Der Forstmeister, der Leutnant und der Krieg
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Der Forstmeister, der Leutnant und der Krieg

Tagebücher aus einer schlimmen Zeit: 1931 bis 1947

  1. 344 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Der Forstmeister, der Leutnant und der Krieg

Tagebücher aus einer schlimmen Zeit: 1931 bis 1947

Über dieses Buch

Hans Bossel, bei Kriegsbeginn junger Forstbeamter und Familienvater mit vier kleinen Kindern, erlebt den gesamten Zweiten Weltkrieg als Soldat der Wehrmacht, meist an der Front in Frankreich und Russland. Mehrfach verwundet, kehrt er erst 1947 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Zwischen 1931 und 1947 hält er seine Erlebnisse in täglichen Tagebucheinträgen fest, die in wesentlichen Teilen in diesem Buch unverändert wiedergegeben sind, stellenweise ergänzt durch Tagebuchnotizen seiner Frau und andere Dokumente aus Kriegs- und Nachkriegszeit. Die Tagebücher haben die Entwicklungen jener Zeit aus der Sicht eines Augenzeugen festgehalten, der das täglich Erlebte knapp protokolliert, ohne zu wissen, was am nächsten Tag geschehen und wohin alles führen wird: die Verführung durch die NS-Ideologie, Siegestaumel am Kriegsbeginn, Tod und Zerstörung in erbitterten Kämpfen an der Front und im Bombenkrieg, Hunger und Verzweiflung nach dem 'Zusammenbruch'. Die Tagebücher geben einen authentischen, oft erschütternden Einblick in Leben und Denken jener Zeit aus der Sicht eines unmittelbar Beteiligten. Sie sind aber auch anrührendes Dokument einer Liebe zweier Menschen, die sich trotz Krieg und jahrelanger Trennung ihren Traum von Familie und Frieden bewahrten.

