KAPITEL 11 – KRIMINALPRÄVENTION DURCH UMWELTDESIGN
Die Geschichte und Entwicklung von CPTED (Crime prevention through environmental design/ deutsch: Kriminalprävention durch Umweltdesign)
Auf der Suche nach Ursachen kriminellen Verhaltens wurden bereits vor 150 Jahren auch Zusammenhänge zwischen Kriminalität und Wohnumgebung untersucht.
«Die Welt war entdeckt worden. Dieses Abenteuer ist beendet. Aber die Welt ist noch jung, immer noch abenteuerlustig; was als nächstes? Es gibt noch andere Welten zu entdecken; noch interessanter. Die Welt der großen Städte. Die Immigrantenkolonien. Die Ghettos und Chinatowns».
Robert Ezra Park
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden in der soziologischen Abteilung der Universität von Chicago, welche heute als Chicago School bekannt ist, Untersuchungen der Großstadt durchgeführt. Chicago war zur damaligen Zeit von einer rapiden Urbanisierung und einer starken Immigration gekennzeichnet, wodurch ein enormer sozialer Wandel entstand. Aus diesem Grund wurde die Stadt Chicago zum Labor der Untersuchungen und Studien der Chicagoer SoziologInnen. Vor allem sollte der Zusammenhang zwischen den städtischen Raumstrukturen und Kriminalität bzw. abweichendem Verhalten untersucht werden. Im Vordergrund standen die Verteilung von Kriminalität und die Sicherheit im städtischen Raum, weshalb die Chicago School auch als «Schule der Sozialökologie» bezeichnet wird. Im Fokus stand die Methode der unstrukturierten Feldbeobachtung, genauer gesagt die qualitativ-teilnehmende Beobachtung, welcher sich beispielsweise auch F. Thrasher in seiner Studie «The Gang» (1927) oder W. Whyte in seiner Untersuchung «Street-Corner-Society» (1943) bedienten. Mit all den vielen theoretischen Arbeiten, Fallstudien zu abweichendem Verhalten und Studien zu städtischen Teilgebieten wurde zum Großteil versucht, den Zusammenhang von Stadtraum und Verhaltensmustern zu erschließen. Um darauf Antworten zu finden, wurde untersucht, wo jugendliche Täter wohnen und warum sie dort wohnen. Zusammenfassend konnte unter anderem festgestellt werden, dass
- bestimmte städtische Areale gleichermaßen durch eine hohe Kriminalitätsbelastung (durch jugendliche Täter) sowie eine ungünstige Sozialstruktur gekennzeichnet waren,
- die Belastung durch Straftaten umso höher ausfiel, je näher die untersuchten Gebiete dem Stadtzentrum waren, und
- diese besonders belasteten Stadtteile eine minimale gegenseitige soziale Kontrolle der Bewohner aufwiesen.
Zudem waren diese Problemgebiete baulich besonders verkommen und durch einen schnellen Wechsel der Bewohner geprägt. Diese hatten daher kaum Möglichkeiten, sich mit ihrem Wohnumfeld zu identifizieren und sich in eine Nachbarschaft zu integrieren. Infolgedessen lebten in diesen Vierteln vor allem Menschen, die sich eine Wohnung in einer anderen Wohnlage finanziell nicht leisten konnten.
