Der deutsche Islam
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Der deutsche Islam

  1. 240 Seiten
  2. German
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Der deutsche Islam

Über dieses Buch

Ohne die Pluralität des Islams angreifen zu wollen, scheint es nötig und wichtig, dass sich eine entsprechende deutsche Kultur des Islam herausbildet. Die Millionen Muslime, die in Deutschland beheimatet sind und sich hier zu Hause fühlen, können gemeinsam eine deutsche, muslimische Identität bilden. Ein Islam also, der auf deutsche Fragen deutsche Antworten gibt und der sich mit den Problemen, Wünschen, Hoffnungen, Ängsten und Träumen der Muslime in Deutschland beschäftigt. Daher enthält dieser Sammelband Texte, die sich mit diesen deutschen Problemen beschäftigen.

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Information

Jahr
2012
ISBN drucken
9783842356368
eBook-ISBN:
9783844846546

Religionspädagogik bei Said Nursi

Wenn man Religionspädagogik aus Sicht Said Nursis betrachten will, muss man erst festhalten, dass Said Nursi weder ein Pädagoge war noch eine Anleitung für eine Religionspädagogik machte. Jedoch lebte Nursi in Zeiten der Umwälzungen und Veränderungen. Er erlebte das Osmanische Reich, den Untergang dessen und die Neugründung der Türkischen Republik. In diesem Kontext agierte er jedoch wie ein Pädagoge und gab seine Ideen, wie Bildung u.a. auch die Bildung der Religion, funktionieren sollte. Aus diesem Blickwinkel scheint also trotzdem wichtig, die Ansichten Nursis im Hinblick auf die Religionspädagogik zu durchleuchten.
Um seine Ansichten zu verstehen, ist es aber nötig, sich den Bildungsweg Said Nursis genauestens unter die Lupe zu nehmen. Denn diese prägten ihn sehr und führten letztendlich zu seinen Ideen. Seine Sozialisation war also ausschlaggebend für seine Gedanken.
Der Bildungsweg Said Nursis7
Schauen wir uns erst einmal die demographische Situation an. Said Nursi8 wurde 18769 als Sohn einer kinderreichen Familie10 im ostanatolischen Dorf Nurs11, in Bitlis geboren. Zu dieser Zeit lebten ca. 397.044 Einwohner in Bitlis. Nur 63,97% der Bevölkerung waren Muslime. 32,74% waren Armenier. 1,51% waren syrische Jakobiner. 0,655% waren Katholiken. Der Anteil der Yeziten betrug 0,97%. Der römisch katholischen Kirche gehörten 0,05% der Bevölkerung an. Verschwindend gering war der Anteil der Bewohner, die zum Stamm der Kıpti (0,09%) gehörten (Cuinet, 1891, S.526; zitiert nach Mardin, 2003a, S.75). Henry Binder, der im Jahre 1887 vom französischen Bildungsministerium beauftragt wurde, das gesellschaftliche Leben in Bitlis zu untersuchen, schrieb, dass die verschiedenen Völker, trotz ihrer Unterschiede keine diskriminierenden Probleme miteinander hatten (Binder, 1887, S.152; zitiert nach Mardin, 2003a, S.76). Jedoch war das soziale Umfeld durch andere Probleme gekennzeichnet. Unruhe und Konflikte beherrschten den Alltag. Wie er später schreibt, spielte hier Nursi in seiner Jugend öfters die Rolle des Streitschlichters und war selbst beteiligt an Debatten mit Klanführern (Nursi, 1999). Unter diesen Umständen wuchs Said Nursi auf.
Mit acht Jahren begann Nursi seine Ausbildung nach Empfehlungen des örtlichen Imams. Die Ausbildung fand damals in den Medresen statt. Hier erlernte er u.a. Koran- und Hadithwissenschaften, Logik und Arabisch. Da er noch zu jung war und wie er später schreibt, „zu kindlich“ (2001a, S.35; vgl. Ergin, 2001, S.41; Yaşar, 1993b, S.120ff) behandelt wurde, wechselte er öfters die Medresen und zog somit mit jungem Alter von Ort zu Ort. Zudem war Nursi als Kind schon jemand, der nur ungern Anweisungen von anderen annahm. Er hasste Hierarchien. Diese Eigenschaften und der Neid seiner Altersgenossen gegenüber der Intelligenz von Nursi brachten ihn öfters in Streitigkeiten.
