EINE NOTWENDIGE LEKTION
„SIEHE, ICH KOMME WIE EIN DIEB” (OFFB.16,15)
„Und Joseph gebot dem, der über sein Haus war, und sprach: Fülle die Säcke der Männer mit Speise, so viel sie tragen können, und lege das Geld eines jeden oben in seinen Sack. Und meinen Kelch, den silbernen Kelch, sollst du oben in den Sack des Jüngsten legen mit dem Gelde für sein Getreide. Als der Morgen anbrach, da wurden die Männer entlassen, sie und ihre Esel“.
Die vollen Säcke, die sie kaum tragen konnten, das Geld oben in den Säcken, aber auch was sie nicht ahnen konnten, der Kelch Josephs im Sacke Benjamins als Pfand. Alles dieses geschah ebenso nach dem Willen und der Weisheit Gottes, wie auch Jesus mit uns handeln oder handeln lassen wird. Nach allem, was wir vom HErrn empfangen haben, was wir in Seinem Hause und an Seinem Tische genossen haben, indem wir in Ihm in allem reich gemacht worden sind, wie wir bekennen, so sollte Er auch von uns erwarten können, daß wir Ihn in dem Charakter der Offenbarung erkennen. Unsererseits war kein Gedanke daran, es hier mit demselben Jesus zu tun zu haben, wie wir Ihn, der voller Gnade und Wahrheit ist, und Seine Herrlichkeit in dem Evangelium nach Johannes anschauen (Joh.1,14; 1.Joh.1,1-4). Es ist unbegreiflich, daß wir uns und unsere Väter von dieser prachtvollen Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater wieder umgewandt haben. Die Segnungen Seines Reiches, welche die Propheten verheißen haben, haben wir auf die Zukunft Israels fleischlich gedeutet und uns seelisch daran berauscht. Es wird für alle Brüder eine Ernüchterung und Überführung durch den Geist notwendig sein, besonders für Benjamin.
Denn Benjaminiter sind so arglos; als Schoßkind beim Vater hat er sich nie mit der Realität des Lebens auseinander setzen müssen, auch nicht setzen wollen. Was ihm bei allen Vorzügen fehlt, und das ist das Entscheidende: die Gottesfurcht. Er ruht so völlig in der Liebe des Vaters, dass ihn nichts beunruhigen kann, niemand vermag ihn „aus der Hand des Vaters zu rauben“ (Joh.10,28-30).
„Da sprach Joseph zu dem, der über sein Haus war: Mache dich auf und jage den Männern nach, und hast du sie erreicht, so sprich zu ihnen: Warum habt ihr Böses für Gutes vergolten? Ist es nicht der, aus welchem mein Herr trinkt und aus dem er zu wahrsagen pflegt? Ihr habt übel getan, was ihr getan habt!“
Der treue Geist des Hauses Josephs ist der Geist der Weissagung, der „silberne Kelch“ ist das prophetische Wort, „aus dem mein Herr zu wahrsagen (oder weissagen) pflegt“. Wahrsagen heißt sagen was wahr ist. Ein Christ soll allerdings nicht zu Wahrsagern gehen, das ist okkult. Die Propheten sagen die Wahrheit, durch die Offenbarung sagt der Geist uns die Wahrheit, die wir nicht gerne hören aber frei macht. Dabei haben wir unsere „Säcke“ bis obenan gefüllt mit guter Erkenntnis, so dass wir unterscheiden können, was die biblischen Wahrheiten sind und was fremde Lehre ist. Wenn auch vieles von anderen abgeschrieben wurde, so ist das doch nicht gestohlen, kein Plagiat wie bei wissenschaftlichen Arbeiten, wenn die Quelle nicht angegeben wurde. Aber man kann eben auch unbewusst Falsches übernehmen, wie das bei den zahlreichen Auslegungen der Offenbarung der Fall ist. Wer prüft da schon nach? Ich bin froh, dass ich nur eine Auslegung kannte, und die befriedigte mich nicht, weshalb ich ganz von vorne anfing. Ich sagte mir, ich habe noch die Schrift, auch der Geist, der in alle Wahrheit leitet, ist noch da, und der HErr lebt noch, Der mir Seine Gedanken zeigen kann. Um sicher zu gehen, ließ ich meine Schriften immer wieder prüfen, aber niemand widerlegte sie. Im Gegenteil, „nicht bestellt und trotzdem mit Interesse gelesen: Ihr Siegener Gemeindebrief 8/97 ’wer ist der Antichrist?’ Ich stimme Ihnen zu, der Antichrist ist da und in vielfältiger Form am Werk ...“. Das schreibt ein Katholik.
