1. Schöpfung
1.1 Der Kosmos
1.1.1 Gibt es einen Schöpfer?
Dies ist eine der Schlüsselfragen, die das Weltbild eines Menschen bestimmen.
Bis zum Zeitalter der Aufklärung war schon diese Frage eine Gotteslästerung und brachte den Fragesteller ins Abseits.
Erst die Entdeckung, dass die Erde nicht das Zentrum des Universums ist und erst recht die Feststellung, dass auch der Mensch nur ein Produkt der Evolution ist, provozierte diese Frage und zerstörte das bis dahin geltende Auslegungsmonopol der Kirche.
Dennoch hat die Vorstellung eines Schöpfergottes bei religiös geprägten Menschen eine ungebrochene Popularität. Dies resultiert aus der Art menschlichen Denkens, allen Geschehnissen Analogien aus der Erfahrungswelt menschlichen Zusammenlebens zuzuordnen und so eine bildliche Gestalt zu geben. Dass dies ein sehr eingeschränktes und subjektives Empfinden ist, wird nicht reflektiert.
Nach allem, was wir heute wissen, bleibt die Entstehung des Kosmos mehr denn je ein großes Geheimnis.
Klar ist lediglich, dass es eine Schöpfungsenergie gegeben haben muss, die den Prozess der kosmischen Entwicklung angestoßen hat. Die daraus resultierenden unvorstellbaren Dimensionen von Raum und Zeit sowie die verschwindende Größe der Erde und die Kurzlebigkeit und Anfälligkeit organischen Lebens auf ihr lassen die Vorstellung eines Schöpfergottes, der die Welt um des Menschen willen gemacht hat als äußerst naiv erscheinen.
1.1.2 Hat die Schöpfung einen Sinn?
Wenn man an einen Schöpfer glaubt, macht natürlich auch die Schöpfung einen Sinn.
Wenn aber – wie oben erläutert – die Schöpfung ein großes Geheimnis ist, bleibt auch der Sinn dieser Schöpfung verborgen.
Was man feststellen kann, ist, dass der Ablauf kosmischer und irdischer Prozesse insofern sinnvoll ist, als er den im Schöpfungsakt angelegten Gesetzmäßigkeiten folgt, was über die Milliarden von Jahren zu dem komplexen und immer noch hoch dynamischen Prozessen geführt hat, die wir heute beobachten und inzwischen auch weitgehend verstehen können.
Der Mensch empfindet die Naturvorgänge auf der Erde als äußerst sinnvoll, da er ja selbst aus diesen Prozessen hervorgegangen und daran angepasst ist.
Wenn man jedoch das Kausalitätsprinzip (Abhängigkeit von Ursache und Wirkung) anerkennt und auf die Geschichte der Erde und der Biosphäre schaut, wird sehr schnell klar, wie zufällig menschliches Dasein ist und dass der Mensch keinesfalls zwangsläufig entstehen musste.
1.1.3 Gibt es einen Schöpfungsplan?
Schöpfungspläne sind essentielle Bestandteile religiöser Vorstellungen.
Alle Religionen, von den frühen Naturreligionen bis hin zu den etablierten Weltreligionen, haben ihre Mythen über die Schöpfung und den Plan der Götter mit den Menschen.
Diese Geschichten sind so vielfältig und bunt wie die unzähligen Kulturen, die diese identitätsstiftenden Vorstellungen hervorgebracht haben. Die ungeheure Vielfalt dieser Vorstellungen sowie ihre Widersprüchlichkeit und häufig auch offensichtliche Naivität entwertet solche Schöpfungspläne als reine Fantasieprodukte.
Ein glaubwürdiger Schöpfungsplan müsste sich aufgrund seiner Zielrichtung, Einheitlichkeit und Verträglichkeit mit den Naturgesetzen von diesen Mythen deutlich unterscheiden. Diese Kriterien finden sich jedoch in keiner der vielen Religionen oder Welterklärungen.
Im Rückblick auf die Geschichte erscheinen manche Entwicklungen zielgerichtet. Dabei wird aber ausgeblendet, dass diese Entwicklungen auch ganz anders hätten verlaufen können, was im nachhinein auch sinnvoll erschienen wäre.
Der Verlauf der Geschichte hängt von unzähligen Faktoren ab, deren Einfluss und gegenseitige neutralisierende oder synergetische Wirkung unvorhersehbar ist.
Letztlich können nur die Überlebenden subjektiv für sich einen sinnvollen Pfad erkennen.
Die vielen Verlierer und Opfer haben keine vernehmbare Stimme mehr.
1.1.4 Können Menschen die Schöpfung verstehen?
Sei jeher war es das Privileg der Religionen, den Menschen die Schöpfung zu erklären. Solange diese Erklärungen nicht hinterfragt und überprüft werden konnten, nahmen die Menschen auch die abenteuerlichsten Erklärungen als bare Münze hin.
