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Abstieg
A MORGENIMPULS
Abstiege erleben wir fast täglich auf unserem Pilgerweg. Für die meisten Wanderer ist er die leichtere „Disziplin“; wer über Knieprobleme klagt, sieht das etwas anders. Aber natürlich – es geht schneller, wir können leichter atmen, dadurch fallen Gespräche leichter.
Abstiege in anderen Lebenssituationen sind da ganz anders – und an die wollen wir eigentlich nicht denken. Wenn der Lieblingsverein absteigt, freut das keinen Fan, und sozialer oder beruflicher Abstieg sind angsteinflößende Begriffe. Freiwillig will das niemand. Naja, fast niemand – wenn man an Biografien wie die des hl. Franz von Assisi denken mag, der auf seinen Reichtum verzichtete, um als Bettler nur für die Liebe Gottes zu leben.
Unser Impuls von Guy de Maupassant fasst beide Facetten des Begriffes in der einfachen Erkenntnis zusammen:
Bergauf geht es langsam, doch bergab schnell.
B UNTERWEGS
Wenn wir uns nach unten, also talwärts bewegen, nennen wir das Abstieg. Langsam (oder auch schneller) geht´s bergab!
Letztere Floskel gebrauchen wir aber auch sonst oft. Manchmal halbernst – etwa bei runden Geburtstagen. Es schwingt aber immer der Hauch von Vergänglichkeit mit. Als wären jetzt die besten Jahre vorbei. Als wäre es erstrebenswert, immer jung zu sein. Gesellschaftlich ist das bestimmt so gewollt – nicht umsonst boomen Anti-Aging-Produkte, nicht umsonst rackern sich viele in Fitness-Studios ab.
Geht es wirklich bergab, wenn man älter wird? Empfinde ich es so?
Der alttestamentliche Prediger Kohelet konstatiert die Vergänglichkeit der Jugend ganz nüchtern und rät: Nimm den Zorn von deinem Herzen weg und halte Unheil von deinem Körper fern; denn Jugend und Vergnügen sind vergänglich.
Zorn und Unheil können Herz und Körper schaden. Die Erfahrung, dass negative Gedanken und Krankheiten alles andere als nützlich für den Menschen sind, war auch schon vor mehr als 2300 Jahren bekannt. Die Vergänglichkeit von Jugend und Vergnügen sowieso. Eine Klage darüber wird aber nicht geführt. Es klingt nach einer einfachen Feststellung, einer Tatsache.
Warum tun wir uns so schwer damit? Was ist los mit dieser Selbstoptimierung, die in unserer Gesellschaft herrscht? Wovor laufen wir hier weg und verschließen die Augen? Vor dem Bergab? Vor dem Verfall des Körpers? Und was ist mit dem Verfall der Seele? Wenn es mit der bergab geht?
Es ist gut, dass wir Möglichkeiten haben, uns sowohl psychisch als auch physisch gesünder zu halten als unsere Vorfahren. Dieses Wissen und die medizinischen Fortschritte sind Gründe genug, dem „Bergab“ mit einer gewissen Leichtigkeit zu begegnen. Schließlich ist unsere Lebenserwartung immer noch im Steigen begriffen, und die Lebensqualität wird ebenfalls durch vielerlei Erkenntnisse hoch gehalten. Eigentlich muss niemandem vor dem „Bergab“ bange sein.
Ein krampfhaftes Festhalten an der Jugend wirkt irgendwann albern. Und vielleicht steckt ja auch eine gewisse Flucht vor der Zukunft, der Realität dahinter. Und dann stellt sich noch die Frage: Würde ich wirklich noch einmal ernsthaft jung sein wollen? Mit allen Konsequenzen? Die ganzen bereits getroffenen Entscheidungen im Leben, die manchmal bitteren Erfahrungen, all die Prüfungen – will ich die noch einmal machen müssen?