Die meisten seiner Lehrer gehörten zum Nakschibendi-Orden an, wie z.B. Seyyid Sibgatullah. So erkennt man in Nursis Schriften, dass er von bedeutenden Nakschibendiführern, wie z.B. Ahmed Sirhindi (auch als Imam Rabbani bekannt; 1691 – 1754)12 oder Ahmed Ziyaeddin Gümüşhaneli (Yavuz, 2004, S.137) beeinflusst wurde. Auch zitiert er oft Abdulkadir Geylani, den Gründer des Kadiri-Ordens. Obwohl der größte Teil seiner Verwandtschaft und der Bewohner in der Umgebung dem Nakschibendi-Orden angehören, fühlte sich Nursi, wie er später schreibt, vom Kadiri-Orden sehr angezogen. Doch das ständige Streben nach noch mehr Wissen, hätte ihn zeitlich davon abgehalten, sich einem Orden anzuschließen (2000e, S.128). Seine Wanderung hatte nach 5 Jahren ein vorläufiges Ende, als er auf Scheich13 Mehmet Celali traf. Bei ihm erhielt er eine strenge und harte Ausbildung und bestand das Examen in einer recht schnellen Zeit von drei Monaten. Anschließend nahm er an wissenschaftlichen Disputen mit Gelehrten seiner Heimatprovinz teil und erwies sich als überlegender Diskutant. Solche Diskussionen gehörten zum Alltag in Anatolien. Auch Nursi hatte gefallen an diesen “Begegnungen“ und nahm öfters an diesen teil. Später schreibt er, dass Angeberei und Protz in seinem Dorf sehr verbreitet waren und in diesen Disputen Hierarchien bestimmt wurden (2001a, S.49). Man kann davon ausgehen, dass diese Diskussionen eine Plattform waren, an dem man Status und Berühmtheit erlangen konnte.
Mit 14 Jahren hatte Said Nursi einen Traum, der ein wichtiger Wendepunkt in seinem Leben ist. Im Traum sah er, wie die Welt untergegangen war. In dieser Situation wollte er unbedingt de Propheten besuchen. Er dachte sich, dass der Prophet bestimmt die Sıratbrücke (eine Brücke im Jenseits) durchqueren würde, so entschied er, vor dieser Brücke auf ihn zu warten. Said bemerkte, dass alle Propheten nach und nach begannen, die Brücke zu überqueren. Er küsste jedem einzeln die Hand. Zum Schluss kam der Prophet Mohammed. Said warf sich dem Propheten vor die Knie und bat ihn: „Oh du Gottes Gesandter, ich will Wissen von Ihnen.“ Der Prophet antwortete: „Wenn du meiner Religionsgemeinschaft (Umma) keine Fragen stellst, so bekommst du das Wissen des Korans.“ Voller Freude stand Said auf (2001a, S.30). Dieser Traum ist Ausschlaggebend für den Wissensdurst Said Nursis.
Seine nächste Ausbildungsstätte war Bitlis, wo er wieder von Medrese zu Medrese wechselte und auf diese Weise viele Gelehrte kennenlernte. Einer der Gelehrten, die mit ihm diskutierten, war Molla Fethullah aus Siirt, der ihn in besonderer Weise prüfte. Als Nursi die Prüfung außerordentlich gut bestand, verlieh Molla Fethullah ihm 1892 den Titel “Bediüzzaman“14, was so viel bedeutet wie “Mann der Epoche“. Unter diesem Namen wurde er später berühmt.
1894 reiste er nach Mardin und beteiligte sich nun in dieser größeren Stadt an Diskussionen mit Gelehrten. Nachdem er auch hier seine Überlegenheit bewiesen hatte, und die älteren Gelehrten mit seinen “neuen“ Ideen nicht einverstanden waren, kam es zu kleineren Streitigkeiten. Daraufhin verbannte ihn der Gouverneur Nadir Bey nach Bitlis. Sein Aufenthalt in Bitlis dauerte zwei Jahre. 1896 reiste er nach Einladung des Gouverneurs nach Van, wo er in der Stadtbibliothek Werke der damals modernen Natur- und Ingenieurwissenschaften kennenlernte. Diese Kenntnisse sollten ihn noch ein Leben lang beschäftigen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er vor allem arabisch und seine kurdische Muttersprache verwandt. Im Haushalt des Gouverneurs sprach er Türkisch, so dass Nursi sich in der türkischen Sprache verbessern konnte. In Van verblieb er die nächsten 10 Jahre.
