![]()
Band 1:
Grundgedanken
Die folgenden drei Kapitel wurden in einem früher
(1994/1995) geschriebenen Bändchen dargestellt, im Gesamtband sind
sie mit enthalten in dem Teil, der "Band 1" genannt
wird.
![]()
Elementare
Grundgedanken
Im folgenden sollen die Begriffe "Sein" und
"Möglichkeitenraum" definiert werden, so wie sie in diesem Buch
verwendet werden. Es ist klar, dass es auch andere
Verständnismöglichkeiten für diese Begriffe gibt, aber in diesem
Zusammenhang sollen sie wie folgt festgelegt werden.
Das absolute Sein
Das absolute Sein hat keinerlei Eigenschaften außer eben der,
dass es ist. Es besitzt keinen Raum und ist zeitlos. Man könnte es
sich behelfsmäßig als punktförmig klein vorstellen, wobei der Punkt
eben so unendlich klein ist, dass er keinerlei Ausdehnung besitzt.
Wir sind nicht in der Lage, uns ein solches absolutes Sein wirklich
vorzustellen, wir verknüpfen es automatisch mit irgendwelchen
weiteren Eigenschaften, unser Denken arbeitet mit der Vorstellung
von Eigenschaften, reines, pures Sein entzieht sich unserem
Denken.
Der absolute Möglichkeitenraum
Der absolute Möglichkeitenraum besitzt kein Sein. Über ihn
gibt es weder die Aussage: "er ist" noch das Gegenteil: "er ist
nicht". Auch hier versagt unser Denken, und wir müssen uns wieder
zu Hilfsformulierungen entschließen. Der absolute Möglichkeitenraum
beinhaltet alle Möglichkeiten überhaupt. Es gibt keine
ausgeschlossenen Möglichkeiten, er ist die absolute Fülle der
Möglichkeiten. Es gibt weder seiende noch nicht-seiende
Möglichkeiten, es gibt nur den Reichtum aller Möglichkeiten.
Die Vereinigung von Sein und Möglichkeitenraum
Die Welt, wie sie wir erkennen und denken können, ist ein
Ergebnis einer teilweisen Vereinigung von Sein und
Möglichkeitenraum: Das Sein gibt einzelnen, individuellen
Möglichkeiten den Zustand des Seienden oder eben Nichtseienden. Die
Welt wird polarisiert in diese zwei Zustandsweisen. Das Sein
bekommt dafür durch seine Ausdehnung in Möglichkeiten hinein
plötzlich Eigenschaften, es entsteht eine aus dem Möglichkeitenraum
erwachsende Fülle der Erscheinungsformen des Seins (bzw. des
Nichtseins), aus dem Einzigen, puren Sein wird unsere bunte,
vielfältige Welt.
Das Ausschließende des Seins
Überall, wo in unserer Welt etwas seiend wird, bedeutet
dieses gleichzeitig den Ausschluss unendlich vieler Möglichkeiten
für dieses Seiende. Oder anders formuliert: wenn etwas im Sein
individuelle Eigenschaften annimmt, so schließt es gleichzeitig
unendlich viel mehr Eigenschaften aus. Z.B.: etwas Blaues ist nicht
grün, nicht rot, nicht gelb (und auch nicht einer der unendlich
vielen Zwischentöne). Jede Seinseigenschaft hat ausschließenden
Charakter, jede Seinseigenschaft "zeugt" gleichzeitig unendlich
viele Nichtseinseigenschaften. So bietet Sein nicht nur
Möglichkeiten (wie wir gewohnt sind zu denken: z.B. mit einem Auto
können wir dies und jenes unternehmen), sondern es schließt auch
viele Möglichkeiten aus. (Mit dem Auto z.B. muss ich mich auf
Straßen bewegen, muss Benzin tanken können, einen Führerschein
besitzen usw.) Haben wir uns einmal entschlossen, z.B. eine Tür
blau zu streichen, so ist sie nach Durchführung dieses Vorhabens
eben blau, und sie bleibt es bis zu einem Neuanstrich. Im absoluten
Möglichkeitenraum dagegen sind alle möglichen Eigenschaften
nebeneinander aufgehoben, sie besitzen aber kein Sein. Man kann das
Hinzukommen des Seins zu einer Möglichkeit auch als Prozess
beschreiben, in dem Eigenschaftenfülle in Sein und Nichtsein, in
hat-diese-Eigenschaft und hat-diese-Eigenschaften-nicht unterteilt
wird, wobei die Nicht-Eigenschaften die seienden Eigenschaften bei
weitem übersteigen.