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Information

Jahr
2015
ISBN drucken
9783734762345
eBook-ISBN:
9783738676228

Kriegsgefangenschaft 1945 bis 1947

Während seines Genesungsurlaubs zu Hause überrollt der amerikanische Vormarsch auch den Wohnort der Familie in Nordhessen. H. will sich der kämpfenden Truppe in Thüringen anschließen, schlägt sich mehrere Tage durch die Wälder nach Osten durch, wird aber schließlich von Amerikanern gefangen genommen und in ein Kriegsgefangenenlager an der französischen Kanalküste gebracht. Nach wenigen Monaten werden die Gefangenen in ein Lager bei Koblenz verlegt. Aber nur politisch Unbelastete werden entlassen, die anderen, auch H. als ehemaliges Parteimitglied, werden in französisches Gewahrsam übergeben und in Gefangengenlager bei Le Mans gebracht. Von dort wird H. erst im Sommer 1947 in die Heimat entlassen.
2. April 1945 (Ostermontag), Stölzingen verlassen nach unruhiger Nacht in Kleidern und sprungbereit, da jederzeit Ami kommen kann. Zersprengte Teile, Soldaten, Fahrzeuge ziehen durch das Gehöft. G. begleitet mich, bleibt bei mir, bis vermeintlicher Ami-Panzer, tatsächlich deutscher Panzerspähwagen die Stölzinger Höhe herabrollt. Inzwischen pfeife ich die Jungens heran, verzehre mit ihnen in Deckung liegend am Waldrand Teile des Honigkuchens, den Ulf aus dem abgelegten Rucksack holte. Da G. nicht kommt, mit den Buben ins Gehöft zurück. Dietlind ruft mir noch zu: „Pati, komm gesund wieder aus dem Krieg!“ – Das geht mir doch durch die Knochen!! Kaum Gehöft verlassen, entdecke ich an der Waldspitze Panzerspitze des Amis. Jetzt aber los! Am Waldrand kurzer Abschied von Gertraude, für wie lange? „Machs gut!“ Dann sehe ich sie an Birkenfelds vorbei sich auf Pferdefuhrwerk schwingen und durch die sich vorsichtig vortastende Panzerspitze – Schrittempo, Sicherer zu Fuss – unbehelligt ins Haus eintreten.
Bis 6 Uhr beobachte ich mit Glas das Abrollen der endlos langen Panzer- und LKW Kolonne, die Entwicklung zu einem Feuergefecht mit Resten der deutschen Nachhut, das Défilé der deutschen Gefangenen, die ich kurz vorher noch im Hofe gesprochen hatte, mit über dem Kopf erhobenen Armen an den Panzern vorbei rückwärts. – Erbärmlicher, weil ungewohnter Anblick! – Treffe Kameraden Hofmeister (1941 mit ihm in Russland), der sich nach Hause durchschlagen will. – Warte vergebens auf Gertraude, schreibe Tagebuch, verstaue überzähliges Gepäck in Versteck und letzten Gruß und reiß mich um 18 h los von dem Blick auf Stölzingen. Immer wieder sichernd eile ich im Wettrennen mit der Nacht auf dem Höhenweg des Stölzinger Gebirges nach Osten in der Absicht, durch ein Loch im Nordosten über die Werra Richtung Mühlhausen zu gelangen. Es regnet sich ein. Mondlose dunkle Nacht schon, als ich die von einzelnen Fahrzeugen befahrende Strasse Bebra-Eschwege überquere und zur Rast in eine Fichtendickung einschliefe199. Es regnet, trotzdem schlafe ich, müde wie ich bin.
3. 4. 1945. Gegen 2 Uhr etwas heller. Ich marschiere nach Kompass, dessen Nadel unter dem Einfluss des dortigen Störungsgebietes toll umher tanzt und die Orientierung derart erschwert, dass ich nach Norden ausrutsche, etwa 4 km nördlich Solz das grosse Waldgebiet verlasse und Mühe habe, in der Morgendämmerung die deckungslose Landschaft bis Nentershausen zu überqueren. Dort Orientierung (gestern die letzten Kameraden vorbei) und Erfrischung beim Lehrer durch Kaffee und Marmeladebrote.
Weiterleitung vorbei an Lager mit die Freiheit erwartenden ausländischen Arbeitern zu hilfsbereitem Förster Becker an Burg Falkenstein, wo ich mich trockne und mit Kaffee, Ei, Kuchen, Brot bestens erfrische. Dann Geleit durch Becker auf Waldwegen und Pürschsteigen mit weiten Blicken auf die hessische und thüringische Landschaft. Wie schön das Alles! – durch den Ringgau.
