Die gelenkte Masse
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Die gelenkte Masse

Wie die Eliten mit Verlockungen hoffende Menschen in die Marktverwertung treiben

  1. 120 Seiten
  2. German
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Die gelenkte Masse

Wie die Eliten mit Verlockungen hoffende Menschen in die Marktverwertung treiben

Über dieses Buch

Kein anderes Thema beherrscht das Alltagsbewusstsein von Millionen Menschen so stark wie die Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Doch eine gespaltene Gesellschaft gehört zur Strategie der Wirtschaftselite. Ein hohes Maß an Ungleichheit ist notwendig um die Unterwerfung der ängstlichen Menschen zu gestalten. Die Verängstigung dient als feines Werkzeug, mit dem Menschen, die um ihr Ansehen bangen, sich im Markt lenken lassen. Und die Profite der Konzerne können üppig steigen.

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Information

Zweites Kapitel

Die Lenkung der Herde

Der übergeordnete Mensch der über andere verfügt, verschleiert seine Macht, indem er Untergeordnete anfeuert ihm nachzueifern. Erst an den Symptomen seine Macht wird erkennbar, welches Elend durch die Verfügung über die untere Masse entsteht. Den wirtschaftliche Nutzen, die Unternehmer aus Arbeitnehmern ziehen können, ist jedoch nur möglich, wenn Lohnabhängige dazu erzogen werden, sich nur in ökonomische Zwecke einzunisten.
Diese Anregung wird in Selbstverwirklichung umgedeutet. Sie entfaltet sich besonders in Machtverhältnisse, die darauf angelegt sind, die Einwilligung der abhängig Beschäftigen in die Fremdverfügung voran zu treiben. Der private Mensch und sein Wille, frei zu wählen, ist von Anbeginn eine Selbsttäuschung. Die Inhalte seiner Wahl gehorchen eher den Gesetzen der Konkurrenz und nicht den eigenen verborgenen Hoffnungen und Bedürfnissen. Menschen werden zu nützlichen Konsumenten umgestaltet, damit sie sich als Mitglieder der Tüchtigen fühlen können.
Es ist der innere Drang der wirtschaftlichen Eliten, das menschliche Wesen für den Markt herzustellen. Immer wenn es wieder verkündet wird, ist die Idee des autonomen Bürgers ideologisch. Gute Konsumenten wie auch Lohnabhängige sollen glauben, dass ihr Glück oder Unglück von ihren privaten Wünschen abhinge und nicht von Marktgesetzen beherrscht werden. Die Menschen beugen sich durch die Verinnerlichung ökonomischer Prinzipien, deren Gesetze sie durch gestreute Ängste kritiklos übernehmen.
Die Kälte in beruflichen Beziehungen lässt viele Menschen erstarren. Die Mühe sich psychisch warm zuhalten und den langsam durchsickernden Frost abzuwehren, raubt die Möglichkeit für ein anderes Denken. Das des Verstandes beraubtem Gehirn erfreut sich eher über politische Rituale, die dazu dienen, Freunde und Feinde auseinander zuhalten, als die Wirklichkeit zu verstehen. Ohne Reflexion kriechen wir auf den vorgelegten Gleisen der Eliten. Unsere vorgeformten Hoffnungen, Wünsche und kläglichen Entmündigungen sind von industriellen Mächten gelenkt. Diese Mächte beeinflussen nicht nur einfach das Private, sondern sie dringen in es ein. Wir sollen lernen, den Marktbürger oder die mächtigen Konzerne nicht als etwas dem Mensch gegenüber zu stellen. Wir sind nun selbst kleine Teile des gesellschaftlichen Marktes, und unsere Gehirne arbeiten fleißig darin.
