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Der Engel mit dem Rückwärtsgang
Warum die neoliberale Globalisierung noch umkehrbar ist und was dafür geschehen müsste
- 80 Seiten
- German
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Der Engel mit dem Rückwärtsgang
Warum die neoliberale Globalisierung noch umkehrbar ist und was dafür geschehen müsste
Über dieses Buch
Der Autor beschäftigt sich seit 12 Jahren mit seiner Webseite Infoportal und einer Reihe von Büchern sehr kritisch mit den Auswuchsen einer ungehemmten, neoliberalen Globalisierung. Kaum eine wirtschafts-politische Entwicklung war in Deutschland so lange so märchenumwoben wie diese. Doch heute melden die davon erheblich Benachteiligten in Deutschland und anderen entwickelten Industrieländern massenhaft ihren Protest an. Damit stellt sich die Frage, ob dieser Prozess umkehrbar ist und was dafür geschehen müsste.
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Information
Kapitel 1: Kräfte und Argumente auf dem Irrweg
Man muss sich bewusst machen, von welchen Kräften mit welchen Argumenten in unseren demokratischen Gesellschaften die Situation von heute herbeigeführt wurde. Die neoliberale Form der Globalisierung ist ja nicht vom Himmel gefallen. Sie ist auch nicht unvermeidbar gewesen, wie uns Politiker aller Couleurs immer wieder weismachen wollten.
Gerade deutsche Politiker pflegten sich bei den harten sozialen Einschnitten hinter der Globalisierung, gegenüber der sie angeblich ohnmächtig waren, zu verstecken. Beispielsweise hatte Erhard Eppler davon gesprochen, dass sich die Gestaltungsmöglichkeiten für Politik durch die Globalisierung der Märkte dramatisch verringert hätten und Politiker gar nicht mehr das leisten könnten, was die Bürger von ihnen erwarten. Oder Gerhard Schröder: „Man darf ja nicht darüber hinwegsehen, dass die Globalisierung uns zu bestimmten Massnahmen zwingt.” Oder der frühere Bundespräsident Köhler: „Die Welt ist in einem tief greifenden Umbruch. Wer hier den Zug verpasst, bleibt auf dem Bahnsteig stehen.”
Die deutsche Politik als treibende Kraft
Tatsächlich aber waren gerade deutsche Politiker an dem Irrweg in die neoliberale Globalisierung massgeblich und in vorderster Linie beteiligt. Dafür sorgte schon der Druck der in Deutschland besonders gut aufgestellten Verbände von Handel und Industrie und insbesondere der deutschen Multis. Schon im September 1982 legte Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff sein „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit” vor, mit dem die sozial-liberale Koalition aufgelöst wurde und die schwarze Wende zu Helmut Kohl kam. Sein eigentlicher Autor im Ministerium war der Leiter der Grundsatzabteilung Tietmeyer, der - obgleich CDU-Mann - unter Helmut Schmidt Karriere bis in politische Beamtenpositionen hinein machen konnte und dann unter Kohl Staatssekretär und später Chef der Bundesbank wurde und bis 2012 Vorsitzender des Kuratoriums der neoliberalen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” war.
Das Lambsdorff-Papier sah u.a. eine „Verteidigung und Stärkung des offenen, multilateralen Welthandelssystems und aktives Vorgehen gegen protektionistische Bestrebungen” vor. Damit wurde die neoliberale Globalisierung auch in Deutschland endgültig eingeläutet. Vieles aus diesem Papier wurde später unter Kohl und Schröder mit dessen Agendapolitik umgesetzt.
Lambsdorff war Mitglied der „Trilateral Commission”, einer der wichtigsten Motoren für eine globalisierte Welt. Sie war 1973 auf Initiative von David Rockefeller bei einer Bilderberg-Konferenz als private, politikberatende Denkfabrik gegründet worden und umfasst rund 400 höchst einflussreiche Mitgliedern aus den drei grossen internationalen Wirtschaftsblöcken Europa, Nordamerika und Japan sowie einige ausgesuchte Vertreter ausserhalb dieser Wirtschaftszonen. Auf diesem Weg verbindet die Trilaterale Kommission erfahrene politische Entscheidungsträger mit dem privaten Sektor.