Becker schleifte meinen Rucksack, unterhielten uns forstlich und über die Lage. Dann allein. Im Hasengarten, dessen Besitzer die weiße Fahne gehisst, Riesenangst haben, mich ins Haus zu lassen, werde ich von ausgewichenen Evakuierten aus Erfurt zu dicker Erbsensuppe mit Kartoffeln eingeladen. Nach kurzer Rast, mit Stationen von Offizier a.D. versehen, marschiere ich nach Hohenhaus, am Fuße steiler Muschelkalkhänge gelegen und um Gutshof Viehwegverlag gelagert. Finde dort in Ausländerbaracke ältere Kameraden vom Nachschubwesen Hersfeld, die die dortigen Kämpfe mitgemacht und in abenteuerlicher Flucht erschöpft und ausgehungert Hohenhaus erreicht hatten und dabei waren, sich an den durch die Dorfjugend herangeschafften reichlichen guten Esswaren aufzumöbeln. Auch ich werde beteiligt.
Förster Schmidt, Ortsgruppenleiter, sorgt umsichtig, auch für die örtliche Sicherheit durch Jungens. Sitzt doch der Ami seit gestern im Nachbarort und fährt alle Stunden eine Panzerstreife nach Hohenhaus. – Wegen starken Regens ist die geplante Vororientierung am Abend nicht mehr möglich, der Abmarsch wird auf den kommenden Abend verschoben, denn nur bei Nacht kann die Hauptverkehrsstrasse Kassel – Eisenach überquert werden. Obwohl dessen bewußt, daß jeder Tag der Ruhe den Anschluß an eigene Truppe immer schwieriger macht, bleibe ich bei diesem bunten Haufen alter verbrauchter Männer, kann ihnen als Infanterist das Zurechtkommen erleichtern. Hinzu kommt, daß ich nach zweitägigem Marsch verdammt müde bin. Ich schlafe denn auch in dieser Nacht warm und fest.
4. 4. 1945. Mutters Geburtstag. Ami-Nähe treibt bald heraus. Ausgiebiges Frühstück bei Förster Schmidt mit Osterkuchen, Hausmacherwurst, feiner, aufrechter Mann. Ohne Gepäck mit Feldwebel Frank und Schmidt zur Erkundung.
Bei Rückkehr Dorf besetzt. Schicksal der Kameraden? Querfeldein mit Frank über Kalklandschaft Richtung Boyneburg. Bei Dämmerung Harmuthshausen. Polen versorgen uns mit Kartoffeln, Käse, Kaffee, tut gut, Hunger nagt bereits. Rucksack blieb ja in Hohenhaus zurück! Fünf Stunden im Stroh warm und fest geschlafen.
5. 4. 1945. 4 h raus aus dem Stroh. Nach Kompaß über Strasse Kassel-Eisenach. 7 h am Forsthaus Neuhaus, Revierförster Becker, Kaffee, Rasieren. Weiter Richtung Wanfried durchs Rosental. Abstecher im Forstgehöft Schlierbachtal, tapfere Frau, klärt uns auf, Eschwege bereits gefallen, erfrischt mit Broten und Milch.
Entschluß zum Rückmarsch, weil Werrabrücken bereits besetzt vom Ami. Bekomme Kartoffeln. Leichtsinnig geworden, Rast mit Abkochen von Kartoffeln, eben als diese verteilt werden sollten, inzwischen sind wir zu dritt, Jeep mit drei schwerbewaffneten Amis vor uns. Ende der Freiheit. Abmarsch zu seiner Sammelstelle mit anderen Leidensgenossen. Ein freundlicher Ami nimmt mir ab: Uhr, Waffe und Verlobungsring. So wehrlos, aber nicht ehrlos, war ich nie in meinem Leben.
In Weißenborn Sammelstelle, weiter schwer bewacht auf Jeeps nach Hosbach; Anpöbeleien. Weiter nach Sontra. Erstes Verhör durch deutschsprechenden Major (Jude): Beschwerde über Diebstahl, Frage, warum ich nicht in Stölzingen den Ami erwartet habe, wie ich die Lage beurteile. Behandlung korrekt. Sehr niedergeschlagen. Offiziere dabei, die mit Koffer und Kasten auf Gefangennahme gewartet hatten, Pfui Teufel !
6. 4. 1945. Nach unruhiger Nacht auf halber Seegrasmatratze unter der Zeltbahn, mein einziger Kälteschutz. Nichts zu essen. Bitte den Ami-Kommandanten, an G. Brief schreiben zu können, Weiterleitung ohne Gewähr, Einlage 100.- Mark und Bild (G. erhielt ihn am 25. 4. durch Forstwart beschäftigt in Stölzingen). 16 Uhr Abtransport in Lkw-Kolonnen über Bebra, Hersfeld in Riesenlager Kirchheim. Filzen, nachts eng aber trocken in dreckiger Autogarage. 10 000 Gefangene stehen wie zusammengetriebenes Vieh Mann an Mann im strömenden Regen im Freien. Ami-Verpflegung in Büchsen.