Als er im Jahre 1906 in der Zeitung las, dass der britische Premierminister William Ewart Gladstone über den Koran folgendes gesagt hatte: „Wir können die Muslime, solange sie diesen Koran haben, nicht beherrschen. Entweder müssen wir diesen vernichten oder sie von ihm abbringen", verlautete Nursi wiederum in den Zeitungen, „Ich werde der Welt verkünden und beweisen, dass der Koran eine unauslöschliche Sonne ist“ (Nursi, 2001a, S.44). Dies ist einer der Wendepunkt im Leben von Said Nursi. Aus diesen Worten und dieser Aufgabe wird später die Nurculuk Bewegung entstehen.
Idee einer Universität
Während seiner Zeit in Van entwarf Nursi die Idee einer Universität, die ihn sein Leben lang beschäftigen sollte. Er ging davon aus, dass der Rückzug aus den Wissenschaften zum Untergang des Bildungssystems im Osmanischen Reich geführt hatte. So hatte er die Idee einer Universität (namentlich: Medresetüz Zehra; eine Analogie zur „Al Azhar“-Universität in Kairo) in Van, in der religiöses und naturwissenschaftliches parallel gelehrt werden sollten. Hiermit wollte er zeigen, dass Wissenschaft und Religion, Freiheit und Glauben und Moderne und Tradition miteinander vereinbar sind (Yavuz, 2004, S.122). Später schreibt er hierzu (Nursi, 1999, S.80): „Die Wissenschaft von der Religion ist das Licht (Ziya) des Gewissens. Die Naturwissenschaft spiegelt das Licht (Nur) der Vernunft wider. Die Wahrheit wird offenbar durch die Vereinigung der Beiden. Wenn sie getrennt sind, kommt es zu Fanatismus in der Religion. Und es entstehen Argwohn und Zweifel in der Wissenschaft.”15 Somit wollte er die weltliche Bildung vor dem Unglauben und die religiöse Bildung vor dem Fanatismus bewahren (Yavuz, 2004, S.124). Wichtig ist an dieser Stelle, dass Nursi die Ausbildung in den Medresen unzureichend fand. Er sah die Befreiung aus der Unwissenheit und die Lösung für den gesellschaftlichen Abstieg darin, Religion mit der modernen Wissenschaft, die er in der Bibliothek in Van kennengelernt hatte, zu verknüpfen: „Meine muslimischen Zeitgenossen sind Andenken aus dem Mittelalter. Sie haben versäumt, mit dem Fortschritt im modernen Denken der Menschen Schritt zu halten“ (Nursi, 1998, S.24). Dies ist auch der Grund für seine ständigen Auseinandersetzungen mit verschiedenen Gelehrten, deren Erziehungsmethoden er anzweifelte. Nursi war der Meinung, dass diese Methoden von Grund aus erneuert werden müssten. Das dreiteilige Bildungssystem (Medrese, Tekke, Volksschule) wäre die Quelle der Unwissenschaftlichkeit im Osmanischen Reich (Şahiner, 1979, S.93). Die einzige Möglichkeit, für den Aufstieg des Osmanischen Reiches wäre es, wenn wieder in den Volksschulen Religion, in den Medresen moderne Wissenschaft gelehrt wird und Lehrer und Akademiker in den Tekkes lehren (Mardin, 2003a, S.133). Damit verknüpfte er die Bildungsproblematik mit dem Islam. Nursi war also gegen die Trennung dieser drei von Grund aus verschiedenen Bildungseinrichtungen und strebte eine Universität an, die diese drei vereinigen sollte. In dieser Universität sollte zeitgenössisches Wissen vermittelt werden.