Als Nebenprodukt der von außen angestoßenen Selbstaktivierung entsteht eine Verzauberung menschlicher Beziehungen, Reaktionen und Gefühle. Abgehoben von sozialen Beziehungen erscheinen sie als individuelle Reaktionen freier Männer und Frauen auf besondere Situationen und nicht als das, was sie wirklich sind: Menschliche Reaktionen auf eine beängstigende Lebenszukunft. Heute sind soziale Beziehungen nur oberflächlich, denn sie haben mehr mit Dingen und Markt gemein als mit Subjekten. Und das liegt nicht am bösen Willen, sondern an einer unheilvollen Umgebung. Der Kult der Besonderheit, der Kult sich mit feinen Kleidern auszuschmücken, ist eine direkte Reaktion auf eine Not.
In dieses Bild passt der Ansporn der Politik, der Arbeitnehmer müsse zum Unternehmer seines Lebens aktiviert werden. Die Menschen in der unteren Hälfte der Gesellschaft als Unternehmer ihrer Arbeitskraft und Daseins fügen sich ein in die Ideologie der oberen Hälfte. Auf der Bühne gehen die Scheinwerfer für das soziale Umfeld aus, denn es muss im Dunkeln bleiben. Ein Sprecher betritt die Bühne und verkündet: Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage sei jetzt nicht mehr die Zeit, Forderungen an den Wohlfahrtsstaat zu stellen ohne zu neue Leistungen bereit zu sein. Solidarische Ansprüche haben ihre Berechtigung verloren, und Kräfte der Selbstorganisation in unserer Gesellschaft müssen aktiviert werden!
Durch diese politischen Rituale wird der Eindruck gefestigt, als könne der Einzelne ganz auf sich selbst geworfen tätig werden und der soziale Raum des geforderten Handelns müsse nicht weiter berücksichtigt werden. Zweifellos hat der Sozialstaat bis zu den 1980er-Jahren durch seine sozialen Reparaturprogramme die Lebensläufe kalkulierbarer gemacht. Doch danach rammte sich eine ausbeutende Wirtschaftsform in unsere Gesellschaft, der es gelang, die sozialen und gesundheitlichen Schäden, die durch Arbeitsprozesse in den Menschen angerichtet wurden, zu individualisieren. Der Ruf nach Selbstverantwortung signalisiert, dass die stetig steigenden Schäden, nun vom neuen Wohlfahrtsstaat nicht mehr repariert werden können und sollen.
Es haben nicht alle die gleichen Voraussetzungen für eine selbstaktivierende Lebenspolitik, denn der Staat schafft nicht den Rahmen für Eigeninitiative und Selbstverantwortung aller. Die gesellschaftliche Mitte verfügt über angemessene Kapitalien, wie finanzielle, kulturelle oder soziale, um sich tatkräftig durchzusetzen, jedoch die darunter haben leere Hände. Zu befürchten ist, dass jetzt ein neues gesellschaftliches Leitbild in das Alltagsbewusstsein installiert wird, das überwiegend nur an die Maßstäbe der mittleren und gehobenen Schichten andockt.
Die Semantik der Eigenverantwortung beherrscht vollkommen die Beschäftigungspolitik. Die jämmerliche Arbeitsmarktlage verhöhnt die Leiharbeiter, wenn Eigeninitiativen gefordert wird. Denn tatsächlich ist die hohe Arbeitslosigkeit auf eine immer geringere Nachfrage von Arbeitskräften zurückzuführen. Vollbeschäftigung wird es zukünftig nicht mehr geben. Doch weiterhin muss Arbeitslosigkeit in Reden der Botschafter aus Arbeitgeberkreisen als mangelnde Motivation und geringe Nützlichkeit der Erwerbslosen dargestellt werden, um keinen Zweifel an der Richtigkeit der Profitwirtschaft aufkommen zu lassen. Es darf keine Kritik entstehen an unserer entfesselten Marktwirtschaft, denn viele erhoffen sich kriechend Erfüllung von ihr und ein schönes Leben in ihr.
