Der Raritätenladen
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Der Raritätenladen

  1. 781 Seiten
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Der Raritätenladen

Über dieses Buch

Das Werk "Der Raritätenladen" ist ein 1840 veröffentlichter Kriminalroman von Edgar Wallace. Der Originaltitel lautet "The Old Curiosity Shop".Charles John Huffam Dickens, FRSA (als Pseudonym auch "Boz"; * 7. Februar 1812 in Landport bei Portsmouth, England; † 9. Juni 1870 auf Gad's Hill Place bei Rochester, England) war ein englischer Schriftsteller. Zu seinen bekanntesten Werken gehören "Oliver Twist", "David Copperfield", "Eine Geschichte aus zwei Städten", "Große Erwartungen" sowie "Eine Weihnachtsgeschichte".

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Information

Sechsundsechzigstes Kapitel

Als Richard Swiveller erwachte, kam er nach und nach zu dem Bewußtsein, daß sich flüsternde Stimmen in seiner Kammer vernehmen ließen. Er blickte zwischen den Vorhängen hinaus und entdeckte Herrn Garland, Herrn Abel, den Notar und den ledigen Herrn, welche sich um die Marquise gesammelt hatten und mit großer Angelegentlichkeit, obgleich in sehr gedämpftem Tone, mit ihr sprachen – ohne Zweifel, weil sie ihn zu stören fürchteten. Er zögerte nicht, sie wissen zu lassen, daß diese Vorsicht unnöthig sei, und alle vier Herren näherten sich alsbald seinem Bette. Der alte Herr Garland war der Erste, der die Hand ausstreckte und fragte, wie er sich befinde.
Dick war eben im Begriffe, zu antworten, daß es besser mit ihm gehe, obgleich er immer noch sehr schwach sei, als seine kleine Wärterin die Besucher, als wäre sie eifersüchtig auf ihre Einmengung, bei Seite schob, sich nach dem Kissen drängte, das Frühstück vor ihn hinstellte und darauf bestand, daß er es nehmen müsse, ehe er sich der Anstrengung des Sprechens oder Hörens unterzöge. Herr Swiveller, der jetzt eigentlich gefräßig war und die ganze Nacht durch erstaunlich deutliche und zusammenhängende Träume von Hammelskeulen, Doppelstarkem und ähnlichen Leckereien gehabt hatte, fühlte sogar gegen den schwachen Thee und die trockene Röstschnitte so unwiderstehliche Versuchungen, daß er unter einer Bedingung einwilligte, zu essen und zu trinken.
»Und diese besteht darin,« sagte Dick, indem er den Druck von Herrn Garland's Hand erwiederte, »daß Sie mir diese einzige Frage der Wahrheit gemäß beantworten, ehe ich einen Tropfen oder Bissen zu mir nehme. Ist es zu spät?«
»Um das Werk zu vollenden, das Sie in der letzten Nacht so gut begonnen haben?« versetzte der alte Herr. »Nein. Beruhigen Sie sich darüber. Ich versichere Sie, es ist nicht der Fall.«
Durch diese Kunde getröstet, verfügte der Kranke mit scharfem Appetit über sein spärliches Mahl, obgleich augenscheinlich lange nicht mit jenem Genuß, den seine Wärterin an den Tag legte, als sie ihn essen sah. Die Art, wie dieß geschah, war folgende: – Herr Swiveller hielt die Röstschnitte oder die Theetasse in seiner Linken und nahm, je nachdem es sich fügte, bald einen Bissen, bald einen Schluck, wobei er beharrlich in seiner Rechten eine Hand der Marquise dicht eingeschlossen hielt; dann konnte er auch wohl hin und wieder, sogar im Akte des Schluckens, inne halten, um mit vollem Ernste und der größten Gravität die gefangene Hand zu drücken oder auch zu küssen.