„Warum redet mein Herr solche Worte? Fern sei es von deinen Knechten, eine solche Sache zu tun ... wie sollten wir aus dem Hause deines Herrn Silber oder Gold stehlen? Bei welchem von deinen Knechten der Kelch gefunden wird, der sterbe; und dazu wollen wir meines Herrn Knechte sein“. Ein hartes Urteil über sich selbst und den mutmaßlichen Täter. Diebe waren sie wahrhaftig nicht. Soviel Erziehung hatten sie genossen, dass man sich nicht an fremdem Eigentum vergreift. Dass man etwas unbewusst mitgehen lässt, ist auch nicht möglich. Und doch ist bei einem der Brüder Diebesgut im Sack, und das ist nicht nur ein Irrtum, sondern bewust kirchenfremdes Lehrgut. Auf die falsche Prophetie sind fast alle Evangelikalen seit der Staatsgründung Israels hereingefallen und damit auf den imaginären Antichrist, der sich in den noch zu erbauenden Tempel setzen soll. Den Vorwurf der Unredlichkeit müssen die Brüder sich vom HErrn gefallen lassen. Auch ihre Deutungen im Buche Daniel sind unredlich. Man will die Glaubwürdigkeit der Bibel mit den vier Weltreichen der Antike beweisen, und das kann man auch. Aus den Geschichtsbüchern weiß man, von wann bis wann sie bestanden haben. Aber der Stein vom Berge Gottes, der das Bild und alle Werte und Unwerte zerstören soll, kommt scheinbar erst im „tausendjährigen Reich“, also mehr als 2000 Jahre später. Diese Luftsprünge taugen nicht, um die Welt zu überzeugen. Er ist doch mit dem Kreuz und der Auferstehung längst gekommen und füllte mit dem Ende des römischen Reiches die ganze damalige Erde und auch das christliche Abendland.
Es soll nun nachgeforscht werden, wer der Urheber der falschen Israelprophetie ist, wer das Silber und Gold der Verheißungen in den Propheten zweckentfremdet hat. Das Öffnen der Säcke ist die Bereitschaft, die eigene oder übernommene prophetische Sicht prüfen zu lassen. Der HErr sieht in Seiner Offenbarung von einer moralischen Prüfung ab, denn in Seinem Lichte ist keiner von uns würdig. Wir sollen nur einmal durch den Geist eine Untersuchung zulassen, wer hier prophetisch irrt und worin der Irrtum besteht. Am besten ist die Selbstprüfung, „prüfet euch selbst, ob ihr im Glauben seid; untersuchet euch selbst“ (2.Kor.13,5). Bisher war ein Gespräch über endzeitliche Dinge meist in Streit und Polemik ausgeartet und dringende Fragen blieben einfach ungeklärt, klaren Deutungen dieser oder jener Schriftstelle wurde einfach ausgewichen. Diese Art, mit den heiligen Schriften der Propheten umzugehen, können wir uns heute nicht mehr erlauben. Die Zeit ist zu ernst, um in Ungewißheit über die Zukunft Jesu zu sein, andererseits drängt der HErr auf eine Aufklärung. Als ersten Tatbestand und fundamentalen Irrtum kann man die Vorstellung von einem tausendjährigen Reich bezeichnen, in dem Christus regieren soll und wir mit Ihm herrschen würden.
Von allen Seiten werden Stimmen laut, und ganz unabhängig voneinander werden Untersuchungen angestellt, die die herrschende chiliastische Prophetie in Frage stellen. Eine kirchengeschichtliche Analyse weist mit wissenschaftlicher Genauigkeit nach, daß die Idee von einem Millenium jüdischen Ursprungs ist, also dem Talmud entstammt und nicht der Lehre der Apostel. Der Chiliasmus (der Glaube an ein kommendes irdisches Reich) ist schon in frühchristlicher Zeit von Männern des Geistes als spätjüdisches Element bekämpft worden. Als Urheber des Chiliasmus wird Cerinth betrachtet, den noch der greise Apostel Johannes als Feind der Wahrheit bezeichnet haben soll.
Mit dem Kirchenvater Origenes (3.Jahrh.) setzte in der Kirche ein Kampf gegen den Chiliasmus ein. Augustinus, das große evangelische Licht des Westens, lehnte die Idee von einem irdischen tausendjährigen Reich in der Zukunft ab, weil sie nicht dem Sinn der Offenbarung Johannes entspreche. Das tausendjährige Reich habe vielmehr schon längst begonnen! Die „Kirche sei das Reich Christi“ behauptete er und versetzte damit dem Chiliasmus einen fast tödlichen Schlag.
