Die jüdische Schule
Schon im Jahre 1688 hatte die Gemeinde einen eigenen Praeceptor (1). Über dessen Befähigung, einen guten Unterricht zu erteilen, läßt sich aus den überlieferten Quellen nichts sagen. Wegen der Armut in der Gemeinde, konnte sie sich nur sehr selten gut ausgebildete Lehrer leisten. Daher kam es in der Folgezeit immer wieder zu Beschwerden über die Unfähigkeit der angestellten Lehrer. Dazu kam das Problem, dass es sich bei den Lehrern um polnische Juden handelte, die häufig die deutsche Sprache nur sehr wenig beherrschten. Der Unterricht wurde also vor allem in der hebräischen Sprache gehalten und als Unterrichtsgrundlage diente der Talmud. Dieses führte bei den wohlhabenderen Gemeindemitgliedern zu Protesten. Einige von ihnen wollten auf eigene Kosten einen Lehrer einstellen:
„Den 1. Octobr. 1741 habe ich, Euer bemeldter Schutz-Jude zu Elmshorn, Abraham Marcus Franck, denen beiden Vorstehern der hiesigen Jüdischen Gemeinde, als Israel Marcus und Jacob Suman, als welche zugleich auch die Juden, nehmlich Hirsch Ascher, Meyer Borck, Michael Salomon, Hensel Meyer und Meyer Hirsch vor sich und zusamen fordern laßen, declariret, wie ich gesonen, einen Jüdischen Schulmeister, zur Haus-Information meiner Kinder, auf meine eigene Kosten zu halten, dahingegen ich dem hiesigen Jüdischen Schulmeister nicht mehr monatlich geben wolte, als ein anderer Jude demselben giebt, welcher keine Kinder hat; hierauf haben obbemeldte Jüdische Vorsteher mir sogleich erwidert, ich möchte meine Kinder zu dem hiesigen Jüdischen Schulmeister gehen laßen oder nicht, so solte ich dem ohngeachtet besagten Schulmeister so viel bezahlen, als wen ich würklich meine Kinder zu selbigen schickte, nehmlich des Monaths 1 M Ct 2 ß und zwar so lange bis Ostern, nach jüdischer Rechnung, da andre Vorsteher gemachet würden. Ich antwortete ihnen hierauf: daß der Kinder ihr Lernen und Lehren gar nichts mit dem Vorsteher machen zu thun habe, noch sich darnach richten könnte, denn wenn ein Halbjahr verfloßen, daß die Kinder bey dem hiesigen Schulmeister in der Schule gewesen wäre, und es nachgehends dem Vater des Kindes nicht länger anstünde, so könnte der Vater des Kindes Bestes suchen, und solches aus der Schule nehmen. Jedoch wenn die Vorsteher das contrarium (2) schrift-lich dorthin könnten, nehmlich daß ein Vater nicht befugt sey, sein Kind aus der hiesigen Schule, Jüdischer Nation, zu behalten, oder vielmehr selbiges privatim und zu Hauße durch einen aparten (3) Jüdischen Informatorem unterweisen zu laßen, wir nicht weniger auch, daß wenn sein Kind nicht in die Schule gehe, er dem ohngeachtet dem hiesigen Schulmeister sein völliger Lohn, nehmlich des Monaths 1 M Ct 2 ß bezahlen müße; so wollte ich mich zufrieden stellen (...) laßen, widrigenfalls aber wollte ich es gerichtlich mit ihnen ausmachen. Da nun die Vorsteher nichts Schriftliches noch auch sonsten eine Gewohnheit von Obbeschriebenen vorweisen konnten, so blieb ich darbey, daß ich berechtiget sey, einen aparten Informatorem in mein Hauß nehmen zu können, und von selbigem meine Kinder unterweisen zu laßen, dabey aber auch zu nichts mehr angehalten werden könnte, als dem hiesigen Schulmei-ster Jüdischer Nation nur so viel monathl. zum Lohn zu geben, als ein hiesiger Jude, der keine Kinder hat. Bey so gestalten Sachen nun haben die ermeldten beiden Vorsteher mich in unserer Jüdischen Schule ans schwarze Brett geschlagen und in Bann gethan. Ob nun solches zu thun die beeden Vorsteher berechtiget; solches laßen Sr. Excel., den H. Baron, als meiner gnädige Obrigkeit zur hohen Beurtheilung und Entscheidung lediglich anheim gestellet. Sonsten habe noch damahls denen beeden Vorstehern gütlich angebothen, daß in soferne sie sich reversiren (4) und den auszustellenden schriftl. Revers (5) von hiesiger Obrigkeit gehörig confirmiren (6) laßen wolten; daß keiner unter uns, der Kinder habe, befugt seyn solle, seyne Kinder (...) aus der Schule zu nehmen, als wie Ostern zu Ostern, so wollte ich mir alles geschehen laßen. Die Vorsteher haben zwar solches zu thun versprochen, aber nun wollen sie kein Wort halten, wie denn auch Kinder in der Schul angenommen worden, mir aber aller Gewalt von ihnen, nach ihren selbstrigen Gefalle und Gutdünken bisheriges geschehen. Abraham Marcus Franck“ (7)
Welche Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte, ist nicht bekannt. Abraham Marcus Franck handelte mit der Anstellung eines Lehrers gegen die Verfügung des Administrators v. Johnn aus dem Jahre 1737.
