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Soziale Netzwerke und sexuelle Gewalt
Facebook, WhatsApp, Instagram – das sind nur drei Beispiele von Online-Communities, die Jugendliche nutzen. Auch die Jugendarbeit hat den Vorteil dieser Netzwerke längst erkannt und so gehört es mittlerweile meist zum Standard der Öffentlichkeitsarbeit die News des Verbandes zu posten, damit sie von den Mitgliedern „geliked“ werden können. Veranstaltungen und Konferenzen werden fast in Echtzeit über die sozialen Netzwerke kommentiert, damit auch die „Daheimgebliebenen“ so gut wie nichts verpassen.
Soziale Netzwerke haben viele Vorteile. Es gibt jedoch auch Risiken. Beides soll in diesem Artikel kritisch beleuchtet werden.
Gegliedert ist dieser Beitrag in drei Hauptteile. Zunächst wird der Begriff Social Networking Services definiert und anschließend die Frage erörtert, wie häufig und wozu Kinder und Jugendliche Online-Communities nutzen. Die Frage nach dem Zusammenhang von sexueller Gewalt und den „neuen“ Medien rundet das Kompaktwissen ab.
Nach einer kurzen Zusammenfassung werden die Herausforderungen für Mitarbeiter*innen der Jugendarbeit erörtert. Was gilt es zu tun bzw. zu vermitteln? Welche Ansätze der Prävention sind denkbar?
Der Beitrag schließt ab mit konkreten Ideen für die Praxis der Jugendarbeit und möchte so den Mitarbeiter*innen Grundlageninformationen zum Thema und Impulse für die Praxis bieten.
Kompaktwissen
Social Networking Service/soziale Netzwerke/Online-Communities – eine Definition
Unter Social Networking Services (SNS), auch soziale Netzwerke oder Online-Communities genannt, werden webbasierte Plattformen verstanden.
Sie bieten Nutzer*innen die Möglichkeit, eigene Profile anzulegen, mit Anderen Kontakt aufzunehmen und je nach persönlichen Voreinstellungen auf der Plattform Meinungen, Neuigkeiten, Nachrichten, Fotos usw. auszutauschen.95
Soziale Netzwerke sind also so etwas wie Online-Kontaktbörsen, auf denen die Nutzer*innen Informationen über ihr Leben mit anderen teilen und sich austauschen können. Je nach Nutzungsverhalten der Kinder und Jugendlichen stellen sie virtuelle Lebensräume dar, in denen sich die Mädchen und Jungen wie selbstverständlich bewegen.
Nutzung von Online-Communities durch Jugendliche
Der medienpädagogische Forschungsverbund Südwest veröffentlicht jährlich Basisuntersuchungen zum Medienumgang von Kindern und Jugendlichen (JIM-Studie). Diese Studien bieten empirisch gut belegte Daten über das tatsächliche Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen.
Die Nutzung von Medien spielt im Alltag von Jugendlichen eine beachtliche Rolle. „Praktisch jeder Zwölf- bis 19jährige besitzt ein eigenes Handy (98 %), bei 92 Prozent handelt es sich um ein Smartphone. Neun von zehn Jugendlichen können vom eigenen Zimmer aus mit einem Tablet, Laptop oder Computer ins Internet gehen.“96
Die Handy- und Internetnutzung zählt zum festen Alltagsrepertoire der Jugendlichen. „Neun von zehn Jugendlichen nutzen ihr Mobiltelefon täglich. Auf Platz zwei folgt das Internet, dessen Dienste vier Fünftel täglich in Anspruch nehmen“.97
Auch mit Blick auf die subjektive Wichtigkeit der Medien gilt festzuhalten, dass heute Jugendliche die Nutzung des Internets als wichtigste Tätigkeit einschätzen. 2013 wurde dagegen noch Musikhören als wichtigste Medientätigkeit genannt.98
Aber welche Anwendungen und Dienste nutzen Jugendliche, um im Internet zu kommunizieren? Oder noch genauer gefragt, wie oft beteiligen sie sich an sozialen Netzwerken?
„Hier liegt WhatsApp in der täglichen Nutzung mit 85 Prozent uneinholbar vorne, Online-Communities allgemein (39 %) bzw. Facebook (38 %) folgen mit weitem Abstand. Jeweils knapp ein Viertel der Jugendlichen verschickt oder empfängt täglich E-Mails (23 %).“99 Die Nutzung von Online-Communities steigt im Altersverlauf. Auch wenn ein Rückgang bei der regelmäßigen Nutzung erkennbar ist, so sind dennoch fast drei Viertel der jugendlichen Internet-Nutzer*innen in einer Online-Community aktiv.100 Es ist also nicht nur ein Gerücht, sondern eine empirisch belegte Tatsache: Kinder und Jugendliche verbringen viel Zeit in Online-Communities. Facebook und Co. stellen somit wichtige Sozialräume für Mädchen und Jungen dar.
Warum nutzen Jugendliche soziale Netzwerke?
Wenn Mädchen und Jungen offensichtlich so viel Zeit in Online-Communities verbringen, ist die Frage naheliegend, warum sie das tun und wie sie diese für sich nutzen.
„Zu den am häufigsten ausgeübten Tätigkeiten innerhalb der Community zählt das Verschicken von Nachrichten (täglich/mehrmals pro Woche 85 %). Es folgen mit Abstand das Chatten innerhalb der Community (65 %) und das sogenannte „liken“ (64 %), mit dem die Nutzer*innen zum Ausdruck bringen, dass ihnen eine Nachricht, eine Meinung, ein Bild oder ein Video in einem sozialen Netzwerk gefällt.“101 Die Suche nach neuen Kontakten spielt mit 26 % ebenfalls eine bedeutsame Rolle.
