Martin Luther
eBook - ePub

Martin Luther

Für Gewissensfreiheit gegen Kaiser und Papst

  1. 192 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Martin Luther

Für Gewissensfreiheit gegen Kaiser und Papst

Über dieses Buch

Der Historische Roman führt uns in das Jahr 1507 und in die Zeit der Reformation zurück. Der junge Augustinermönch Martin Luther, treuer und gläubiger Diener seiner Kirche, wird nach Wittenberg entsandt, um dort an der neu gegründeten Universität zu lehren und zu studieren. Rasch steigt er in der Kirchenhierarchie auf und unternimmt einen unglaublich langen Fußmarsch nach Rom und zurück. In Rom sieht er zu seinem Erstaunen, wie der Klerus lebt und was sich im päpstlichen Palast abspielt. Der Papst führt gerade Krieg. Ihm kommen Zweifel. Zurück in Wittenberg studiert Luther intensiv die Bibel im Urtext und erkennt, dass die römisch-katholische Lehre damit nicht übereinstimmt. Insbesondere der Römerbrief von Paulus öffnet ihm eine völlig andere christliche Lehre. Er meldet das seinen Vorgesetzten und schreibt, nachdem auch der Ablasshandel seinen Widerstand weckt, Briefe an den Erzbischof von Mainz, auch an den Papst. Die Kirche reagiert ablehnend, schließlich wird gegen ihn der Bann ausgesprochen und der Kaiser verhängt die Reichsacht. Der Roman schildert den Kirchenkampf und das Leben Martin Luthers im Kampf für Gewissensfreiheit gegen Kaiser und Papst.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Martin Luther von Karl-Wilhelm Rosberg im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Littérature & Fiction historique. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Vor dem Reichstag in Worms

Der junge Kaiser Karl V. beruft seinen ersten Reichstag nach Worms ein. Ein solcher Reichstag ist für eine Stadt von siebentausend Einwohnern ein gewaltiges Ereignis, da außer dem Kaiser achtzig Fürsten, einhundertdreißig Grafen, Botschafter und Bischöfe und ihre Bediensteten und Berater kommen, insgesamt wohl zehntausend Besucher, die über Monate untergebracht werden müssen. Eigentlich eine Unmöglichkeit und dennoch geht es irgendwie, da die Besucher froh sind, selbst die kleinste Kammer zu bekommen oder ihre Schlafstellen mit anderen teilen zu müssen.
Der päpstliche Nuntius, Girolamo Aleander, hat damit allerdings kein Problem. Er bewohnt einen Raum im Dominikanerkloster, der allerdings nicht beheizt werden kann. Er friert im strengen Winter erbärmlich. Aleander ist keineswegs der Ranghöchste der vielen päpstlichen Legaten, aber der eifrigste. Er sieht seine Chance für gekommen, sich hervorzutun.
Hier sitzt er nun und berichtet fast täglich seinem Papst in Rom. Er soll versuchen, ein Erscheinen Luthers auf dem Reichstag zu verhindern. Der Kaiser soll die Bannbulle des Papstes einfach mit der Reichsacht bestätigen, ohne die Fürsten damit zu befassen. Aber genau das ist das Problem. Obwohl Aleander den Beratern des Kaisers nahezu täglich in den Ohren liegt, kann er nicht verhindern, dass der Kaiser in dieser Frage von anderen verunsichert wird. Insbesondere der Kurfürst von Sachsen, Friedrich, fordert vom Kaiser unmissverständlich, dass man Luther vor die Stände zu befehlen habe, damit ihm ordentliches Gehör gegeben wird vor einer Verurteilung. Es kann doch nicht sein, dass nur der Papst das Urteil über einen deutschen Untertanen spricht. Das kann Kaiser Karl nicht ignorieren.
So schreibt Aleander und meldet nach Rom noch ganz andere Dinge. „Eure Herrlichkeit können sich von der Erregung in Deutschland nicht entfernt eine Vorstellung machen, noch nie war es so, wie jetzt. Ich bin hier ziemlichen Anfeindungen ausgesetzt und befürchte, von den Leuten auf der Straße in Stücke gehauen zu werden. Den Bischöfen geht es nicht besser, aber sie schaden uns natürlich, durch ihr prunkvolles Auftreten und ihre üppige Lebensweise. Sie steigern dadurch den Hass der Deutschen gegen die gesamte Geistlichkeit. ….
