Meine Erlebnisse im Konzentrationslager Mauthausen
Am 5. Dezember 1938 wurde ich im Postamt in der Moselstraße zu Frankfurt am Main von drei Gestapobeamten verhaftet, weil ein Spitzel namens Körber der Gestapo meldete, dass ich politischen Emigranten und Juden über die Schweizer Grenze helfe. Zur Bahnhofswache geschleift, wurde ich untersucht, ohne dass man etwas Belastendes finden konnte. Dann ging es weiter zur Gestapozentrale in der Bürgerstraße 24, wo man mich neuerlich ohne Ergebnis untersuchte. Nachdem man mir alle meine Sachen und das Geld abgenommen hatte, wurde ich dem Polizeigefängnis überstellt.
Schon hier war die Behandlung von Seiten des Gefängnisinsprektors und der SS-Polizeibeamten jeder Beschreibung hohnsprechend. Besonders tat sich der Polizeibeamte Helbig im Schlagen und Treten hervor.
Als man nach mehreren Monaten noch keine Anhaltspunkte für eine Anklage gefunden hatte, wurde mir von der Gestapo gesagt: „Sie kommen auf einige Wochen, bis die Sache vollkommen geklärt ist, in Schutzhaft1.“ Nach langem hin und her bin ich dann im Konzentrationslager Mauthausen gelandet. Die „Klärung“ dauerte dann allerdings, bis die amerikanischen Truppen dort einmarschierten.
Die nachstehende Schilderung der Zustände im Konzentrationslager Mauthausen entspricht der vollen Wahrheit, sie ist jedoch nur ein Teilabschnitt aus der Hölle Mauthausen, denn was die unglücklichen Insassen hier im Laufe der Jahre erlebten und durchmachten, kann weder von einem einzelnen Häftling geschildert werden, noch bietet der deutsche Sprachsatz die Möglichkeit, Dinge, die jenseits der Menschheit geschehen, wahrheitsgetreu zu schildern.
Schon bei der Ankunft am Bahnhof Mauthausen gab es von Seiten der uns empfangenden Gestapo- & SS-Leute Kinnhaken und Schläge mit Gummiknüppeln. Der ganze, ungefähr 6 Kilometer lange Weg bis zum Lager wurde im Eiltempo unter Kolbenstößen, Fußtritten und Gummiknüppelschlägen zurückgelegt. Abends halb 10 Uhr im Lager angekommen, mussten wir bis 2 Uhr früh in eisiger Novembernacht auf dem Appellplatz stehen. Endlich wurden Gruppen von je 30 Häftlingen in den Baderaum gebracht. Im Vorraum mussten wir uns entkleiden; was noch in unserem Besitze war, wurde dabei abgenommen. Dann rasierte man sämtliche Haarstellen des Körpers. Den Abschluss der Prozedur bildete ein heißes Brausebad. Ohne uns abtrocknen zu können, nur mit Hemd und Unterhose bekleidet, standen wir dann wieder eine halbe Stunde auf dem Appellplatz. Anschließend führte man uns in den Quarantäneblock 17. Hier bekamen wie unsere Nummern: ich erhielt Nr. 14 985 und war von da ab kein Mensch mehr, sondern nur Nr. 14 985. All dies ging natürlich nicht ohne die üblichen Hiebe und Fußtritte vor sich. Die Verteilung der Nummern dauerte bis halb 5 früh. Um halb 6 Uhr durften wir uns, nur mit Hemd und Unterhose bekleidet, auf dem bloßen Fußboden hinsetzen. Die Fenster der Baracke waren ausgehängt. Der Blockälteste, Hermann Büchler, erklärte uns, dass wir uns hinsetzen dürften, sei eine besondere Begünstigung. Um 6 Uhr mussten wir wieder vom Boden aufstehen und erhielten draußen vor dem Block in einem alten verrosteten Essnapf immer zwei und zwei zusammen, einen knappen halben Liter schwarze Brühe; es sollte Kaffee sein. Dann standen wir den ganzen Tag, es war der 27. November, in grimmiger Kälte vor dem Block im Freien. Vormittags hielt der Blockälteste Büchler eine Ansprache, in der er ausführte: „Ihr seid jetzt im Konzentrationslager Mauthausen, wo jeder nur eine Nummer hat und ist, wo es nur unbedingten Gehorsam oder Tod, aber keine Beschwerde gibt. Wer sich beschwert, wird einfach totgeschlagen oder aufgehängt. Je mehr ich totschlage, umso angesehener bin ich als Blockältester bei der Lagerleitung.“
Um halb 11 Uhr mittags gab es einen dreiviertel Liter angefaulten, erfrorenen Weißkohl mit ungeschälten und ebenfalls angefrorenen Kartoffeln. Das Essen musste wieder aus den alten rostigen und verschmutzten Näpfen genossen werden, natürlich im Freien und ohne Löffel. Der Begriff Löffel war hier ein unbekanntes Ding, so etwas gab es nicht. Nachmittags hörten wir eine Rede des SS-Blockführers ähnlichen Inhalts wie die vormittägige Ansprache. Um 5 Uhr gab es ein Stück Brot und ein drittel Liter Wassersuppe; natürlich wieder in dem Blechnapf, der inzwischen nicht gereinigt worden war. Als einige Kameraden diese Reinigung vornehmen wollten, bekamen sie Gummiknüppelschläge und Fußtritte. Um 8 Uhr abends durften wir in den Block und wurden dort wie Heringe auf dem Fußboden zusammengepackt. So sollten wir in kalter Novembernacht bei ausgehängten Fenstern und ohne Decke schlafen. Nein, wir sollten ja gar nicht schlafen; um 10 Uhr trieb man uns wieder hoch und führte uns in Gruppen zu 50 Mann zum Lagerbüro. Natürlich durften wir nicht in die warme Schreibstube hinein, sondern mussten 2 Stunden auf dem Platze vor derselben warten. Gegen 12 Uhr kam der Lagerleiter Bachmayer2mit seiner großen Dogge und dem Lagerschreiber Leisinger, beide schlugen mit Hundepeitschen und Ochsenziemern3ohne Unterlass auf uns ein. Manchem lief das Blut über Kopf und Gesicht. Dann jagte der Lagerleiter Bachmayer seine Dogge zwischen uns, die elf Kameraden mehr oder weniger schwere Bisswunden beibrachte. Sechs der Gebissenen starben. Mein linker Unterarm und die Hand weisen heute noch Narben von jenen Bisswunden auf.
Nach diesem Zwischenspiel mussten wir eineinhalb Stunden lang mit blutenden Wunden in Schnee und Dreck exerzieren. Das „Exerzieren“ bestand darin, dass wir auf Ellenbogen und Knien vorwärtskriechen mussten oder beim Schnelllaufen Hinlegen und Aufstehen. Hundepeitsche und Ochsenziemer halfen dabei fleißig nach. Um halb 2 Uhr nach dem Block gekommen, ging das „Exerzieren“ von neuem los: ungefähr 250 Häftlinge mussten gleichzeitig vom Boden aufspringen, durch eine enge Tür laufen und sich im Vorzimmer in Zehnerreihen aufstellen. An dem Engpass der Türe stand der Lagerleiter Bachmayer und der Blockälteste Büchler, beide schlugen mit Hundepeitschen und Ochsenziemern auf uns ein. So ging es eine Stunde lang immer hin und her. Wenn einer stürzte, trampelten die anderen, von Hundepeitschen und Ochsenziemern gehetzt, darüber hinweg. Als dieses Spiel mit Menschen nach einer Stunde be...