Am 25.Oktober 1832 bat der Administrator Stemann um eine Stellungnahme über eine Beschwerde des Salomon Cohn über den neu hinzugezogenen Lehrer Hartmann. Nachdem sich die Kirchspielvogtei nicht meldete, mahnte Stemann den Bericht am 21. November 1832 an. Schließlich berichtete die Kirchspielvogtei:
„Eu. kgl. K. habe (...) hiebey die von den hiesigen Israelitischen Einwohner Salomon Cohn eingereichte Beschwerde wider den hieselbst sich aufhaltenden israelitischen Lehrer Ignatz, nicht Isaac, Hartmann mit meinem (...) Bericht und Bedenken zu remittiren (8) die Ehre. Besagter Ignatz Hartmann (...) worin er als israelitischer Privatlehrer, in Kissingen gebürtig, und (...) im 23.Sept. d. J. über Hamburg hier ankam, sucht um die Erlaubnis an, sich hier eine Zeitlang aufhalten zu dürfen, im Falle es ihm gelingen sollte, eine hinlängliche Anzahl Scholaren (9) zu erhalten. Er habe in Würzburg und Leipzig studirt und (...) Zeugniße, daß er zum Unterricht hinlängliche Kenntnisse besitze. Da mir die hierauf von ihm producirten Zeugniße zu seinem Vortheil (...), und es bisher an einem Manne, der in E., noch gründlichen Unterricht ertheilt, gäntzlich fehlt, scheint es mir unbedenklich, ihm eine Aufenthaltsconcession zu geben, da einem gefühlten Bedürfniß durch ihn abgeholfen ward, und die Verordnung vom 9. July 1736 einem fremden Israeliten einen dreimonathlichen Aufenthalt gestattet, bevor er im Fall des längeren Bleibens zum Ankauf eines eigenen Hauses angehalten werden soll. Er ertheilt übrigens jetzt derfalls, nachdem darüber eingezogenen Nachricht zehn jüdischen und christlichen Eleven (10) Unterricht im Französischen, Englischen, Lateinischen und Deutschen, so wie in der Erdbeschreibung, Geschichte, Rechnen und Mathematik. Daß er durch diesen Unterricht dem Salomon Cohn, deßen Unterweisung sich auf die ersten Anfangsgründe im Lesen und Schreiben, so wie im Hebräischen erstreckt, schadet, ist mir nicht wahrscheinlich; (...) es für gut finden sollte, die p.t. Gemeindevorsteher darüber zu befragen, selbige es gleichfals erklären, und daher, wenn gedachter Hartmann einen längeren Aufenthalt (...) sollte, ihm (...) aufzugeben sei, sich deshalb mit einer allerunterth. Ansuchen an Sr. Majestät den König zu wenden.“ (11)
Welche Einnahmen bekamen nun christliche Lehrer. Die Antwort auf diese Frage erhält man aus den Anzeigen, die im „Itzehoer Wochenblatt“ über freie Schullehrerstellen im Jahre 1838 erschienen:
Abb.: Synagoge und Schule auf dem Flamweg, 19.Jh., Museum Elmshorn
„Schul-Vacanzen.
Unterm 24sten Mai wurde als erledigt angezeigt: Die Stelle eines Districtsschullehrers in Kaköhl. Emolumente (12): Wohnung mit Garten, 9 Tonnen Land frei bearbeitet, 6 Faden (13) Buchen Knüppelholz, 50 Rthl. vorm. Cour. und für den zu besorgenden Unterricht der Mädchen in weiblicher Handarbeit 12 Rthlr v. Cour. Die an die Herren Ober- und Vorsteher des St. Johannisklosters in Lübeck zu richtenden Gesuche nebst Zeugnissen sind binnen 6 Wochen an das St. Johannisklösterliche Justitiariat über Kaköhl in Oldenburg portofrei einzusenden.