Diesen Luther sprechen die Leute hier fast heilig. Man verkauft sogar Bilder von ihm, die reißenden Absatz finden. Ich habe keines mehr bekommen und kann es daher diesem Brief auch nicht beifügen. Ich versuche weiterhin alles, damit dieser Luther hier nicht auftaucht.“ Aleanders Berichte sind zutreffend. Die hohe Geistlichkeit erlebt zum ersten Mal offene Feindseligkeit der Bevölkerung, die ihnen gegenüber bei Begegnungen Drohgebärden machen, demonstrativ nach dem Schwert greifen oder mit den Zähnen fletschen. Luthers Saat geht auf.
Und beinahe wäre es ihm auch gelungen, Luther vom Reichstag fernzuhalten. Der Reichstag tagt schon über einen Monat und Luther wartet immer noch auf seine Vorladung. Der Einfluss des päpstlichen Legaten auf den Kaiser und seine Berater ist aber begrenzt. Es sind die Fürsten, allen voran der sächsische Kurfürst Friedrich, die dem Kaiser zusetzen. Seit der Goldenen Bulle des Jahres 1356 haben die Fürsten auf ihrem Territorium die uneingeschränkte Gerichtsgewalt über ihre Untertanen. Diese wird aber immer wieder durch Rom und den Kaiser ausgehöhlt und diese gilt es jetzt durchzusetzen.
Luther hat dazu mit seinen Schriften die intellektuellen Vorlagen gegeben. Es geht im Grunde genommen gar nicht so sehr um den Fall Luther. Es geht um das Recht der Fürsten gegen Kaiser und Rom, das sich mittlerweile völlig rücksichtslos in alle Angelegenheiten der Fürstentümer einmischt und alles bestimmen will. So wird die Sache mit aller Dringlichkeit vor die Reichsstände gebracht und der Kaiser nahezu gezwungen, Luther vor den Reichstag zu laden, um seine Sache vorzutragen. Dabei geht es fast handgreiflich zu. Kurfürst Friedrich und Ludwig von der Pfalz verlassen sogar einmal unter Protest des Saal.
So geht ein von Kaiser Karl und dem Erzkanzler des Reichs, Erzbischof Kardinal Albrecht von Mainz persönlich unterschriebenes Einladungsschreiben, verbunden mit einem Geleitbrief, der sicheres Geleit hin und zurück garantiert, an Luther. Darin heißt es: „Unser ehrsamer, lieber und frommer Doktor Martin Luther wird nach Worms eingeladen, um wegen der Lehren und Bücher, die von Dir seit einiger Zeit ausgegangen sind, Erkundigungen von Dir zu erlangen.“
Das Schreiben wird nicht etwa durch Boten zugestellt, sondern persönlich vom Reichsherold, Kasper Sturm nebst Diener, nach Wittenberg überbracht, der ihn auch auf der Hin-und Rückreise begleiten soll. Der päpstliche Legat Aleander ist entsetzt und sieht seine Felle davon schwimmen. Um auch ihn etwas ruhiger zu stellen, erlässt der kaiserliche Hof ein Dekret – natürlich vorbei an den Fürsten - alle Bücher Luthers seien einzusammeln und zu verbrennen.
Nach außen lässt man verlautbaren, Luther sei einberufen, um zu widerrufen. Dieses Dekret zeigt man Luther auf der Fahrt nach Worms in verschiedenen Orten. Er ist gewarnt und macht sich auch nichts vor. Was er nicht wirklich beurteilen kann ist die Situation auf dem Reichstag. Man ist zerstritten: Kaiserhof, Bischöfe, Fürsten, die römischen Legaten. Niemand traut dem anderen und Luther ist für alle Mittel zum Zweck, ein Spielball der Ränke.
Luther reist diesmal mit einem überdachten Wagen, den ihm der Magistrat der Stadt Wittenberg nebst Reisegeld zur Verfügung stellt. Er wird begleitet vom Reichsherold und dessen Dienern zu Pferd und von einigen Begleitern: Studenten, einem Ordensbruder, einem Professor und Berater, eine ansehnliche Reisegesellschaft, die sich nach Worms auf den Weg macht, über Leipzig, Naumburg, Weimar, Erfurt und Frankfurt. Unterwegs erwartet man sie schon mit großer Neugier und Sympathie für Luther. Er wird in den Städten empfangen, erhält Ehrenessen und predigt in den Kirchen. In Erfurt reitet ihm eine Ehrenbegleitung von vierzig Professoren entgegen. Die Menschen sprechen ihm Mut zu. Luther ist ihr Hoffnungsträger. In den Jubel mischen sich aber auch Sorgen um Luthers Sicherheit.