So oft er etwas in den Mund brachte, war es nun Festes oder Flüssiges, so strahlte das Gesicht der Marquise über alle Beschreibung; aber wenn er ihr eines oder das andere der genannten Anerkennungszeichen zu Theil werden ließ, dann wurde ihr Gesicht überschattet und sie begann zu schluchzen. Mochte sie sich nun aber in ihrem lachenden, oder in ihrem weinenden Freudenzustande befinden, so konnte sie sich nicht entbrechen, einen appellirenden Blick an die Anwesenden ergehen zu lassen, welcher zu sagen schien: »Sie sehen diesen Menschen – kann ich dafür?« – und da diese hiedurch, gewissermaßen zu Mitspielern in dem Auftritte gemacht wurden, so antworteten sie regelmäßig durch einen andern Blick: »Nein. Gewiß nicht.«
Diese Pantomime dauerte so lange fort, als der Kranke frühstückte, und da der Kranke selbst, so blaß und abgezehrt er war, keine unbedeutende Rolle darin spielte, so darf man wohl fragen, ob bei irgend einem Mahle, wo vom Anfang bis zum Ende kein gutes oder böses Wort gefallen, so viel durch an sich so geringe und unbedeutende Gebärden ausgedrückt wurde.
Endlich – und um die Wahrheit zu sagen – nach nicht sehr langer Zeit hatte Herr Swiveller so viel Röstschnitten und Thee versorgt, als ihm klüglicherweise in diesem Stadium der Wiedergenesung gestattet werden konnte. Aber die Sorgfalt der Marquise hatte hiemit noch kein Ende, denn sie verschwand auf einen Augenblick und kehrte alsbald wieder mit einem Becken frischen Wassers zurück, worauf sie ihm Gesicht und Hände wusch, das Haar bürstete, und mit einem Worte ihn so schmuck und blank machte, als es unter solchen Umständen überhaupt möglich war; und alles dieß geschah so rasch und geschäftsmäßig, als ob er ein ganz kleiner Knabe und sie seine erwachsene Wärterin sei. Allen diesen verschiedenen Dienstleistungen unterwarf sich Herr Swiveller in einer Art von dankbarem Erstaunen, das sich nicht durch Worte schildern ließ. Als die Marquise endlich fertig war und sich in eine Kammerecke zurückgezogen hatte, ihr eignes armseliges Frühstück einzunehmen, das inzwischen kalt genug geworden war, wandte er sein Gesicht einige Augenblicke ab, und wechselte mit der Luft herzliche Händedrücke.
»Meine Herren,« sagte Dick, indem er sich wieder aufraffte und den Köpf umwandte, »Sie werden mich entschuldigen. Wenn man so weit heruntergekommen ist, als ich, so wird man leicht erschöpft. Jetzt bin ich wieder frisch und zum Sprechen geeignet. Es geht, wie überhaupt hier, auch knapp mit den Stühlen her, aber wenn Sie so gut sein wollen, auf das Bett zu sitzen – –«
»Was können wir für Sie thun?« fragte Herr Garland wohlwollend.
»Wenn Sie jene Marquise in wirklichem, nüchternem Ernste zu einer Marquise machen könnten, so würde ich's Ihnen Dank wissen, wenn Sie es auf der Stelle thäten. Da dieß aber nicht der Fall ist, und es sich nicht darum handelt, was für mich geschehen kann, sondern was Sie für Jemand anders thun wollen, so bessere Ansprüche an Sie hat, so bitte ich Sie, mich wissen zu lassen, was Sie beabsichtigen.«
»Wir sind hauptsächlich deßhalb hergekommmen,« sagte der ledige Herr, »denn Sie werden demnächst auch nach einen andern Besuch erhalten. Wir fürchteten, Sie würden besorgt sein, wenn Sie nicht von uns selbst erführen, welche Schritte wir einzuschlagen gedenken, und kamen deßhalb her, ehe noch überhaupt etwas geschehen ist.«
»Meine Herren,« erwiederte Dick, »ich danke Ihnen. Wenn man in einer so hülflosen Lage ist, wie Sie mich hier sehen, so wird man natürlich besorgt und ängstlich. Doch lassen Sie sich nicht stören, Sir.«
»Wohlan denn, Sie sehen, mein lieber Freund,« fuhr der ledige Herr fort; »wie zweifeln nicht im Mindesten an der Wahrheit dieser Enthüllung, welche zu so gelegener Zeit an's Licht gekommen ist –«
»Sie meinen die ihrige?« sagte Dick, auf die Marquise deutend.
