Die Gründung
Als junges Nordlicht, geboren im schönen Schleswig-Holstein, zog es mich nach dem Abitur in die Großstadt an die Universität. Es war der Beginn eines Prozesses, den ich erst viel später zur Kenntnis nehmen sollte.
Die erste Wohnung, der erste Vertrag mit einem Gasanbieter und vor allem das Eintauchen in die Welt der Wissenschaft. Dinge, die ich in meinem Leben noch nie selbst gemacht, gefühlt oder kennengelernt hatte. Nun stand ich davor. Eine neue Stadt, neue Gesichter und eine große Aufgabe. Eine Aufgabe, die ich anfangs mehr als eine Art Versuch gesehen hatte. Ich probierte es einfach aus. Mehr als Mühe geben konnte ich mir nicht.
Natürlich stellte ich mir die Frage, was passieren könnte, wenn ich es nicht schaffe. Wenn irgendetwas nicht funktionieren sollte. Nach gründlichem Grübeln lautete die Antwort auf meine Fragen jedoch jedes Mal gleich: „Nichts.“ Zumindest nichts, was dich aus dem Leben radiert. Denn was soll uns in einem Sozialstaat schon groß passieren?
Die erste große Erkenntnis in diesem Alter war also die Feststellung, dass es für jede erdenkliche Aufgabenstellung eine Lösung gibt. In der Regel gibt es sogar viele verschiedene Lösungswege für ein Problem. Auch wenn diese Lösung vielleicht nicht dem ursprünglichen Wunsch entspricht oder dieser Schlüssel ganz einfach unangenehm erscheint, ist er immer vorhanden. Dieses Wissen gibt Sicherheit.
Doch was genau bedeutet eigentlich Lösung? Genau genommen ist die Lösung die Konsequenz aus dem Verstehen. Etwas auf seine ganz eigene Art zu durchleuchten und zu beantworten. Wenn Menschen durch Probleme bzw. Aufgaben in Angst oder Hilflosigkeit versetzt werden, dann verstehen sie oft ihre Aufgabe nicht oder nur zu Teilen. Viel schlimmer noch, sie versuchen sie oft gar nicht erst zu verstehen. Und selbst das ist in der Regel nicht mal nötig.
Unter der Annahme, es gibt immer Lösungen, wie ich es behaupte, liegt es nahe, dass es fast immer Quellen gibt, die verschiedenste Lösungen und Ansätze für uns bereithalten. Du musst nur diesen einen Schritt gehen und die richtige Quelle heraussuchen, sie gegebenenfalls transformieren oder kombinieren und damit deine Aufgabenstellung beantworten. Eine Quelle ist nichts anderes als eine Art Speicher, der völlig unterschiedlich aussehen kann. Es können Mitmenschen, Bücher oder das eigene Bauchgefühl sein.
Menschen beobachten ihre Umwelt schon seit sie existieren. Bauern dokumentieren die Fruchtbarkeit ihrer Ländereien; sie notieren Niederschlagsmenge und Wetterperioden. Kaufleute und Unternehmer beobachten ihre Absatzzahlen, und ein Blogger interessiert sich für die Anzahl seiner Follower. Verschiedenste Daten in verschiedensten Formen und Mengen sind Bestandteil unserer heutigen Welt. Setzen wir sie richtig ein, helfen sie uns, die Welt zu entschlüsseln. Die geeigneten Quellen zu finden, auf die eigene Herausforderung zu projizieren sowie mit Logik und Vernunft die ersten eigenen Aufgaben zu meistern, das ist die erste grundlegende Lehre des Lebens.
Einfach gesagt, begann ich zu lernen, wie man versteht. Ich begann zu lernen, den manchmal etwas längeren Weg im Kopf zu gehen. Das war vielleicht etwas unbequem, aber es verschaffte mir erste Erfolge. Sowohl an der Universität als auch im Leben. Ich begann, einen sicheren Stand auf den eigenen Beinen zu entwickeln.
Mit dem Wissen, dass es immer eine Lösung geben wird, fiel es mir nicht schwer, die an mich gestellten Aufgaben lockerer anzugehen. Dieser Effekt bringt mich zum nächsten Punkt einer grundlegenden Herangehensweise an unser Leben. Hast du gelernt, zu lernen und deinen Kopf zu benutzen, dann hast du auch gelernt, die Dinge entspannter zu sehen. Lockerheit macht dich leistungsfähiger. In meinen ersten Prüfungen an der Universität lernte ich sehr engagiert und vor allem mit viel Aufwand. Ich wollte es allen und vor allem wollte ich es mir zeigen. Es war mein Ehrgeiz, der mich trieb. Ich hatte früh in meinem Leben erkannt, dass ohne Ehrgeiz und Biss nichts so wird, wie ich es haben will. Was ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht gelernt hatte, war, wie ich diesen Ehrgeiz perfekt für mich nutzen konnte. Um zu erklären, was ich damit meine, möchte ich einen kleinen Bogen in meine Kindheit spannen.