Von den Arbeitslosen werden jedoch unaufhörliche Bewerbungsanstrengungen verlangt, sowie unermüdliche Beweglichkeit in der neuen Beschäftigung. Die Löhne sind durch Werkverträge beweglich nach unten, denn der Rest wird ja aufgestockt. Die Richtung ist fein markiert. Unternehmer möchten möglichst ohne Personalkosten höhere Profite erwirtschaften. Diese massiven Einschnitte in Lebensentwürfe lassen sich nur dann von der Politik medial erfolgreich verwenden, wenn die prekäre Arbeitssituation den Betroffenen als letztlich selbst verschuldet unterstellt wird. Der Mensch als Unternehmer seiner Arbeitskraft und Daseinsvorsorge fügt sich in diese bürgerliche Leitfigur, der damit unter Ausblendung seiner sozialen Umwelt, die aus Herrschaftsverhältnissen besteht, zum Fabrikant seiner Konsumentenlaufbahn wird. Diese politisch geforderte Selbstaktivierung verlagert die Ausbeutung nach innen. Jetzt sind auch die diffusen Herrschenden nicht mehr Fokus der Kritik, sondern der Nachbar kann rufen: Du bist zu faul, um etwas gegen deine Arbeitslosigkeit zu tun!
Der Sozialstaat will mit dieser Strategie seine Beschwichtigungskosten für die Hartz IV-Empfänger senken. Soll er auch den Wunsch der Arbeitgeber nach weiteren Steuersenkungen befolgen? Gleichzeitig kann sich auch das Konsumverhalten der Selbstunternehmer ändern, sie schwenken um zu vorgeordneten Wünschen und die Werbung trifft endlich auf fruchtbareren Boden. Es lässt sich leicht erkennen, dass das neue gesellschaftliche Leitbild, das aus den Selbstverantwortungsforderungen folgt, und mit den einschneidenden Umwälzungen im Bereich des Arbeitsmarktes begründet wird, nun Arbeitslose leichter aus dem gesellschaftlichen Leben aussortiert und ihre Unbeweglichkeit als Faulenzerei eingestuft werden kann. Mit dieser nur individualisierenden Zuschreibung von Verantwortung befreit sich endlich der Sozialstaat von der Aufgabe, Arbeitslosigkeit als Ergebnis vorherrschender marktwirtschaftlicher Bedingungen anzuerkennen. Reift diese Politik zur Blüte, ist sie erst fest in Gehirne verankert, dann ist einer Gesellschaftskritik der Boden entzogen. Wirtschaft und Politik hat nun ihren Sitz fest im Überich.
Wie entstehen solche Anpassungsmechanismen? Angleichung, Fügsamkeit, Aufstiege und der Zwang zur Übereinstimmung nehmen in den verschiedenen sozialen Schichten unserer Gesellschaft verschiedene Formen an. In den mittleren Schichten entscheiden das Vorzeigen der als richtig markierten Konsumbedürfnisse und das Demonstrieren des besonderen Lebensstils nicht nur über den individuellen Aufstieg, sondern auch darüber, ob einer den sozialen Status wird einnehmen können, der ihm nach Herkunft und Bildungsstand zukommt. Oder kommt es zur sozialen Ächtung, wenn ein fehlerhaftes Konsumverhalten sichtbar wird. Die verinnerlichte Angst vor sozialer Isolation wird an allen Orten spürbar. Versteckte Feindseligkeit überwuchert das Alltagsleben im Bekanntenkreis. Soziale Kontrolle, die man über andere ausübt, in der Form: - Was machen sie beruflich und welche Schule besuchen ihr Kinder? - Ist eine kaum mehr bewusste Sanktionierung abweichendes Verhalten. Innerhalb der unteren Schichten, d. h. der Masse die im Niedriglohnbereich Arbeitenden und der Arbeitslosen, regelt sich die düstere Lebenslage des Einzelnen durch Anfeindungen, die der Träger von Macht ihnen verordnet hat.
Manchem Arbeitgeber ist Unterwürfigkeit lieber als Fähigkeiten. Von Migranten erwartet man die Übernahme kleinbürgerlichen Verhaltens, eine bestimmte Konsumneigung, Ordnung und eine auf Disziplin abzielende Vergesellschaftung. Die Fügsamkeit der gegeneinander insgeheim Ausgespielten, ihre latente Feindseligkeit geht in den lohnabhängigen Massen einher mit der Übernahme vorgefertigtem Konsumverhalten. Man möchte so gerne gleichziehen mit dem Lebensstiel der mittleren Schicht, so gerne die Bräuche der Kolonialherren übernehmen. Der Unterworfene ohne wirtschaftliche und politische Macht, findet hier seine schmale Chance zumutbarer Lebensidylle in der Nachahmung durch Rasenmähen und Heckenschneiden. An trockenen Sommertagen hört man das grausige Brummen Hunderttausende von Mähern, die vor keiner kleinen Pflanze halt machen. Bürgerliches Ansehen dient innerhalb der Übernommenen zur wichtigsten Abgrenzung gegen die noch Tiefer stehenden, die auf kleinen Balkonen ein paar Würstchen braten.
