Sonntagsreden
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Sonntagsreden

Predigten 2011-2016

  1. 216 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Sonntagsreden

Predigten 2011-2016

Über dieses Buch

Sonntagsreden sind der Inbegriff nutzloser Reden. Sie werden in bester Absicht gehalten, bleiben aber oft wirkungslos. So will es das Klischee. Dass Sonntagsreden dann bisweilen doch unerwartete Reaktionen, ja heftige Erschütterungen auslösen können, das gehört zu ihren Risiken und Nebenwirkungen. Predigten sind auch Sonntagsreden. Es sind Reden, die sonntags in bester Absicht gehalten werden. Die Absicht lautet, Gott möge durch sie zu Wort kommen, weil er ein Gott ist, der durchs Wort zu uns kommt. Die in diesem Buch gesammelten Predigten wurden in den Jahren 2011 bis 2016 in Düsseldorf gehalten. Sie zeigen mit Zweifel und Freude am Handwerk Predigt auch ein Stück persönlichen Weges des Verfassers.

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Information

V. Jesus für uns heute

1. König, Prophet, Priester

Hebräer 1,1-4
Heute, am 1. Weihnachtstag, klingt diese Zeile von der stillen und heiligen Nacht bereits wie aus weiter Ferne nach.
Die Bilder vom Weihnachtsstück, das eben noch den Raum füllte, fangen an zu verblassen. Die Requisiten sind noch da: [die Krippe,] der Baum und die Kerzen.
Und doch ist etwas anders heute: die gespannte Erwartung des Heiligabends hat nachgelassen, manche Erwartung wurde vielleicht sogar enttäuscht. In der kommenden Woche werden all die Geschenke umgetauscht, die eher verhaltene Freude ausgelöst haben. Die Feierlichkeit ist einer gewissen Nüchternheit gewichen, manch einer eilt in Gedanken vielleicht schon voraus zu den alltäglichen Geschäften der heute beginnenden Woche.
Und doch ist Weihnachten noch nicht vorbei! Noch ist Festzeit!
Noch ist Festzeit, das heisst auch: es ist noch Zeit, einen zweiten und dritten Blick auf Weihnachten zu werfen. Es ist noch Zeit, am Fest der Geburt Jesu Neues zu entdecken. Dabei kann uns der heutige Predigttext helfen.
Er spricht eine etwas ungewohnte Sprache. Es ist nicht die Sprache der Weihnachtsgeschichte. Es sind auch nicht die Bilder von den Hirten auf dem Feld, von den Weisen aus dem Morgenland und dem Kind in der Krippe.
Der Text spricht vielmehr eine Sprache, die geprägt ist von Erfahrungen aus der Geschichte des Volkes Israel. Und er stellt uns Bilder vor Augen aus dem Gottesdienst am Tempel in Jerusalem.
Ich lese die Zeilen aus dem Hebräerbrief im 1. Kapitel die Verse 1-4, die wir eben bereits gehört haben, noch einmal vor:
1 Nachdem Gott vor Zeiten vielfach und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hatte durch die Propheten, 2 hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben aller Dinge und durch den er die Welten geschaffen hat. 3 Er, der Abglanz seiner Herrlichkeit und Abbild seines Wesens ist, der das All trägt mit dem Wort seiner Macht, der Reinigung von den Sünden geschaffen hat, er hat sich zur Rechten der Majestät in den Höhen gesetzt, 4 weit erhabener geworden als die Engel, wie er auch einen Namen geerbt hat, der den ihrigen weit überragt. (Zürcher Bibel 2007)
Der Hebräerbrief übermittelt uns die Weihnachtsbotschaft in einer anderen Sprache, mit anderen Bildern und in komprimierter Form.
Der Verfasser interessiert sich nicht für die Umstände der Geburt Jesu, er konzentriert sich vielmehr ganz und gar auf die Bedeutung Jesu.
Er antwortet auf die Frage:
Wer ist dieser Jesus? Und was hat er mit uns zu tun?
Die Antwort des Hebräerbriefs ist mehrteilig und dadurch nicht ganz leicht zu fassen: Jesus ist „Sohn“ Gottes (V. 2), „Abglanz seiner Herrlichkeit und Abbild seines Wesens“ (V. 3), „er hat sich zur Rechten der Majestät in den Höhen gesetzt“ (ebd.).
Das alles sind, so verschieden sie auch sein mögen, Bilder der Hoheit. Bilder, die Jesu Bedeutung in seinem Verhältnis zu Gott zeigen. Es sind Bilder, die uns heute, da wir gewohnt sind, Jesus in seiner Menschlichkeit zu sehen, vielleicht ungewohnt, möglicherweise sogar unpassend erscheinen.
Wir haben uns angewöhnt, Jesus als Menschen zu sehen, der mit beiden Beinen auf der Erde steht, der recht betrachtet ein Mensch ist wie du und ich. Da steht schnell der Verdacht im Raum, hier werde ein Mensch überhöht, ja buchstäblich in himmlische Sphären entrückt.
„Jesus Menschensohn“ nannte Rudolf Augstein, der langjährige Herausgeber des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, sein 1972 erschienenes Buch über Jesus. Darin möchte er die Rede vom Gottessohn Jesus als kirchliche Verzerrung des wahren Jesus entlarven.
Was damals möglicherweise hilfreich war, die Wiederentdeckung der Menschlichkeit Jesu hinter einem kirchlichen Bild vom Sohn Gottes, das darf doch nicht dazu führen, dass auseinander fällt, was in Wahrheit zusammengehört:
Jesus ist wahrhaft Mensch, und als dieser wahrhafte Mensch ist er der Sohn Gottes.
Ob wir Jesu Bedeutung umfassend verstehen, entscheidet sich auch daran, ob wir bereit sind, nicht nur dem neugeborenen Jesus, nicht nur dem süßen Säugling, sondern auch dem Sohn Gottes in seiner Hoheit einen Platz in unserer Herberge, einen Platz in unserer Kirche und in unseren Familien einzuräumen.