Die Gründe für das Entstehen einer soziologischen Schule in Chicago 1892 sind unterschiedlich. Das Engagement, der neu gegründeten Universität galt der Lösung von sozial bedingten Problemen, welche mit der raschen Urbanisierung und Immigration in Chicago einhergingen. Die Chicago School war eine Universität, die für ihre Studien nicht Geschehnisse aus der Vergangenheit herantrug, sondern gegenwärtige Strukturen von menschlichen Handlungen und Verhaltensweisen auswählte. Die Entscheidung, solche Studien durchzuführen, wurde durch den historischen Kontext und durch das spezifische Interesse an konkreten Studien veranlasst. Besonders ausschlaggebend für diesen neuen Wandel, der eine neue Generation an SoziologInnen hervorbrachte, war das zunehmende Wissen über Großstädte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nannte man die Chicago School auch «Schule der Humanökologie». Diesen Namen erhielt sie vor allem deshalb, weil Robert E. Park versuchte, mit seinen Studien den Zusammenhang zwischen räumlichen Strukturen und Kriminalität zu ergründen. Der ausschlaggebende Punkt für seine Untersuchungen war die Beobachtung, dass in bestimmten Gegenden kriminelles Verhalten besonders häufig auftrat. Einzelne Studien über das unbekannte Gebiet der Großstädte, die wichtigsten Eigenschaften dieser Städte und das spezifische Verhalten der Einwohner, die zum größten Teil auf empirischer Ebene vonstattengingen, verliehen einen beachtlichen Blick in die Mechanismen sozialer Prozesse der Stadt Chicago. Herbert Blumer, Ernest W. Burgess, Clifford Shaw, W.I. Thomas, Charles H. Cooley, Albion W. Small und viele andere KollegInnen und Studierende der Chicago School untersuchten mit ihren qualitativ empirischen Studien eine Menge an unterschiedlichen Facetten des städtischen Lebens, von denen jede einzelne zu einem besseren Verständnis der Prozesse der unübersichtlichen Großstadt beitrugen. Themen wie Rassismus, Kriminalität, Kulturunterschiede und städtische Entwicklung sind nur einige wenige Aspekte, die in den Studien behandelt wurden. Ökologische, ökonomische und industrielle Faktoren wurden generell auf eine Ebene der sozialen Ordnung umfunktioniert. Diese große Vielfalt an unterschiedlichen Studien und Theorien wurde mit Sicherheit auch stark durch die Tatsache beeinflusst, dass sich das Team der Chicago School aus Personen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammensetzte. So war Robert E. Park, der Leiter der Chicago School, Journalist. Andere Mitglieder waren beispielsweise aus den Bereichen Biologie, Strafrecht, Philosophie und Historismus.
Ein weiterer wesentlicher Faktor für die Entstehung der Chicago School war die neuartige Art und Weise dieser SoziologInnen, ihre Studien in die Gesellschaft zu führen. Sie verwendeten eine Methode, die sich von den in Europa vorherrschenden Methoden deutlich unterschied. Die Methode versuchte die Beziehungen zwischen spezifischen sozialen Akteuren in einer begrenzten Zeit und einem begrenzten Ort zu verstehen. Charakteristisch für diese Vorgehensweise war, dass der Fokus auf sozialen Beziehungen und der räumlichen Ökologie lag. Die SoziologInnen der Chicago School glaubten daran, dass soziale Phänomene in bestimmte Situationen eingebettet sind, die wiederum von anderen kontextabhängigen Phänomenen umgeben sind, und durch vergangenheitsbezogene Prozesse erzeugt werden. Entscheidend für die Entstehung dieser amerikanischen Soziologie in der Jahrhundertwende und auch der Grund für eine Abgrenzung von der europäischen Soziologie, waren die Probleme am Leben in einer Großstadt, welche mit Immigration und Urbanisierung einhergingen. In dieser Zeit wurde die Entwicklung der Gesellschaftsforschung von Studien, die keine klare Hypothese hatten, gesteuert. Die Soziologie in Amerika sah sich als eine Wissenschaft, die versuchte zu verstehen, wie soziale Gruppen durch Interaktion die Entwicklung und Reifung der Persönlichkeiten ihrer Mitglieder übernehmen. Es stellt sich allerdings die Frage, warum sich ausgerechnet die Chicagoer SoziologInnen in solch eine andere Richtung entwickelten als die SoziologInnen von anderen mittel westlichen Städten. Von zentraler Bedeutung war ihr Bestreben nach einer gemeinsamen intellektuellen Leistung, die sich von den meisten Interessen der anderen Universitäten und Colleges des mittleren Westens unterschied. Die Theorie, die in Chicago entwickelt wurde, versuchte das wandelnde Verhalten der...