Die wahre Herausforderung liegt doch vor uns – und die Schlüssel, diese zu meistern, haben wir durch unsere Erfahrungen auch aus der Jugend gesammelt.
Vielleicht ist auf einem leichten Abstieg Zeit, darüber nachzudenken und sich mit der eigenen Lebenswirklichkeit zu versöhnen, wenn wir tatsächlich die Erkenntnis haben sollten, dass es „bergab“ geht.
C ABENDIMPULS
Bergauf geht es langsam, doch bergab schnell.
Eine alte Bergsteigerweisheit, könnte man sagen. Der Autor hat im Kontext dieses Satzes auch das Bild eines Berges vor Augen, den er mit dem Leben vergleicht: „Solange man hinaufsteigt, sieht man den Gipfel und fühlt sich glücklich. Ist man aber oben, dann erblickt man den Abgrund und das Ende, nämlich den Tod.“
So weit haben wir heute wahrscheinlich nicht gedacht. Dennoch: der letzte Abstieg ist der Tod. Die Abgründe davor genügen aber auch schon, um uns gelegentlich sorgenvoll auf unsere Zukunft blicken zu lassen.
Doch bestimmen darf uns diese Angst oder Sorge nicht. Bestimmen darf uns die Überzeugung, dass es nach einem Bergab auch immer wieder ein Bergauf gibt – für uns Christen auch nach dem Tod. Das Bergauf der Auferstehung.
Legen wir unsere Gedanken in das folgende kurze Gebet:
Guter Gott, in dir bin ich geborgen, auch wenn es einmal in meinem Leben bergab geht. Halte du Unheil von mir fern. Befreie mich auch von unheilvollen Gedanken, die in mir hochkommen. Lege deinen Segen auf mich und auf alle, an die ich nun denke. Gib mir Kraft für die Herausforderungen, die mich noch erwarten werden. Lass mich im Bewusstsein meiner Vergänglichkeit und in Respekt vor dem Wirken der Natur meine Pilgerwanderung fortsetzen und gut beenden – nach einer gesegneten Nacht in deinem Frieden. Amen.
Aufstieg
A MORGENIMPULS
Wir gehen am Olavsweg im Grunde genauso viel und lange bergauf wie bergab. Die meisten Pilger bewerten jedoch die Tage, an denen es vorwiegend bergauf geht, als die anstrengendsten. Und für viele prägen sie das Bild dessen, was der Olavsweg körperlich von einem fordert.
Bergauf ist aber sonst eigentlich positiv belegt. Wenn wir etwa gerade in einer Genesungsphase sind, sagen wir oft: Es geht schon wieder bergauf.
Auch Aufstiege im Beruf oder im Sport machen froh – etwas Höheres wird erreicht, wir können stolz auf uns sein. Die Mühen sind dann schnell vergessen. Aber sie waren da. Ohne Anstrengung geht es nicht, ohne Schweiß und Fleiß kein Preis.
Unser Impuls stammt von Matthias Claudius und spricht diese alte Wahrheit ebenfalls an:
Man kann nicht bergauf kommen, ohne bergan zu gehen.
B UNTERWEGS
Mit jedem Schritt bergauf weitet sich der Blick. Der Aufstieg führt auf den Gipfel oder zumindest auf einen Pass oder guten Aussichtspunkt.
Das Panorama ist ein wunderbarer Lohn für die Mühe und baut uns auf. Der Blick schweift in die Ferne, wir sitzen auf vermutlich geschichtsträchtigem Boden und vielleicht regenerieren wir gerade mit einer Brotzeit unsere Kräfte. Wir erholen uns, wir freuen uns, wir bauen uns auf.
Fragen wir uns dabei, was uns im Alltag sagen lässt: „Das baut mich jetzt auf!“ und erinnern wir uns an Situationen, wo dies der Fall war!
Ein Lächeln eines Unbekannten im Bus voller gehetzter Menschen. Ein Brief nach langer Sendepause. Ein unerwartetes Kompliment. Ein anerkennender Blick. Eine liebe Geste mitten im Stress.