Es ist ein Gnadenakt der Arbeitgeber den Widerstandslosen aufzunehmen. In dem Maße, wie Unterwürfigkeit und Duldung in das Gehäuse der Arbeitsbeziehungen einkehrt, passt sich das seelische Gefüge der Bedrängten diesem gesellschaftlichen Zustand in Richtung Unterordnung an. Menschen versöhnen sich mit ihrer Lage, in dem sie aneinander leiden und aneinander leiden lassen. Zusätzlich erfüllt diese Feindseligkeit eine ordnungsliebende und marktstabilisierende Funktion. Menschen erinnern sich im Vollzug ihrer eigenen Aggressionen gegenüber anderen an das verdeckte Gesicht bürgerlicher Ordnung. Dadurch werden sie geprellt, werden sogar zu Komplizen der Bevormundung gemacht, die ihnen immer wieder übergestülpt wurde. Zu viele Menschen erfahren ihre Umgebung ungerecht und hart, ahnen kaum, an welchen Orten sie selbst dazu beitragen, fragen nicht zugleich nach den wahren Ursachen des Zustandes.
Die Einübung in diesen Zustand beginnt schon früh: in der Schule. Auch hier also unter sozialen Bedingungen von Ohnmacht und Macht. Dort lernen die Kinder Angst durch die Bedeutung der disziplinierenden Noten kennen. Man lehrt sie, was sie als Berufstätige und Konsumenten an Fähigkeiten benötigen. Die Fähigkeit der Wahrheitssuche erwerben Kinder hier nicht. Erklärte man ihnen, welche Kapitalinteressen und politische Kommandozentralen dieser Gesellschaft ihre Zukunftserwartungen verletzen und beeinträchtigen, und man erklärte es so, dass sie es auch verstehen, dann könnte die Feindseligkeit morgen aus den zwischenmenschlichen Beziehungen schwinden. Wo aber in den Schichtungen der Gesellschaft die genährte Feindschaft aufzuhören droht, und wo, infolge des Abbaus von Fügsamkeit, offene Aggression gegen herrschende Großkonzerne sich wenden könnte, stehen Muster der einebnenden Beschwichtigung bereit. Sei es die Fähigkeit einzelner Politiker im Alltagsbewusstsein der Bürger Randgruppen als faule Objekte zu installieren, oder die Leute durch verführerische Konsumangebote zu integrieren, irgendetwas hilft schon für die Beschwichtigung und dem Abspeisen. Die Kanalisierung von Feindseligkeit gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen führt ja vorübergehend zu einer Entlastung zwischenmenschlicher Konflikte, denn die Mitglieder der Mehrheit rücken etwas näher zusammen. Doch die Treibjagd auf den freigegebenen Feind hebt aber langfristig den Konflikt der Ausbeutung nicht auf.
Die Verwalter der Kultur und der öffentlichen Meinung, allesamt Mitglieder der herrschenden Schichten, marschieren mitsamt ihren Machtwerkzeugen und wirtschaftlichen Ideologien über die Lohnabhängigen hinweg, rühmen sich noch, wenn die physisch und psychisch krankmachenden Faktoren der ausbeutenden Sozialverhältnisse in Betrieben von der Pharmaindustrie und den Sozialämtern aufgefangen werden. Die schwierigen und bedenklichen Verhältnisse unserer Arbeitsgesellschaft wird in dem Maße weiter zunehmen, wie die Leiharbeiter, Zeitarbeiter und Aufstocker in die Unternehmen einziehen. Dieser Puffer oder auch Übergangslösung signalisiert nur, dass Unternehmer in Zukunft möglichst ohne