Mit Marx gegen Marx
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Mit Marx gegen Marx

11 x 11 Thesen

  1. 156 Seiten
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Mit Marx gegen Marx

11 x 11 Thesen

Über dieses Buch

»Um Marx zu widerlegen, muss man nicht selten bloß – Marx zitieren.«Die zentrale These des Buches lautet: Karl Marx habe zwar durchaus die »immanenten Entwicklungstendenzen des Kapitals selbst erklären« wollen, jedoch nur aus dem Grunde, weil die Ideologen des (vermeintlichen) Kapitalismus dessen Funktionieren ohne Staat postulierten, ein Postulat, das Marx eben als Ideologie hatte entlarven wollen. Heute lautet die Ideologie der anscheinend kapitalistischen Staaten genau umgekehrt, der Kapitalismus funktioniere nicht nur nicht ohne Staat, sondern sei auch nur von sozialem Vorteil aufgrund staatlicher Interventionen. Für diese Ideologie wird Marx vereinnahmt. Dagegen ist Protest einzulegen.Widersprüche bei Marx werden vom Autor nicht harmonisiert, vielmehr produktiv gemacht nicht nur für eine neue Sicht auf Marx, sondern auch vor allem für eine bessere Analyse des Schreckens und für eine bessere Analyse, ihn zu überwinden. Marx ist nicht freizusprechen davon, die Systeme marxistischen Schreckens angeregt zu haben, und dennoch ist es auch im Namen der Opfer, dass das in Anschlag gebracht wird, was von Marx gegen die Systeme des marxistischen Schreckens nutzbar ist. Herzstück des Buches ist die Widerlegung der zehn berühmten Forderungen im »Kommunistischen Manifest« mit Hilfe von Marx-Zitaten.»Die Marxisten haben die Irrtümer von Karl Marx bezüglich der ökonomischen Rationalität von Planwirtschaft und eigentums-entfremdender Gemein­wirtschaft dogmatisiert, während sie die befreiende Dynamik seiner historischen Dialektik verwarfen: Der Marxismus verbreitet sich nach wie vor in dieser Form, weil er derart den Herrschenden, den Staatsprofiteuren, nutzt. Marxismus ist Ideologie im Sinne von Marx. Es kömmt aber darauf an, das Marx'sche Gold aus dem Schatten zu bergen: den Kapitalismus.«