»Natürlich. Wir zweifeln nicht im Geringsten daran und eben so wenig, daß eine zweckmäßige Benützung derselben dem armen Jungen augenblickliche Befreiung erwirken wird. Demungeachtet steht es aber sehr in Frage, ob wir ohne weitere Hülfsmittel dadurch in den Stand gesetzt werden, Quilp als den Haupthebel dieser Schurkerei zu packen. Ich muß Ihnen sagen, daß dieses Bedenken durch die besten Autoritäten, welche wir in diesem Augenblicke zu Rathe ziehen konnten, fast zur Gewißheit geworden ist. Sie werden mit uns gleicher Ansicht sein, daß es eine Schmach wäre, ihm nur die entfernteste Möglichkeit des Entkommens zu lassen, wenn wir es ändern können; denn ohne Zweifel sagen Sie auch, wie wir, wenn Jemand sich salviren muß, so möge es lieber jeder Andere sein, als er.«
»Ja,« entgegnete Dick, »gewiß. Das heißt, wenn Jemand muß – aber auf mein Wort, ich möchte nicht, daß dieß der Fall wäre. Gesetze sind für alle Grade hier, das Laster zu zügeln in Andern sowohl, als in mir – und so weiter, Sie wissen ja – erscheint es Ihnen nicht auch in diesem Lichte?«
Der ledige Herr lächelte, als ob das Licht, in welches Herr Swiveller die Frage gestellt hatte, nicht das klarste von der Welt wäre, und schickte sich sofort an, auseinanderzusetzen, daß sie in erster Instanz zur List ihre Zuflucht nehmen müßten, und daß es ihre Absicht sei, zu versuchen, ob sich nicht von der zarten Sarah ein Geständniß erpressen lasse.
»Wenn sie findet, wie viel wir wissen,« fügte er bei, »wie wir zu dieser Kunde gelangt sind, und daß sie bereits offenbar compromittirt ist, so dürfen wir recht sehr hoffen, daß wir in die Lage kommen, durch ihre Beihülfe die beiden Andern nachdrücklich zur Strafe zu ziehen. Wenn wir es so weit bringen könnten, so dürfte sie meinetwegen frei ausgehen.«
Dick hörte diesen Vorschlag keineswegs sehr gnädig an, denn er bewies mit so viel Wärme, als sein Zustand ihm gestattete, daß man diese alte Hexe (er meinte damit Sarah) weit schwieriger zu behandeln finden dürfte, als Quilp selbst – daß sie gegen Drohungen, Einschüchterungen oder Schmeichelworte eine höchst wenig versprechende und unnachgiebige Person sein würde – daß sie eine Art von Metall sei, das sich nicht leicht schmelzen und in Formen gießen lasse – kurz, daß man ihr nichts anhaben könne, und nothwendig einer Niederlage entgegensehen müsse. Er versuchte es jedoch umsonst, sie zu Einschlagung eines andern Weges zu bereden.
Wir haben den ledigen Herrn als denjenigen bezeichnet, der ihren vereinten Plan auseinandersetzte, obgleich wir eher hätten andeuten sollen, daß sie Alle durcheinander sprachen, und daß, wenn Einer von ihnen zufällig für einen Augenblick schwieg, er schnappend und keuchend dastand, um bei der nächsten Gelegenheit wieder einfallen zu können. Mit einem Worte, sie hatten jene Höhe von Ungeduld und Hast erreicht, wo der Mensch keiner Ueberredung, keinen Vernunftgründen mehr zugänglich ist, und man würde leichter den ungestümsten Sturm, der je getobt, von seiner Bahn abgelenkt, als es über sie vermocht haben, ihren Entschluß noch einmal in Erwägung zu ziehen. Nachdem sie außerdem Herrn Swiveller gesagt hatten, wie sie Kit's Mutter und die Kinder nicht aus dem Gesicht verloren, wie sie Kit stets im Auge gehabt und unablässig bemüht gewesen, eine Milderung seines Urtheils zu erwirken, wie sie fast wahnsinnig geworden ob den unwiderleglichen Belegen seiner Schuld und den mehr und mehr entschwindenden Hoffnungen, seine Unschuld darzuthun, und wie er, Richard Swiveller, ganz ruhig sein dürfte, denn Alles würde zwischen jetzt und heute Abend in's Reine kommen – nachdem sie alles dieß gesagt, und noch viele freundliche und herzliche Worte in Beziehung auf seine Person beigefügt hatten (deren Erwähnung hier unnöthig ist), nahmen Herr Garland, der Notar, und der ledige Herr in einem kritischen Augenblicke Abschied, da Herr Richard Swiveller zuverlässig in ein neues Fieber verfallen wäre, dessen Folgen sich als verhängnißvoll hätten erweisen mögen.
