück Meer.16 Ich habe in lebendiger Erinnerung meine Schwierigkeit, das Haus zu finden. Mein altes Auto konnte ich schließlich am Rande einer schmalen Landstraße unter einer ausladenden Buche parken. Dann ging es zu Fuß recht steil bergab, etwa 10 spannende Minuten zwischen Bäumen und Büschen. Als ich dann angekommen war, umfing mich friedvolle Stille. Alle Teilnehmenden schienen mir in kontemplativer Grundstimmung zu sprechen17, sich nicht aufgeregt zu verhalten und auch sonst leise zu sein. Das war ganz neu und faszinierend für mich.
Und es ergab sich gleich, dass über die Möglichkeit, eine weitere Retreat-Veranstaltung in Norditalien vorzubereiten, gesprochen werden konnte. Ich hörte, dass Ran sich nach einem anderen Haus für Retreats umsehen wollte, und so brachte ich das von meinem Großvater stammende renovierte Rustiko ins Gespräch, in Brando (Coazze), nicht zu weit weg von Turin gelegen, in einem Esskastanienwald in den Bergen. Weniger als 5 Monate später wurde aus der besprochenen Idee schon Realität und fast 20 Teilnehmende aus verschiedenen Ländern kamen zusammen zum „1. Brando Philosophical-Contemplative Retreat 2017".
Brando ist ein winziges Nest, Nordwesten Italiens in den Ausläufern der Westalpen. Es besteht aus einer Handvoll alter Häuser und die Straße endet hier. Der Ort ist auch für Fernreisende recht gut erreichbar (abgesehen vom letzten Stück). Es sind nur 2 Stunden bis Mailand und doch ist man in Brando (Coazze) wie in einer anderen Welt.
DIE STRUKTUR DES TREFFENS
Wir begannen am Donnerstagmorgen, 30. August 2017. Das Programm war dicht. An jedem Tag gab es eine Vormittags- und eine Nachmittagssitzung.
Diese Gemeinschaftsveranstaltungen hatten das Format "philosophical-contemplative companionship", ausgedacht in den letzten Jahren von Ran Lahav18 und praktiziert in seinen Rundreisen durch verschiedene Länder. Wir begannen jede Sitzung damit, dass ein kurzer philosophischer Text vorgelesen wurde. Die geschriebenen Texte lagen allen vor Augen. Es folgte eine Runde der Textreflexion in der Gruppe (in togetherness). Dabei praktizierten wir interpretierendes Lesen. Dies ist eine semi-kontemplative Prozedur, die es ermöglicht in der Gruppe ein Mitschwingen in Gang zu setzen, eine Resonanz mit dem philosophischen Text und mit reihum vorgenommenen (kleinen oder keinen) Veränderungen, auf diese Weise auch Resonanz miteinander. Nach etwa einer halben Stunde, nachdem die Gruppe sich mit dem Text erst einmal vertraut gemacht hatte, wurde eine (meist atembetonte) zentrierende Übung (centering exercise) von rund 10 Min. benutzt, um das Stadium der Kontemplation vorzubereiten.
Nun kommt die Mitte der Sitzung. Es ist eine Gruppenkontemplation von etwa einer Stunde: "we contemplated in togetherness from our inner depth", angeregt von Ideen im philosophischen Text. Unterschiedliche Übungen werden dazu benutzt und Vorgehensweisen variiert. Auf die Kontemplation folgend werden die Teilnehmenden dazu aufgefordert, im Schweigen den Text in Bezug zu setzen zu einer persönlichen Erfahrung. Das Ziel ist es, zu einem angereicherten Verständnis des Textes und einem angereicherten Selbstverständnis zu kommen. Die Sitzung endet mit einer kurzen Schlussübung (concluding exercise), worin die Teilnehmenden in der Gruppe sagen können, was in ihnen während des Philosophierens in dieser Sitzung vorgegangen ist.
Es war kein Zufall, dass diese Struktur für die Sitzungen gewählt wurde. Die Aufeinanderfolge ist eigens dazu entworfen, den Teilnehmern den Weg zu ebnen hin zu einer mentalen Bereitschaft. Es braucht ja gewöhnlich etwas Zeit, um das umtriebige Alltagsverhalten hinter sich zu lassen und in eine für Kontemplation-und-Philosophieren offene Haltung hinein zu finden. Die einfache, klare Struktur hilft dazu die vielen Gedanken, Bilder und Einstellungen des oft hektischen Alltagslebens unserer Zeit loszuwerden und gelassen und offen zu werden.