Mit dieser Idee reiste er 1907 nach Istanbul, der Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Das soziale Leben und die Psychologie der Menschen in Istanbul beschrieb der ungarische Orientalist und Turkologe Arminius Vámbéry, der sich auch mit Sultan Abdulhamid II. traf, als Faul, Unsensibel und Unentschieden (1898, S.10-11; h.z.n. Mardin, 2003, S.211). Auch Nursi empfand so. Unwissenheit, Armut und Uneinigkeit sah er als die größten Feinde des Osmanischen Reiches und schlug gegen sie Wissenschaft und Technologie, Arbeit und Solidarität und Einheit der Nation vor (1978, S.14). Der Gouverneur Tahir Paşa unterstützte ihn bei seinem Vorhaben, eine Universität zu gründen, und schrieb ein Empfehlungsschreiben an Sultan Abdülhamid II. In Istanbul stellte Nursi seine Idee einzelnen Regierungsmitgliedern vor.
Während er auf die Entscheidung der Regierung wartete, beteiligte er sich auch in Istanbul wie gewohnt an religiösen und wissenschaftlichen Diskussionen. So unternahm er etwas, was ihn in kürzester Zeit in ganz Istanbul berühmt machte. An seine Haustür klebte er ein Zettel mit der Aufschrift „Hier werden alle Fragen beantwortet, aber von mir werden keine Fragen gestellt!“16 Diese freche und selbstbewusste Geste machte ihn allerdings sehr schnell bekannt. Viele Intellektuelle besuchten Nursi, um ihm auf die Probe zu stellen. Vielmehr wollten sie ihn bloß stellen. Durch seine Intelligenz schaffte es aber Nursi immer wieder, sich durchzusetzen und zu beweisen. So besuchte ihn eines Tages Scheich Bahit, ein Wissenschaftler der „Al Azhar“-Universität in Kairo. Dieser fragte ihn, was er über Europa und das Osmanische Reich denke. Nursi antwortete ihm: „Europa ist schwanger und wird einen islamischen Staat gebären. Das Osmanisch Reich ist auch schwanger und wird eines Tages einen europäischen Staat gebären“. Auf diese tiefsinnige Antwort sagte der Scheich: „Mit diesem Herr kann man nicht diskutieren. Auch in bin seiner Meinung. Doch so schön, kurz und knapp kann es nur ein Bediüzzaman formulieren“ (2001a, S.45ff).
Die Berühmtheit Said Nursis erreichte auch den Sultan, so dass er persönlich von Sultan Abdülhamid II. eingeladen wurde, um sein Projekt vorzustellen. Doch zur Enttäuschung Nursis wurde sein Projekt nicht ernst genommen. Stattdessen hielt man ihn für verrückt, da er, ungewöhnlich für diese Zeit, den Sultan für seine passive Regierungsform scharf kritisierte. Im Islam gäbe es, laut Nursi, keine Unterdrückung. Durch Ausspionieren und anonyme Anzeigen sowie unter Ausschluss der Öffentlichkeit dürfe niemand abgeurteilt werden. Das Amt des Kalifen bestehe nicht aus Freitagsgebetszeremonien, sondern es verpflichte zum materiellen und geistigen Engagieren für die Belange der Muslime auf der ganzen Welt. Würde sich der Kalif an den Propheten halten, würde man ihn akzeptieren. Eine Person aber, die ungerecht, gewalttätig, grausam und unterdrückend ist, ist ein Bandit, auch wenn er ein Kalif ist (1978, S.14; 2001a, S.57).
Daraufhin wurde Said Nursi in eine Irrenanstalt eingewiesen. Die Regierung erhoffte sich so, den „frei Redenden“ und „nicht Scheuenden“ Nursi zum Schweigen zu bringen, da er durch seine Reden in Istanbul „der Regierung schade“. Hier wurde er schnell entlassen, denn der Arzt attestierte: „Wenn es an Bediüzzaman die winzigste Spur von Verwirrtheit geben sollte, dann dürfte in der ganzen Welt kein einziger geistig gesunder Mensch existieren“ (Yaşar, 1993, S.293). Als Entschädigung bot ihm der Sultan ein sehr hohes Gehalt an und versprach ihm, die Universitätsidee noch einmal zu besprechen. Doch Nursi lehnte ab, da er dies als Bestechungsgeld ansah.