Arbeitnehmer tätig sein wollen. Der jetzige Arbeitsmarkt lebt von der Angst vor dem sozialen Abstieg. Angst motiviert immer wieder zur Hinnahme und Übereinkunft mit dem Erdrückenden. Die Schwebelage, in der sich unsicher Beschäftigte befinden, drückt es bedrückend aus. Das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem vieler Eltern ist ein weiteres Bild. Vom Traum angetrieben, zu den Festangestellten zu gehören, bewegen Menschen alle Energien, um den Wettlauf in die hohe Belegschaft zu gewinnen. Dieses Bild vermitteln sie auch ihren Kindern, und in den Schulen weht ein rauer Wind. Lassen jedoch SchülerInnen in ihren Anstrengungen nach, droht der Absturz in die Kellerräume der Gesellschaft, droht die vollständige Trennung von regulärer Erwerbsarbeit.
Bestürzend und fesselnd, daran sei noch einmal erinnert, wirkt die wirtschaftliche Unsicherheit auf das Bewusstsein und Verhalten vieler Arbeiter und Arbeiterinnen. Dieses Marktlaufwerk ist für sie eine Mühle, in der sie wie Korn gemahlen werden. In diesem steinernen Mahlwerk der Unterwerfung Ohnmächtiger in einen marktwirtschaftlichen Zustand, wird mit mageren Konsumartikeln verschleiert, was zu erahnen ist. Dieser Zustand versagt ihnen Selbstbewusstsein, in dem er Brot gibt, und in dem er sie vom Aufstieg ausgeschlossen halten soll. Dieses Räderwerk wird nicht nur vom Kapitalismus in Gang gehalten, sondern die Herren der Wirtschaft drehen es unentwegt und mühelos.
Erstaunlich ist, dass sich die Geräderten weiterhin in die Warteschlangen einreihen, die die Job-Center schmücken. Zeigt sich in der dauernden Ablehnung, in den endlosen Zurückweisungen der Wartenden nicht vor allem eine Inszenierung, deren Aufgabe darin besteht, die Arbeitsuchenden von ihrer Nichtigkeit zu überzeugen? Dem gefügigen Publikum das Bild ihres Misserfolges einzuhämmern und die Vorstellung medial zu verbreiten, die Betroffenen seien selbst dafür verantwortlich? Sie sind nur Besiegte, in die Enge getriebene, gefesselte Einzelschicksale, die sich am Rand der Gesellschaft entlang schleichen sollen. Zwischen diesen Enteigneten und den Kernbelegschaften großer Konzerne entsteht so eine Art milchige Trennscheibe. Und weil man die Enteigneten immer weniger wahrnehmen will, weil man sie sich aus dem eigenen Lebensumfeld entfernt und ausgelöscht vorstellt, bezeichnen wir sie schnell als Ausgeschlossene. Doch ihr Schicksal ist mit uns verzahnt, sie sind nur an andere Orte verbannt, verstoßen, unterworfen und sie sind unwillige Konsumenten.
Sie sind einfach Störenfriede.
Es will schon etwas bedeuten, wenn ein großer Teil der Menschen in einer hoch entwickelten Gesellschaft unaufhaltsam auf besonders angefertigte Abstellgleise gedrängt werden. Es ist schon beklemmend, dass viele dazu gebracht werden, um Arbeit zu betteln, und zwar um egal welche und egal um welchen Preis. Wir brauchen nur zu beobachten, wie sie genommen und wieder weggeworfen werden, ganz nach der Lage des wechselhaften Arbeitsmarktes, der mal schrumpft und mal sich bläht. Wir müssen uns nur ansehen, wie sie in vielen Fällen nicht mehr brauchbar sind, und wie sie, vor allem die jungen, in einer entwürdigenden Verlassenheit dahinleben und wie wir ihnen das übel nehmen. Die Festangestellten, die heute müde und zufrieden in ihr Bett fallen, haben vielleicht schon morgen die heimtückische Furcht, das diffuse Erschrecken davor, als überflüssig abgestempelt zu werden. Wir sehen, dass das System eines freien Arbeitsmarktes auf einem faulenden Fundament steht. Denn die herrschende Klasse eignet sich die besten