In einer philosophisch-kontemplativen "Aus-Zeit" ist es wichtig auf Ruhe (silence) zu achten und eine nach Innen gerichtete und selbst-reflexive Haltung einzunehmen.
Dies ist jedoch nur Teil der anstehenden Arbeit. Wenn die Kontemplation philosophisch werden soll, müssen auch philosophische Themen und leitende Ideen zu ihrer Behandlung eingebracht werden. Darum wird für jede Sitzung ein kurzer philosophischer Text als Ausgangspunkt genommen, Auszüge von 1-2 Seiten aus einem philosophischen Werk. Der Text hilft dabei, sich in der Sitzung auf ein zentrales Thema zu konzentrieren und bietet Material an, das den Diskurs anregt und bereichern kann.
THEMEN DER SITZUNGEN
In der ersten Sitzung geleitet von Ran am Donnerstagvormittag stammten die Textpassagen aus Henri Bergsons Time and Free Will. Wir hatten uns entschieden gerade mit diesem Text zu beginnen, weil hier ein wichtiges Element philosophischer Kontemplation thematisiert ist: die Tiefe.
Nach Bergson gibt es viele Ideen in unserem Geist, die auf der Oberfläche treiben, „wie tote Blätter im Wasser eines Gartenteichs."19
Diese mentalen Objekte bleiben gewöhnlich unverändert, als wären sie unserem Geist extern. Über die Zeit bilden sie eine dicke Kruste, aus der viel von unserem automatischen, eingeübten Verhalten stammt. Während wir uns leiten lassen von solchen externen Konzepten, können wir gleichwohl der Meinung sein, wir handelten frei. Dies aber ist eine Illusion. Manchmal jedoch revoltiert eine neue Bewegung in unserer Tiefe gegen die Oberflächenkruste. Sie bricht durch, kommt an die Oberfläche und die Inhalte werden uns bewusst. Als Ergebnis kann daraus folgen, dass wir gegen das handeln, was wir zuvor für die rational begründete Wahl hielten. Vielleicht erfahren wir dann einen tiefen inneren Wandel unserer Lebensperspektive.
Warum sind Bergsons Überlegungen wichtig für uns? Ziel unserer philosophisch-kontemplativen Unternehmung ist es, die daran Teilnehmenden in die Lage zu versetzen über ihr normales Selbst hinauszugelangen, unter die oberflächliche Ebene, die Bergson beschreibt. Was unsere Praxis unterscheidet von verbreiteten philosophischen Diskursen, ist: wir philosophieren ausgehend von unserer inneren Tiefe. Wir reflektieren und kommunizieren philosophisch nicht nur, indem wir logisch gültige Schlüsse ziehen und weitere Fertigkeiten analytischer Philosophie anwenden, sondern durch Denken, ausgehend von der (durch Bergson angesprochenen) inneren Tiefendimension.
Am zweiten Tag war unser Thema unser Verhältnis zu einer anderen Person. Die Texte wurden der Agora-Website20 entnommen. Hier findet man eine große Auswahl kurzer philosophischer Texte, die eine Vielzahl von Themen des Alltagslebens betreffen. Emmanuel Levinas und Martin Buber wurden ausgewählt, weil sie zwei recht unterschiedliche philosophische Perspektiven auf dieses Thema eröffnen. Im Vormittagstreffen verwendeten wir Ausschnitte aus Martin Bubers Ich und Du. Das Buch entstand in den 20er Jahren und umreißt auf poetisch-philosophische Weise zwei Arten von Beziehungen: ICH-DU - als personale Beziehung (relationship of togetherness), und ICH-ES - ein distanzierendes, objektifizierendes (Arbeits)Verhältnis. Nach Buber sind diese zwei Grundbeziehungen fundamentaler als das Selbst. Denn es gibt nach Buber kein Selbst, das nicht in einer dieser zwei Beziehungen stünde. Nach Textlektüre in der Weise des "interpretierenden Lesens" und Sichern, dass der Text verstanden wurde, sowie nach einer zentrierenden Übung begann die philosophische Kontemplation. Wir wählten einige wichtige Sätze aus und in der Gruppe wiederholte sie einer nach dem anderen wieder und wieder in Ruminatio (wörtlich: wiederkäuend) geläufig praktiziert in Liturgien, insbesondere in Klostertraditionen.