Erst als eine unabhängige Wissenschaft Werkzeuge und Methoden der objektiven Beobachtung einsetzen konnte, wurden die Irrtümer religiöser Deutungen offenkundig. Die oft blutigen Rückzugsgefechte der religiösen Dogmatiker beförderten letztlich nur deren eigenen Untergang.
Zurück blieb ein Vakuum, das auch die Wissenschaft nicht ausfüllen konnte. Schon Platon wies in seinem Höhlengleichnis darauf hin, dass wir die Wirklichkeit nicht direkt erfassen können, sondern nur die Schatten deuten, die auf die Höhlenwand fallen. Wir haben jedoch heute ein ungeheures Potential an Erfahrungen und Werkzeugen, um diese Deutungen auf ihre universelle Gültigkeit und Verträglichkeit untereinander zu prüfen. Durch unzählige Beobachtungen und Experimente ist dabei ein modernes Weltbild entstanden, das uns die Phänomene der Natur vom Atomkern bis zum Kosmos und von der DNS bis zu den komplexesten Lebewesen und Ökosystemen plausibel beschreibt.
Erst durch diese Erkenntnisse haben wir eine Ahnung davon bekommen, wie wunderbar vollkommen die Natur ist und welche Rolle der Mensch in ihr einnimmt. Dieser Prozess des Verstehens ist noch lange nicht zuende, denkt man an Phänomene wie Quantenphysik und Relativitätstheorie. Nur sehr wenige Menschen können hier noch folgen. Genau aus diesem Grund haben auch wieder die großen Vereinfacher mit ihren naiven Erklärungsmodellen Konjunktur.
1.1.5 Was besagt die Urknall-Theorie?
Das heutige Standardmodell für die Entstehung und Entwicklung des Kosmos ist die Urknall-Theorie. Sie besagt, dass die Sterne und Galaxien durch Explosion aus einer ungeheuren punktförmigen Energiekonzentration (Singularität) mit unendlich hoher Temperatur hervorgegangen sind. Bereits nach 10-10 Sekunden waren aus Quarks Protonen und Neutronen entstanden sowie die wesentlichen Naturkräfte, die wir heute kennen: Gravitation, starke und schwache Kernkraft sowie die elektromagnetischen Wechselwirkungen.
Bis zur Entstehung erster Galaxien dauerte es jedoch noch ca. 1 Mrd. Jahre.
Auch wir Menschen bestehen demnach aus Sternenstaub, denn die Atome in unserem Körper sind das Resultat unzähliger Kernfusionen und Sternexplosionen.
Die wichtigsten Belege für diese Theorie sind die gemessene kosmische Hintergrundstrahlung (das Echo des Urknalls), die Expansion des Universums, gemessen als Rotverschiebung der fluktuierenden Sterne und Galaxien sowie die Spektralanalysen unterschiedlich alter Sterne und Galaxien. Aus diesen Daten ergibt sich ein Alter des Universums von ca. 14 Mrd. Jahren und eine mit der Zeit zunehmende Anzahl chemischer Elemente im Kosmos.
1.1.6 Welche konkurrierenden Theorien gibt es?
Die Urknall-Theorie kann einige Phänomene, wie die Dunkle Materie, die Dunkle Energie und die Gravitation nicht erklären.
Dunkle Materie ist nicht direkt beobachtbar, da deren Gravitationswirkung so groß ist, dass selbst Licht nicht entweichen kann. Man nennt solche Materieballungen Schwarze Löcher. Sie machen ca. 30% der Masse in Galaxien aus. Extrem große Schwarze Löcher vermutet man im Zentrum von Galaxien, wo sie wegen ihrer enormen Gravitationswirkung den Zusammenhalt und die Rotation der Galaxien bewirken.
Die Dunkle Energie steckt im Vakuum und enthält ca. 70% der gesamten Energie des Kosmos. Das Vakuum ist also keinesfalls ein absolut leerer und toter Raum, wie man lange glaubte, sondern ein brodelnder See voller Energie. Dies wurde bereits experimentell nachgewiesen, so schwer das auch vorstellbar ist. Die durch die Dunkle Energie getriebene Expansion des Universums vergrößert kurioserweise die Summe der Dunklen Energie. Dadurch erfolgt eine Beschleunigung der Expansion, wie neuerdings auch nachgewiesen wurde. Ob das ewig so weitergeht, ist derzeit nicht klar.
Nach dem physikalischen Gesetz, dass gegensätzliche Energiepotentiale, wie z. B. unterschiedliche Temperaturen, zum Ausgleich streben, würde der Kosmos eines Tages den Kältetod sterben und alles zur Ruhe kommen.
Eine andere Vorstellung geht von einem zyklischen Universum aus, das zwischen Urknall- Expansion und Kontraktion infolge Gravitation hin- und her pendelt.