7. 4. 1945. Umsiedlung in Schlammlager. Alle paar Stunden Neusortierung im Marsch-Marsch. Cowboy-Methoden der stockbesoffenen Wächter. Erschütternd das Gefühl, einer geschlagenen zusammengebrochenen Armee anzugehören. Es klart auf, Sonne wärmt, nachts starke Abkühlung.
Ständige Bewegung in dieser Riesenmasse. Tausende von Zivilisten, selbst Frauen, Verwundete, viele Amputierte, ständig größer werdende Gefangenenzahl, zusammengepfercht, Knaben bis Greise, manche wahnsinnig, auch Versuche durch die dichte Absperrung aus Draht zu kommen. Mancher Schuß fällt, mancher Deutsche haucht hier schon sein Gefangenenleben frühzeitig aus. Ich will leben!
8. 4. 1945 (Sonntag). 10 h bringen uns schwarze Fahrer in Groß-Lkws in schneller Fahrt auf stark belebter Autobahn bei klarem, frühlingshaftem Wetter – am 26. 8. 39 fuhr ich dieselbe Strecke nach Saarbrücken – in ein Offizierslager nach Oberursel. Ich bekomme einen Begriff von der gewaltigen Nachschubmaschinerie der Amis. Kaum Zerstörungen, Bauern z.T. auf dem Feld. In Oberursel viele Bekannte: Kannenberg, Fischer, Gumbel, Winkler. Ami-Büchsen gut. Eng in den Baracken, Waschen. Lagebeurteilung: schlecht.
9. 4. 1945. 10 bis 19 h lange Lkw-Fahrt ohne Pause, dicht gedrängt, über Mainz (Pontonbrücke), Bingen, Hunsrück-Höhenstrasse, Bernkastel, Wittlich, Trier (stark zerstört). Schön ist es in Deutschland. Bevölkerung ruft uns zu: „Auf Wiedersehen!“ Ja, wann aber?, wirft Brot zu. Ich reiche einen Zettel an G. herunter, der sie im September erreicht. Kurze Rast auf Höhe über Trier. Nächtlicher Fußmarsch durch die Stadt zur Bahnverladung, 40 Mann im Waggon, Verpflegung ist drin. Hunger groß. Nachts rollen wir über die deutsche Reichsgrenze nach dem Westen.
Vier Tage nach seiner Gefangennahme wird H. bereits in ein amerikanisches Gefangenenlager in der Normandie transportiert – dorthin, wo vor gerade zehn Monaten die Allierten während der Invasion gelandet waren. Der Krieg ist noch nicht zu Ende, noch wird an den Fronten in Deutschland gekämpft. Aber im Lager organisiert sich bereits kulturelles Leben: Vorlesungen, Englisch-Unterricht, Sportfeste, Musikgruppen, sogar Varieté und Bunte Abende; man liest klassische Literatur (woher kamen die Bücher wohl?) und diskutiert historische Themen in Arbeitsgemeinschaften. Die Forstleute unter den Gefangenen finden zueinander und organisieren Lehrgänge – in dem Wunsch, sich für baldige Aufgaben in der Heimat vorzubereiten. Und das alles noch vor der Kapitulation des Deutschen Reiches!
10. 4. 1945. In der Dämmerung sind wir bei Longwy, fahren durchs Maastal, das in voller Blüte steht, über Sedan. Mittags Ausladung in Stenay, größeres Durchgangslager, allein schon 1000 Offiziere dort, aber meist Zahlmeister und Offiziere der Etappe, keine angenehme Gesellschaft. Erstes belangloses Verhör durch Juden mit schwarzer Hornbrille. Kalte Nacht in Zelten auf Kreide-Boden der Champagne. Dafür warme dünne Suppe und Keks.
Vormarsch der Alliierten unaufhaltsam. Amis und Engländer erreichen Linie Bremen–Hannover–Erfurt–Meiningen–Würzburg, Württemberg, die Russen in Linz. Lage für uns hoffnungslos !
11. 4. 1945. ½5 h warme Suppe mit Kartoffelschalen. Erste Namensaufnahme. Marsch in anderen Teil des Lagers, gründliche Körperwäsche, war nötig. Nach Suppe mit Ami-Keksen und vielen Zählungen durch deutsche Kompanieführer 16 h Abmarsch zu neuer Verladung. Heiß. Hier schon schönster Frühling. Vieh auf den Weiden. Wie mag es Gertraude und den Kindern gehen? – In brütender Hitze und Enge im dicht verschlossenen 40-Mann-Waggon. Gegen Mitternacht Abfahrt des langen Transportzuges mit 1500 Offizieren. Schlaf gut in Schichten – müde!