Dabei wirkte sie als Verstärker des sogenannten „Washington Consensus”, des ersten grossen und globalen wirtschaftspolitischen Schrittes westlicher Regierungen in eine neoliberal zu globalisierende Welt. Als eine Auflistung neoliberaler Prinzipien zur Förderung von wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum wurde der Consensus in den achtziger Jahren unter den Gesellschaftern des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank für die Anwendung bei Hilfen an Entwicklungsländer vereinbart. Er sollte also global gelten. Der Katalog sah zentral die Liberalisierung der Handelspolitik durch Abbau aller Beschränkungen sowie eine Liberalisierung der Finanzströme vor. Allgemein sollten alle Märkte total dereguliert werden. Einzelmassnahmen umfassten: Nachfragedrosselung und Kürzung der Staatsausgaben, Verbesserung der Effizienz der Ressourcennutzung in der gesamten Wirtschaft durch Rationalisierung und Kostenökonomie, Liberalisierung der Handelspolitik, Deregulierung von Märkten und Preisen einschliesslich der Abschaffung von Preissubventionen für Grundbedarfsartikel, Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Einrichtungen, Entbürokratisierung und Abbau von Subventionen.
Mit dem Aufstieg der „Neuen Rechten” wurde dieser ursprünglich für Länder der „Dritten Welt” gedachte Katalog von Globalisierungsforderungen durch Reagan und Thatcher unverändert auf die USA und Grossbritannien übertragen und später ebenso zum Lehrbuch der politischen Eliten in den meisten anderen Ländern, auch unter Schröder in Deutschland. Hier wirkten und wirken zu diesem Zweck besondere Propaganda-Organisationen, wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, eine 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete und von Arbeitgeberverbänden getragene Denkfabrik und Lobbyorganisation. Die verfolgt das Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit ihre ordnungspolitischen Botschaften bei Entscheidern und in der Bevölkerung zu verankern. In der Bevölkerung soll auf diese Weise die Bereitschaft für weitere wirtschaftsliberale Reformen erhöht, ein unternehmensfreundliches Klima erzeugt und Eigenverantwortung, Wettbewerb und unternehmerische Freiheit als positive Werte betont werden. Auch gibt es mit dem gleichen Ziel zahlreiche und sehr gut finanzierte Stiftungen, wie die Bertelsmann Stiftung.
Der „Oberglobalisierer” Schröder und seine Reformen
Die Sozialreformen unter Schröder waren wichtige Teile dieser selbstverordneten neoliberalen und ziemlich künstlich mit der selbstgeschaffenen Globalisierung begründeten Wende. Dazu zählten die harten Hartz-Gesetze, einschliesslich der Sanktionen bis unter das Existenzniveau, ohne gleichzeitig wenigstens einen Mindestlohn einzuführen.
Seit nun fünf Jahren beträgt die Zahl der Hartz-4-Empfänger kaum verändert sechs Millionen, davon ein Drittel mit Kindern. Die meisten Menschen in Deutschland können sich ohnehin nicht vorstellen, was es heisst, von Hartz-4 abhängig zu sein. Für Nahrung und alkoholfreie Getränke sind im Regelsatz pro Tag gerade einmal 4,70 Euro vorgesehen. Wer auf Hartz-4 angewiesen ist, muss alle Ersparnisse angegeben und sie vor dem Bezug erst bis auf einen kleinen Freibetrag vollständig „aufgegessen” haben. Jemandem, der ein wenig gespart hatte für Zahnersatz, für eine Kur oder für eine Unterstützung von Kindern und Enkelkindern, die in ständig befristeten Arbeitsverhältnissen stehen, wird dies alles genommen. Viele dieser Menschen brauchen psychiatrische Behandlungen, meist wegen Depressionen. So verzeichnete die AOK bei 40 % der bei ihr versicherten Hartz-4-Empfänger innerhalb eines Jahres eine psychiatrische Diagnose.
Deutschland hat heute in Westeuropa eine der kürzesten Zeiten für das normale Arbeitslosengeld und - von den Euro-Krisenländern abgesehen - einen der höchsten Anteile an besonders bedrückender Langzeitarbeitslosigkeit von mehr als einem Jahr. Der IG-Metaller Peter Hartz, Schöpfer der nach ihm benannten Gesetze, wurde später wegen Veruntreuung von 2,6 Mio. Euro verurteilt. Schröder und Hartz sind leider typisch für die Art von Sozialdemokraten, die unser soziales System weitgehend zugrunde gerichtet haben und von denen sich die SPD noch immer nicht getrennt hat.
