Sechster Tag
1. Mai Viana-Navarra nach Ventosa la Rioja
Trotz Glück und Unglück, trotz vieler Zufälle und Zwischenfälle, das Leben ist letztlich doch das, was man daraus macht.
Der Tag begann um sechs Uhr mit einem kleinen Frühstück für drei Euro fünfzig. Der Frühstücksraum war schnell mit den lauten Amerikanern und Kanadiern gefüllt. Deshalb beeilte ich mich um auf den Weg zu kommen. Ein älterer Herr mit komplett grauen Haaren setzte sich mir gegenüber und begann in breitem Amerikanisch ein Gespräch mit mir. Nach dem gewöhnlichen wer bist du, woher kommst du, erzählte er mir dass er in einer großen Gruppe unterwegs wäre die täglich nicht mehr als zwanzig Kilometer machte da viele ältere Damen und Herren dabei waren. Abschließend bat mich Patrick, so sein Name, noch nach einer Mitreisenden Ausschau zu halten, die wohl sehr flott unterwegs war, kurze Haare hatte und auf den Namen Lisa hörte.
Ich machte mich auf den Weg und wunderte mich ein wenig ob der Bitte hier nach jemand zu schauen der auf einer Wegstecke von dreißig oder vierzig Kilometer verteilt in jeder xbeliebigen Herberge übernachten konnte. Da gab es meiner Ansicht nach keine reelle Chance. Heute gab es keinen Regen, somit war der Wanderspaß fast schon gesichert. Einziger Höhepunkt war Logrono als Kontrastprogramm, aber wie bereits erwähnt - Städte in Spanien waren nicht so mein Ding. Aber Logrono hatte eine Besonderheit.
Am Wegesrand sollte hier das Haus von Donna Felicia stehen. Hier erhielt jeder Pilger seit Jahrzehnten von Donna Felicia einen Stempel. Vor einigen Jahren war diese Dame gestorben und jetzt setzte ihre Tochter diese Tradition fort. Ich hielt Ausschau nach dem Haus von Donna Felicia, welches sich dann aber eher als Hütte darstellte. Die Tochter war im klassischen Sinn auch optisch keine Tochter mehr sondern schon über sechzig, klein und dazu auch etwas rund. Umso freundlicher wurde ich hier aufgenommen und mit Kaffee und Obst bewirtet. Ich kaufte ihr zuliebe auch noch einen Anhänger und war froh vor der Stadtgrenze von Logrono diese Sehenswürdigkeit gefunden zu haben.
Zweihundert Meter vor der Herberge in Ventosa bekam ich einen heftigen Krampf in den rechten Oberschenkel, deshalb betrat ich die selbige humpelnd und mit Schmerzen. Im Eingangsbereich war eine kleine Bank auf der schon eine Mädchen von vielleicht siebzehn Jahren saß. Sie stellte sich sofort mit: “Ich bin Ramona aus Aschaffenburg” vor und meinte, dass auch sie Riesenprobleme mit den Füßen und mit unzähligen Blasen hätte. Ich entgegnete ihr dass es bei mir eher ein kleiner Krampf wäre, jedoch mit Blasen nichts zu tun hatte. Die Herbergsmutter schaute ebenfalls besorgt nach Ramona und meinte dass sie unbedingt zu viel Gepäck dabei hätte und nach ihren Berichten viel zu große Etappen machen würde. Zwei Tage Pause wären bei Ihr sehr hilfreich. Nach dem abstempeln des Pilgerausweises gingen wir gemeinsam einen Stock höher in ein zwölf Personen Zimmer. Sie suchte sich neben mir ihr Bett aus, setzte sich und meinte etwas nachdenklich, dass Pausieren auf keinen Fall für sie in Frage kommt.
Nach dem Duschen klagte sie mir ihr persönliches Leid - die Eltern waren geschieden und sie selber musste mit dem Kindergeld auskommen. Pausieren auf dem Camino bedeutete für sie Verteuerung durch zusätzliche Übernachtungen, die sie sich nicht leisten konnte. Sie erwägte deshalb einen Abbruch der Aktion um lieber nach Taize in Frankreich zu reisen um dort in der Gemeinschaft einige Tage zu verbringen. So einen richtigen Rat konnte ich ihr nicht geben, weil für mich natürlich der Jakobsweg das einzige Ziel war. Vermutlich war schon das lange Gespräch und einen Zuhörer zu haben für Sie wichtiger als sofort eine Entscheidung herbeizuführen. Sie wollte sich das überlegen und ich bemühte mich anschließend auf einem kleinen Innenhof der Albergue um mein Tagebuch zu schreiben und Wäsche zu waschen.