12. 4. 1945. Erwachen in den Argonnen, die der lange Zug keuchend durchfährt. 1940 war ich in dieser Gegend auf dem Vormarsch. Es geht an der Marne entlang durch richtigen Frühling. Hinter Chalons s. Marne beginnt die zweite Nacht. Irgendwo werden wir nachts aus den Waggons getrieben und dürfen uns kurz auf Klobatterien setzen. „Sneller kak“ sind die Anfeuerungsrufe der Wachen. Bei Rückkehr neue Verpflegung auf die es mit Hunger und Gebrülle geht, auch Wasser. Wieder eng aneinandergedrängt Erschöpfungsschlaf. Es gibt Streit, mit Schimpfworten, um die Plätze. Unwürdig.
13. 4. 1945. Über beschädigte Seinebrücke südlich Paris nach Westen. Starker Verkehr. Frankreichs Wiederaufbau offensichtlich. Viele Zerstörungen. Herrliche Baumblüte. Vor Chartres liegen wir in Sonnenglut fest, Steinüberfälle auf Kommandos der besoffenen Wächter. Sehr durstig. Stimmung?
14. 4. 1945. Nachts rollt der Zug schneller voran über Chartres auf der mir bekannten Strecke nach Le Mans. 1942 war's anders. Auf Bahnsteig machen die Wächter das Wasserfassen der Offiziere für Publikum zum Hauptvergnügen. Tolle Hetzjagd. Unser Waggon ohne Wasser. Über zerstörtes Caen. Ausladung gegen 20 h in Chef du Pont. 12 km eiliger Hetzmarsch unter Polenbewachung. Eintreffen in Enclosure Nr. 19 bei Foucarville auf der Halbinsel Cotentin Nähe Cherbourg. Polnische Wächter bestimmen mit Stößen Tempo. Köter!! Um Mitternacht Einmarsch, Deutsche empfangen uns kameradschaftlich. Es gibt nach Einzug in die Zelte herrlichen süßen Milchkaffee, Weißbrot, großes Stück Cornedbeef. Wie das schmeckt! Erholsamer Schlaf. – Roosevelt tot, keine Änderung der Gesamtlage zu erwarten.
15. 4. 1945 (Sonntag). Noch dunkel beim Wecken, es gibt Bohnenkaffee, Brot und Wurst. Das tut dem ausgehungerten Körper wohl. Einteilung der 1300 Offiziere einschließlich Ungarn in fünf Kompanien auf 27 Zelte. Camp 5 am Rande des Riesenlagers von 40 000 Gefangenen, meist von Invasionszeit, wir die ersten Offiziere. Blick auf Dorf Foucarville, dahinter im Osten die Bucht, wo die Anglo-Amerikaner am 6. 6. 44 landeten. Wracks aus Meer herausragend, im Hintergrund die durch ihren Widerstand berühmt gewordene St. Marcouf. Genieße diesen weiten Blick durch den hohen dichten Stacheldraht. – Essen, Waschen, Sacheninstandsetzen nehmen den ganzen Tag in Anspruch. Gedrückte Stimmung durch Wetter und gutes Essen etwas gehoben.
Lage immer hoffnungsloser, Feind in Gegend Hamburg, Magdeburg, Leipzig, Dresden, Russen in Wien. Über uns 1500 schwere Bomber, um über den Besatzungen in der Girondemündung 450 000 Gallonen Brandflüssigkeit abzuwerfen!!
16. 4. 1945. Bin Zeltältester von Zelt 19. Die 52 Mann hälftig Zahlmeister bzw. Leutnants und Oberleutnants...

Inhaltsverzeichnis

  1. Motto
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Das Schweigen, die Tagebücher, die Vorgeschichte
  4. Vom Wald in den Krieg: Vorkriegsjahre 1931 bis 1939
  5. Kriegsbeginn, Einmarsch in Frankreich, Besatzung 1939 bis 1941
  6. Vormarsch in Russland 1941, Kämpfe bei Aleksin, Verwundung
  7. Ausbilder in Frankreich 1942
  8. Einsatz in Russland 1942, Kämpfe bei Woronesch
  9. Ausbilder in Aschaffenburg, Transportoffizier zum Kuban 1943
  10. Ausbilder in Wildflecken 1943/1944
  11. Letzter Einsatz und Verwundung in den Vogesen 1944
  12. Kriegsende und Zusammenbruch 1945
  13. Kriegsgefangenschaft 1945 bis 1947
  14. Vom Krieg in den Wald: Nachkriegsjahre
  15. Persönliche Chronik von Krieg und Gefangenschaft
  16. Impressum