Umgeben von Hass und Mitgefühl
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Umgeben von Hass und Mitgefühl

Jüdische Autonomie in Polen nach der Schoah 1945-1949 und die Hintergründe ihres Scheiterns

  1. 227 Seiten
  2. German
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Umgeben von Hass und Mitgefühl

Jüdische Autonomie in Polen nach der Schoah 1945-1949 und die Hintergründe ihres Scheiterns

Über dieses Buch

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, von 1945 bis 1949, wurden im polnischen Niederschlesien neben umgesiedelten Polen auch Juden, Überlebende des Holocaust, gezielt angesiedelt. In der von den Deutschen weitgehend verlassenen Region entstand für kurze Zeit eine jüdische Autonomie mit eigener Selbstverwaltung, eigenen Parteien, eigenen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Strukturen und Jiddisch als Verkehrssprache. Der von Jakob Egit und seinen Mitstreitern konzipierte "jiddische Jischuv" sollte eine Alternative zum zionistischen Projekt der Ansiedlung von Juden in Palästina/Israel werden. Das von der neuen kommunistischen Staatsmacht Polens zunächst unterstützte Projekt war trotz aller Widrigkeiten sehr erfolgreich. Es scheiterte jedoch an der durch pogromartige antisemitische Ausschreitungen ausgelösten panikartigen Flucht von Juden aus Polen, an der stalinistischen Gleichschaltung der Gesellschaft, dem antisemitisch aufgeladenen polnischen Nationalismus sowie an der durch Stalin initiierten antisemitischen Welle im gesamten Ostblock. Die nach der Schoah verbliebenen kläglichen Überreste der Juden in Polen, wurden in mehreren Phasen teils aus dem Land gedrängt, teils brutal verjagt, die letzten 1968.Um die judenfeindlichen Geschehnisse in Polen nach dem Krieg verständlich zu machen, wird in dem Buch auch die antisemitische Stimmung in Vorkriegspolen sowie die widersprüchliche Haltung der polnischen Bevölkerung gegenüber der jüdischen Minderheit während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg beleuchtet. Tausende polnische Judenretter lebten während des Krieges in ständiger Angst, von ihren polnischen Nachbarn an die deutschen Besatzer verraten zu werden, was sowohl für die versteckten Juden als auch für ihre mitfühlenden Retter meist den sicheren Tod bedeutete. Und viele Polen äußerten nach dem Krieg ihre Dankbarkeit gegenüber den deutschen Besatzern dafür, dass sie in Polen, dessen Bevölkerung vor dem Krieg zu 10% aus Juden bestanden hat, das "jüdische Problem" gelöst haben. Von den über drei Millionen polnischen Juden waren nach der Shoah nur knapp 300.000 am Leben geblieben. Bis auf einige Tausend haben bis 1968 alle Juden Polen verlassen. Das Land war nun weitgehend "Judenrein".

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Jakob Egit wird zur unerwünschten Person

Ende 1949 wurde Egit in das Büro des ersten Sekretärs des niederschlesischen Wojewodschaftskomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR), Kazimierz Witaszewski, gerufen.425 In einem langen Gespräch warf Witaszewski Egit vor, in Niederschlesien eine nationalistische jüdische Siedlung aufbauen zu wollen und sich so zu verhalten, als würde er nicht in Polen, sondern in Israel leben. Die Partei könne ihn nicht länger in der Funktion des Vorsitzenden des Niederschlesischen Wojewodschaftskomitees der Juden dulden. Er forderte Egit auf, von dieser Position zurückzutreten.
Nun wusste es Egit endgültig: Das Konzept einer jüdischen Identität im sozialistischen Polen war gescheitert. Er war ein gebrochener Mensch. In Polen sah er für sich keine Perspektive. Ihm blieb nichts anderes übrig, als nach Israel zu emigrieren. Mit diesem Anliegen wandte er sich in Warschau an Jakob Berman426, ein jüdisches Mitglied des Politbüros der PZPR aus dem engsten Kreis des polnischen Präsidenten Bolesław Bierut. Doch die Partei lehnte Egits Emigrationsgesuch kategorisch ab. Die Begründung: Seine Ausreise würde international einen schlechten Eindruck machen. Nach seiner Rückkehr aus Warschau nach Wrocław wurde er schwer krank und verbrachte zwei Wochen im Krankenhaus.
Kurze Zeit nach der Genesung fungierte Egit zum letzten Mal als Vorsitzender einer Konferenz von Juden Niederschlesiens. Er nutzte die Gelegenheit, um sich von den Delegierten aller Städte und Kreise zu verabschieden. Die Stimmung war gedrückt. Alle Anwesenden begriffen, dass ihnen die kommende Zeit nichts Gutes bringen würde. Später erfuhr Egit, dass auch das Zentralkomitee der Juden in Polen ihn auf Druck der Staatssicherheit (UB) fallen gelassen hatte. Ihm wurde vorgeworfen, ein jüdischer Nationalist zu sein und Kontakte zu Zionisten im Ausland zu haben, was seine politische Zuverlässigkeit im sozialistischen Polen in Frage stelle.427
Nun plagten Egit Zukunftsängste. Er hatte eine Familie, war aber ohne Arbeit und durfte Polen nicht verlassen. Als Volksverräter, als der er den Machthabern nun galt, würde er in Polen nur zu Hilfsarbeiten zugelassen werden. Egits Unsicherheit über seine Zukunft beendete ein alter Freund, der Schriftsteller und Dichter Dr. Dawid Sfard. Er war Verleger im Verlagshaus Jiddish Buch in Warschau und bot ihm, auf Empfehlung des jüdischen Mitgliedes des Politbüros der PZPR Szymon Zachariasz an, Leiter des Verlages zu werden. Egit nahm die Position dankend an und zog 1950 mit seiner Familie von Wrocław nach Warschau. Erfolgreich leitete er das Verlagshaus, akquirierte im In- und Ausland Abonnenten für Periodika und hielt in vielen polnischen Städten Vorträge über jiddische Literatur. In dieser Funktion schien er aus der Schusslinie der Partei und des Sicherheitsapparates heraus zu sein.

Jakob Egit wird zum Staatsfeind erklärt

In seiner neuen Position als Leiter von Jiddish Buch konnte sich Jakob Egit nach Herzenslust der Leidenschaft für Literatur und jüdische Geschichte hingeben, was ihm zwar keine Macht, wohl aber das Gefühl eines erfüllten Lebens verschaffte. Die Staatsmacht und die Partei schienen an dem aus der Bahn geworfenen jüdischen Kommunisten Egit, mit seinem nun sehr begrenzten, unpolitischen Wirkungskreis das Interesse verloren zu haben. Störend für ihn war ohne Frage, dass es ihm unmöglich war, ins westliche Ausland zu reisen, um Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Diese Einschränkung betraf aber nicht nur ihn, sondern die ganze polnische Gesellschaft und eigentlich den ganzen Ostblock, der im Rahmen des Kalt...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Staatlicher Zuspruch für einen Jischuv in Niederschlesien
  3. Jakob Egit wird zur unerwünschten Person