Hier hatte sich bereits ein munteres Völkchen eingefunden und schnell kam ich ins Gespräch mit einem Engländer der mich zu einem Glas Wein einlud. Damian - sein Name, war mit seinem fünf-jährigen Sohn unterwegs, den er zeitweise trug und so bis zu fünfunddreißig Kilo schleppte. Am gleichen Tisch war ein ältlicher Japaner, Hani Sun, aus Tokio dem es eine Freude war sämtliche Vornamen in japanische Schriftzeichen umzuwandeln. Anna eine hagere Mitt-Sechzigerin aus Polen, genauer gesagt aus Danzig und noch einige Norweger, Peter und Mary aus Schweden, Claire und Doren aus Australien, ein Italiener und Ramona und ich als Vertreter Deutschlands waren auf dem Innenhof versammelt. Eben ein typisches Pilgertreffen wie man es sich traditionell vorstellt, bei dem Rang, Name und Nationalität keine Rolle spielte.
An diesem Abend war ich auch zum ersten Mal leicht beschwipst weil Damian nicht aufhören wollte Wein zu spendieren und meine Versuche ebenfalls etwas auszugeben von ihm im Keim erstickt wurden. Als urplötzlich ein „blondes etwas“ mit kurzen Haaren an uns vorbeischoss und die Treppe hinab rannte, kam mir die Story von heute Morgen wieder in den Sinn. Patrick sucht Lisa, - Lisa hat kurze Haare - ohne lange zu überlegen rief ich der Dame in Englisch nach “Hallo, bist du Lisa”? Sie drehte sich sofort um kam die Treppe wieder herauf und fragte verwundert “Warum”? - “Klar bin ich Lisa”. ”Ja dann soll ich einen Gruß von Patrick ausrichten, der kommt nach”. Lisa vergewisserte sich bei mir, dass Patrick ein älterer grauhaariger Mann war, der eine Reisegruppe führte, was ich bejahte und schon hatten wir den perfekten Zu-und Glücksfall auf dem Camino, der eine abendfüllende Konversation auslöste.
Anna aus Polen erzählte mir im herrlich deutschpolnischen Dialekt Ihre Fluchtgeschichte vom zweiten Weltkrieg - also war sie älter als nur ca. fünfundsechzig. Mit zwei Rucksäcken bewaffnet - einen vorne und einen auf Normalposition, wanderte die fünfundvierzig Kilo Frau durch Spanien - bemerkenswert.
Die Norweger, ein Ehepaar mittleren Alters erzählten mir, dass ihr Großvater, Robert Stahl, aus Deutschland - aus dem Ruhrgebiet stammte und furchtbar streng aber gerecht war. Ich wusste auch nicht, dass vor dem letzten Krieg in den nordischen Staaten Deutsch immer die zweite Fremdsprache vor Englisch war - für mich war diese Erkenntnis total neu. Im Innenhof hatte sich längste ein großer Stuhlkreis gebildet. Kekse und Salzgebäck machten die Runde und es fanden interessante Konversationen statt. Der Abend war überdurchschnittlich lau und lud zum Sitzenbleiben ein. Manche machten sich in der kleinen Küche zu schaffen und so wurde erst um zehn Uhr die verordnete Nachtruhe eingehalten. Ich selber hatte bis dahin vollkommen vergessen mich um Essen zu kümmern ob der grandiosen Unterhaltung und so begnügte ich mich mit einem alten Stück Baguette, welches noch in meinem Rucksack vom Vortag verblieben war. Das war bis dahin einer meiner schönsten Abende auf dem Weg - es sollten noch weitere folgen.
Siebter Tag
2. Mai Ventosa la Rioja nach Santo Domingo
Jeden Morgen eine Sonne, die dich weckt mit Zuversicht und mit gutem Appetit auf das Frühstück und das Leben. Jeden Tag einen Weg, der dich nicht immer nur geradewegs zum Ziel führt, sondern ab und zu ein paar wunderschöne Umwege macht. Jede Nacht ein paar gute Sterne über dir, die dich beschützen und deinen Schlaf bewachen.