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Information

V. Mit Marx gegen den Forderungskatalog des »Kommunistischen Manifests«

1.
Das Inventar der zehn Forderungen im »Kommunistischen Manifest« von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahr 1848 liest sich heute in den meisten Punkten wie ein gespenstisches Programm der Sozialdemokraten, das bürgerliche Parteien zum großen Teil übernommen haben.094 Vor allem aber widerspricht es in vielerlei Hinsicht wesentlichen Marx’schen Positionen. – Mir will es scheinen, als gingen die konkreten sozialistischen Forderungen eher auf das Konto des Unternehmersohns Engels als von Marx. So hatte Engels im Jahr zuvor »Grundsätze des Kommunismus« skizziert, auf denen das »Manifest« basierte, und als Forderung #4 vorgesehen: »Organisation der Arbeit oder Beschäftigung der Proletarier auf den Nationalgütern, Fabriken und Werkstätten, wodurch die Konkurrenz der Arbeiter unter sich beseitigt und die Fabrikanten, solange sie noch bestehen, genötigt werden, denselben erhöhten Lohn zu zahlen wie der Staat.«095
Im »Manifest« fehlt dann aber dieser Punkt. Warum? Die Antwort findet sich in einem viel späteren Text von Marx, der »Kritik des Gothaer Programms« aus dem Jahr 1875.096 Marx kritisiert dort folgenden Passus, der jener von Engels gestellten Forderung ähnelt: »Die deutsche Arbeiterpartei verlangt, um die Lösung der sozialen Frage anzubahnen, die Errichtung von Produktivgenossenschaften mit Staatshilfe unter der demokratischen Kontrolle des arbeitenden Volks. Die Produktivgenossenschaften sind für Industrie und Ackerbau in solchem Umfang ins Leben zu rufen, dass aus ihnen die sozialistische Organisation der Gesamtarbeit entsteht.« Hierzu höhnt Max: »An die Stelle des existierenden Klassenkampfs tritt eine Zeitungsschreiberphrase – ›die soziale Frage‹, deren ›Lösung‹ man ›anbahnt‹. Statt aus dem revolutionären Umwandlungsprozesse der Gesellschaft ›entsteht‹ die ›sozialistische Organisation der Gesamt-arbeit‹ aus der ›Staatshilfe‹, die der Staat Produktivgenossenschaften gibt, die er, nicht der Arbeiter, ›ins Leben ruft‹. Es ist dies würdig der Einbildung Lassalles,097a dass man mit Staatsanleihen ebensogut eine neue Gesellschaft bauen kann wie eine neue Eisenbahn! Aus (einem Rest von) Scham stellt man ›die Staatshilfe‹ – ›unter die demokratische Kontrolle des arbeitenden Volks‹.«097b
Demnach hat Marx vermutlich im »Manifest« eine besonders etatistische Forderung seines Freundes zwar kassiert, nicht aber im Ganzen den Charakter des »Manifests« als eine politische Veränderungsstrategie des Staates auflösen können. Dieser politische Charakter des »Manifests« steht allerdings gegen zentrale Gedanken von Marx:
»Je mächtiger der Staat, je politischer daher ein Land, um so weniger ist es geneigt, im Prinzip des Staates [...] den Grund der sozialen Gebrechen zu suchen und ihr allgemeines Prinzip zu begreifen. Der politische Verstand ist eben politischer Verstand, weil er innerhalb der Schranken der Politik denkt. Je geschärfter, je lebendiger, desto unfähiger ist er zur Auffassung sozialer Gebrechen.«098
Geschärft wendet Marx1850 sich gegen politische Strategien »kleinbürgerlicher, doktrinärer Sozialisten«: »Das Kapital hetzt [die Klasse der Kleinbürger] als Gläubiger, sie verlangt Kreditinstitute; es ekrasiert [zermalmt] sie durch die Konkurrenz, sie verlangt Assoziationen vom Staate unterstützt; es überwältigt sie durch die Konzentration, sie verlangt Progressivsteuern, Erbschaftsbeschränkungen, Übernahme der großen Arbeiten durch den Staat und andere Maßregeln, die das Wachstum des Kapitals gewaltsam aufhalten.«099 Die hier aufgezählten politischen Forderungen des kleinbürgerlichen Sozialismus sind z.T. genau die Forderungen aus dem Katalog des »Manifests«, das Marx bloße zwei Jahre früher mit Engels verfasst hatte.