Den Menschen ist nicht entgangen, dass Kaiser Karl ungeachtet der Einladung ein Sequestrationsmandat erlassen hat, in dem die Einziehung und Vernichtung von Luthers Büchern angeordnet wird und die Verbreitung bei Strafe verboten ist. Selbst der Reichsherold hat Bedenken. In Frankfurt fragt er: „Wollt Ihr wirklich weiterziehen, Herr Doktor?“ Luther will und spielt freudig auf seiner Laute. Er hat ein Lied geschrieben, das seine Lage und seine Gefühle beschreibt: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen.“ Es ist fast schon ein Kampflied, das man besonders gut versteht, wenn man seine Situation bedenkt. Bei dem Lied denkt Luther sicher an die Burg des Ritters von Sickingen, der ihm Asyl und Schutz angeboten hat.
Der Einzug in Worms ist phänomenal. Der Kaiser und sein spanischer Hofstaat verstehen die Welt nicht mehr, woher auch, leben sie doch fast ausschließlich in Spanien und glauben, der Kaiser habe in Deutschland etwas zu sagen. An die zweitausend Menschen erwarten Luther, ganze Heerscharen reiten ihm entgegen. Es ist, als käme der Kaiser selber in die Stadt. In seiner Herberge geben sich sogar Adelige die Klinke in die Hand. Viele wollen noch vor seinem Auftritt mit ihm sprechen, ihm Mut machen und ihn warnen. Spalatin ist mit seinen Nerven fast am Ende, Kurfürst Friedrich versucht Haltung zu bewahren. Ginge es nach ihm, sähe er Luther lieber im sicheren Wittenberg. Aber es hilft nichts, er hat Luthers Vorladung ja gefordert. Luther verbringt noch eine unruhige Nacht und dann ist der Tag des Verhörs gekommen.
Ein Bote teilt Luther mit, er werde um sechzehn Uhr zum Verhör vor dem Kaiser und den Ständen abgeholt. Der Reichsherold holt ihn und wählt einen Schleichweg hinter dem Gebäude, um zu große Beifallskundgebungen zu vermeiden. Luther muss vor dem Saal fast eine Stunde warten. Schließlich wird er in den niedrigen Raum geführt, der extra klein ausgewählt wurde, um möglichst wenige Zuhörer zuzulassen. Es ist heiß und stickig im Raum. Der Kaiser thront am Ende des Saals, umgeben von Dienern, einem Übersetzer und von Geistlichen, die ihn nicht aus den Augen lassen. Die Fürsten befinden sich am Rande und in der Mitte ist ein Tisch aufgestellt mit einer Vielzahl von Schriften.
Doktor Johann von der Ecken, der Offizial des Erzbischofs von Trier führt das Verhör, tritt auf Luther zu und weist auf die Bücher: „Martin Luther, die kaiserliche Majestät hat dich aus zwei Gründen hierher beschieden. Zunächst, um zu erfahren, ob du dich hier öffentlich zu den Büchern bekennst, die unter deinem Namen verbreitet worden sind. Tust du dies, so sollst du zweitens erklären, ob du ihren Inhalt aufrechterhalten oder etwas davon widerrufen willst.“ Luther ist überrumpelt. Er hat mit einer Anhörung gerechnet und soll jetzt diese einfachen Fragen möglichst mit Ja oder Nein beantworten.
