- 1 PROBLEMSTELLUNG
- 2 WAS SOLL MIT DEM BUCH BEANTWORTET WERDEN?
- 3 VORSCHAU UND VORGEHENSWEISE
Der Automatisierungsgrad im innerbetrieblichen wie im zwischenbetrieblichen Geschäftsprozessmanagement lässt – speziell in KMU-Betrieben – immer noch zu wünschen übrig. Das Kernproblem liegt dabei oft in heterogenen Darstellungen von verschiedenen Perspektiven und von verschiedenen Phasen im Lebenszyklus von Geschäftsprozessen. Typische Beispiele sind oftmals inkompatible Repräsentationen der Intra-Perspektiven zwischen Mitarbeitern und Entscheidungsträgern und Inter-Perspektiven zwischen dem Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen (Kunden, Lieferanten, Anrainern) oder der Lücke zwischen normativer Modellierung für Compliance-Zwecke einerseits und realen Prozessausführungen andererseits (vgl. Brandstätter / Gölzner / Siems, 2006, S. 25).
Derartige Projekte zur Einführung von Prozess- aber auch Qualitätsmanagement sowie die Gestaltung einer prozessorientierten Unternehmung sind oftmals mit einer hohen Misserfolgsrate ausgezeichnet.
Die Begründung liegt laut Aussage von Becker / Kugeler / Rosemann (vgl. 2005, S. 35), neben überzogenen Erwartungshaltungen an die Ziele, in den aufwändigen und dadurch oftmals mangelhaft durchgeführten Methoden für die Implementierung und die laufende Anpassung von Prozessmanagement in den Unternehmensorganisationen. Weiters liegt die Begründung im erhöhten Dokumentationsbedarf zur Sicherstellung der Methode und der dadurch ständig notwendigen, aber leider oftmals nicht erfolgten Unterweisung der Mitarbeiter.
Prozessmanagement ist schwierig und herausfordernd. Daran wird eine neue Methodik wenig ändern. Das Wesen des Prozessmanagements ist ein bewusster Umgang mit Menschen in Organisationen, mit Innovation und mit Kreativität. Oft scheitern Prozessmanagement Projekte oder liefern Ergebnisse, die weder die eigenen Mitarbeiter zufriedenstellen noch die angestrebten wirtschaftlichen Ziele erreichen, weil sie einen Kreislauf selbstverstärkender (amplifizierender) Rückkopplungen in Gang setzen (vgl. Senge, 2003, S. 120).
Abb. 1 Kreislauf einer amplifierenden Rückkopplung, angelehnt an Ward (2007) und Senge (2003)
Projekte im Bereich des Prozessmanagements weisen nach meiner Erfahrung eine suboptimale Arbeitsorganisation auf, da frühzeitig versucht wird, alle Eventualitäten und Arbeitsdetails zu definieren, als fixe Größe zu betrachten und als unumstößlichen Plan auszuführen. Gleichzeitig erhält ein Projektteam erst spät die Rückmeldung über den tatsächlichen Fortschritt, wenn der Prozess in der Organisation implementiert wird. Ein Idealzustand könnte daher sein, alle Arbeiten von der Konzeption bis zur Implementierung in die Organisation innerhalb mehrerer iterativer Schleifen auszuführen. So könnte das Prozessteam bereits nach wenigen Wochen Rückmeldungen über Fortschritt oder etwaige Probleme und Hindernisse bekommen. Die Planung könnte daher auf dem tatsächlichen Fortschritt des Prozessprojektes basieren. Eine mögliche Vorgehensweise ist in Abb. 2 dargestellt.
Abb. 2 Der Kreislauf Im agilen Prozessmanagement
Folgende grundlegende Fragestellungen werden in diesem Buch beantwortet werden:
- Wie können aus den Anleihen des Projektmanagements – im Speziellen des agilen Projektmanagements nach der Methode Scrum – Erkenntnisse für ein agiles Prozessmanagement gezogen werden?
- Was sind die Minimalkriterien für ein neues „Agiles Prozessregelwerk“ für Implementierung, Dokumentation und laufende Adaptierung von Unternehmensprozessen?