Hypothese eines Urprinzips
In diesem Buch wird die Hypothese aufgestellt, dass die Welt
sich (von unserer Wahrnehmung aus in der Zeit vorwärts) in einem
ständigen Prozess der zunehmenden Vereinigung von Sein und
Möglichkeitenraum befindet. Vor dem Urknall waren Sein und
Möglichkeitenraum getrennt, im Urknall hat die erste Berührung
stattgefunden, die eine gigantische Welle von Reaktionen auslöste
und noch heute auslöst. Ihr Ende könnte diese Entwicklung in einer
besonderen Art der Entropie, einer chaotischen Freiheit, finden.
Dieser Zustand maximaler Vereinigung von Sein und Möglichkeitenraum
wird später noch eingehender beschrieben werden (nur im
Gesamtbuch "Möglichkeitenraum").
Im Urknall muss der Übergang von einem eigenschaftslosen,
raum- und zeitlosen Sein zu einem anfangs fast noch punkthaften,
mit Eigenschaften ausgestatteten Sein vollzogen worden sein.
Gleichzeitig entstand komplementär dazu das seinlose Nichts
(oder heute, 2017, würde ich statt "Nichts" lieber "Leere"
sagen), das zumindest Eigenschaften in Negation besitzt: "es
ist nicht...". Man muss sich einmal die Dramatik dieses
Urgeschehens vor Augen führen. Zwei zuvor getrennte, völlig
verschiedene "Welten" treffen aufeinander und reagieren miteinander
und bringen so lebendig Neues hervor. Und wir stecken mitten drin
in diesem Prozess, sind ein Teil davon.
Gründe, die für dieses Urprinzip sprechen
Hier werden im Gesamtbuch angeführt: Urknall, Evolution
und menschliche Neugier, die Texte werden hier im Auszug nicht mit
übernommen.
![]()
Bildlich-symbolische
Veranschaulichung
Seinsmöglichkeiten
Alle Erscheinungen, die wir in unserer Welt mit unserem
Verstand erkennen können, sind Vereinigungen von Sein und
Möglichkeiten, sie werden in der Folge als "Seinsmöglichkeiten"
bezeichnet: sie besitzen Sein, d.h. sie sind und sie stellen eine
individuelle Möglichkeit dar. Diese Individualität wird den
Seinsmöglichkeiten durch das Sein verliehen, es gibt keine zwei
völlig identische Seins, die als "Zwei" erkennbar wären. Die
Variationsbreite andererseits verdanken die Seinsmöglichkeiten dem
Möglichkeitenraum, der ihnen unendlich viele
Variationsmöglichkeiten zur Verfügung stellt.
Seinsmöglichkeiten dargestellt als begrenzte
Ausdehnungen
Im Prinzip lassen sich alle Seinsmöglichkeiten als begrenzte
Ausdehnungen darstellen. Sie sind alle größer als ein
eigenschaftsloser Punkt, als reines Sein. Sie besitzen auf jeden
Fall im Hinblick auf zumindest eine Eigenschaft eine Ausdehnung,
z.B. räumlich oder zeitlich. Wäre nicht mindestens eine solche
Ausdehnung vorhanden, so wäre die Seinsmöglichkeit für uns nicht
erkennbar. Aber ebenso unerkennbar wäre für uns eine unendlich
große Ausdehnung. Wir brauchen die Begrenzung, um etwas als
individuelles Etwas erkennen und benennen zu können.