Hier waren nach meiner Wahrnehmung einige der kraftvollsten Momente. In dieser Übung, die vielleicht zunächst langweilend erscheinen mag, binden die Teilnehmenden ihre Aufmerksamkeit für lange Zeit an denselben Satz, dieselben Begriffe. Und gerade dies weckt dann oft tiefes Verständnis, bezogen auf den jeweiligen persönlichen Hintergrund. Um die Erfahrung zu vertiefen wurden die Teilnehmenden instruiert, die philosophischen Ideen des Textes mit persönlicher Lebenserfahrung zu verbinden. Das Ergebnis sollte ausgesprochen werden in einem kurzen Satz (precious speaking).
Wir schlossen die Sitzung ab mit einer graphischen Gemeinschaftsarbeit auf einem großen Blatt Papier, das für Alle zugänglich war. Wir nennen dies „Landkarte der Begriffe". Diese Skizze repräsentiert graphisch das Netzwerk der Ideen, die in unserer Kontemplation aufgetreten sind und konsolidiert bei den Teilnehmern die gemachte Erfahrung. Zum Ende der Sitzung können die Teilnehmer in der Gruppe ihnen wichtige Momente benennen.
Am Nachmittag dieses Tags leitete Stefania Giordano eine Sitzung ausgehend von Emmanuel Levinas' Essay Ethik als Erste Philosophie.
Levinas' Auffassung vom Anderen unterscheidet sich stark von der Sicht Bubers. Levinas stellt die ethische Verantwortung für den Anderen bzw. die Andere ins Zentrum: "Vor irgendeinem besonderen Gesichtsausdruck und unter allen besonderen Gesichtsausdrücken, die das Gesicht der Anderen bedecken und schützen, [...] liegt nacktes Elend [...] extreme Verwundbarkeit."21
Levinas und Buber behandeln Ich und Du in sehr unterschiedlicher Weise. Wir wählten dies mit Absicht aus, um Vielstimmigkeit philosophischer Positionen darzustellen und für uns nutzbar zu machen. In der Kontemplation wollen wir allerdings hinauskommen über Zustimmen oder Ablehnen. Wenn wir uns unterschiedliche philosophische Perspektiven zu eigen machen für die Dauer der jeweiligen Sitzung, dann erfahren wir verschiedene Weisen des Blicks auf die Welt. Deshalb verhelfen uns ja Ideen aus der Geschichte der Philosophie zu einem reichhaltigen und „vielstimmigen" Verständnis von uns selbst und unserer Welt.
Während des Rests unseres Treffens in Brando fuhren wir fort mit zwei Sitzungen, vormittags und nachmittags. Am Samstag war das Thema: Liebe.
Wir gingen aus von Texten des Spaniers Miguel de Unamuno (Tragic Sense of Life, dt. Das tragische Lebensgefühl) und des russischen Philosophen Wladimir Solowyow (The Meaning of Love, dt. Sinn der Liebe). Während Unamuno Liebe versteht als Mitleid für unsere Sterblichkeit und unser Elend, hält Solowyow Liebe für einen Weg, unsere Ich-Bezogenheit und Separiertheit zu überwinden in Richtung Integration mit einem anderen Menschen, ja mit der Menschheit.
Am Sonntag, dem letzten ganzen Tag der Auszeit war das Thema Denken. Am Morgen leitete ich eine Sitzung ausgehend von einem Text von Krishnamurti. Für ihn trennt Denken uns von der Gegenwart, denn Gedanken sind immer verbunden mit Vergangenheit. Am Nachmittag gingen wir aus von Text-Passage(n) des französischen Philosophen Gabriel Marcel, der den Charakter profunder, also tiefer Ideen zum Thema hat.
Ich will noch bemerken, dass wir auch zwei experimentelle Sitzungen hatten. In einer führte Mike Roth (der Übersetzer) die Gru...
Inhaltsverzeichnis
- Über das Buch
- Philosophiere !
- Motto
- Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Volkbert M. Roth
- 1. Ritiro: Michéle Zese
- 2. Praxis & Beratung: Regina Penner
- 3. Erfindung?: Ulrich Weisel
- 4. Unheil heilen?: Volkbert M. Roth
- 5. Zwei Gräber: Željana Tunić
- 6. Well-Being: Alexandra Bulatović
- 7. Seeing and Interpretation: Neil Horne
- 8. Absolutes Nichts: Dieter Metzing
- 9. Von der Praxis zur Theorie: Karl Dülli-Loher
- 10. SinnPraxis: Christine Mok-Wendt
- 11. Geistige Übung im Walde: Volkbert M. Roth
- 12. PhiloDrama: Roth, Zavala, Mok-Wendt, Schreiber
- Statt des Nachworts: Egon Hein
- Literaturverzeichnis
- Web-Links
- Namens- und Sachregister
- Weitere Informationen
- Impressum