Das widersprüchliche Programm des Etatismus realisierte sich in der Regierung durch Napoleon III:100 »Industrie und Handel, also die Geschäfte der Mittelklasse, sollen unter der starken Regierung treibhausmäßig aufblühn. Verleihen einer Unzahl von Eisenbahnkonzessionen. Aber das bonapartistische Lumpenproletariat soll sich bereichern. Tripotage101 mit den Eisenbahnkonzessionen auf der Börse von den vorher Eingeweihten. Aber es zeigt sich kein Kapital für die Eisenbahnen. Verpflichtung der Bank, auf Eisenbahnaktien vorzuschießen. Aber die Bank soll zugleich persönlich exploitiert und daher kajoliert werden.102 Entbindung der Bank von der Pflicht, ihren Bericht wöchentlich zu veröffentlichen. Leoninischer Vertrag103 der Bank mit der Regierung. Das Volk soll beschäftigt werden. Anordnungen von Staatsbauten. Aber die Staatsbauten erhöhen die Steuerpflichten des Volkes. Also Herabsetzung der Steuern durch Angriff auf die Rentiers, durch Konvertierung der fünfprozentigen Renten in viereinhalbprozentige. Aber der Mittelstand muss wieder ein douceur104 erhalten. Also Verdoppelung der Weinsteuer für das Volk, das ihn en detail kauft, und Herabsetzung um die Hälfte für den Mittelstand, der ihn en gros trinkt.105 Auflösung der wirklichen Arbeiterassoziationen, aber Verheißung von zukünftigen Assoziationswundern. Den Bauern soll geholfen werden. Hypothekenbanken, die ihre Verschuldung und die Konzentration des Eigentums beschleunigen. Aber diese Banken sollen benutzt werden, um Geld aus den konfiszierten Gütern des Hauses Orleans herauszuschlagen. Kein Kapitalist will sich zu dieser Bedingung verstehn, die nicht in dem Dekrete steht, und die Hypothekenbank bleibt ein bloßes Dekret usw. usw.«106
2.
#1. Expropriation des Grundeigentums und Verwendung der Grundrente zu Staatsausgaben.
#3. Abschaffung des Erbrechts.
An keiner Stelle des sozialen Lebens prallt die Fiktion der liberalen Ökonomie so hart auf die Realität wie in Punkto Grundeigentum. Eigentum generell entsteht rechtlich gesehen durch Akklamation, also Festschreibung eines status quo der gewaltsamen Aneignung mittels des Staatsapparats. Namentlich geschieht dies im römischen positiven Recht, das, selbstredend, auch das Eigentum an Personen erlaubt, an Sklaven, genauso wie es später das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika tun sollte. Voller Hohn verweist Marx auf »Herbert Spencers Werk ›Social Statics‹, London 1851 [...], das [...] vorgibt, eine vollständige Widerlegung des Kommunismus zu sein [...]: ›Niemand darf das Land in solcher Weise nutzen, dass er die übrigen daran hindert, es ebenso zu nutzen.‹«107 Das mittelalterliche Recht ist nicht wie das römische ein positives, sondern ein naturrechtliches. Dennoch schreibt auch dies den status quo grundherrlicher Aufteilung des Landes fest.108 Das grundherrliche Vorrecht des Feudalismus wird in der Übergangszeit zum modernen Staat in Grundeigentum überführt.109 Die Grundeigentümer und die aufkommenden Finanz- und Industriekapitalisten liegen von nun an in unerbittlichen Auseinandersetzungen, dennoch bildet das Grundeigentum, wenn es kapitalisiert wurde, oft den Stock für die Kapitalbildung. Die Forderung nach einer Enteignung der Grundeigentümer ist demnach durchaus ein liberales Anliegen.
Erbfolge sichert zwar das System feudaler Macht,110 und in gewissem Umfang besteht dies fort im industriellen Zeitalter, ist aber, wie Marx später sagen wird, nicht die Ursache für die Machtverhältnisse.111 Deshalb verwirft er dann den Ansatzpunkt, Gerechtigkeit über die Abschaffung des Erbrechts herstellen zu wollen.
Logisch gesehen ist klar, dass das, was rechtmäßig besessen wird, auch vererbt werden kann; was dagegen unrechtmäßig besessen wird, dürfte nicht nur nicht rechtmäßig vererbt, sondern eben nicht einmal besessen werden. Soziologisch gesehen ist klar: Aufhebung des Erbrechts bedeutet, dass der Staat mit jeder Generation anwächst, bis er alles Kapital und alles Land unter Kontrolle hat.