Kirche und Reich sind zwar verschiedene Begriffe, ebenso wie Leib und Weib Christi im Epheserbrief, deckten sich aber personal in den ersten Tagen des Christentums, was heute nicht mehr sichtbar ist. Kirche und Kirche sind nach unserem Verständnis nicht einmal mehr dasselbe, wobei der abtrünnige Teil Babylon zugeordnet wird. Die Offenbarung klärt den Reichsbegriff neu, und nicht nur, was das Reich Christi ist, sondern auch das Volk Gottes, Israel, die Stadt Gottes, Jerusalem, und den Tempel, Christus, das Lamm und alle geistlichen Dinge. Obwohl Luther nichts mit dem Buche der Offenbarung anzufangen wußte, hat er allein vom Evangelium her Klarheit darüber gehabt, dass das Reich Gottes kein Reich von dieser Welt ist und sein wird.
Erst mit der Aufklärungsphilosophie des 18. Jahrhunderts lebte der Gedanke an ein tausendjähriges Friedensreich wieder auf, wenn auch nicht in der sinnlichen Auffassung Cerinths, aber immer noch allein für die Christen. Im Rausch des Rationalismus, vor allem des aufstrebenden Zionismus im 19. Jahrhundert glaubte man, Gott würde mit Israel wieder anknüpfen. Daraus entstand eine Gemeindebewegung in England, die auch in Deutschland und der Schweiz Fuß fasste, die das Reich nicht in der Gemeinde unterbringen konnte und ordnete es den Juden zu. Diese Reichssicht hat sich in allen Brüder- und Gemeinschaftskreisen verbreitet, sie gehört mittlerweile weltweit zur Rechtgläubigkeit, obwohl sie einer alt-bündischen Denkweise entstammt.
„Endzeitler deuten das Alte Testament und das Neue Testament von antichristlichen Vorgaben her“, sagt Kurt Klumbis. Er analysiert die herrschende Endzeitprophetie im Lichte des Kreuzes: „Die unsere Weltzeit betreffende unbiblisch überladene Apokalyptik ist jüdisch — im Unglauben gegen Jesus. Während die alte jüdische Apokalyptik bis heute rein jüdisch geblieben ist, ging christlicherseits der evangelikale Teil eine Fusion mit talmudischen Gedanken ein und ergibt jetzt einen Mischmasch, wie es einen solchen in 1800 Jahren Kirchengeschichte vorher nie gegeben hatte. Der Grund: Man begnügte sich nicht mehr mit dem Evangelium vom Gekreuzigten.“ (Geisteskampf um Israel, S.67). Der Judaismus war stets eine Gefahr für das Christentum, sowohl bezüglich der Wiedereinführung des Gesetzes als auch der fleischlichen Deutung der Propheten auf die Zukunft Israels, die keine Deutung ist, sondern Buchstabenglaube. „Aber wenn auch wir oder ein Engel aus dem Himmel euch etwas als Evangelium verkündigte außer dem, was wir euch als Evangelium verkündigt haben: er sei verflucht!“ (Gal.1,8).
Die verschiedenen Endzeitsysteme, die heute kursieren und von denen es mehr als ein paar Dutzend gibt, wollen den alten Bund modifizieren. Es ist sinnlos, sie alle zu prüfen, da sie von vorneherein dem Neuen Bunde widersprechen und auch einander widersprechen. Es ist besser, die utopisch-spekulativen Endzeitbücher wegzuwerfen und den Herrn, den Geist, ganz neu um Klarheit zu bitten. Wir müssen uns auch ernstlich fragen, welchen Geist wir empfangen haben. Denn die altbündisch-jüdische Prophetie entspringt dem Geist der Welt. Mit der Politik kann man die biblische Prophetie nicht deuten. Denn die Menschen, die das betreffen soll, sind gestorben oder noch nicht geboren. Wem soll die Brüder-Prophetie denn nützen, sie verhindert sogar jeglichen Bezug zu den Lebenden. Dahinter steckt ein Rachegeist, ein weltliches Macht- und Herrschgelüst, das die Feinde des Christentums mit Gewalt niederwerfen will, und dafür soll Christus dienen, der lieber für Seine Feinde starb und dadurch sie überwand. Noch immer ist Er das Lamm, und in dieser Natur überwindet Er und wir mit Ihm die ganze Macht und Gewalt des Tieres und seiner Vasallen (Offb.17,14).