Sein Wissenschaftsverständnis

Die Universität wurde nie gebaut, allerdings entstand die Nurculuk Bewegung, die diese Universität repräsentiert. Die Nurculuk Bewegung ist sozusagen die Umsetzung des Traumes von Nursi, eine Universität zu gründen, in der moderne Wissenschaft und Religion zusammengelehrt werden.
Ein entscheidendes Gespräch, welches dieses Gedankengut zeigt und das sein Verständnis für Religionspädagogik kennzeichnet, führte Nursi 1936, als er nach Kastamonu verbannt wurde: „In Kastamonu kam eine Schar von Gymnasiasten zu mir, und sie sagten: ´Erzähle uns von unserem Schöpfer, unsere Lehrer sprechen nicht über Gott.´ Da sagte ich zu ihnen: ´Alle Wissenschaften, die ihr studiert, sprechen beständig von Gott und machen den Schöpfer bekannt, jede Wissenschaft mit der ihr eigenen besonderen Zunge. Hört nicht auf eure Lehrer, hört auf die Wissenschaften´“ (Nursi, 2002b, S.96; Nursi, 2000a, S.23). Said Nursis Annahme, dass jede Wissenschaft die Existenz Gottes zeigt und dass u.a. die Naturgesetze das System Gottes (Sünnetullah) sind, lieferte eine moderne Interpretation des Korans, die dem Wissenschaftszeitalter entsprach. Der Alltagsmuslim konnte also Physiker und gleichzeitig auch Imam (Prediger) werden. Dies ist eine der Gründe, warum sich viele Wissenschaftler der Bewegung anschlossen. Sie, die Bewegung, bot eine Alternative zur damaligen Republik, der indirekt forderte, „Entweder Physiker oder Imam“. Die präsenten islamischen Gruppen forderten das gleiche. Mit Hilfe von Nursi konnte dies nun aufgebrochen werden. Der israelische Religionswissenschaftler Yehezkel Landau beschreibt diesen Zustand in einem Interview folgendermaßen: „Ein Wissenschaftler sagt, ´Ich brauche die Religion nicht´. Einige Geistliche sagen ´Alles, was ich wissen muss, steht in meinem heiligen Buch´. Nursi sagt, ´...

Inhaltsverzeichnis

  1. Hinweise
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Vorwort - Muslime in Deutschland
  4. Der deutsche Islam
  5. Islamische Organisationen in Deutschland
  6. Islamischer Religionsunterricht
  7. Religionspädagogik bei Said Nursi
  8. Ist eine Reformation im Islam nötig?
  9. Extremismus. Verstehen und Handeln
  10. Gründe für steigenden Extremismus
  11. Sind die Imame an der Gewalttätigkeit der Jugendlichen verantwortlich?
  12. Krieg, Gewalt und Terrorismus im Islam
  13. Ehrenmord und Zwangsheirat
  14. Religion oder Kultur?
  15. Dialog der Kulturen. Friendship of the Civilizations
  16. Du sollst deinen Nächsten Lieben - Nächstenliebe im Islam
  17. Das Osmanische Reich und die Juden
  18. Innermuslimischer Dialog in Deutschland
  19. Jesus im Islam
  20. Trinitätslehre im Verständnis des Islams
  21. Muhammad. Sein Leben, Seine Botschaft, Sein
  22. Sport im Leben des Propheten Muhammad
  23. Bilder im Islam
  24. Wie real ist die Realität?
  25. Die spirituelle Anatomie des Menschen
  26. Spiritualität des Islams kommt zu kurz
  27. Warum lässt Gott Ungerechtigkeit zu?
  28. Die Definition der Definitionslosigkeit. Die Übersetzung islamischer Begriffe
  29. Polygamie und die Ehen des Propheten Muhammed
  30. Die Frau (und der Mann) im Islam. Differente Bedeutung der Körperlichkeit im Islam und im Christentum
  31. Halal-Ernährungsfragen der Muslime in der Diaspora
  32. Moscheekontrollen und Imame aus dem Ausland
  33. Moschee-Steuer – Juristisch, Politisch und Theologisch
  34. Scharia vs. Grundgesetz? Ein Lebensweg und kein Grundgesetz
  35. Der Islam und die AFD - Welches gehört zu Deutschland?
  36. Der Ramadan ist ein Teil Deutschlands
  37. Literatur
  38. Weitere Informationen
  39. Zum Autor
  40. Impressum