Bevor Luther antworten kann, meldet sich sein juristischer Beistand, der kursächsische Rat, Hieronymus Schurff, und verlangt, dass zunächst die Titel vorgelesen werden. So geschieht es und verschafft Luther eine Bedenkzeit. Dann antwortet Luther sehr leise. Er bestätigt, dass es sich um seine Bücher handelt, kann deren Inhalte aber jetzt nicht prüfen. Manches wurde auch in der Veröffentlichung häufig verändert. Sofern die Bücher unverändert sind, bekennt er sich zu den Schriften. Auf die zweite Frage möchte er ohne Vorbereitung nicht antworten. Er weist darauf hin, dass es um Gottes Wort und die Wahrheit geht und zitiert Matthäus 10 Vers 32: „Wer mich vor den Menschen verleugnet, den will auch ich verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ Es entsteht Unruhe im Saal. Was will Luther? Dann kommt dessen Antwort: „Deshalb bitte ich in Demut Eure kaiserliche Majestät um Bedenkzeit, damit ich ohne das Gotteswort zu verletzen und meine Seele zu gefährden, die rechte Antwort auf die Frage geben möge.“
Der Kaiser versteht kein Wort Deutsch, lässt sich die Antwort Luthers übersetzen und berät sich kurz mit seinen Beratern und einigen Kurfürsten. Dann richtet der Offizial wieder etwas unwillig das Wort an Luther: „Du hast doch mehr als genug Zeit für die Vorbereitung gehabt und wusstest doch genau, zu welchem Zweck du vor Kaiser und Reich geladen worden bist. Deshalb bin ich schon verwundert, dass du deine Antwort nicht bereit hast. Du hast keinerlei Recht auf eine weitere Bedenkzeit. In der Glaubensfrage wird dir grundsätzlich kein Aufschub gewährt, denn das würde nur zusätzliche Gefahr und weiteres Ärgernis für die Gläubigen bringen. Dessen ungeachtet wird dir aus reiner kaiserlicher Gnade bis morgen Nachmittag um vier noch eine Frist gewährt. Du musst dann aber frei sprechen und darfst keine schriftliche Erklärung vorlegen. Im Übrigen bedenke wohl, dass du gegen seine Heiligkeit, den Papst, und gegen den Stuhl Petri geschrieben und viele ketzerische Lehren verbreitet hast. Daraus ist so viel Übel entstanden, dass ein Brand entstehen kann, wenn man nicht schleunigst vorbeugt. Geschieht dies nicht, dann kann das Feuer weder durch deinen Widerruf noch durch die Macht des Kaisers gelöscht werden. Und deshalb ermahne ich dich, deinen Sinn zu ändern.“
Das erste Verhör ist beendet und allgemeine Enttäuschung macht sich breit. Man kann sich die Bitte um Bedenkzeit nicht erklären. Wird Luther am Ende doch widerrufen? „Unsinn“, sagt Kurfürst Friedrich zu Spalatin, „er wird kein Wort widerrufen. Luther möchte die Spannung erhöhen und war mit dieser Form des Verhörs überhaupt nicht einverstanden. Er hat eine Antwort angekündigt und jetzt hat er das Rederecht. Morgen wird es interessant.“
Luther zieht sich in seine Unterkunft zurück und schreibt zunächst ein paar Zeilen an den Wiener Humanisten Johannes Cuspinian, in denen er zum Ausdruck bringt, dass er nicht daran denkt, zu widerrufen. Ansonsten nutzt er die Zeit, um sich seine Worte zurecht zu legen und zu merken.
Am nächsten Tag wird er zeitig abgeholt und muss sogar zwei Stunden warten. Der Herzog von Braunschweig schickt ihm eine Kanne Bier. Man hat wegen des Andrangs den Saal gewechselt. Dann wird er hereingerufen.
Der Offizial eröffnet das zweite Verhör: „Martin Luther, du hast wegen des Kaisers Güte eine Bedenkfrist erhalten, die grundsätzlich nicht nötig war. Man muss doch annehmen, dass jeder in Glaubenssachen so sicher ist, um zu jeder beliebigen Zeit Rede und Antwort zu stehen. Wie viel mehr von einem so bedeutenden und erfahrenen Lehrer der Theologie, wie du. Willst du nun die von dir anerkannten Bücher alle verteidigen oder willst du etwas widerrufen?“
Luther antwortet in freier Rede, so, wie es von ihm verlangt wird. Er wirkt konzentriert und energisch, von Verzagtheit keine Spur. Er spricht mit lauter, klarer Stimme, so dass er im Saal überall zu hören ist. „Kaiserliche Hoheit, zunächst möchte ich erklären, dass ich mich ohne Einschränkungen für alle von mir verfassten Schriften bekenne. Ich habe sie in drei Kategorien eingeteilt. Zum Ersten handelt es sich um Schriften über den Glauben und die christlichen Sitten. Diese sind Lehrschriften. Zweitens habe ich Schriften gegen das Papsttum und die Papisten verfasst, die mit ihren grundschlechten Lehren und Beispielen den christlichen Erdkreis an Geist und Leib verheert, verwüstet und verdorben haben. Schließlich habe ich drittens Streitschriften verfasst. Nur bei diesen bin ich manchmal etwas über das Ziel gegen Personen hinaus geschossen, aber es handelt sich schließlich um Streitschriften, über die man mit mir disputieren kann“.