Der Geist des alten Bundes ist im Neuen Bunde gefährlich, weil er hier gegen die Heiligen ist. Der Kampf im Alten Testament war gegen die Feinde Gottes und Seines Volkes nach dem Fleische, weshalb die Juden glaubten, in demselben Geiste Paulus verfolgen zu können. Dieser Geist, der auch die Endzeitpropheten bewußt oder unbewußt beseelt, ist gewalttätig und freut sich über Erfolge, die mit Gewalt ausgetragen werden. Die falsche Prophetie ist eher Nahrung für einen gereizten Geist, als dass sie die Lammesnatur hervorbringen könnte. Das was in gewissen Gemeinden in den letzten Jahrzehnten geschehen ist, die inneren Kriege und Streitigkeiten und die ungerechte und gewalttätige Behandlung von Brüdern, wäre nicht geschehen, wenn es diese, dem Geiste des Evangeliums widersprechende Prophetie, nicht gäbe. Es ist das Schlimmste von seiten derer zu befürchten, die sich nicht von besseren Dingen überzeugen lassen. Ich beschwöre die Brüder, der fleischlichen Prophetie nicht länger zu huldigen, sondern sie ans Kreuz zu heften, wohin sie gehört, denn wir schlagen uns mit ihr nur selbst ins Gesicht und werden bei der Welt immer unglaubwürdiger.
Das Zeugnis Gottes ist größer als das Zeugnis der Menschen. „Und dies ist das Zeugnis: daß Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohne“ (1.Joh.5,11). Darin liegt der Sieg und die Zukunft für uns und die ganze Welt. Die Zeugnisse der Schrift über das Reich Christi und Gottes sind klar und eindeutig: „Das Reich Gottes kommt nicht so, daß man es beobachten könnte; noch wird man sagen: Siehe hier! oder: siehe dort! denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Luk.17,20-21). „Es sei denn daß jemand von neuem (von oben her) geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen ... noch darin eingehen“ (Joh.3,3-8); denn „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben“ (1 Kor.15,30); „denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geiste“ (Röm.14,17). „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft“ (Joh. 18, 36). Wann kommt nun das Reich Gottes? „Das Reich der Welt unseres HErrn und seines Christus ist gekommen, und er wird herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Offb.11,15). Und „kein Hurer oder Unreiner oder Habsüchtiger hat ein Erbteil in dem Reiche Christi und Gottes“ (Eph.5,5).
Die Welt und alle Gesetzlosen sind also von diesem Reich gänzlich ausgeschlossen bzw. werden in der Vollendung des Zeitalters wie das Unkraut in den Feuerofen geworden (Matth.13,36-43). Das Reich ist ausschließlich für die Wiedergeborenen bestimmt und zugänglich, der natürliche Mensch hat dort keinen Platz, er kann es nicht einmal erkennen. In diesem Reich herrscht Christus als König, wie Joseph in Ägypten und Salomon in Jerusalem, wovon alle Propheten, „von Samuel an und der Reihe nach, so viele ihrer geredet haben“, zeugen (Apg.3,24; 15,16-18). Worauf wir warten ist, dass dieses Reich wieder geoffenbart und verkündigt werde und die Menschen ergreife, vor allem aber, dass wir selbst von ihm ergriffen sind. Wir sind bereits in diesem Reich, ja wie die Brüder Josephs ihm ganz nahe gekommen sind, aber ihn nicht erkennen. Da muss noch etwas passieren, ehe Er sich uns offenbaren kann.
WAS HABT IHR DA GETAN?
Wir kommen nicht umhin, uns einer Überführung zu stellen, wenn wir uns nicht dem Verdacht der Unaufrichtigkeit und Oberflächlichkeit aussetzen wollen. Für die Jüngeren dürfte eine Selbstkorrektur noch leichter sein, aber die Älteren, die in der Endzeitprophetie so eingefahren und festgefahren sind, werden sich nur gezwungenermaßen einer Hinterfragung stellen. Dafür ist der Schreiber selbst ein Beispiel. Nur durch eine gründliche Ernüchterung vom HErrn war er bereit, den Geist der Wahrheit einmal bei der von ihm im blinden Eifer vertretenen von den Vätern überlieferten eitlen Israelprophetie leuchten zu lassen. Ich kann jedem Bruder nur raten, es ebenso wie die Brüder Josephs zu tun und sich einmal bereitwillig in der Furcht vor dem Wort Gottes die Wahrheit anzuhören. „Auf diesen will ich blicken: auf den Elenden und den, der zerschlagenen Geistes ist, und der da zittert vor meinem Worte“ (Jes.66,2). Joseph hält Benjamin zugute, dass er nicht bewusst der Dieb war, sondern ein Träumer. Der Verdächtigte spricht kein Wort in der ganzen Szene.
