Die Kleinen Delphin-Kunstbücher, ihr Verleger und ihre Buchgestalter
Die Kleinen Delphin-Kunstbücher sind rasch als Reihe erkennbar, sobald man mindestens zwei von ihnen zu Gesicht bekommen hat. Sie zeigen eine signifikante grafische, typografische und ikonografische Ästhetik, bilden aber eine Art von Buchreihe, die in Heftform recht unscheinbar daher kommt, einen durchaus verstaubten Eindruck macht und alt im Sinne von überholt erscheint. Ob sich die Reihe einen „richtigen“ Platz im Antiquariatshandel noch in Zukunft wird erkämpfen können, darf bezweifelt werden. Es gibt zu viele Exemplare und, vor allem, das Kunsterlebnis, welches die dünnen Bändchen mit ihren qualitativ schlechten Schwarz-Weiß-Abbildungen vermitteln, ist in keiner Weise mehr zeitgemäß.
Zu Beginn führte die Reihe den Namen Delphin Bücher, später hieß sie Delphin Kunstbücher und bald erschien sie unter dem endgültigen Namen Kleine Delphin-Kunstbücher. Ein letzter Prospekt der Kleinen Delphin-Kunstbücher enthält alle 36 jemals erschienenen Bände und ist kurz vor der Beendigung der Reihe gedruckt worden, oder vorsichtiger ausgedrückt: jedenfalls kurz nach dem Erscheinen des letzten Bandes. Sechs Folgen mit jeweils sechs Bändchen bilden die komplette Buchreihe, denn die beiden Bände 37 und 38 sind, als Beginn einer geplanten siebten Folge, nur noch angekündigt, aber nicht mehr realisiert worden (über die Maler Correggio und Teniers).
Laut den vorliegenden bibliothekswissenschaftlichen Informationen wurden die 36 Bändchen in den Jahren 1915 bis 1926 publiziert. Ihre Werbestrategie war auf Gefälligkeit und Breitenwirkung ausgerichtet: „Die hübschen Bändchen bringen jeweils 24 Bilder in guter Wiedergabe und geben nach einer knappen Einleitung glücklich ausgewählte Proben von Briefen oder auch poetischen oder gedanklichen Äußerungen der Meister.“
Prospekt der ganzen Reihe, wohl gegen ihren Abschluss 1926
Über diese auflagenstarke Reihe von „Kunstbüchern für das Volk“ ist wenig bekannt, was zu ihrem aus kunsthistorischer, aber auch buchverlags- und grafikgeschichtlicher Sicht scheinbar belanglosen Stellenwert und ihrer geringen Bedeutung im Metier der „Kunstbände“ durchaus passt.
Der abschließende Prospekt der Reihe wirbt unter anderem mit der Aussage: Auflage zwei Millionen. Das bedeutet, dass bei 36 Heften die Einzelhefte eine durchschnittliche Auflage von 55.000 Exemplaren erlebt haben. Da von bestimmten frühen Heften bekannt ist, dass sie auf jeden Fall das 70., mehrfach sogar das 100. Tausend erreicht haben, dürfte es bei anderen bei der verhältnismäßig geringen Anfangsauflage sein Bewenden gehabt haben. Diese reduzierte sich bei den letzten drei Folgen in der Regel zuerst auf 25.000, dann auf 15.000 und am Schluss auf 5.000 Exemplare.
Sechs Schuber eines zeitgenössischen Sammlers für die komplette Reihe aller 36 Hefte
Inwieweit die Reihe, rezeptionsgeschichtlich betrachtet, eine Breitenwirkung ausgeübt hat, wie dies die Auflagenzahlen nahe legen, darf vermutet werden, wird sich aber kaum noch mit Hilfe empirischer Befunde aufklären lassen. Sicherlich dokumentiert die Reihe eine verbreitete bildungsbürgerliche Wahrnehmung von Kunst und Kultur und den Umgang damit. Ob dieser im Lesen, Betrachten und Lernen bestand, bildet eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Zumindest ein Stück weit dürfte das Besitzen von Kunst in Gestalt des Besitzes von Kunstreproduktionen, einschließlich des zuvor erfolgten Kaufens und/oder Schenkens, statt des Betrachtens und Lernens eine zentrale Rolle gespielt haben (im Sinne des Sammelns als des eigentlich kulturbildenden Aktes). Dafür spricht auf jeden Fall die Eigenwerbung des Verlages, in welcher die Reihe als ein „Reclam der bildenden Kunst“ bezeichnet wurde, auch als „Kunstbibliothek“ und als „Kunstgeschichte in Einzeldarstellungen“.
Verlagsseitig mitverkaufte Schuber für jeweils eine Folge der Reihe: „reizvoller Geschenkkarton mit Buntpapierüberzug“
Dafür spricht auch, dass der Verlag immer wieder verschiedene kleine, mit farbig bemusterten Papierbezügen geschmückte Schuber heraus gab, die das systematische und vollständige Sammeln der Hefte erleichtern und dazu animieren sollten: „Jede Folge auch in reizvollem Geschenkkarton mit Buntpapierüberzug“, so die Werbung – der reproduzierte häusliche Kunstbesitz bürgerlicher Prägung als kultureller Wert, der gegenüber einer wie auch immer gearteten inhaltlichen und ästhetischen Kunstrezeption höher anzusiedeln ist. In bibliophiler Manier selbstgemachte Schuber und Mappen zur Aufnahme der „Sammlung“ verweisen auf noch weiter gehende Zufriedenheitsgefühle.
Schuber eines Sammlers, beim Buchbinder in Auftrag gegeben
In zwar auch kunsterzieherisch intendierte, mehr noch aber in enzyklopädische Richtung weist auch eine Rezension mit Werbecharakter aus der Zeit des Auslaufens der Reihe.
„Diese in Millionen von Exemplaren über ganz Deutschland verbreitete Sammlung ist eine allbekannte, stehende Sache geworden, wie das Reclamheft und die Inselbücherei. Eine Unsumme von Anregung, von Vertiefung des Geschmacks ist von ihnen im Laufe der Jahre ausgegangen.“
Bekannter wohl als die Kleinen Delphin-Kunstbücher ist heute die Buchreihe Deutsche Volkskunst. Sie erschien ab 1923 bis in die 1930er Jahre hinein, zeitlich direkt auf die kleine Kunstreihe folgend, ebenfalls im Delphin-Verlag in München. Auch konzeptionell schloss sie in vielerlei Hinsicht an die Kunstbücher an. Ohne hier auf Begrifflichkeiten wie Trivialkunst und, insbesondere, Massenkunst im Sinne von „Kunstreproduktion für viele Menschen“ näher einzugehen, können diese doch als eine Art verbindendes Element der beiden Buchreihen gesehen werden.
Die Bände der Deutschen Volkskunst haben von Seiten der Historiografie der Volkskunde, der „Werkbund“-Problematik und auch in der Geschichte der Ideologisierung des „guten Handwerks“ eine relativ ...