Jochen Mariss
Eigentlich schade dachte ich an diesem Morgen, dass die Bekanntschaften auf dem Weg schneller enden als das sie entstehen, aber es half ja nichts, das Tagespensum musste erledigt werden und nach einer größeren Verabschiedung als sonst ging erst mal jeder wieder den gleichen Weg mit unterschiedlichem Tempo und Beweggründen.
Nach so einem erlebnisreichen Abend beschäftigte ich mich schon sehr intensiv mit den einzelnen Personen und besonders mit den witzigen Zufällen die hier einfach so am Wegrand entstanden. Vielleicht war das schon das Haupterlebnis der gesamten Tour, was ich natürlich nicht hoffte. Zunächst mal waren in der Früh wieder die alten Bekannten da - Regen und meine Schmerzen in Füßen, Waden und Oberschenkel. Gott sei Dank war das Thema Rucksack bzw. Schulterschmerzen hervorgerufen durch die Schultergurte kein Thema mehr.
Ein freundlicher Franzose hatte mir bei einer Rast die Einstellmöglichkeiten meiner Hightech-Maschine bis ins Detail gezeigt und von einem auf den anderen Tag war Rucksacktragen kein Thema mehr. Endlich empfand ich den Rucksack auch nie mehr als zu schwer, eher wäre mir manchmal mehr Platz oder größere Fächer lieber gewesen. Leidenschaftlich hasste ich es in der Früh den Schlafsack zusammenzurollen und im dazugehörigen Beutel zu verstauen. Keine Ahnung warum, das war halt so.
Ebenso nervig war das fünfzigmalige nachkontrollieren ob den der Bauchgürtel mit Geld und Papieren noch vorhanden war. Natürlich war er immer da, weil ich ihn auch nachts beim Schlafen immer trug. Die Strecke vor Santo Domingo, meinem heutigen Etappenziel war eigentlich nicht schwer zu gehen, aber zweiunddreißig Kilometer waren dann doch was. Immer wieder setzte Regen ein den ich mit meinem defekten Poncho und zwei Wäscheklammern versuchte abzuhalten. Trinken war wie immer schwierig, da der Poncho nur sehr kompliziert alleine anzulegen war. Meist verhedderte er sich beim Versuch ihn über den Rucksack zu ziehen.
Mein Wunsch nach einem neuen Wanderstab wurde an diesem Tag ebenfalls erfüllt. Am Wegrand kurz nach einer kleinen Ortschaft lag ein langer Prügel direkt neben dem Weg. Um die optimale Wanderstablänge zu generieren brach ich ihn einfach auf Bedarfslänge ab. Und - was soll ich sagen - ja mit Wanderstab fühlte man sich ein Stück mehr als Pilger. Außerdem waren die Arme in Bewegung und schwollen nicht mehr so schnell an, was passieren konnte wenn sie stundenlang unbelastet herunterhingen. Die absolute Härte waren drei Kilometer Weg kurz vor Santo Domingo. Der selbige führte entlang eines Kanales und war eigentlich ein roter Lehm-Trampelpfad. Da es aber stark regnete war der ganze Weg aufgeweicht und das Laufen darauf war nur mit größter Mühe und nur Schritt für Schritt möglich. Ausweichen war unmöglich, da rechts der Kanal verlief und links war Ackerboden, der selbst total durchnässt war. An dieser Stelle kam mir der Vergleich des Camino mit einem Pferde-Parkur in den Sinn - hier war für Pilger der Wassergraben, bitte überqueren.
Eine Gruppe Radfahrer schoben ihre Drahtesel durch den roten Schlamm und mussten anschließend die Fahrräder komplett zur Reinigung zerlegen. In diesem Morast überholte ich einen kleinen älteren Spanier, der ein Headset trug. Als er meine Kleidung sah (Jack Wolfskin) identifizierte er mich als Deutschen. Den auch das hatte ich auf dem Camino gelernt – alle Deutschen bevorzugen diese Markenkleidung. Wild fuchtelnd wollte er mir erst etwas erklären und reichte mir nach sinnlosen Versuchen seine Ohrhörer, auf denen ein Fußballspiel lief. Jetzt verstand ich auch, er wollte mir das Ergebnis des Champion League Spiels mit Bayern München mitteilen. Er war der Ansicht, dass mich das als Deutscher durchaus interessieren könnte. In Santo Domingo führten mich die gelben Jakobswegweiser direkt zu einem Zisterzienserkloster welches sich in einer schmalen Gasse auf der linken Seite befand.