- Welche Voraussetzungen sind für die Anwendung der Methode notwendig und mit welchen Schwierigkeiten ist in der Anwendung von Scribble zu rechnen?
Scribble wurde grundsätzlich als alternative Methode im Prozessmanagement entwickelt und ist daher zusätzlich zu traditionellen Methoden gut anwendbar. Aus der Erfahrung des Autors in Veränderungsprojekten, bei denen es darum ging traditionelle, in Richtung agile Organisationen zu wandeln, wurde jeweils an den drei Aspekten gearbeitet:
- Struktur
- Prozesse
- Kultur (im Bewusstsein, dass dieser Aspekt nie direkt, sondern indirekt durch Verhaltensänderungen zu einer Änderung von Haltung und Verhaltensmustern führen kann)
Der Aspekt der Änderung von Prozessen muss einfach, intuitiv und ohne Aufwand möglich sein. Wenn in Unternehmen mit agilen Modellen zur Prozesssteuerung – wie z. B. Kanban – gearbeitet wird oder gearbeitet werden soll, kann Scribble sehr gut als Unterstützung für die Gestaltung und Optimierung von derartigen Prozesssteuerungssystemen dienen.
Das Kapitel 3 führt den Leser in die Grundlagenthemen „Prozessmanagement im Kontext zur Unternehmensorganisation“ ein und ist der Versuch, eine Verbindung und Abgrenzung zum Qualitätsmanagement zu schaffen. Es beschreibt die Transformation des Themas Projektmanagement, im Speziellen der Methode des agilen Projektmanagements Scrum, in das des Prozessmanagements. Analogien zwischen Prozess- und Projektmanagement werden in Punkt 3. 5 beschrieben. In den Punkt 3. 6 und 3. 7 wird das Thema Projektmanagement aus den traditionellen Betrachtungswinkeln beleuchtet, um in Punkt 3. 8 die neuen Ansätze von agilem Projektmanagement zu beschreiben. In den Punkt 3. 9 und 3.10 wird auf die gängige Methode des agilen Projektmanagements Scrum mitsamt ihren Besonderheiten eingegangen.
Im Kapitel 2 wage ich den Versuch, den Blick des Lesers entlang eines Zeitstrahls der jüngsten Menschheitsgeschichte auf das Thema Organisation zu lenken und dabei die Entwicklung von Arbeitsteilung der Menschen in Gesellschaft und Wirtschaft im Wandel der Zeit zu betrachten. Diese etwas andere Betrachtungsweise schafft vielleicht einen neuen Zugang zur Gestaltung und Führung von Ablauforganisationen.
Das Kapitel 4 beschreibt die Entwicklung einer Methode für agiles Prozessmanagement. Dabei geht es darum aus den Analogien des agilen Projektmanagements, eine agile Prozessmanagementmethode zu definieren und zu entwickeln. Der Punkt 4. 1 stellt einen allgemeinen Exkurs zu einer neuen Methodik in Richtung Prozessmanagement dar, während der Punkt 4. 2 eine Betrachtung des bestehenden, dokumentenorientierten Ansatzes im Vergleich zu einem neuen, personenorientierten Ansatz von Prozessmanagement beschreibt. Der Punkt 4. 3 geht auf die Entstehung von Scribble als Methode des agilen Prozessmanagements ein. Der Punkt 4. 4 fasst die Methode Scribble kompakt zusammen. In Punkt 4. 5 werden einerseits die Voraussetzungen und andererseits die Grenzen im Einsatz der Methode Scribble beschrieben.
In Kapitel 5 wird Scribble anhand von konkreten Fallbeispielen aus dem Dienstleistungsbereich beschrieben.
Das Kapitel 6 stellt eine qualitative Betrachtung und Rückkoppelung in der Methode des agilen Prozessmanagements dar. In Punkt 6.1. wird dabei in Form von Expertenbefragungen ein dafür entwickelter und auf die Fallbeispiele bezogener Fragenkatalog angewendet und ausgewertet. Der Punkt 6. 2 vergleicht die Methode Scribble im Ko...