Geschichte und Potenzial der Selbsthilfe: Die Wohnungsbaugenossenschaften
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Geschichte und Potenzial der Selbsthilfe: Die Wohnungsbaugenossenschaften

Beiträge zur 6. Tagung zur Genossenschaftsgeschichte am 28. und 29. Oktober 2011 im Museum der Arbeit in Hamburg

  1. 148 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Geschichte und Potenzial der Selbsthilfe: Die Wohnungsbaugenossenschaften

Beiträge zur 6. Tagung zur Genossenschaftsgeschichte am 28. und 29. Oktober 2011 im Museum der Arbeit in Hamburg

Über dieses Buch

In diesem Tagungsband sind die Beiträge zur 6.Tagung zur Genossenschaftsgeschichte zusammengefasst.Die Tagung fand am 28. und 29. Oktober 2011 im Museum der Arbeit in Hamburg statt.

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Information

Jahr
2013
ISBN drucken
9783848212484
eBook-ISBN:
9783848276608
Auflage
1

GÜNTHER RINGLE

Vertrauenskultur in Wohnungsgenossenschaften – der Unterschied zählt

  1. I. Geschichtlicher Hintergrund
  2. 1. Victor Aimé Huber: Idee der „ökonomischen Assoziation“
  3. 2. Wohnungselend im 19. Jahrhundert und Vorbilder für eine Abhilfe
  1. II. Vertrauen auf Besserung als positive Erwartungshaltung
  1. III. Entwicklung der Wohnungsgenossenschaften bis heute
  1. IV. Aktuell relevante Vertrauensebenen
  2. 1. Leistungsvertrauen
  3. 2. Personalvertrauen
  4. 3. Systemvertrauen
  1. V. Effekte von Vertrauenskultur in Wohnungsgenossenschaften
  2. 1. Wertschätzung der genossenschaftlichen Leistungen
  3. 2. Beteiligung an der Selbstverwaltung
  4. 3. Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft
  1. VI. Potenzielle positive Wirkungen
  1. VII. Schlussbemerkungen

I. Geschichtlicher Hintergrund

1. Victor Aimé Huber: Idee der „ökonomischen Assoziation“

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich in Deutschland die ersten modernen Genossenschaften gebildet. Zu dieser Zeit begann der Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft mit tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen. Die Industrialisierung schritt rasch voran, die Wirtschaft florierte und die Massenfertigung von Gütern setzte ein. Jedoch hatte der Segen des Aufschwungs, den die deutsche Volkswirtschaft erlebte, eine Kehrseite trauriger Natur:1
Mit der Wirtschaft hatte sich schlagartig auch die Rolle der Arbeiter verändert.2 Sie mussten sich nun neuen Beschäftigungen zuwenden und wurden zu Handlangern der Maschinen. In den größeren Städten, in denen sich die Fabriken konzentrierten, nahm die Bevölkerung durch die Zuwanderung vom Lande (Bauern, Landarbeiter) und aus kleineren Städten (Handwerker) ständig zu. Die Arbeiterbevölkerung wuchs dramatisch. Daraus folgend stieg in den Ballungszentren der Bedarf an Wohnungen beängstigend – und zugleich die Wohnungsnot, nicht zuletzt wegen der fast völlig fehlenden staatlichen Wohnungspolitik.3
Durch private Bautätigkeit konnte die Nachfrage nach Wohnungen bei weitem nicht befriedigt werden. Die akute Wohnungsnot, die in ihrer schärfsten Form zur Obdachlosigkeit führte, wurde zu einem gesellschaftspolitischen Problem.4 Wohnraumknappheit ließ die Mieten in bis dahin nicht gekannte Höhe steigen. Was nun mehr für Wohnen aufgewendet werden musste, fehlte beim täglichen Konsum. Verständlich, dass das drängende Wohnungsproblem der Arbeiterschaft, die sogenannte „Arbeiterwohnungsfrage“5, nach einer Lösung verlangte, um den revolutionären Druck zu mindern.
In dieser Situation griff Viktor Aimé Huber (1800-1869), Gelehrter und geistreicher Schriftsteller aus dem Kreis des konservativen Bürgertums, den Gedanken der Assoziation“ als Selbsthilfe der unteren Klassen auf. Er empfahl den minderbemittelten Industriearbeitern, sich geschäftlich miteinander zu verbinden.6 Nach seiner Vorstellung konnte die Lage der Arbeiterfamilien nur durch Vereinigung zum gemeinschaftlichen Bezug der wichtigsten Lebensmittel und Beschaffung von Wohnungen im Wege des genossenschaftlichen Zusammenschlusses verbessert werden.7
Vorrang hatte, die Menschen aus unwürdigen Behausungen herauszuholen, sie vor Wuchermieten und willkürlichen Kündigungen zu schützen. Dazu waren eine familiengerechte Größe und zweckmäßige Grundrissgestaltung der Wohnungen sowie eine den hygienischen Anforderungen entsprechende Wohnausstattung erforderlich.8Vor allem fordern wir“, schrieb Huber 1849, „möglichst gute und möglichst wohlfeile Wohnungen in gesunder Lage, womit dann schon ein kleiner Garten für jede Wohnung inbegriffen ist.“9