Aus entwicklungspsychologischer Sicht können soziale Netzwerke Jugendliche insbesondere bei zwei Herausforderungen auf dem Weg zum Erwachsenwerden unterstützen: Die Entwicklung einer persönlichen Identität ebenso wie der Aufbau von persönlichen Beziehungen sind beides Grundaufgaben der Adoleszenz. Online-Communities wie Facebook bieten Jugendlichen durch die Erstellung eines eigenen Profils die Möglichkeit verschiedene Identitätsmodelle für eine bestimmte Zeit auszuprobieren, auf ihre Stimmigkeit zu überprüfen und von einer Vielzahl mehr oder weniger bekannter Menschen eine Reaktion bzw. eine Rückmeldung zu erhalten. Dies kann den Jugendlichen bei der eigenen Identitätsverortung helfen.102
Auch bei einer weiteren großen Aufgabe der Pubertät, dem Aufbau von ersten partnerschaftlichen Beziehungen, bieten Online-Communities Unterstützung. Durch die Zwischenschaltung der Online-Plattform scheint es vielen Jugendlichen leichter zu fallen andere Personen zu kontaktieren (siehe Zahlen in Bezug auf Chatten und Versenden von Nachrichten). Nervosität und Unsicherheit fallen nicht direkt auf und die Kommunikation im Chat lässt den Jugendlichen mehr Zeit, ihre Antworten ausgefeilter zu gestalten. Das Chatten innerhalb der Community ersetzt nicht den persönlichen Kontakt, kann jedoch erste Befangenheiten nehmen.103
Die Selbstpräsentation spielt also bei der Nutzung von sozialen Netzwerken eine gewichtige Rolle. Es geht um eine (körperliche) Inszenierung über gezieltes Posing, spezielle Kameraperspektiven etc. der eigenen Person, die Pflege von Beziehungen, das Knüpfen neuer Kontakte und die Suche nach Anerkennung. Dabei sind manchmal auch sexuelle Konnotationen eine Folge im Ringen um Aufmerksamkeit (z. B. laszive Blicke oder freizügige Bekleidung).104
Zu welchem Zweck nutzen Jugendliche soziale Netzwerke noch? Neben der Selbstpräsentation scheint auch die Fremdpräsentation eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen. Jugendliche markieren ihre Freunde auf Fotos oder in Beiträgen und veröffentlichen so auch Informationen über andere. Dabei gibt es offensichtlich in Peergroups und Freundschaftsverbänden informelle Spielregeln, was von anderen gezeigt bzw. veröffentlicht werden darf und was nicht.105
Sogenanntes „Sexting“ spielt beim Versenden von Nachrichten eine erhebliche Rolle. „Was ursprünglich als Austausch erotischer Textnachrichten begann, entwickelte sich – nicht zuletzt durch die einfache Handhabung des Versendens von Bildern – hin zu einem Versand eigener erotischer oder aufreizender Bilder […]. Meist geschieht dies zunächst einvernehmlich und vertraulich im Rahmen einer Beziehung. Allerdings besteht auch hier die Gefahr, dass diese Bilder weitergegeben werden können und sich rasch verbreiten. Bei intimen Bildern kann ein solcher Vertrauensmissbrauch eine starke Beeinträchtigung bedeuten. Das der Versand solcher Bilder durchaus üblich ist, zeigt sich daran, dass jeder vierte Jugendliche bestätigen kann, dass solche Bilder im Freundes- und Bekanntenkreis verschickt wurden.“106
Ohne dass dies den Jugendlichen in der Regel bewusst ist, kann sich hierbei oft ein Straftatbestand in Bezug auf geltendes Sexualstrafrecht ergeben. Die Verbreitung bzw. die Weiterleitung von pornografischem Material an Jugendliche unter 18 Jahren ist strafbar. Ab dem Alter von 14 Jahren sind Jugendliche strafmündig und können für diese Taten belangt werden. Außerdem werden die Persönlichkeitsrechte der fotografierten Person missachtet, was ein weiteres Delikt (§ 22 KunstUrhG)107 darstellt. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass die Nutzung von sozialen Netzwerken für Jugendliche viele Chancen, aber auch einige Risiken beinhaltet.
Sicherheit und Datenschutz in sozialen Netzwerken
In Bezug auf Jugendliche kann festgehalten werden, dass die intensive öffentliche Debatte des Themas offenbar Früchte getragen hat. „Es zeigt sich, dass der Großteil der Informationen „nur“ für alle Freunde in der Community einsehbar ist und damit in der Wahrnehmung der Jugendlichen ausreichend geschützt ist.“108 Bei einer durchschnittlichen Anzahl von 270 „Freunden“ ist der Höhepunkt der Umfragewerte erreicht. Was zunächst so positiv klingt, gilt es dennoch auch auf dem Hintergrund der Datenschutzdiskussion kritisch zu beleuchten: Wie privat sind Informationen, wenn sie mit 270 anderen Personen geteilt werden?109
Es bleibt daher eine spannende Herausforderung, die Diskussion um Datenschutz und Sicherheit weiter kritisch zu begleiten, um Kindern und Jugendlichen eine Orientierungshilfe zu geben und ihre Handlungskompetenz zu stärken.
Tatort Internet – Sexuelle Gewalt in den „neuen“ Medien
Nationale und internationale Studien zeigen, dass die Nutzung von Online-Communities nicht immer unproblematisch ist. Die virtuellen Treffpunkte...