Herr Abel blieb zurück und schaute sehr oft aus seine Uhr oder nach der Kammerthüre, bis Herr Swiveller durch eine Erschütterung außen auf der Flur, welche das ganze Haus erbeben und die Arzneiflasche auf dem Kamingesims klirren machte, aus einem kurzen Schlummer geweckt wurde. Die Störung schien von irgend einer Riesenlast herzurühren, die von den Schultern eines Lastträgers niedergelassen wurde.
Sobald dieser Ton zu Herrn Abels Ohr gelangte, sprang er auf, humpelte nach der Thüre, öffnete sie – und siehe! da stand ein starker Mann mit einem mächtigen Korbe, der, als er in die Stube gezogen und alsbald ausgepackt wurde, solche Schätze von Thee, Kaffee, Wein, Zwieback, Orangen, Trauben, zum Braten zugerichtetem Geflügel, Kälberfuß-Gelée, Arrow-root, Sago und anderen köstlichen Stärkungsmittel entlud, daß die kleine Dienstmagd, welche nie an die Möglichkeit gedacht hatte, daß es solche Dinge anderswo, als in den Laden gebe, in ihrem einzigen Schuh wie an den Boden gewurzelt dastand, während ihr der Mund im Einklang mit den Augen wässerte und das Sprachvermögen gänzlich entschwunden war. Dieß war aber nicht der Fall bei Herrn Abel oder bei dem baumstarken Mann, der den Korb, so groß er war, in einem Nu ausgeleert hatte, oder bei der niedlichen alten Dame, welche so plötzlich erschien, daß man meinen konnte, sie sei gleichfalls aus dem Korbe gekommen, sintemal derselbe wenigstens groß genug dazu gewesen wäre. Die letztere bewegte sich ruhig und lautlos auf den Zehen hin und her – bald da, bald dort, bald überall zumal – und fing an, die Gelée in Theetassen zu füllen, in kleine Pfännchen Hühnerbrühe zu machen, für den Kranken Orangen zu schälen, sie in kleine Stückchen zu schneiden und die kleine Magd mit Gläsern voll Wein und den auserlesensten Bissen von dem ganzen Vorrath zu bewirthen, bis ein substantielleres Mahl zu ihrer Erfrischung bereitet werden konnte. Diese ganze Erscheinung war so unerwartet und wirkte so verwirrend, daß Herr Swiveller, als er zwei Orangen nebst etwas Gelée genossen und sich, nach Entfernung des starken Mannes, der den leeren Korb mit sich fortnahm, in dem unbestrittenen Besitz des ganzen Ueberflusses sah, in dem Bette zurücksank und wieder einschlief, da er durchaus unfähig war, in seinem Geiste Betrachtungen über solche Wunder anzustellen.
Inzwischen hatten sich der ledige Herr, der Notar und Herr Garland nach einem gewissen Kaffeehaus begeben, und von hier aus an Miß Sally Braß ein Schreiben erlassen, welches dieselbe in kurzen und geheimnißvollen Ausdrücken ersuchte, einen unbekannten Freund, der sich mit ihr zu besprechen wünsche, so schleunig als möglich mit einem Besuche zu beehren.
Dieß Schreiben entsprach seinem Zweck so gut, daß zehn Minuten nach der Rückkehr des Boten, der die richtige Ueberlieferung anzeigte, Miß Braß persönlich angemeldet wurde.