2. Wohnungselend im 19. Jahrhundert und Vorbilder für eine Abhilfe

In seiner Beschreibung der Gründungsphase der Wohnungsgenossenschaften gibt Helmut Faust einige Hinweise auf das damalige Wohnungselend:10
  1. 1. Die Wohnungen waren durch Teilung (um zusätzliche Wohnungen zu schaffen) kleiner, ungesunder und auch in sittlicher Beziehung unzureichend.
  2. 2. Oft bestanden sie nur aus einem einzigen Raum, der als Küche, Wohn- und Schlafzimmer diente.
  3. 3. Es war kaum möglich, für Hygiene zu sorgen, so dass die Wohnungen zu Brutstätten für Ungeziefer und Krankheiten wurden.
  4. 4. Als Unterkünfte wurden Räume herangezogen, die nicht als menschliche Behausungen anzusprechen waren.
  5. 5. Die meisten Arbeiterwohnungen waren überbelegt. Nicht selten mussten darin bis zu zehn Personen leben.
  6. 6. Sogenannte „Schlafgänger“ verfügten nur über ein dürftiges Nachtlager in einer fremden Wohnung.11
  7. 7. Obdachlose wurden in Armenhäusern und Baracken untergebracht, was jedoch die schreiende Wohnungsnot nicht beheben konnte.
Wie aber sollte den aus dem Wohnungsmangel resultierenden Missständen im Wohnungswesen konkret begegnet werden? Die private Bauinitiative versagte, weil die Kapitalbesitzer die Erstellung von Arbeiterwohnungen wegen des Risikos eines ungewissen Mieteingangs nicht eingehen wollten. Zudem boten Kapitalanlagen in den aufblühenden Zweigen der Industrie und des Verkehrs größere Chancen. So wurde es unausweichlich, neue Wege zu beschreiten. Zu denen, die nicht nur die Öffentlichkeit auf „[…] die schlimmen Wohnungszustände als eine der Hauptursachen des überaus traurigen physischen, ökonomischen und moralischen Zustandes eines großen Teils der Bevölkerung“ als Ursache sozialer Spannungen aufmerksam machten, sondern auch Wege zur Abhilfe fanden und beschritten, gehörte Victor Aimé Huber.12
Als Ideenlieferanten dienten Huber ausländische Vorbilder. Auf Reisen nach Schottland, England und Frankreich hatte er dort die Anfänge und das Aufblühen des Genossenschaftswesens kennengelernt und darüber berichtet.13 Dazu gehörte auch der genossenschaftliche Häuserbau. In Schottland war bereits 1815 ein Sparklub gegründet worden, der den Mitgliedern den Bau von Häusern erleichtern sollte. Daneben entstanden Vereinigungen, die Grundstücke erwarben und darauf Häuser errichteten, die sie gegen Ratenzahlungen ihren Mitgliedern überließen. Am erfolgreichsten aber waren die Building Societies, eine Art Baukreditgenossenschaften. Deren Mitglieder übernahmen Geschäftsanteile und verpflichteten sich, darauf wöchentlich oder monatlich Einzahlungen zu leisten, die verzinst wurden. Aus dem so gebildeten Kapitalfonds wurden an Mitglieder, die ein Haus bauen wollten, verzinsliche Vorschüsse gewährt, die planmäßig zu tilgen waren. Diese und andere Gesellschaften hatten in England bereits viel zum Aufbau der Städte beigetragen und ein vertrauensvolles Klima in der Gesellschaft gefördert.