Wie hart diese Reformen waren, zeigt beispielhaft die unter Schröders Regierung mit dem Sozialgesetzbuch (SGB) II eingeführte Gesetzgebung, die Sanktionen mit Kürzung selbst unter das Existenzminimum erlaubt. 2016 wurden so in Deutschland 135.000 Hartz-IV-Empfänger bestraft, darunter waren in jedem dritten Haushalt Kinder betroffen, durchschnittlich mehr als 44.000 Kinder. Für ein reiches Land ist es schwer vorstellbar, wie man gerade Kindern das Existenzminimum vorenthalten kann. Die durchschnittliche Leistungskürzung lag 2016 bei 19 %. Der Grossteil der Sanktionen von über drei Viertel wird wegen Meldeversäumnissen ausgesprochen, etwa wenn die Bezieher unentschuldigt einen Termin beim Jobcenter verstreichen lassen. Häufig kommt es auch zu Sanktionen, weil eine Arbeitsstelle oder ein Ausbildungsplatz nicht angetreten wurde.
Mit solchen Sanktionen kürzt das Jobcenter normalerweise bei einfachen Meldeverstössen die Auszahlung für einen Zeitraum von drei Monaten um 10 %, bei Pflichtverstössen wie dem Nichtantreten eines Jobs um 30 %. Verstösst ein Hartz-IV-Empfänger wiederholt gegen seine Pflichten, kann das Jobcenter die Auszahlungen erneut für drei Monate um 60 % und später sogar um 100 % kürzen. Bei unter 25-Jährigen ermöglicht das Gesetz eine noch härtere Gangart; ihnen kann die Auszahlung schneller komplett gestrichen werden. 2015 waren von einer solchen Totalkürzung 7.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte betroffen. Diese Praxis steht wahrscheinlich im Widerspruch zum Grundgesetz, nach dessen Artikel 1 die Würde des Menschen unantastbar ist und nach dessen Artikel 2 jeder Mensch in Deutschland das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat. Vor allem ist nach Artikel 20 die Bundesrepublik Deutschland ein „sozialer” Bundesstaat. Zum Glück gibt es noch deutsche Richter. So sind nach Ansicht der 15. Kammer des Sozialgerichts in Gotha (Thüringen) die Sanktionen nicht vereinbar mit dem Grundgedanken, dass das Arbeitslosengeld II nur das Existenzminimum absichert: „Das vom Grundgesetz garantierte menschenwürdige Existenzminimum muss durch den Staat jederzeit gewährt werden”, heisst es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Das Gericht hat daher die Frage dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Prüfung vorlegt.
Unter dem Druck anderenfalls drohender Kürzungen ihrer Hartz-4-Bezüge nehmen viele ältere Arbeitslose sehr einfache Arbeiten an, für die sie oft weit überqualifiziert sind und aus denen sie nur sehr selten in eine Beschäftigung zurückkommen, die ihrer Qualifikation entspricht. Nicht überraschend ist der Anteil der in oder trotz Arbeit Armen („working poor”) der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre nirgends so hoch wie in Deutschland (und Italien) - ein Bild absoluter Schande!
Zu Schröders Reformen gehörte weiter die Erleichterung der Leiharbeit. In der Folge stieg die Zahl der so höchst unsicher und in der Regel niedrig Entlohnten von rund 300.000 zu Beginn des Jahrtausends auf rund eine Million heute. Die Leiharbeit wurde zu einem wichtigen Teil des fortan wuchernden deutschen Niedriglohnsektors. Mehr als jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland arbeitet derzeit für einen Niedriglohn von weniger als zehn Euro in der Stunde. Im Jahr 2014 hatte Deutschland unter allen Ländern Westeuropas mit rund 23 % den höchsten Anteil der zu Niedriglöhnen Beschäftigten.
Ein besonders wichtiger Teil der Schröderschen Reformen war die Rentenreform mit der nach der Rentenformel vorgeplanten immer weiteren Absenkung der Eingangsrente. Diese Politik brachte Deutschland schon nach der OECD-Berechnung von 2015 gemessen am letzten Arbeitseinkommen die – von Grossbritannien, Irland und der Schweiz abgesehen - niedrigsten Renten in Westeuropa und bei Renten nach kleinem Arbeitseinkommen von der Hälfte des Durchschnitts die absolut niedrigsten. Für schon mehr als eine halbe Million Menschen über 65 Jahre waren die Renten Ende 2015 so klein und zum Leben nicht mehr ausreichend, dass sie zusätzlich Leistungen der Grundsicherung oder Sozialhilfe in Anspruch nehmen mussten. Ihre Zahl hatte sich gegenüber 2010 mehr als verdoppelt. Frauen sind davon besonders betroffen.