Nicht alle Brüder glauben sämtliche existierenden falschen Anschauungen, weil sie vernünftige Gründe dagegen erkannt haben. Manche sind inzwischen auch wieder von dem „irdischen Israel“ abgerückt, und etlichen ist auch klar geworden, daß die Computerdeutung der Zahl des Tieres bloß Panikmache ist. Wieder andere sind durch traurige Erfahrungen überzeugt worden, daß der Antichrist in dem Tempel der Gemeinde sitzt, womit sie ganz richtig liegen. Der irregeleiteten Masse aber bangt vor dem kommenden Weltherrscher, und einige wollen ihn schon in diesem oder jenem Wunderknaben erkannt haben, letztlich muß immer der Papst dafür herhalten. Die meisten Brüder haben infolge der verwirrenden vielen Auslegungen der Offenbarung keine feste Überzeugung über die endzeitlichen Dinge, was jetzt ihr Vorteil ist. Es kann sich glücklich schätzen, wer von der ganzen falschen Prophetie unberührt geblieben ist.
„Und der Kelch fand sich im Sacke Benjamins“. Benjamin ist erschüttert, wer sollte das getan haben? Vielleicht Dan? Jakob sagt von ihm, „er wird eine Schlange am Wege sein, sie beißt in die Versen des Rosses, und rücklings fällt sein Reiter“ (1.Mo.49,17). Den kleinen Benjamin mal so richtig reinzulegen, wäre ihm zuzutrauen. Nur, dass es so ernst ausging, hat er keinesfalls gewollt. Welche Blamage vor den Brüdern. Das hätten sie von Benjamin nicht gedacht, er, der immer so korrekt war und fromm tat, als sei er der Liebling des Vater, ist entlarvt. Der Heuchler. Vielleicht hat er gestern abend im Rausch den Becher verschwinden lassen und dann heimlich in seinen Sack gesteckt. Es fällt auf, dass er sich nicht rechtfertigt, er hätte doch beteuern können, ich war es nicht, ich bin unschuldig, hier muss mir einer einen Streich gespielt haben.
Armer Benjamin, Sohn Israels von Philadelphia, was ist dir gestohlen worden oder was hast du gestohlen. Was hat deinen Blick getrübt, die Hoffnung der Herrlichkeit, das ist: Christus in euch (Kol.1,27), nicht in den Propheten und der Offenbarung zu sehen? Benjamin, der Sack deiner großen Erkenntnis enthält einen verhängnisvollen Irrtum, und du ahnst es nicht einmal? „Du weißt nicht, daß du der Elende und Jämmerliche und arm und blind und bloß bist“ (Offb.3,17).
Der Kelch gehörte nicht in den Sack Judas, der sich nie mit dem prophetischen Wort befasst hat; er gehörte auch nicht in den Sack Rubens, der zugibt, dass er vieles in der Offenbarung nicht versteht. Joseph hat schon den richtigen Stamm gewählt, denn Benjamin meint, die ganze Schrift auslegen zu könnten, explizit Daniel und die Offenbarung bis auf die letzte Posaune und das Ende, nichts ist ihm verborgen, nichts dunkel für ihn.
Was der HErr den Brüdern aus Benjamin zur Last legt, ist wirklich Diebstahl, Diebstahl am Worte Gottes. Denn nichts anderes ist die völlige Entfremdung der prophetischen Schriften, die eigentlich der Gemeinde gehören. Gerade die Benjaminbrüder leugnen absolut, dass in den Propheten die Gemeinde zu finden sei. Doch in keinem Teil der Schrift ist in solcher Fülle und Klarheit von der Gemeinde die Rede als in den großen und kleinen Propheten, und zwar als das Jerusalem droben.
Niemand hat daran gedacht, daß der HErr aus dem Kelch der Propheten zu „wahrsagen“ pflegte, und die Apostel und die ersen Christen haben reichlich daraus getrunken. Gott hat stets durch Seine Propheten Seinem Volke die Wahrheit gesagt, zuletzt durch den Sohn, Der Sich ausdrücklich zur Erfüllung derselben bekannt hat. Er war gekommen, um alles zu erfüllen (Matth.5,17), sowohl das Gesetz als auch die Verheißungen der Propheten, die denen gegeben sind, welche glauben (Gal.3,22). Wir bedürfen wohl letztlich alle der Gnade und Barmherzigkeit des HErrn, aber Benjamin hat doppelte Gnade nötig. Er muß überführt werden, wie sehr er mit seinem ausgeklügelten, für den Laien kaum verständlichen geheimen Lehrsystem, der Offenbarung Jesu und somit der Offenbarung der Söhne Gottes im Wege steht bzw. gestanden hat. Aus den prophetischen Fehldeutungen sind...