Schon als kleiner Junge hatte ich beim handwerklichen Umgang in der Sandkiste oder beim Bauen von Gebäuden aus alten Kartons ein Bild vor Augen. Ich hatte ein Ziel vor meinem inneren Auge, welches mir zeigte, wie mein Resultat aussehen sollte. Wenn dieses Ergebnis nicht eintrat, wie es in diesem jungen Alter des Öfteren der Fall war, überkam mich ein Gefühl der Wut. Diese Wut hatte ich auf mich selbst. Sie ging manchmal sogar so weit, dass ich mein gebautes Objekt wieder zerstörte. Einfach gesagt, war mein Ehrgeiz mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Am Ende der Arbeit nichts mehr zu haben machte mich zudem auch noch traurig. Ich stand da und hatte eine gefühlte Ewigkeit in nichts investiert. Jedoch fing ich irgendwann an zu verstehen, dass ich dem Traurigsein entfliehen konnte, indem ich das Ergebnis akzeptierte, auch wenn es in meinen Augen nicht sofort perfekt erschien. Ich konnte schließlich auch am nächsten und am übernächsten Tag daran weiterbauen und das Ergebnis nach meinen Wünschen optimieren.
Zurück zu meinem Start in die akademische Welt und zurück zu meinen ersten Prüfungen an der Uni. Ich war ehrgeizig und machte mir damit in den ersten Klausuren viel eigenen Druck, den man ehrlich gesagt nicht wirklich gut gebrauchen kann. In der ersten Klausurphase waren meine Ergebnisse nicht zu meiner Zufriedenheit. Jedoch war es ein gutes Gefühl, mithalten zu können. Ich wurde immer entspannter und konnte mit mehr Vertrauen in meine eigene Leistungsfähigkeit an meine Aufgaben herangehen. Lockerheit half mir, meine Leistungsfähigkeit zu steigern. Denn was sollte mir schon passieren? Nichts. Die Erde dreht sich immer weiter.
Von Prüfung zu Prüfung lernte ich, welche Inhalte wichtiger und welche unwichtiger sind. Dies war der Prozess des Lernens, wie man lernt. Ich fand mehr und mehr heraus, welche Speicher das nötige Wissen zum Erledigen meiner Aufgaben bereithielten. Dieses Wissen schenkt uns die Bildung.
Abschließend bin ich noch die Antwort auf den perfekten Einsatz von Ehrgeiz schuldig. Die Lösung zum perfekten Einsatz des Ehrgeizes ist seine Kombination mit der nötigen Geduld und Ausdauer. Die Geduld schöpfst du aus der Lockerheit, die dein Leben begleiten sollte. Nimm dir die Zeit, die du benötigst, und vertraue auf deine Fähigkeiten. Den Ehrgeiz hast du oder du entwickelst ihn einfach.
Solltest du dir jetzt die Frage stellen, wie genau du deinen Ehrgeiz entwickeln kannst, dann kann ich dir dazu einen Tipp geben. Wenn du für etwas nicht sofort Begeisterung hegst, dann musst du sie dir erarbeiten. Erarbeiten bedeutet in diesem Zusammenhang Hingabe und Fleiß. Lass dich auf etwas ein und beginne, es zu verstehen. Je länger und tiefgründiger du dies tust, umso mehr wirst du irgendwann merken, dass Verstehen ohne Ende Spaß macht. Diese Erkenntnisse solltest du auf dein Leben projizieren.
Und nun kurz zurück an den Anfang. Im ersten Absatz dieses Kapitels sprach ich von einem Prozess, der meine vorab genannten Erkenntnisse erst für mich sichtbar machte. Dieser Prozess ist die Abnabelung von alten Strukturen, von einem alten Umfeld und die damit verbundene Chance, sein eigenes Leben zu entdecken, ohne die alten Strukturen dabei zu vergessen. Dies ist die Gründung für ein erfülltes Leben. Gib dem Leben die Chance, sein Schüler zu werden. Du wirst es nicht bereuen.
Dieses Kapitel trägt den Titel „Die Gründung“. Eine Gründung im architektonischen Sinne wird umgangssprachlich auch als Fundament bezeichnet. Wie wichtig so eine Gründung ist, möchte ich dir mit einem kleinen Ausflug in meine Berufswelt zeigen. Im Leben wirken wie auf ein Bauwerk verschiedenste Lasten. Diese sind in der Regel nur bedingt beeinflussbar. Die Erdanziehung zum Beispiel ist es nicht. Der Wind ist es hingegen insoweit, als dass du dir aussuchen kannst, wo du dein Bauwerk errichten möchtest. Zum Beispiel an der See oder im Binnenland.
Es gibt damit Lasten, mit denen wir alle leben müssen, und es gibt Lasten, die wir beeinflussen können.
Die Aufgabe des Ingenieurs ist es, alle auf das Bauwerk einwirkenden Lasten an den Untergrund abzuführen. Es ist seine Aufgabe, die von der Umwelt verursachten Einwirkungen unserer Erdkartoffel auch wieder zurückzugeben. Es entsteht quasi ein Kreislauf. Das Ziel ist klar: ein Gleichgewichtszustand. Grundlage dafür ist die Gründung, auf dem das Bauwerk gebaut wird, und der Baustoff, aus dem es besteht. Den Rest erledigt die Konstr...