Mit »Enteignung« kann auf diesem Hintergrund nicht die Enteignung der Bauern gemeint sein, also die Enteignung von denjenigen, die den Boden nutzen. Ausdrücklich warnt Marx davor, die Bauern mit der Drohung von Enteignung zu verschrecken.112 Die angeblich drohende »Abschaffung des ›Eigentums‹« sei ein Popanz der Verteidiger des status quo, »denn in ihren Augen ist die gegenwärtige klassenbedingte Form des Eigentums – eine historisch vorübergehende Form – das Eigentum schlechthin, und die Abschaffung dieser Form daher die Abschaffung des Eigentums.«113 »Dass aber von keiner Produktion, also [!] auch von keiner Gesellschaft die Rede sein kann, wo keine Form des Eigentums existiert, ist eine Tautologie. Eine Aneignung, die sich nichts zu eigen macht, ist eine contradictio in subjecto114
Revolutionär sei dagegen, dem Bauern »die Umgestaltung seiner gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen [zuzu-] sichern, ihn einerseits vor der Expropriation [sic] durch den Grundbesitzer [zu] bewahren und ihn andererseits aus der Bedrückung, Mühe und dem Elend, zu dem er unter dem Schein des angeblichen [sic] Eigentums verurteilt ist, [zu] retten« und »sein nominelles Eigentum an dem Boden in wirkliches [sic] Eigentum an den Früchten seiner Arbeit [zu] verwandeln« und »die Vorteile der modernen Agronomie, die von gesellschaftlichen Bedürfnissen diktiert werden und ihn jetzt täglich wie ein Feind bedrohen, mit der Erhaltung seiner Stellung als wirklich unabhängiger Produzent [zu] verbinden«.115 Ganz ähnlich sehen prominente Gegner des Marxismus (auf Herbert Spencer hat Marx selbst schon hingewiesen) es auch:
Michael Bakunin: »Die Reichen sind heute nur deshalb so einflussreich, weil ihnen alle Beamten des Staates huldigen und weil sie gerade vom Staat beschützt werden. Sobald diese Stütze ihnen fehlt, wird ihre Macht verschwinden.«116 Franz Oppenheimer: »Der Staatsinhalt [ist] die ökonomische Ausbeutung, das politische Mittel der Bedürfnisb efriedigung. Der Bauer gibt einen Teil seines Arbeitserzeugnisses hin, ohne äquivalente Gegenleistung. ›Im Anfang war die Grundrente.‹«117
Ludwig von Mises: »Großgrundeigentum und Latifundienbesitz sind nirgends und niemals aus dem freien Verkehr hervorgegangen. Sie sind das Ergebnis militärischer und politischer Bestrebungen. Durch Gewaltbe gründet, konnten sie auch stets nur durch Gewalt aufrechterhalten werden. Sowie die Latifundien in den Tauschverkehr des Marktes einbezogen werden, fangen sie an abzubröckeln, bis sie sich schließlich ganz auflösen. Wirtschaftliche Gründe haben weder bei ihrer Entstehung noch bei ihrer Erhaltung mitgespielt.118 Die großen Latifundienvermögen sind nicht aus der wirtschaftlichen Überlegenheit des Großbesitzes entstanden, sondern durch gewaltsame Aneignung außerhalb des Tauschverkehrs.«119
3.
#2. Starke Progressivsteuer.
Was es mit den Steuern auf sich hat, das wusste Marx: »Die Steuer ist die Lebensquelle der Bürokratie, der Armee, der Pfaffen und des Hofes, kurz, des ganzen Apparats der Exekutivgewalt. Starke Regierung und starke Steuer sind identisch.«120 Das klingt nicht nach Zustimmung, weder zu den Steuern noch zur starken Regierung. In der Tat nicht: »[Die Regierung] entwickelte [...] sich jetzt zu einem Treibhaus für kolossale Staatsschulden und erdrückende Steuern und wurde vermöge unwiderstehlicher Anziehungskraft ihrer Amt...

Inhaltsverzeichnis

  1. Über den Autor
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Über das Buch
  4. I. Wozu Marx?
  5. II. Treibgut
  6. III. Die 11 andern Thesen: Historisch-induktiv mit Marx gegen Marx
  7. IV. Die 11 ersten Thesen: Logisch-deduktiv gegen Marx mit Marx
  8. V. Mit Marx gegen die Forderungen des Kommunistischen Manifests
  9. VI. Mit Marx gegen die unvollständige Kapitalismusanalyse
  10. VII. Mit Marx gegen die Ideologie der »Arbeitswertlehre«
  11. VIII. Gegen die Geldillusion: Eine marxistische Verteidigung des Geldes
  12. IX. Gegen die Bodenillusion: Eine marxistische Verteidigung des Grundeigentums
  13. X. Karl M. Rothbard oder Murray K. Marx
  14. XI. Die historische Dialektik des Marxismus: Beschließende 11 Thesen
  15. Für eine neue Freiheit
  16. Die Katastrophe der Befreiung
  17. Das Maodeking
  18. Impressum