Unterm 26sten Mai sind als erledigt angezeigt worden an der Kirchspielschule in Ottensen: 1) Das Amt des Küsters und ersten Schullehrers. Emolumente: freie Wohnung, circa 474 Rbthl. 73 3/5 rbß an Geldeinkünften und 16,000 Soden Torf; 2) das Amt eines Organisten und Mädchenlehrers. Emolumente: freie Wohnung nebst 16,000 Soden Torf, 160 Rbthl. festes Gehalt, circa 266 Rbthl. 64 rbß an Naturalien und Accidentien (14), für die Formirung der Schulrechnung u.s.w. jährlich 8 Rbthl.; 3) das Amt eines Elementarlehrers. Emolumente: 320 Rbthl. Gehalt, freie Wohnung und 16,000 Soden Torf. Gesuche nebst Zeugnissen, auch über Bekanntschaft mit der wechsels. Schuleinrichtung, und zur Organistenstelle über Fertigkeit im Orgelspielen, sind binnen 6 Wochen an das Kirchenvisitatorium in Altona portofrei einzusenden.“ (15)
Am 27. Februar 1842 wollte die jüdische Gemeinde Elmshorn einen zweiten Lehrer für ihre Schule einstellen. Die Bedingungen waren:
| „1tens. | Der Erwählte hat sich vor seiner Einführung bei dem Herrn Oberrabbiner in Altona einer Prüfung zu unterwerfen, falls dieser ihn nicht vorher davon dispensirt. (16) |
| 2tens. | Der 1te Lehrer erhält außer seiner Wohnung Quartaliter (17) 125 Rbthl v. C. und falls Sr. May., der König, uns allergnädigst jährlich 300 Rbthl. Cour bewilligen, noch eine jährliche Zulage von 150 Rbthl.. Durch Privatunterricht kann das Gehalt wahrscheinlich vermehrt werden, doch wird das Schulcollegium nur so viele Privatstunden erlauben, als dasselbe einsiehet, daß es ohne Nachtheil für die öffentliche Schule geschehen kann. |
| 3tens. | Obgleich die Gemeinde den tüchtigen, seine Pflichten als Lehrer und Israelit beobachtenden, Mann gewiß nicht wieder aus ihrer Mitte entfernen wird, so sehen wir es doch als nothwendig ein, ihn vorläufig auf 1 Jahr mit halbjähriger Kündigung aufzunehmen, so wie auch der Lehrer, falls ihm seine Stellung nicht gefällt, ein halbes Jahr vor seinem Abgange von unserer Schule dem Schulcollegium diese Absicht anzuzeigen hat. |
| 4tens. | Lehrgegenstände sind Religion, Biblische Exegese (18), Talmud, Deutsche, Englische und Französische Sprache, und die übrigen, in Bürgerschulen betriebenen, Gegenstände. |
| 5tens. | Der aufzunehmende Lehrer hat sich dem Schulregulatife, welches wir von Sr. May., dem König, erwarten, zu unterwerfen.“ (19) |
Im Protokoll dieser Sitzung wird desweiteren vermerkt, daß Isaak Abr. Sussmann gegen diesen Beschluß protestieren werde. Dieser neue Lehrer hieß S. Goldschmidt, war vorher in Braunschweig angestellt und bekam neben seinem Gehalt auf seinen Wunsch hin noch die Feuerung zu den Schulstuben und zu seinem Wohnzimmer. (20)
Mit diesen beiden Lehrern wollte die Gemeinde eine israelitische Elementarschule gründen. Vorher bestand nur eine Religionsschule. Für diese neue Schule mußte für die Aufsicht ein Schulcollegium gegründet werden, das aus den beiden Vorstehern der Gemeinde, den vier Deputierten und zwei zu wählenden Schulvorstehern bestand. Am 3. April 1842 wurden Dr. Cohn und Philipp Mendel gewählt. Die Aufgabe der beiden Schulvorsteher bestand in der Einkassierung der Schulgelder, deren Ausgaben und der Oberaufsicht über die Schule. Weiter heißt es im Protokoll:
„Auch ist beschlossen worden, daß diejenigen Gemeindemitglieder, welche Kinder von fünf bis fünfzehn Jahren haben, sie in uns...