Was uns automatisch zum Thema „Aufbauende Ereignisse“ in den Sinn gekommen wäre, sind vermutlich besondere Erlebnisse jenseits des Alltags. Der Heiratsantrag. Eine gute Schulnote trotz zunächst schlechtem Gefühl. Oder ein alter Freund, der plötzlich ohne Vorwarnung, aber mit einem Blumenstrauß vor der Haustür steht. Oder ein mühevoller und verregneter Aufstieg auf einen Berg, und oben angekommen reißt auf einmal die Wolkendecke auf und die Sonne strahlt. Von solchen Momenten zehren wir lange. Und jetzt auch.
Menschen pilgern seit langer Zeit hier, um ihre Anliegen vor Gott zu tragen. Das ergibt über all die Generationen und Jahrhunderte eine Gemeinschaft. Auch das kann aufbauen. Mit anderen zusammen, die Ähnliches erbitten oder erstreben wollten, erhalten wir Inspiration, Mut und das Gefühl, nicht allein zu sein.
Gerade bei anstrengenden, schwierigen Passagen, bei kräftezehrenden Aufstiegen und auf mühsamen Wegen kann dies auch eine Kraftquelle sein, die uns leichter bergauf bringt: an positive, aufbauende Ereignisse denken, sich verbunden wissen mit anderen vor uns oder auch mit uns.
Dann wird jeder Aufstieg leichter.
Diese Erkenntnis kann uns dann auch wieder im Alltag helfen. Auch da ist jeder Aufstieg leichter, wenn man nicht allein ist und wenn man positiv denkt. Im Team und mit guten, inspirierenden Gedanken komme ich besser vorwärts als egoistisch, verbissen und nur auf den Erfolg fixiert.
Das Leben hält ja nicht nur Aufstiege bereit. Abstieg, Fall oder Abschwung sind regelmäßig zu erwarten. Doch wenn ein positives Gefühl vorhanden ist, wird es mich auch durch das nächste Tal weiter begleiten, wenn es nach einem Abstieg wieder aufwärts geht.
C ABENDIMPULS
Man kann nicht bergauf kommen, ohne bergan zu gehen.
Gut, der Tag heute war anstrengend, körperlich wie auch gelegentlich mental. Dass dies aber zum Pilgern wie zum Leben allgemein dazu gehört, das ist auch klar.
Und wenn wir ehrlich sind, wäre ein Leben ohne Mühe auch irgendwann langweilig und fad. Es ist gut, sich zu fordern, solange keine Überforderung droht. Diese Grenze zu spüren, geht vielen Menschen heute verloren – steigende Zahlen von Burn-Out-Erkrankungen sprechen hier eine eigene Sprache.
Im Leben wie auch beim Pilgern ist es also wichtig, auf sich zu achten und nichts zu übertreiben.
Legen wir unsere Gedanken in das folgende kurze Gebet:
Guter Gott, du forderst etwas von jedem einzelnen von uns. Nicht nur beim Pilgern, auch am Aufbau von Gesellschaft und Kirche soll ich mitarbeiten. Schenke mir Fantasie und gute Gedanken dafür! Zeige mir aber auch meine Grenzen, hilf mir, sie zu erkennen und Konsequenzen daraus zu ziehen! Denn nicht ich alleine muss ich dies alles bewältigen. Lass mich morgen mit neuer Kraft und neuem Mut erwachen – und in Vorfreude auf einen weniger anstrengenden Pilgertag! Amen.
Aus-rasten
A MORGENIMPULS
Siesta halten, und abends dann so richtig rasten, das machen vernünftige Pilger jeden Tag. Und nicht nur Pilger!
Wir spüren dabei jetzt am Morgen, wie eine solche lange Rast nach erholtem Schlaf, nach einem stärkendem Frühstück, wärmendem Tee, Kaffee...