Zwei Spektakel im Morgengrauen
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Zwei Spektakel im Morgengrauen

Der Ersteinsatz der Guillotine in Niederbayern und der Oberpfalz

  1. 48 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Zwei Spektakel im Morgengrauen

Der Ersteinsatz der Guillotine in Niederbayern und der Oberpfalz

Über dieses Buch

In diesem Band der True Crime-Trilogie über spektakuläre Kriminalfälle im Königreich Bayern geht es um einen ehebrecherischen Müller, der seine Frau durch zwei Komplizen ermorden ließ und einen räuberischen Sattler, der die Frau seines Meisters umbrachte. Die Todesurteile für die vier Delinquenten wurden 1854 vom Münchner Scharfrichter in Amberg und Passau vollstreckt. Da es sich sowohl in der Oberpfalz wie auch in Niederbayern um die erste mit einer Guillotine durchgeführte Hinrichtung handelte und es hier wie dort seit Jahrzehnten keine öffentliche Exekution mehr gegeben hatte, strömten jeweils riesige Mengen Schaulustiger aus nah und fern herbei. Die vorliegende Dokumentation sucht anhand zeitgenössischer Quellen die beiden Verbrechen zu rekonstruieren und mittels erläuternder Hintergrundinformationen auch die damaligen Zeitumstände zu veranschaulichen.

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Information

IV. Das Schwurgerichtsverfahren
Schwurgerichte gab es in Bayern erst seit 1848 / 49. Das Verfahren im Mordfall der Müllersfrau von Kollermühle enthüllte laut Presse »eine so furchtbare That, daß man den Sittenzustand einer Provinz beklagen muß, in welcher ein solches Verbrechen möglich ist.«37
Der Prozess fand am 12. und 13. Juni 1854 in Amberg in öffentlicher Sitzung vor dem »Schwurgericht der Oberpfalz und von Regensburg« statt. Den Vorsitz als Präsident führte der Appellations-Gerichtsrat Dr. Steppes, die Anklage vertrat der Oberstaatsanwalt Schauer. Der Rechtspraktikant Luber verteidigte Lobenhofer, der Advokat Ritter v. Vincenti den Michael Lutz und der Kreis- und Stadtgerichtsaccessist Tretter dessen Sohn Georg.
Als Geschworene fungierten die Herren Dibell, Kleber, Edenharter, Koblmaier, Schmaderer, Ehrensberger, Dr. Blöst, Dr. Weber, Daffner, Stadelmayer, Weiß und Zeus.38
Der Angeklagte Lobenhofer wiederholte nun sein Geständnis. Die Aussage, er sei am Tag des Verbrechens von früh bis spät in Kemnath gewesen und habe dort auf dem Markt u. a. Winterhandschuhe für seine Töchter gekauft, wurde von mehreren Zeugen, darunter einem Rotgerber und einem Melber, bestätigt.39
Dann ist man noch einmal explizit darauf eingegangen, wie es dem Müller gelingen konnte, seine Frau zum Botengang nach Freihung zu bewegen. Wie sich herausstellte, hatte er »auf wahrhaft teuflische Weise«40 vorgegeben, am fraglichen Sonntag nach Freihung gehen zu müssen, um dort den Schmied für das Beschlagen eines Wagenrads zu bezahlen und »seiner Beihälterin einen Alimentenbeitrag von 12 fl. zu überbringen, wohl wissend, daß seine Ehefrau dieß nicht zugeben werde, weil […] sie fürchten musste, Lobenhofer werde sich noch tiefer in sein Liebesverhältniß verstricken. Die Unglückliche gieng [sic] auch in die Falle; sie selbst erbot sich das Geld nach Freiung [sic] tragen zu wollen.«41
Dass sie selber darauf bestanden hatte, bezeugte vor Gericht auch ein Lehrbub des Müllers. Eine im Herbergshaus der Kollermühle wohnende »Zimmergesellensehefrau« hatte die Müllerin sogar noch vom Gang nach Freihung abhalten wollen. Sie bat Margaretha Lobenhofer, doch zu Hause zu bleiben, »indem sie wegen Krankheit ihrer Pflege bedürfe.«42 Doch die Müllerin schlug ihr die Bitte ab: »Was nützt es mich [sic], wenn ich den Mann hinschicke, dann geht er wieder nach Mantel zu seinem Weibsbilde und in Mantel ist morgen Kirchweihe.«43
Der alte Lutz wiederholte zwar ebenfalls seine früher gemachten Aussagen, meinte aber, »eine thätliche Beihilfe habe er nicht geleistet, sondern nur die erdrosselte Müllerin weiter in das Gebüsch hineintragen helfen, denn es habe kein Vaterunserlang gedauert, bis sein Sohn mit der Müllerin fertig gewesen.«44
Dieser aber wollte auch im Prozess von einer Mordbeteiligung nichts wissen. »Wenn die Müllerin umgebracht worden sei«, so Georg Lutz, »möchte dieß von seinem Vater geschehen sein.«45 Der sei ein »verstohlener« Taugenichts und trage auch Schuld an dem Tod seiner ersten Frau, »welche im schwangern Zustande vom Boden herabgestürzt sei.«46
Und den Lobenhofer wollte Georg Lutz überhaupt nicht kennen. Ein Mann, der wohl der Müller gewesen sei, habe ihm zwar mit den Worten »Mein Weib muß weg, und ich nehme alles auf mein Gewissen« ein solches »Anerbieten« gemacht; das aber habe er abgelehnt »und den Müller an einen Geistlichen verwiesen, dem er sein Vorhaben beichten solle, worauf er gewiß andern Sinnes werden würde.«47
Der Darstellung des Hirtensohnes widersprachen allerdings Zeugen, die die beiden »auf nicht gangbarem Wege«, also bei einem heimlichen Treffen in schwer zugänglichem Gelände, gesehen hatten. Außerdem war bemerkt worden, dass sich Georg Lutz Ende Oktober 1853 gegen Barzahlung eine Menge neuer Kleidungsstücke angeschafft hatte. Hinzu kam noch ein entscheidender Indizienbeweis: »Die zu Gerichtshanden gebrachten Bundschuhe, welche Gg. Lutz gewöhnlich getragen hat«, stimmten haargenau mit den Schuheindrücken am Tatort überein, und zwar »sowohl der Länge und Breite nach, als bezüglich der Zahl der in Runde und in der Mitte befindlichen Nagelplatten.«48
Als der Oberstaatsanwalt schließlich beantragte, alle drei Angeklagten schuldig zu sprechen, erklärten die Verteidiger von Lobenhofer und Michael Lutz, dagegen »nichts erinnern zu können.«49 Und der Verteidiger des Flurers Georg Lutz »überließ es dem Ermessen der Geschwornen, ob sie seinen Clienten für schuldig erachten könnten.«50
Und das konnten dann die 12 Geschworenen, deren Wahrspruch51 ihr Obmann Dr. Weber aus Regensburg verkündete. Somit war »Johann Lobenhofer des doppelt qualifizirten Mordes (weil durch Täuschung und an der Ehegattin verübt) als intellectueller Urheber, Georg Lutz des qualifizirten Mordes als physischer Urheber und Mich. Lutz des qualifizirten Mordes als Miturheber im Komplotte für schuldig erklärt.«52 Das Schwurgericht verurteilte daraufhin am 13. Juni 1854 alle drei Angeklagten zum Tode.