über einen großen Steinbogen betrat ich den Vorraum und legte meinen neuen Wanderstab bei bereits vorhandenen ab. Eine ältliche Nonne verpasste mir den Stempel und bedeutete mir, dass die Übernachtung, fünf Euro, als Spende gedacht war. Na ja Spenden sind ja eigentlich freiwillig und fünf Euro kein Problem, aber ihr Zeigefinger bewegte sich schon mit energischem Nachdruck Richtung Spendenbox.
Meiner Schuhe entledigte ich mich in einem eiskalten Vorraum. So begab ich mich auf dem enorm kalten Pflasterboden in Strümpfen einen Stock höher in die Schlafsäle, die zu einem guten Teil schon belegt waren. Die ganze Herberge war furchtbar kalt und wirkte nicht sehr einladend. Mit meinem Zettel, auf den die Nonne mir meine Bettnummer vermerkt hatte ging ich in verschiedenen Räumen auf Bettsuche. In einem winzigen Raum mit 24 Betten, wie immer die da auch Platz hatten, legte ich meinen Rucksack auf ein schmuddeliges Bett. Eine Holländerin zog sich gerade um und so musste ich warten bis ich an die Leiter meines Stockbettes gelangen konnte. Ich entschloss mich zum schnellen Duschen, packte mein Waschzeug und machte mich auf zu den Brausen. Anspruch war nie eine meiner Ambitionen, aber solch grausame Duschen hatte ich noch nie gesehen. Es waren eher Holzboxen mit Wasseranschluss, ohne Ablagemöglichkeiten oder Haken für die Kleidung oder Handtücher.
Nun gut ich wollte ja auch nur Duschen und mich hier nicht wohlfühlen - wollte ich? Nach fünf Minuten floss immer noch eiskaltes Wasser aus dem Brausekopf und nachdem ich den ganzen Tag gefroren hatte war ich nicht bereit mir hier die Schwindsucht zu holen.
Durch die Anstrengung der letzten Tage hatte ich enorm an Körperfülle verloren, sodass mein Gürtel seinen Zweck nicht mehr so recht erfüllen wollte. Diese Tatsache zehrte schon an meiner Physis, aber heute nicht zu duschen war zwar grausam aber die einzige logische Konsequenz. Schnell zog ich mich wieder an und trotte in mein Zimmer. Dort ging eine rege Unterhaltung mit einer Französin und der Holländerin von statten. Beide waren nicht sonderlich freundlich und schenkten mir lediglich ein kurzes und knappes "Ola". Zugegeben ich war eh schon ein wenig frustriert bezüglicher meiner Dusche. Der Unterhaltung der beiden Damen wollte ich auch nicht beiwohnen also stapfte ich immer noch in Strümpfen (ich hatte keine Flipflops dabei), in den Aufenthaltsraum. Auch hier war es unangenehm kalt - Das ganze Kloster fühlte sich wie ein riesengroßer Kühlschrank an. In einer Ecke war ein offener Kamin installiert, an dem sich einige Pilger mühten ein Feuer zu entfachen. An den Tischen entstand schnell ein Gespräch mit anderen Anwesenden, die ihre Lage hier genauso fatal einschätzten wie ich. Schnell kam die Idee auf das beste aus der Situation zu machen und gemeinsam zu kochen.
Es war erst vier Uhr, die Läden hatten bis fünf wegen der Siesta geschlossen, also vertrieben wir uns die Zeit und setzten uns um den offenen Kamin, der nur spärlich Wärme abgab. Das Feuer wollte nicht wirklich zum Leben kommen. Zu der Runde gehörte eine Sozialarbeiterin aus Berlin, Ein Ehepaar aus Kassel, die Französin und die Holländerin aus meinem Zimmer, ein Pärchen aus Feuchtwangen und ich. Ein lockeres Gespräch über dies und das, über den vergangenen Weg, wer wie weit am Tag läuft und so weiter ging von statten.
