1. Kapitel
Herkunft und Jugend Fridolins.
Ein kurzer Abriss der Geschichte Irlands und der Verhältnisse dort zur Zeit des heiligen Fridolin (464 – 538)
Der hl. Fridolin lebte und dachte in der keltischen Tradition Irlands, hatte die besten Schulen seiner Zeit besucht und wirkte später im Reich der Franken. Hochgebildet und ein großer Redner, hatte er zu den wichtigen Herrschern seiner Zeit guten Kontakt. Er könnte ein Sohn des irischen Königs Loegaire mac Neill, des Sohnes und Nachfolgers des Königs Niall Noigiallach, des Begründers der irischen Königsdynastie der Ui Niall gewesen sein. 1
Dafür spricht nicht nur die Überlieferung, sondern sein ganzes Verhalten. Souverän ging er mit den Vornehmsten seiner Zeit um und wurde von diesen auch anerkannt.
Mit der Ankunft in Gallien legte Fridolin vermutlich seinen keltisch/irischen Namen ab und nahm einen fränkischen Namen an, denn Fridolin, Friedolin ist ein männlicher Vorname westfränkischer Herkunft, der mit dem germanischen „fribu“ = Schutz vor Waffengewalt, Friede und der romanischen Koseendung „-lenus“ gebildet wurde.2
Fridolin erscheint auch unter folgenden Namen:
Fridoldus (Handschrift Kloster Eller), Fridelinus, Firdolinus, Tridolinus, Tredelinus, Tudelinus, Friedhold, Friedenreich.
Den Beinamen Wanderer ‚Viator‘ erhielt Fridolin für seine apostolischen Wanderungen, die er für die Verbreitung der christlichen Lehre unternommen hatte. In die gleiche Richtung zielt „Tredelinus“, ein Name, der mit dem fränkischen Wort „Trede“ = Stufe, Tritt zusammenhängt. Fridolin predigte auf seinen Wanderungen in Gallien und Alemannien Christen und Heiden.3 Im ehemals römischen Reich lebten noch zahlreiche Christen, die nicht in den Wirren der Völkerwanderung verschollen waren und auch den Ansturm der Hunnen unter Attila überlebt hatten.
Fridolins Abstammung
Fridolin wurde wahrscheinlich 464 als Sohn reicher Eltern aus höchstem Adel in Irland geboren. Seine Eltern waren Christen. Vermutlich stammte Fridolin aus der Gegend zwischen Armagh und Kildare. Sein Geburtsort lag eine Tagereise von der Küste entfernt. Armagh war ein Bischofssitz der römisch-katholischen, oder wie man damals sagte, athanasiaschen Kirche und in Kiladre lag das große, St. Brigida geweihte, Frauenkloster. Die Stadt Armagh liegt in der gleichnamigen Provinz im Nordosten Irlands in der Nähe des alten Emain Magach und Kildare in der Mitte Ostirlands.
In Irland hatte sich möglicherweise schon seit dem ersten Jahrhundert eine von Rom unabhängige, christliche Kirche, die keltische oder iro-schottische Kirche entwickelt.4 Fridolin gehörte aber zweifellos zur römischen Kirche.
Es ist anzunehmen, dass er nach dem Brauch der Zeit als Kleinkind an Zieheltern gegeben wurde und dort mit anderen Kindern in der fremden Familie aufwuchs. Dabei hat es sich sicher um eine christliche Familie gehandelt, in der er christlich geprägt wurde.
Dieser alte Brauch war bei den keltischen Iren und Britonen weit verbreitet - sicher nur bei den Familien der oberen Gesellschaftsschichten. Der Brauch führte dazu, dass die Beziehungen zwischen den Zieheltern und den sogenannten ‚Milchgeschwistern’ in der Regel viel intensiver waren, als die zu den leiblichen Eltern und Geschwistern.5
Vieles deutet darauf hin, dass Fridolin aus dem Geschlechte der ‚Ui Néill’, der irischen Königsdynastie stammte. Deren Gründer Niall Noigiallach, der Großkönig von Irland hatte acht Söhne. Ihm folgte sein Sohn Lóegaire mac Néill nach, der die Verbreitung des römischen Christentums unterstützte.
Dieser Lóegaire mac Néill käme als Vater des Fridolin in Frage. Der überlieferte Hinweis, der Vater Fridolins sei Conranus, der König von Schottland gewesen, spricht dafür. Zur Zeit von Fridolin war Irland unter dem Namen ‚Schottland’ = Land der Scotti allgemein bekannt. Die Iren nannten sich selbst ‚Scotti’, wie auch Caesar berichtet.6
Diese Abstammung würde einiges erklären, sein Ansehen, seinen Reichtum und natürlich seine Verwandtschaft mit den mächtigsten Männern Irlands. Diese Herren schätzten sich glücklich mit Fridolin verwandt zu sein, denn sie glaubten durch Fridolin die Gnade Gottes eher erhalten zu können.7
Für seine königliche Herkunft spricht auch die Tatsache, dass Fridolin offensichtlich hoch gebildet war und ohne Probleme mit den Mächtigsten seiner Zeit, zum Beispiel mit dem Frankenkönig Chlodwig I. umging; von ihnen gefördert und unterstützt wurde. Vielleicht hatte er auch zu dem westgotischen König Alarich II. Kontakt, in dessen Einflussgebiet Poitiers noch zu der Zeit Fridolins gelegen hat.