Schließlich gibt es noch die Idee, dass Schwarze Löcher, die alle Materie um sich herum einsaugen, das Licht im Kosmos völlig verschwinden lassen oder am Ende gar mit ihren Wurmlöchern neue Universen hervorbringen .
Die Physiker suchen daher nach einer übergreifenden Theorie, die neben den bekannten Naturkräften auch das Phänomen der Dunklen Materie/Energie und die Geschehnisse beim Urknall beinhaltet. Dazu fehlt noch der Nachweis des hypothetischen „Higgs-Teilchens“, das der Theorie nach den Elementarteilchen ihre Masse verleiht. Mit Hilfe des größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem LHC (Large Hydron Collider), der vom Europäischen Kernforschungszentrum (CERN) bei Genf, tief unter der Erde, in Kürze seinen Betrieb wieder aufnehmen soll, hofft man, dieses Teilchen nachweisen zu können. Gelingt das, könnte man die Geschehnisse beim Urknall und danach berechenbar machen und so die Urknalltheorie endgültig bestätigen. Findet man das Teilchen nicht, geht das Rätselraten weiter.
Populär ist in dieser Hinsicht derzeit die String-Theorie, der zu folge alle atomaren und subatomaren Teile aus winzigsten Teilchen, den sogenannten Strings bestehen, die in sehr komplexen Mustern schwingen. Eine Konsequenz aus dieser Theorie mit ihren 11 Dimensionen ist, dass es nicht nur ein Universum geben kann, sondern viele.
Derzeit sind die konkurrierenden Theorien noch so spekulativ, dass sie das Urknall-Modell noch nicht ernsthaft infrage stellen.
1.2 Die Erde
1.2.1 Wie ist die Erde entstanden?
Die Erde ist – wie alle Planeten – ein Satellit eines Zentralgestirns, in unserem Fall also unserer Sonne.
Nach der Urknall-Theorie entstanden aus der expandierenden heißen Materiewolke eine Vielzahl von Clustern als Vorläufer der Galaxien. In diesen Clustern bildeten sich in dichteren Zonen Gravitationszentren, die immer mehr Materie aus der Umgebung anzogen und damit schwerer und heißer wurden.
War genügend Materie verfügbar, wurde dieser Materieball schließlich so groß, dass es in seinem Inneren bei ca. 15 Mio. °C zur Zündung nuklearer Fusionsprozesse kam und eine Sonne geboren wurde.
Die Energien und Temperaturen der Fusionsprozesse dieser ersten Sonnen reichten aber nur zur Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium. Das zeigen Spektralanalysen der ältesten Sonnen.
Zur Erbrütung der nächst folgenden, leichteren Elemente sind wesentlich höhere Temperaturen von einigen 100 Mio. °C erforderlich. Solche Prozesse laufen bei Supernovaexplosionen, dem Kollaps und der nachfolgenden Explosion großer Sterne ab, deren Lebenszyklus durch Verbrauch der Fusionsmasse an sein Ende gekommen ist. Durch den fehlenden Expansionsdruck der Fusionsenergie fällt der Stern in sich zusammen und erhitzt sich aufgrund der Gravitation der riesigen Masse so stark, dass die Atomkerne zu höheren Elementen verschmelzen können, ehe die abstoßenden Kräfte zur Explosion des Sterns führen. Dabei wird eine gewaltige Materiewolke mit extremer Geschwindigkeit ins All abgestoßen, während ein extrem verdichteter Materiekern aus reinen Neutronen zurückbleibt.
Aufgrund des gewaltigen Expansionsdrucks der abgestoßenen Materiewolke können sich in dieser Materiepartikel verdichten und aufgrund der Gravitation zu größeren Agglomeraten entwickeln. Damit ist ein Teil der nächsten Sterngeneration geschaffen.
Die höheren Elemente, wie die Metalle, benötigen jedoch zu ihrer Entstehung noch größerer Energien als es Supernovaexplosionen leisten können. Dazu sind Kollisionen der Neutronensterne erforderlich, bei denen Temperaturen im Bereich von Milliarden °C auftreten. Auch dabei erfolgt zunächst eine Fusion der Neutronen zu schwereren Elementen mit einer nachfolgenden gigantischen Explosion des Systems. Dabei werden ein Teil der erbrüteten Elemente ringförmig in den Weltraum abgestoßen und dabei partiell verdichtet.
Aus diesen Materietrümmern bilden sich durch Gravitation erneut Sonnen, Planeten und interstellare Objekte, wie Meteoriten und Kometen.
Unsere Sonne ist eine späte Generation dieser kosmischen Zyklen, denn sie weist in ihren Spektren nahezu alle natürlichen Elemente auf, die auch unsere Erde auszeichnen. Damit ist ein etwa gleiches Alter von unserer Sonne und Erde plausibel.
Das Alter unserer Sonne beträgt ca. 5 Mrd. Jahre. Die Erde ist...