»Ich bitte, Ma'am,« sagte der ledige Herr, der sich allein im Zimmer befand, »setzen Sie sich.«
Miß Braß nahm mit ungemein steifer und kalter Förmlichkeit Platz, dem Anschein nach – wie es auch der Fall war – nicht wenig überrascht, als sie entdeckte, daß ihr Miethsmann und der geheimnißvolle Korrespondent eine Person seien.
»Sie erwarteten wohl nicht, mich zu sehen?« fuhr der ledige Herr fort.
»Ich habe nicht viel darüber nachgedacht,« versetzte die Schöne, »sondern nahm an, es handle sich um eine Geschäftssache irgend einer Art. Wenn es wegen des Logis ist, so geben Sie natürlich meinem Bruder eine regelmäßige Aufkündigung – oder leisten Zahlung. Das ist sehr leicht bereinigt. Sie sind die Partie, an die wir uns halten müssen, und in einem solchen Fall ist gesetzliches Geld und gesetzliche Aufkündigung so ziemlich das gleiche.«
»Ich bin Ihnen verbunden für diese gute Meinung,« entgegnete der ledige Herr, »und bin ganz mit Ihren Ansichten einverstanden. Aber das ist nicht der Handel, über den ich mit Ihnen zu sprechen wünsche.«
»Ah,« sagte Sally, »dann wollen Sie mir nur die Einzelnheiten angeben. Vermuthlich handelt es sich um eine Geschäftssache, die in unser Fach einschlägt?«
»Je nun, es hat allerdings Beziehung zur Justiz.«
»Sehr wohl,« entgegnete Miß Braß. »Sie können sich ebensogut an mich, als an meinen Bruder wenden. Was die Entgegennahme von Instruktionen oder das Ertheilen eines Rathes betrifft, so kann ich Ihnen zur Zufriedenheit dienen.«
»Da jedoch außer mir noch andere Partien betheiligt sind,« sprach der ledige Herr, indem er die Thüre des Nebenzimmers öffnete, »so thun wir wohl besser, die Sache gemeinschaftlich zu besprechen. Miß Braß ist da, meine Herren!«
Herr Garland und der Notar traten mit sehr ernsten Mienen herein, rückten ein paar Stühle an die Seite des ledigen Herrn und bildeten so eine Art von Mauer um die zarte Sarah, welche sie in eine Ecke zwängten. Ihr Bruder Sampson würde unter solchen Umständen gewiß einige Verwirrung und Beklommenheit an den Tag gelegt haben; sie aber, ohne im Mindesten aus der Fassung zu kommen, zog ihre Dose heraus, und nahm eine Prise Schnupftabak.
»Miß Braß,« sagte der Notar, der bei dieser Krisis das Wort nahm, »wir Leute vom Fach verstehen einander, und wenn wir wollen, können wir das, was wir zu sagen haben, in wenige Worte zusammenfassen. Sie haben in öffentlichen Blättern kürzlich eine entlaufene Magd ausgeschrieben?«
»Wohl,« versetzte Miß Sally, während eine plötzliche Röthe ihre Züge überflog, »und was weiter?«
»Sie ist aufgefunden, Ma'am,« sagte der Notar, der mit einer raschen Schwenkung sein Schnupftuch herauszog; »sie ist aufgefunden.«
»Wer hat sie aufgefunden?« fragte Sarah hastig.
»Wir, Ma'am – wir drei. Erst gestern Abend, sonst würden Sie schon früher von uns gehört haben.«
»Und nun ich von Ihnen gehört habe,« sagte Miß Braß, indem sie entschlossen ihre Arme übereinander schlug, als wäre sie im Begriff, etwas bis auf den Tod in Abrede zu ziehen, »was haben Sie mir zu sagen? Natürlich haben Sie sich um ihrer Willen etwas in den Kopf gesetzt. Beweisen Sie es – weiter sage ich nichts. Beweisen Sie es. Sie haben sie aufgefunden, sagen Sie. So mögen Sie denn erfahren, wenn Sie es nicht wissen, daß sie die arglistigste, lügenhafteste, diebischste und heuchlerischste kleine Hexe aufgefunden haben, welche je an's Licht der Welt trat. – Ist sie vielleicht hier in der Nähe?« fügte sie bei, indem sie spähend umherschaute.