Sohn Gottes, dass bedeutet nun nicht, dass wir uns da irgendeine physische Abstammung denken müssen. Wir sollten uns da nicht von einem wortwörtlichen Verständnis von Zeugung in die Irre führen lassen.
Sohn Gottes, das bedeutet vor allem: in dem Menschen Jesus spricht Gott zu uns.
In seinen Worten und Taten, wie sie uns von der Bibel bezeugt werden, begegnet uns Gott.
Der Hebräerbrief stellt Jesus in eine Reihe mit den Propheten des Volkes Israel: „Nachdem Gott vor Zeiten vielfach und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hatte durch die Propheten,
hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet durch den Sohn.“ (V. 1 f.)
Jesus tut, was die Propheten vor ihm bereits getan haben.1
Nicht alles, was Jesus gesagt und getan hat, war für die Menschen bequem. Mit prophetischer Vollmacht hat Jesus den Glauben seiner Zeitgenossen kritisiert. Als er die Händler aus dem Tempel in Jerusalem vertrieb und so die Trennung von Religion und Kommerz durchsetzte, da hat er ein prophetisches Zeichen gesetzt. Ein Zeichen dafür, dass sich das Geheimnis Gottes und ein sinnvolles Leben nicht durch Geld und Gut kaufen lassen. Gottes Geheimnis zeigt sich gratis. Es zeigt sich dem, der sich dafür öffnet. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist dafür nötig. In dieser Geschichte wird Jesus tatsächlich zum Abbild von Gottes Wesen. Und dieses Wesen ist seine freie Gnade gegen alle Menschen.
Näher an Gott kann man nicht rücken. Vom „Abbild seines Wesens“ (V. 3) spricht der Hebräerbrief und verwendet an dieser Stelle im Griechischen das Wort „Charakter“.
Man könnte vielleicht sagen: Jesus charakterisiert Gott, zeigt Gott, wie er in Wahrheit ist.
Und damit gilt auch: Gottes Glanz strahlt durch Jesus in der Schöpfung auf. Ja, von Jesus selbst gehen schöpferische Kräfte aus. Er trägt „das All ... mit dem Wort seiner Macht“, jubiliert der Hebräerbrief. Von dieser Schöpferkraft Jesu wird überall dort etwas sichtbar, wo er Menschen geheilt hat. „Ich will es, sei rein!“ (Mt 8,3) spricht er zu dem Aussätzigen, und der wird gesund.
Jesus ist der Herrscher über die Mächte und Gewalten, die unser Leben beinträchtigen.2
Er herrscht nicht durch Macht und Gewalt, sondern durch sein Wort und im Geist Gottes. Auch wenn wir keine Wunder dieser Art vollbringen können, auch wir können Anteil haben an dieser heilenden Kraft des Wortes.
Überall dort, wo wir als Gemeindeglieder, als Menschen im Glauben einander zuhören und miteinander sprechen, wo wir miteinander beten und füreinander ein gutes Wort einlegen vor Gott und in dieser Welt, da haben wir Anteil an dieser heilenden Kraft des Wortes. Da werden wir eine heilende Gemeinschaft. Und da wird etwas vom Glanz der Herrlichkeit Gottes auch in unserem Leben sichtbar.
Und zuletzt benutzt der Hebräerbrief ein Bild aus der Welt des Tempels in Jerusalem, um Jesu Hoheit zu zeigen. Er ist der, „der Reinigung von den Sünden geschaffen hat.“ (V. 3) Die Reinigung von den Sünden, das ist eine Aufgabe der Priester am Tempel gewesen. Mit dem Opfer im Tempel gab es die Möglichkeit, von den Sünden gereinigt zu werden. Sterbliche und fehlbare Menschen, wie wir nun einmal sind, können wir darum vor dem heiligen Gott leben, weil es Vergebung der Sünden und immer wieder einen neuen Anfang gibt.
Unser Hohepriester ist Jesus Christus, der mit seinem Leben für uns vor Gott eingetreten ist – ein für allemal. Für unsere Sünden ist kein weiteres Opfer nötig.3
Jesus Christus ist mit seinem Leben bei Gott für uns eingetreten.
Er, der Hohepriester, ist selbst das Opfer. Das führt an die Grenze dessen, was wir uns vorstellen können.
Die Botschaft ist: Von seinem Leben geht Vergebung aus.
Das hat die Ehebrecherin erlebt, die – auf frischer Tat ertappt – von der Meute gelyncht werden sollte. „Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie!“ (Joh 8,8)
Mit diesem Satz tritt Jesus für die Frau ein und verurteilt sie nicht!
Auch wir können Anteil haben an dieser Vergebung. Vergebung, die dort wirkt, wo wir den Teufelskreis von Tätern und Opfern durchbrechen. Offene Rechnungen mit Mitmenschen gibt es wohl noch viele. Aber wo wir aufhören, uns selbst nur als Opfers zu sehen, wo wir vor allem aufhören, andere zu Opfern zu machen, da wird die Vergebung mächtig, da werden Neuanfänge möglich.
Weihnachten fühlt sich heute ganz anders an als noch am Heiligabend. Und doch: Es ist noch Weihnachten. Nutzen wir die Festzeit als Zeit für Entdeckungen. Wer ist dieser Jesus, dessen Geburt wir feiern? Das Kind aus dem Stall ist nicht Kind geblieben. Es ist der Sohn Gottes geworden.
Er ist unser Prophet. Er ist unser König. Er ist unser Priester.
Er sitzt zur Rechten Gottes und wirkt gerade so mitten unter uns. Sein Wort zeigt uns den Weg, ist mächtig und heilsam, seine Vergebung macht Neuanfänge möglich. Darum lasst uns seinen Namen ehren. Denn wo wir seinen Namen geben, da werden wir wahrhaft menschlich.