Plätze an. Diese vertrauten Mechanismen, und die Institutionen, die in der Lage sein sollten, das Schlimmste abzumildern, halten uns in einem narkotisierten Zustand. Der Schlaf der Menschen, und die Ruhe ganzer Schichten werden durch die Lockrufe der Konsumindustrie vollbracht, die unbemerkt wirken und daher eine umso effizientere Gewalt ausüben. Doch diese Gewalt ist gar nicht mehr notwendig, da sie schon längst in unsere Gehirne einprogrammiert ist. Diese Programme wirken in uns, ohne das sie sich noch zeigen müssten. Was sich hinter dieser Ruhe verbirgt, herrscht unbemerkt weiter.
Welches Schauspiel uns gerade vorgeführt wird, sehen wir an der Umwandlung sichere Vollzeitarbeit in prekäre Beschäftigung. Und in der Politik jubelt es: in Zukunft werden Berge von Arbeitsplätze entstehen. Hinter diesem Schauspiel spielt sich wiederum ein anderes ab, man hört das Totengeläut für Millionen fester Arbeitsplätze. Doch nur wenige hören es.
Wodurch haben wir diesen Erkennungsschwund erlitten, wie sind wir zu dieser Wahrnehmungsschwäche gekommen? Was ist geschehen, dass heute ein solches Einverständnis aller mit der Ohnmacht ebenso wie mit der Macht herrscht? Alle die, die gewinnen, triumphieren über das Marktgeschehen. Für diejenigen, die nur noch verlieren, gibt es keinerlei Unterstützung mehr. Da droht etwas Schreckenerregendes. Doch wir sitzen immer noch bequem in den Stühlen, sehen das Schauspiel und denken an feine Kleider. Noch immer glauben wir, in unserer Welt der Arbeit zu leben, in ihr zu atmen, ihr zu gehorchen, oder in ihr zu beherrschen. Diese Welt existiert nicht mehr, aber für uns scheinbar, und das unter der Kontrolle einiger Kräfte, die sie auf diskrete Weise lenken und ihr Scheitern betreiben. Die alte Arbeitswelt siecht dahin, die neue ist allein einer Kaste vorbehalten. Und dann ist da noch die Horde der Arbeitssuchenden, die bleiche Heerschar der Verlierer. Manche von ihnen hoffen noch. Wie dümmlich sie sind!
Diejenigen, von denen sie sich vieles erhofften, sind nicht mehr erreichbar. Sie sind in anderen Welten beschäftigt, sie jonglieren mit Rohstoffen, Finanzwerte oder beraten feine Anzüge. Was sollen die Konzernmanager mit all den so kostspieligen Beschäftigten anfangen, für die auch noch die Sozialversicherungen gezahlt werden müssen, und die so hinderlich sind im Vergleich zu stabilen und programmierbaren Maschinen, die immer dienstbar sind und außerdem frei von Klagen und gefährlichen Wünschen?
Die Konzernvorstände beherrschen die über alle Grenzen hinweg globalisierte Welt. Und in diesem Reich, denken arme Teufel von Arbeitssuchenden noch, könnten sie einmal einen Platz finden. Es gibt nicht mehr viel Raum für sie, und dieser enge Raum wird wegen der immer knapper werdenden Arbeit noch eingeengter, obwohl die Arbeit lebensnotwe...

Inhaltsverzeichnis

  1. Hinweise
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Vorbemerkung
  4. Erstes Kapitel: Der Konsument ist die Beute
  5. Zweites Kapitel: Die Lenkung der Herde
  6. Drittes Kapitel: Die Eliten dirigieren
  7. Viertes Kapitel: Das System der Züchtigung
  8. Fünftes Kapitel: Die Produzenten von Egoismus
  9. Sechstes Kapitel: Im Würgegriff der Konzerne
  10. Siebtes Kapitel: Die Straßen der Armen
  11. Achtes Kapitel: Die soziale Auslese
  12. Neuntes Kapitel: Der Personenmarkt
  13. Zehntes Kapitel: Die Funktion der Ängste
  14. Elftes Kapitel: Der verehrte Reichtum
  15. Zwölftes Kapitel: Wichtige Sündenböcke
  16. Dreizehntes Kapitel: Die Denkschranken der Abgerichteten
  17. Zum Schluss
  18. Impressum