Nach einer kurzen Pause, dem Kaiser wird alles, so gut es geht, übersetzt, fährt er fort: „Die Kampfschriften gegen Rom möchte ich ausführlicher begründen. Es lässt sich nicht leugnen, sondern ist durch Klagen genug bewiesen und bezeugt, dass die Gesetze des Papstes Menschenlehren sind, die das Gewissen der Gläubigen elend in Fesseln schlagen. Ihretwegen wurden Menschen misshandelt und zu Tode gemartert. Vor allem wird Hab und Gut dieser ruhmreichen deutschen Nation durch unglaubliche Tyrannei ohne Ende auf unwürdige Weise verschlungen. Würde ich meine Schriften leugnen, so würde ich nichts anderes tun, als diese Tyrannei noch zu stärken und solcher Impietät und gottlosem Wesen Tür und Tor aufstoßen, damit es weiter freier toben und schaden kann. Mein lieber Gott, was für ein großer Schanddeckel der Bosheit und Tyrannei würde ich sein. Wenn irgend jemand in der Lage ist, mich aufgrund der Heiligen Schrift eines besseren zu belehren, so wäre ich freudig bereit, allen Irrtum zu widerrufen und als Erster die eigenen Bücher ins Feuer zu werfen. Solches sage ich, um der deutschen Nation, meinem lieben Vaterland meinen schuldigen Dienst nicht zu entziehen.“ Damit endet Luther und im Saal herrscht Ratlosigkeit. Auf Bitte des Kaisers wiederholt Luther seinen Vortrag noch einmal in lateinischer Sprache, was Luther in bestem Latein mühelos erfüllt. Obwohl die Worte Luthers sehr klar sind, fragt sich mancher: Hat er nun widerrufen oder nicht?
Nach kurzer Beratungspause tritt der Offizial - jetzt sichtbar zornig - vor Luther: „Du hast die gestellte Frage immer noch nicht beantwortet. Dein Wunsch, mit Hilfe der Heiligen Schrift des Irrtums überführt zu werden, ist nichts anderes, als alter Ketzerbrauch. In deinen Lehren finden sich eine Anzahl Sätze, die schon von früheren Konzilien als häretisch verdammt sind. Und was verurteilt ist, darf überhaupt nicht neu in Zweifel gestellt und diskutiert werden. Martinus, du erhoffst dir vergeblich eine Disputation über Dinge, die du ausdrücklich zu glauben verpflichtet bist. Gib endlich eine einfältige, runde und richtige Antwort darauf, ob du widerrufen willst, oder nicht!“
Ist dem Offizial eigentlich klar, was er soeben gesagt hat? Nichts, was Rom oder die Konzilien entschieden haben, darf in Zweifel gezogen oder disputiert werden. Rom allein befiehlt, was die Menschen zu glauben haben. Genau das bezweifelt und bekämpft Luther, der jetzt, nachdem wieder Ruhe eingekehrt ist, noch einmal spricht: „Weil Eure kaiserliche Majestät, Kur-und Fürstliche Gnaden eine schlichte, einfältige, richtige Antwort begehren, so will ich eine geben, die weder Hörner, noch Zähne hat. Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Heiligen Schrift, oder mit öffentlichen, klaren und hellen Gründen und Ursachen überwunden und widerlegt werde – denn dem Papst oder den Konzilien allein glaube ich nicht, weil es feststeht, dass sie sich häufig geirrt und sich auch selbst widersprochen haben – bin ich durch die Schriftworte, die ich angeführt habe gebunden. Und solange mein Gewissen durch Gottes Worte gefangen ist, kann und will ich nicht widerrufen, weil es gefährlich ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen.“
Im Saale ist es totenstill. Noch einmal fährt ihn der Offizial an: „Lass dein Gewissen fahren, Martin, du bist im Irrtum.“ Der Kaiser wartet die Antwort nicht mehr ab und befiehlt, die Verhandlung zu schließen. Er erhebt sich und verlässt den Saal. Jetzt bricht ein Tumult los. Ein kleiner Mönch hat es gewagt, der ganzen Nation und dem Kaiser des Abendlandes Auge in Auge zu trotzen. Das ist Revolution. Das kann der Kaiser nicht dulden. Luther verlässt umringt von Freunden, Spalatin an seiner Seite, den Saal. Auch draußen ist die Hölle los. Jubelrufe mischen sich mit Schmährufen. Die spanischen Soldaten – die naturgemäß von all dem nichts verstehen – rufen: „Al fuego! Al fuego!“ das heißt: „Ins Feuer! Ins Feuer!“ Sie müssen allerdings schleunigst das Weite suchen, da sie insbesondere von den Menschen in Worms gehasst werden. Im Johanniterhof fällt alle Last von Luther ab. Er wirft die Arme hoch und ruft: „Ich bin hindurch! Ich bin hindurch!“