2. Christus König

Offenbarung 1,4-8
Der Predigttext steht in der Offenbarung des Johannes. Ich lese aus dem ersten Kapitel die Verse vier bis acht:
4 Johannes an die sieben Gemeinden in der Asia: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der ist und der war und der kommt, von den sieben Geistwesen, die vor seinem Thron sind, 5 und von Jesus Christus, dem treuen Zeugen, dem Erstgeborenen aus den Toten, dem Herrscher über die Könige der Erde. Ihm, der uns liebt und uns durch sein Blut von unseren Sünden erlöst hat, 6 der aus uns ein Königreich gemacht hat, eine Priesterschaft für Gott, seinen Vater, ihm sei die Herrlichkeit und die Herrschaft in alle Ewigkeit, Amen. 7 Siehe, er kommt mit den Wolken, und sehen wird ihn jedes Auge, auch die, welche ihn durchbohrt haben, und wehklagen über ihn werden alle Stämme der Erde. Ja, so sei es, Amen! 8 Ich bin das A und das O, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über das All. (Zürcher Bibel 2007)
Es ist ein Kommen und Gehen, ein Aufsteigen und Hinabsteigen an diesem Himmelfahrtstag, fast wie seinerzeit in Jakobs Traum, als der die Boten Gottes die Himmelsleiter herab- und hinaufsteigen sah (Gen 28,12). Die Lesung aus der Apostelgeschichte, die wir eben gehört haben, erzählt, wie Jesus vor den Augen der Jünger emporgehoben und von einer Wolke ihren Blicken entzogen wurde. Die Offenbarung kündigt an: „Siehe, er kommt mit den Wolken.“ (V. 7)
Wenn wir diesem biblischen Zeugnis glauben, dann bedeutet dies zuallererst: Die Geschichte Jesu Christi ist noch nicht zu Ende erzählt, sie endet nicht nebulös, endet nicht in einer Wolke, die alle Fragen und Erwartungen verschluckt, sondern da steht noch etwas aus.
Einer, der etwas Ordnung in dieses irdischhimmlische Kommen und Gehen bringen wollte, war der altkirchliche Theologie Justin, genannt „der Märtyrer“, der in der ersten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. lebte. Justin sprach vom dreifachen Kommen Jesu Christi: vom Kommen im Fleisch, vom Kommen im Geist und vom Kommen in Herrlichkeit.
Jesus Christus wurde geboren als Mensch, ist gestorben, auferstanden und in den Himmel aufgefahren. Er ist im Heiligen Geist wirksam gegenwärtig bei seiner Gemeinde, erfahrbar im Wasser der Taufe sowie in den Zeichen von Brot und Wein. Seine Geschichte ist erst dann zu Ende erzählt, wenn er in seiner himmlischen Herrlichkeit in Erscheindung tritt, wenn alle Menschen, auch die, die jetzt noch nicht zu seiner Kirche gehören, ihn erkennen, wenn die Macht seiner Auferstehung alle Wirklichkeit durchdringt und alles Leben aus dem Tod reißt.
Was für eine großartige Vision ist das doch, die uns die Johannesoffenbarung hier zeigt, nachdem sich der Wolkennebel der Himmelfahrt gelichtet hat. Jesus Christus wird in Erscheinung treten. Er, der Zeuge Gottes vor uns Menschen, wird sichtbar als „Erstgeborener aus den Toten“, ja sogar als „Herrscher über die Könige der Erde“ (V 5).
Herrscher über die Könige der Erde? Ganz unverklausuliert wird hier ein Machtanspruch formuliert, der uns heute auch in anderem Zusammenhang schon begegnet ist, bei der Taufe. „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden“, sagt der Auferstandene, als er seine Jünger beauftragt zu taufen. Was hat es auf sich mit diesem Machtanspruch?