Dann auf einmal ergriff der Herr aus Kassel das Wort und schlug vor, dass jeder über seine Ziele und Beweggründe, die die Veranlassung des Jakobweges waren, zu sprechen. “Ich fang gleich mal mit uns an“, begann er seinen nasalen Vortrag. Ja und dann erzählte er ausführlich, dass er sich zurzeit an einem Scheidepunkt seines Lebens befindet, und dass er und seine Frau, mit der er gemeinsam in einer Firma als Produktentwickler arbeiteten. Er erwartete sich vom Jakobsweg neue Einflüsse und eine generell neue Lebensrichtung zu erlangen. Mit seiner Frau wanderte er gemeinsam aber er könnte sich auch vorstellen einige Tage getrennt zu gehen. Bei diesen Worten zuckte nicht nur seine Frau Gabi ein wenig zusammen, sondern auch das Pärchen aus Feuchtwangen. Der Herr aus Feuchtwangen, meinte flüsternd zu mir “Sagst du auch was so in der Art, ich nicht, das ist mir hier zu blöd mich öffentlich zu outen”. “Ne”, meinte ich sofort etwas flapsig“ der hat meiner Meinung nach was an der Waffel hier einen Stuhlkreis zu organisieren”. Günther, der Sprecher aus Kassel hörte unterdessen nicht auf, sein Innerstes nach außen zu kehren und sprach noch über die Last mit seinen Kindern und dass jetzt endlich wenn die mal aus dem Haus sind das Leben eine qualitativ höhere Bedeutung für beide bekommen würde. Oje dachte ich mir, wie komme ich aus der Nummer hier wieder raus? Peter der Herr aus Treuchtlingen wurde auch zusehends nervöser, je mehr sich Günthers Ausführengen dem Ende zuneigten. Aber als nächste startete die Berlinerin und führte ebenfalls ihr Gedankengut zu Markte.
Zwischenzeitlich betrat Hani Sun, der Japaner vom Vortag den Raum. Als er mich erkannte grüßte er mit einem Handzeichen und setzte sich erst mal still an einen der Tische. Ein ganz komischer Vogel (Pilger) aus Amerika zwängte sich noch in unseren Stuhlreis Mit einer Iranischen Ukulele auf dem Schoß bot er sich an seine Interpretationen zum Besten zu geben. Die Unterbrechung war anscheinend für alle ein schöner Breakpoint da alle zustimmten. Der Musiker, Gabriel sein Name, begann mit reiner Kopfstimme und etwas Ukulelen-Begleitung unverständliche Reime und Tonmelodien zu erzeugen. “Cavemusic” - Höhlenmusik nannte er dies und irgendwie wurde es immer seltsamer. Das Feuer wollte immer noch nicht richtig brennen doch dafür füllte sich das Zimmer langsam aber gleichmäßig mit Rauch aus dem schlecht ziehenden offenen Kamin. Der Musiker sang sich eine Zeitlang in Trance und irgendwann tuschelten einige miteinander. Die Französin unterhielt sich mit der Holländerin über irgendwelche Cremes, die sie in den Händen hielten und mir rutschte Richtung Peter dann der Satz: ”Schau mal, die unterhalten sich auf dem Jakobs Weg über Enthaarungscreme”. Blöderweise verstand die Französin ein wenig deutsch und fragte sofort nach was ich damit gemeint hätte. Peter half mir genialer weise aus der Patsche und erklärte ihr, dass wir annahmen es handelt sich um Zahncreme. Wir schauten uns beide lachend an und ganz leise bemerkte ich noch, ”Ja Zahncreme mit Enthaarungszusatzfunktion”.
Kurze Zeit später setzte sich nochmals eine Französin zu uns die artig fragte ob sie den letzten freien Platz am Ofen einnehmen dürfte. Peter und ich nickten und ich konnte mir den Satz nicht verkneifen “ Klar. wir brauchen immer Heizmaterial”. “Oje”, meinte Peter ich glaube wenn ich nach Santiago komme haben sie dich bereits links oder rechts am Weg gekreuzigt. “Da kannst du Recht haben”, meinte ich zu Peter, aber mir war das hier alles ein wenig zu verklemmt und viel zu spirituell angehaucht. Zu unserem Glück setzte sich die ursprüngliche Unterhaltung nicht fort, da wohl auch die anderen keine Lust hatten hier so intim zu debattieren.
Peter und seine Frau waren dann auch auf einmal verschwunden, deshalb hörte ich einfach den anderen Unterhaltungen zu. Hani Sun setzte sich noch kurz zu mir bis auf einmal Günther meinte, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt um für das Abendessen den gemeinsamen Einkauf zu starten. Doch just in diesem Moment erschienen wieder Peter und seine Frau und berichteten, dass nur fünfzig Meter weiter eine herrliche neu renovierte staatliche Herberge mit noch ausreichend freien Schlafgelegenheiten war. Fast alle stürzten los und folgten Peter um einen mögl...