Am nächsten Tag lässt Kaiser Karl eine schriftliche Erklärung in Deutsch verlesen. An dieser Sitzung nimmt auch der päpstliche Legat, Aleander wieder teil. Der Kaiser stellt sich in eine Reihe erhabener Vorfahren, die den christlichen Glauben und seine Gesetze immer verteidigt hätten und betont, daran festhalten zu wollen. Dann wörtlich: „Denn es ist gewiss, dass ein einzelner Ordensbruder irrt mit seiner Meinung, die gegen die ganze Christenheit ist, sowohl während der vergangenen tausend und mehr Jahre als auch in der Gegenwart; dieser Ansicht nach wäre die ganze genannte Christenheit immer im Irrtum gewesen.“ Kurfürst Friedrich wendet sich zu Spalatin und bemerkt: „Und wenn es so wäre?“ Der Kaiser nimmt die Fürsten in die Pflicht, gegen die Häresie vorzugehen. Er werde die Reichsacht gegen Luther verhängen.
Die Fürsten folgen dem Kaiser nicht ungeteilt. Sie empfehlen ihm, er möge nicht mehr mit Luther disputieren, sondern einige gelehrte Männer sollten noch einmal mit Luther sprechen und versuchen, zu einer Einigung zu kommen. So kommt es auch und Luther wird noch drei Tage in Worms bleiben und Gespräche führen, unter anderem mit dem Erzbischof Albrecht und seinem Bruder Joachim von Brandenburg.
Fast scheint es, als würde noch eine Einigung zu erreichen sein, denn die Kirchenvertreter spüren genau den Unwillen im Volk und möchten jede Unruhe vermeiden. Fast wäre es noch zu Handgreiflichkeiten mit dem altgläubigen Johann von der Ecken gekommen....

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Vorwort
  3. Personen
  4. Wittenberg am Rande der Zivilisation
  5. Kompliziertes religiöses Gemeindewesen in Wittenberg
  6. Zurück in den Bürgerkrieg
  7. Kaum zurück in Wittenberg geht es schon wieder fort
  8. Von Wittenberg nach Nürnberg
  9. Von Nürnberg nach Lindau
  10. Nach Chur
  11. Durch die Via Mala
  12. Durch die Lombardei nach Bologna
  13. Über den Appenin nach Florenz
  14. Sei gegrüßt, du heiliges Rom
  15. Der Rückweg
  16. Doktor der Theologie
  17. Prediger und Rebell
  18. Das Turmerlebnis
  19. Theologie in deutscher Sprache und der Fall Reuchlin
  20. Der Ablass
  21. Brief an den Erzbischof und die 95 Thesen
  22. Die Antwort aus Rom kommt prompt
  23. Verhör in Augsburg
  24. Ein Sonderbotschafter aus Rom
  25. Das Vorgefecht zu einer Disputation
  26. Die Disputation in Leipzig
  27. Der Fels auf dem ich stehe
  28. Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche
  29. Von der Freiheit eines Christenmenschen
  30. An den christlichen Adel deutscher Nation
  31. Die Bannandrohungsbulle wird verbrannt
  32. Vor dem Reichstag in Worms
  33. Ketzereien in einer stinkenden Pfütze
  34. Auf der Wartburg
  35. Zurück nach Wittenberg
  36. Gegen falsche Propheten, Schwärmer und Rottengeister
  37. Freunde kommen und gehen
  38. Zeitenwende
  39. Es wäre besser, dass alle Bischöfe ermordet würden..die Ritter befolgen es
  40. Will Frau nicht, so kommt die Magd
  41. Im Zwiespalt zwischen Bauern und Fürsten
  42. Vielleicht hat er auch Feuer gefangen?
  43. Luthers Kloster ein Taubenschlag
  44. Der Marburger Abendmahlsstreit
  45. Auf Schloss Ehrenburg in Coburg und die Augsburger Konfession
  46. Zwischen Religion und Politik
  47. Die letzten Jahre
  48. Weitere Informationen
  49. Impressum