Mir scheint, wir haben uns angewöhnt, Jesus Christus als eine Art „König der Herzen“ für religiöse Gemüter zu sehen. Ein guter Mensch, aber weitgehend harmlos. „Bin ich Jesus?“, sagen die Leute mit mildem Spott, wenn sie andeuten wollen, dass sie eben keine naiven Gutmenschen sind. Und dass der Auferstandene Macht haben könnte, ist uns eher suspekt geworden.4 Das klang auch einmal ganz anders, und wir haben eben diesen anderen Klang zu Anfang noch einmal intoniert. „Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm untertänig, alles legt ihm Gott zu Fuß.“ (EG 123,1)
Nur, welcher Art ist diese Macht, und wie ist sie erfahrbar?
Diese Frage stellt sich. Denn wer das Sagen hat in dieser Welt, das ist scheinbar beantwortet.
Was die Weltpolitik betrifft, so erleben wir, wie wir den Interessenslagen einiger weniger Großmächte ausgeliefert sind und wie sie die Einflusssphären unter sich aufteilen. Daran hat sich auch zwanzig Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konflikts nichts geändert.
Und im Blick auf die Weltwirtschaft begegnen wir einem schier undurchschaubaren Geflecht anonym bleibender Kapitalgesellschaften, denen das Ergehen einzelner Nationalstaaten schlicht gleichgültig ist. Wo Restriktionen geplant werden, um den Einfluss oder gar die Abhängigkeit zu vermindern, flieht das Kapital in andere Regionen.
Während wir hier sitzen, räumen griechische Sparer ihre Konten leer, und die Finanzminister der Eurozone versuchen, die Währungsunion zu stabilisieren.
Ob das gelingt, und was das alles für uns bedeutet, das weiß wohl keiner so recht im Moment.
Da macht sich bei vielen Menschen ein tiefes Gefühl von Ohnmacht breit, die bisweilen in Wut umschlägt, weil der Eindruck überhandnimmt, anders überhaupt nichts mehr bewirken zu können.
„Es wird regiert“, sagte der Theologe Karl Barth am Vorabend seines Todes seinem Freund Eduard Thurneysen am Telefon. Und fuhr fort: „Nur ja die Ohren nicht hängen lassen.“ Leichter gesagt als getan. „Es wird regiert!“ In der Tat. Aber eben: von wem? Manche sprechen von der Macht des „Imperiums“, wenn sie von den politischen Eliten der Europäischen Union sprechen – auch das ein Ausdruck völliger Hilflosigkeit.
Das Gefühl der Ohnmacht kennen wir allerdings auch in unserer Kirchengemeinde: Schon lange besteht für uns kein Monopol mehr auf die Deutung und Orientierung des Lebens. Der Abschied in den Pluralismus ist keineswegs nur leicht gefallen, auch wenn wir ihn als evangelische Kirche womöglich einfacher bewältigt haben. In unserer Gesellschaft sind wir immer noch gut zur „Wertevermittlung“. So jedenfalls hören wir es von Politikerinnen und Politkern, weniger schon von Medienleuten. Als Dienstleister für Soziales gelten wir weitgehend als anerkannt und wohl auch einstweilen als unverzichtbar. Aber irgendwie scheint das alles nicht mehr so ganz zu stimmen und in unsere Zeit zu passen. Angesichts schwindender Finanzkraft macht sich bei G...

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. I. Abschied und Neubeginn
  4. II. Haltung finden
  5. III. Kirche – Institution und Gemeinschaft
  6. IV. Moralgeschichten
  7. V. Jesus für uns heute
  8. Endnoten
  9. Impressum