37 Bamberger Zeitung, Nr. 186, 5. Juli 1854, n. pag.
38 Siehe Bayerisches Volksblatt, Nr. 140, 15. Juni 1854, S. 565. Ein »Accessist« von damals wäre mit einem heutigen Rechtsreferendar zu vergleichen.
39 Der Beruf eines Rot- bzw. Lohgerbers wurde 1793 von Ignatz Bautsch in Ausführliche Beschreibung der Lohgaerberey (Dresden, S. 1) folgendermaßen erklärt: »Derjenige also, der sich damit beschäftiget, die Häute der Thiere […] so zu bereiten und zu bearbeiten, daß sie der menschlichen Gesellschaft nützlich und brauchbar werden, heißt ein Lohgärber.« Der Ausdruck kommt von »Lohe«, fein gemahlener, saftartiger Baumrinde. Meist war es Eichenlohe, mit der die Lohgerber Rinderhäute beizten und so kräftige Leder, z. B. für Schuhsohlen, gewannen. Da das Leder dadurch eine rötlich-braune Farbe bekam, hießen sie auch Rotgerber. Die »Weißgerber« hingegen bleichten die Häute von Kälbern, Schafen oder Ziegen mit Mineralien wie Alaun und erhielten so helle, weißgegerbte Leder. Aus diesen weichen, feinen Ledern wurden z. B. Handschuhe oder Beutel gemacht. »Melber« wiederum war einst die Berufsbezeichnung für einen Mehlhändler.
40 Aschaffenburger Zeitung (wie Anm. 29).
41 Allgemeine Zeitung (Augsburg; wie Anm. 33). »Beihälterin« war seinerzeit gleichbedeutend mit »Geliebte«, die umgangssprachlich meist »Gspusi« hieß. Das geht bekanntlich über ital. sposa (=Braut) auf lat. sponsa zurück. Das männliche Pendant zu »Gspusi« ist übrigens »Gespons«. Vgl. hierzu auch die Anm. 30.
42 Regensburger Zeitung, Nr. 163, 15. Juni 1854, S. 650.
43 Bayerisches Volksblatt, Beilage (wie Anm. 8). Offenbar hatte der Müller nicht nur in Freihung, sondern auch in Mantel eine Liebschaft. Mantel, heute ein Markt im Lkr. Neustadt a. d. Waldnaab, ist 12 km von Freihung enfernt.
44 Ebd.
45 Regensburger Zeitung (wie Anm. 32).
46 Ebd. Es handelte sich um Georg Lutz’ Mutter Catharina. (s. Anm. 29) Bei deren Tod im Jahre 1809 war er erst acht Jahre alt gewesen. »Verstohlen« hat hier noch die weitere Bedeutung von »diebisch«. Michael Lutz war ja auch mehrfach wegen s...

Inhaltsverzeichnis

  1. Zum Inhalt
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. I. Die Tote am Waldesrand
  4. II. Der geständige Müllermeister
  5. III. Vater und Sohn als Täter
  6. IV. Das Schwurgerichtsverfahren
  7. V. Die königliche Vollzugsverordnung
  8. VI. Die dreifache Exekution
  9. VII. Von Amberg nach Passau
  10. VIII. Der rechtschaffene Zimmermeister
  11. IX. Sohn Michl wird Sattler
  12. X. Raubabsichten eines Soldaten
  13. XI. Der Mord an Magdalena Schwaiger
  14. XII. Trauer und Festnahme
  15. XIII. Todesurteil und Reuebekenntnis
  16. XIV. Fahrt zur Richtstätte
  17. XV. Die öffentliche Enthauptung
  18. XVI. Ein weiterer Todesfall
  19. XVII. Überfall auf den Zimmermann
  20. XVIII. Ein neuer Wirt in Ottmaring
  21. XIX. Das Ende öffentlicher Hinrichtungen
  22. XX. Gedenken an das Mordopfer in Moos
  23. Bildnachweis
  24. Sprichwörtliches von Helmut A. Seidl
  25. Über den Autor
  26. Weitere Informationen
  27. Impressum