II. Vertrauen auf Besserung als positive Erwartungshaltung

Der weitgereiste Gelehrte Huber ist „[…] einer der wichtigsten Anreger auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens geworden, als dieses noch im ersten Entstehen war (in den fünfziger und sechziger Jahre), und zugleich einer seiner ersten klassischen Schilderer.“14 Er konnte Mut und Vertrauen in die Zukunft aus dem schöpfen, was er im Ausland erfahren hatte. Warum sollte es nicht auch in Deutschland gelingen, auf diese oder ähnliche Weise dem Wohnungsmissstand abzuhelfen? Aus der Arbeiterbewegung entstanden die politisch der Sozialdemokratie nahestehenden Bauvereine und Baugenossenschaften. Für die ersten Gründungen waren drei Umstände entscheidend:15
  • die wirtschaftliche und soziale Gesamtsituation
  • Initiatoren, die aus eigener Erfahrung die Lage kannten und von dem Willen beseelt waren, der sozialen Zerstörung Einhalt zu gebieten.
Als erste Wohnungsgenossenschaft in Deutschland wurde 1862 die Häuserbau-Genossensc...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelseite
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Vorwort
  4. HOLGER MARTENS: Das Hamburger Genossenschaftsregister
  5. HELGE BURKHARDT: Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften: Ein Überblick
  6. JOACHIM WEGE: Der wohnungsgenossenschaftliche Verband – Aus Tradition modern
  7. FRANZ JUNGBLUTH: Zwischen Sozialismus, Sozialreform und sozialem Wohnungsbau. Mannheimer Wohnungsbaugenossenschaften 1895-1926
  8. BARBARA VON NEUMANN-COSEL: Bauen für die Gemeinschaft: Genossenschaftliche Entwicklungslinien in Berlin
  9. ARND KLUGE: Regionale Genossenschaftsgeschichte am Beispiel der Wohnungsgenossenschaften in Hof und Umgebung
  10. HEINRICH TÖDTER: Wohnungsbaugenossenschaften auf dem Lande, am Beispiel der Landkreise Harburg, Lüneburg und Soltau-Fallingbostel
  11. FLORIAN JAGSCHITZ: Die Anfänge des genossenschaftlichen Wohnbaus in Wien. Kriegerheimstätten- und Siedlerbewegung in der Zwischenkriegszeit
  12. ARMIN PETER: Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das genossenschaftliche Wohnungswesen
  13. BETTINA HARMS: Wohnungsgenossenschaften auf dem Weg in die Zukunft
  14. GÜNTER RINGLE: Vertrauenskultur in Wohnungsgenossenschaften – der Unterschied zählt
  15. CAROLIN SCHRÖDER: Zukünftige Herausforderungen für Wohnungs(bau)genossenschaften: Klimaschutz & Stadtteilorientierung
  16. KURZBIOGRAPHIEN DER AUTORINNEN UND AUTOREN
  17. Impressum