Die Begrenzung individualisiert, macht seiend. Die Ausdehnung
bietet in ihrer Variationsbreite die Möglichkeitenfülle. Jede
Seinsmöglichkeit kennt ein "Innen", d.h. ein Sein, das aber im
Gegensatz zum absoluten Sein Ausdehnung, d.h. inneren
Möglichkeitenraum, besitzt, und ein "Außen", d.h. es bewegt sich in
einem noch größeren äußeren Möglichkeitenraum, den es aber nicht
seiend umfasst.
Komplexität als Turbulenzen
Wenn man sich die Vereinigung von Sein und Möglichkeitenraum
als das Zusammenfließen zweier großer Flüsse vorstellt, so kann
man, im Bild bleibend, die Komplexität als Turbulenzen, die beim
Aufeinandertreffen entstehen, bezeichnen.
Am Anfang stünden die zwei getrennten Flüsse: Sein und
Möglichkeitenraum. Der Urknall wäre die Mündung, das
Zusammentreffen dieser beiden Flüsse. Der Endzustand, die Entropie,
wäre die gleichmäßige Vereinigung der beiden Flüsse, die zusammen
eine neue Einheit, einen neuen Fluss bilden.
Zwischen diesen beiden Zuständen, dem Moment des
Zusammentreffens und dem völlig vereinigten neuen Fluss, liegt eine
Phase mehr oder weniger heftiger Turbulenzen. In diesen Turbulenzen
geschieht die Vereinigung bis ins kleinste und bis ins winzigste
Detail. Es wird nicht nur eine bei beiden Flüssen unterschiedliche
Eigenschaft vermischt, sondern es werden alle in Frage kommenden
sich unterscheidenden Eigenschaften vermischt und zu einer neuen
Eigenschaft vereinigt. So wären dies bei zwei wirklichen Flüssen
z.B.: Fließgeschwindigkeit, Temperatur, Sandmitführung, Salzgehalt,
Sauerstoffgehalt, Wassermenge, Bewegungsrichtung usw. Diese
Eigenschaften durchmischen und vereinigen sich alle gleichzeitig
mit Hilfe der Turbulenzen. Vielleicht sind Turbulenzen der ideale
Weg, um ein oder mehr "Eigenschaftsströme" durch intensive
Kontaktzonenbildung zu vereinigen (wie eben auch beim Rühren eines
Teiges, dem Mixen eines Cocktails usw.).
…
Man kann Komplexität, im Gegensatz zum Chaos, auch als
geordnete, organisierte Vielfalt an Eigenschaften definieren.
(Chaos wäre demgegenüber ungeordnete, freie Vielfalt an
Eigenschaften.) Komplexität wäre dann die Turbulenz, die entsteht,
wenn das geordnete, einfache Sein mit dem ungeordneten,
vielfältigen Möglichkeitenraum zusammentrifft. Komplexität wäre
dann der schnellste Weg, Sein und Möglichkeitenraum auf allen
(Dimensions-) Ebenen zu vereinigen. Auf diesem Weg würde sich erst
eine Zunahme der Komplexität einstellen (wie die Turbulenzen bei
einer Flussmündung), diese würde immer mehr Ebenen ergreifen, um
schließlich, mit zunehmender Vereinigung zu verflachen und einer
neuen Qualität Platz zu machen (neuer Fluss, Entropie, Chaotische
Freiheit).
![]()
Ausblick: Die Notwendigkeit der schauenden Wahrnehmung des inneren Möglichkeitenraums
Die Notwendigkeit, den inneren Möglichkeitenraum wahrzunehmen
Wie wir gesehen haben, besteht alles, was wir wahrnehmen können (d.h. alle Seinsmöglichkeiten), aus Sein und Möglichkeitenraum, aus Begrenzung und Ausdehnung....