»Nein, sie ist zur Zeit nicht hier,« versetzte der Notar. »Aber sie ist ganz in Sicherheit.«
»Ha!« rief Sally, indem sie mit einem solchen Ingrimm eine Prise aus der Dose holte, als wäre sie in dem Akte begriffen, der kleinen Magd die Nase aus dem Gesicht zu drehen; »sie soll von nun an in gehörige Sicherheit kommen; ich bürge Ihnen dafür.«
»Ich hoffe so,« entgegnete der Notar. – »Ist es Ihnen gleich nach ihrem Weglaufen nicht aufgefallen, daß zwei Schlüssel zu ihrer Küchenth...

Inhaltsverzeichnis

  1. Erstes Kapitel
  2. Zweites Kapitel
  3. Drittes Kapitel
  4. Viertes Kapitel
  5. Fünftes Kapitel
  6. Sechstes Kapitel
  7. Siebentes Kapitel
  8. Achtes Kapitel
  9. Neuntes Kapitel
  10. Zehntes Kapitel
  11. Elftes Kapitel
  12. Zwölftes Kapitel
  13. Dreizehntes Kapitel
  14. Vierzehntes Kapitel
  15. Fünfzehntes Kapitel
  16. Sechzehntes Kapitel
  17. Siebzehntes Kapitel
  18. Achtzehntes Kapitel
  19. Neunzehntes Kapitel
  20. Zwanzigstes Kapitel
  21. Einundzwanzigstes Kapitel
  22. Zweiundzwanzigstes Kapitel
  23. Dreiundzwanzigstes Kapitel
  24. Vierundzwanzigstes Kapitel
  25. Fünfundzwanzigstes Kapitel
  26. Sechsundzwanzigstes Kapitel
  27. Siebenundzwanzigstes Kapitel
  28. Achtundzwanzigstes Kapitel
  29. Neunundzwanzigstes Kapitel
  30. Dreißigstes Kapitel
  31. Einunddreißigstes Kapitel
  32. Zweiunddreißigstes Kapitel
  33. Dreiunddreißigstes Kapitel
  34. Vierunddreißigstes Kapitel
  35. Fünfunddreißigstes Kapitel
  36. Sechsunddreißigstes Kapitel
  37. Siebenunddreißigstes Kapitel
  38. Achtunddreißigstes Kapitel
  39. Neununddreißigstes Kapitel
  40. Vierzigstes Kapitel
  41. Einundvierzigstes Kapitel
  42. Zweiundvierzigstes Kapitel
  43. Dreiundvierzigstes Kapitel
  44. Vierundvierzigstes Kapitel
  45. Fünfundvierzigstes Kapitel
  46. Sechsundvierzigstes Kapitel
  47. Siebenundvierzigstes Kapitel
  48. Achtundvierzigstes Kapitel
  49. Neunundvierzigstes Kapitel
  50. Fünfzigstes Kapitel
  51. Einundfünfzigstes Kapitel
  52. Zweiundfünfzigstes Kapitel
  53. Dreiundfünfzigstes Kapitel
  54. Vierundfünfzigstes Kapitel
  55. Fünfundfünfzigstes Kapitel
  56. Sechsundfünfzigstes Kapitel
  57. Siebenundfünfzigstes Kapitel
  58. Achtundfünfzigstes Kapitel
  59. Neunundfünfzigstes Kapitel
  60. Sechzigstes Kapitel
  61. Einundsechzigstes Kapitel
  62. Zweiundsechzigstes Kapitel
  63. Dreiundsechzigstes Kapitel
  64. Vierundsechzigstes Kapitel
  65. Fünfundsechzigstes Kapitel
  66. Sechsundsechzigstes Kapitel
  67. Siebenundsechzigstes Kapitel
  68. Achtundsechzigstes Kapitel
  69. Neunundsechzigstes Kapitel
  70. Siebenzigstes Kapitel
  71. Einundsiebenzigstes Kapitel
  72. Zweiundsiebenzigstes Kapitel
  73. Schluß-Kapitel
  74. Fußnoten
  75. Impressum