Ein Zitat Balthers mag dies verdeutlichen:
„... dem Kindesalter entwachsen, widmete er sich dem Studium der Wissenschaften mit großem Eifer. In den Schulen wurde er mit allem bekannt, was damals zur weltlichen Bildung gehörte. Aber vor allem suchte er sich mit der höchsten Weisheit vertraut zu machen.“8
Fridolin besuchte die besten Schulen, denn nur dort wurde das Wissen seiner Zeit gelehrt. Sicher unterschieden sich diese Schulen nicht sehr von den Schulen der ‚filid’ (Priester, Dichter, Gelehrte) im vorchristlichen Irland, an denen der Nachwuchs des Adels und der ‚filid’ ausgebildet wurden. Und die irischen Schulen waren die anerkannt besten Schulen ihrer Zeit, ob nun christlich oder traditionell geprägt.
Noch Jahrhunderte später waren die Absolventen dieser Schulen als Missionare oder als Berater der Könige überall in Europa tätig. Man denke nur an Alkunin, den Freund und Berater Karls des Großen. Sie galten im damaligen Europa als die größten Graecisten ihrer Zeit, denn in Irland wurde seit Jahrhunderten die griechische Sprache gepflegt.9
Wie schon Caesar berichtete, benutzten die keltischen Druiden für profane Angelegenheiten die griechische Schrift, denn die Druiden waren nicht nur Gelehrte und Priester, sondern sie organisierten auch die Verwaltung und den Handel.10
Hinzu kommt noch, dass wie einem Bericht über die wichtigen Feste in Tara entnommen werden kann, die immer mit großen Märkten und allerlei Wettbewerben wie Pferderennen verbunden waren, auch viele griechische Händler dort ihre Waren anboten. Diese handelten mit Waren des gehobenen Bedarfs, wie wertvollen Textilien, Schmuck und keramischen und metallischen Erzeugnissen. Sicher handelten sie auch mit Wein und Sklaven, den traditionellen Handelsgütern bei den festländischen Kelten.11
Doch zurück zu Fridolin. Zu seiner Verwandtschaft gehörten zahlreiche, mächtige Vettern. Das ließe sich durch die Tatsache erklären, dass Leògaire mac Niall sieben Brüder hatte, von denen drei Unterkönigreiche in Nordirland anführten. Deren Nachkommen wären dann die Vettern von Fridolin gewesen.
Ein weiteres Zitat würde dazu passen:
„Zu seinen Verwandten zählte Fridolin die Mächtigsten seines Landes, die sich glücklich schätzten, einen Mann von so heiligmäßigem Wandel, wie Fridolin, ihren Vetter nennen zu dürfen. Sie hielten dieses für eine große Ehre, aber auch für einen schätzenswerten Vorteil, indem sie durch die Verdienste Fridolins Gottes Gnade um so sicherer zu erlangen hofften.“12
Eine typisch keltische Vorstellung. Für seine Verwandten war Fridolin eine Art Druide, wie sie es aus ihrer alten Kultur kannten. Der Druide stellte für den König die Verbindung mit der ‚anderen Welt’ und deren Göttern und Geistern her. Er sprach die Sprache der Götter. Dass in der ‚anderen Welt’ seit der zunehmenden Verbreitung des Christentums nur ein Gott herrschte, änderte an ihrer grundsätzlichen Einstellung zur jenseitigen Welt wohl nichts.
Auch war sich Fridolin seiner Herkunft durchaus bewusst, wie ein weiteres Zitat Balthers / J.Schuler nahe legt: „Fridolin suchte aber von Jugend auf den Adel seiner Geburt durch den Adel der Tugend zu erhöhen und schmückte sein Leben sorgfältig mit guten Werken.“
„... er (Fridolin) übertraf die meisten seiner Landsleute an Reichtum .... war nicht sparsam mit seinen Geschenken und Gaben. Den Reichen reichte er kostbare Geschenke, um den Neid in ihren Herzen zu ersticken und sie anzuleiten, die Habsucht durch Freigiebigkeit zu bekämpfen und zu unterdrücken. ...
Die Armen erfreute er täglich mit reichem Almosen. Er wollte ihre Not lindern und sie zufriedener mit ihrem Schicksale machen. Sein Almosen gab er freudig und gerne, nicht mit Traurigkeit oder aus Zwang, denn er wusste einen freudigen Geber liebt Gott.“13
Älter geworden fühlte Fridolin sich zum Priester berufen. Er entsagte den weltlichen Vergnügungen und widmete sich ganz der christlichen Lebensweise. Er ließ sich zum Priester ausbilden und empfing die Priesterweihe.
Ein weiteres Zitat Balthers / J.Schuler beleuchtet das Wirken Fridolins als Priester: „Nachdem er Priester geworden, widmete er sich mit apostolischem Eifer dem Predigeramte; er durchzog seine Heimat und die angrenzenden Gegenden und befestigte und bestärkte überall die Gläubigen im christlichen Glauben.
Doch er übernahm dieses Amt nicht aus eigener Anmaßung, sondern nur mit der Zustimmung der zuständigen kirchlichen Obrigkeit ....“14
Das könnte bedeuten:
- Fridolin besuchte ursprünglich eine nicht unbedingt christlich geprägte Schule. Erst älter geworden (als Erwachsener?) fühlte er sich zum Priester berufen.
- Fridolin missionierte nicht, sondern predigte in der ganzen Umgebung christlichen Einwohnern das Evangelium. Vermutlich predigte er den Anhängern der keltischen Kirche, die Rom gemäße Richtung des christlichen Glaubens, und er wandte sich sicher auch gegen die Irrlehre des Pelagianismus.
- Fridolin predigte im Auftrag seiner kirchlichen Obrigkeit. Das ist ein klarer Hinweis auf die Einbindung Fridolins in eine Hierarchie. Dabei kann es sich nicht ...