Auf der anderen Seite des sozialen Spektrums wurde dagegen der Spitzensteuersatz unter Schröder von 53 % auf nur noch 42 % abgesenkt und der Steuersatz auf Gewinne der Kapitalgesellschaften von 56 % auf nur noch 38,3 %. 2015 betrug der Anteil der Körperschaftssteuer an den gesamten deutschen Steuereinnahmen gerade noch etwas weniger als 5 %. Damit hat Deutschland unter 32 Vergleichsländern den drittniedrigsten Anteil.
Die Vermögenssteuer, die in Artikel 106 des Grundgesetzes grundsätzlich vorgesehen ist, war 1995 in der damals geltenden Form vom Bundesverfassungsgericht für nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar erklärt worden. Doch die drei Jahre später ins Amt gekommene Schröder-Regierung tat trotz des Drucks der Gewerkschaften nichts, um diese Steuer verfassungskonform zu reaktivieren, was praktisch einer Abschaffung gleichkam.
Noch eine weitere Reform unter Schröder wird Deutschland sehr lange und zunehmend belasten. Im Jahr 2000 wurde in Deutschland - anders als in vielen europäischen Ländern - leichtsinnig das sogenannte „ius soli” eingeführt, das seitdem (neben der Abstammung von Deutschen) den Kindern von Immigranten die Staatsbürgerschaft automatisch vermittelt, wenn die Eltern mindestens acht Jahre lang in Deutschland gelebt haben. Damit werden z.B. die von Türken in Deutschland geborenen Kinder bereits seit vielen Jahren in der Regel automatisch Deutsche, denn deren Eltern haben meist ausreichend lange in Deutschland gelebt. Im Ergebnis werden nun viel mehr Türken automatisch durch Geburt Deutsche als durch Einbürgerung (der dritte Weg, Deutscher zu werden). Dazu trägt auch die relativ hohe Kinderzahl türkischer Frauen bei. Während in der Regel die Geburtenzahl nach der Immigration sinkt, läuft dieser Prozess bei Türkinnen mit Migrationserfahrung deutlich langsamer. Ihre Geburtenjahrgänge 1965-1969 nach Abschluss des normalerweise gebärfähigen Alters kommen auf fast 2,5 Kinder pro Frau bei einem deutschen Durchschnitt von nur 1,5. Kinderlosigkeit ist unter diesen Frauen selten und etwa die Hälfte von ihnen haben mindestens drei Kinder. Dabei haben nur knapp 18 % der Frauen einen berufsqualifizierenden Bildungsabschluss.
Wer schon durch Geburt Deutscher geworden ist, kann auch nach Ablehnung jeder Integration und selbst nach schweren Verbrechen nicht mehr abgeschoben werden. Längst ist bekannt, dass sich die Nachfolgegenerationen von Türken noch schlechter bei uns integrieren als die ursprünglich Zugewanderten. Letztere hatten sich bewusst für ein Leben in Deutschland entschieden, während erstere ungefragt hier zur Welt gekommen sind. Die Wahlveranstaltungen für Erdogan und seine AKP in Deutschland zeigen auf besondere Weise, wie wenig gerade die Türken in Deutschland integriert sind, selbst wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Nach einer Studie des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück lebt die zweite Generation von Türken zu etwas mehr als der Hälfte in Wohnvierteln, die zu 50 % und mehr von Türken bewohnt werden. Dagegen leben nur 14 % der 2. Generation aus dem früheren Jugoslawien so konzentriert in ihrer eigenen ethnischen Gruppe. Ein Gefühl, Deutsche zu sein, ist nach Umfragen bei mehr als der Hälfte der Türken nicht vorhanden.
Diese Schrödersche Reform des Staatsangehörigkeitsrechts war ebenfalls ein Akt von Globalisierung ohne Rücksicht auf kulturelle und wirtschaftliche Folgen für Deutschland. Das gleiche gilt für die 2014 von der SPD g...
Inhaltsverzeichnis
- Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die Rolle rückwärts, eine Utopie?
- Kapitel 1: Kräfte und Argumente auf dem Irrweg
- Kapitel 2: Die Bilanz
- Kapitel 3: Zu den Chancen für eine Umkehr
- Kapitel 4: Der Rückweg - Was geschehen müsste
- Kapitel 5: „Retrotopia“ - Die Umkehr als Utopie?
- Ein kurzes Nachwort
- Anhang1: Immigration - Afrika
- Anhang 2: Schwächen des deutschen Bildungssystems
- Anhang 3: Sozialpolitik im Zeichen der Globalisierung (Auszug aus Schulfuchs.de)
- Impressum