1 Einführung
Die TCM – Traditionelle Chinesische Medizin –
Zhōngyi,
- ist ein methodisches System die Gesundheit zu erhalten und wiederherzustellen. Verschiedene Behandlungsmethoden aber auch die Lebensführung stehen dabei im Vordergrund.
Dieses Buch gibt einerseits einen Überblick über die Grundlagen und die verschiedenen Methoden, die die TCM ausmachen, vertieft andererseits wichtige Aspekte und erklärt Zusammenhänge. Auf detaillierte Beschreibungen im Umfeld von Akupunkturpunkten oder Heilkräutern wird hier verzichtet. Dafür gibt es bereits sehr gute und ausführliche Literatur, die dann zu Rate gezogen werden kann.
Ich beschreibe die TCM, wie sie sich mir in Theorie und Praxis erschlossen hat. Natürlich sind auch meine persönlichen Erfahrungen in China eingeflossen. Die Denkweise und das Verständnis dieser Methoden sind uns oft fremd und schwer zu verstehen. Meinen Zugang zu dieser Materie möchte ich mit diesem Buch möglichst verständlich weitergeben an Interessierte und Therapeuten, die mit den Methoden der TCM arbeiten möchten.
Diese Einführung möge den Leser anregen, sich mit den kosmischen Prinzipien von Yin und Yang und den „5 Elementen“ (= fünf Wandlungsphasen) – Wu Xing näher vertraut zu machen, um sie als Grundlage für chinesische Diagnose und Therapie schrittweise zu verstehen.
Mein Dank gilt meinen zahlreichen Lehrern in der TCM, der Akupunktur und in der Naturheilkunde, dem Arzt und Leiter des Medicol Lehrinstituts in München, Herrn Arnold Schimscha, meinen Lehrern in Beidahe, China, Frau Liu Yafei und Herrn Xiao Yuande, meinem Lehrer in Kötzting, Herrn Dr. Gunter R. Neeb, Herrn Toshikatsu Yamamoto als Seminarleiter an der Universität Graz, Österreich, sowie Herrn Robert Pfrogner, Bad Aibling, Bayern, für seine Unterstützung zum Erstellen dieses Buches.
TCM - Traditionelle Chinesische Medizin – was ist das?
Nach Gründung der Volksrepublik China versuchte die Staatsführung die traditionellen Zöpfe abzuschneiden und den Fortschritt für das Land in den Fokus zu stellen. [1] Dazu gehörte auch die Westliche Medizin als zukünftiger Hoffnungsträger zur Modernisierung des Landes. Die moderne TCM wurde in dieser Zeit am grünen Tisch aus bestehenden Medizinsystemen zusammengestellt, entrümpelt und dem Zeitgeist unterworfen. Dabei wurden auch Kompromisse eingegangen, um sie für westliche Ärzte attraktiv zu machen. Diese „neue“ TCM ist exportfähig und wird als Ausbildung weltweit an Universitäten angeboten. Viele Ärzte reisen auch nach China, um vor Ort diese TCM zu studieren. Der Begriff „Traditionelle Chinesische Medizin“ ist also ein Konstrukt der Neuzeit.
Die Ursprünge dieser Medizin entstammen einem, über 5000 Jahre altem, erfahrungs-medizinischem Wissen – einer Naturheilkunde aus dem Alten China. Erste schriftliche Aufzeichnungen finden sich vor ca. 2200 bis 2500 Jahren, aus der Zeit der streitenden Reiche. Seit der Einigung Chinas unter dem ersten Kaiser Qin Shihuang (226 v. Chr.) kam es naturgemäß immer wieder zur Zentralisierung von Wissen und Erkenntnissen aus den verschiedenen Landesteilen. Einflüsse aus anderen Regionen wie Indien, Korea und der Mongolei kamen mit der Zeit hinzu.
Medizingelehrte wie Wang Shu-He (3. Jhdt) 1 , Sun Simiao (6. Jhdt.) [2], der Arzt und Naturforscher Li Shizhen (16. Jhdt.) 2 sammelten das damalige medizinische Wissen und hielten es in Büchern fest. Einige dieser Werke wurden zum Standard der Medizinliteratur und sind noch heute Grundlagen dieser Medizin. Über die Jahrhunderte bis zur Gegenwart wurden die Aufzeichnungen und Erfahrungen immer wieder überprüft, ergänzt und aktualisiert.
1.1 Grundlagen
Verschiedene grundsätzliche Überlegungen und Philosophien sind Grundlage dieses ganzheitlichen Systems. In dieses System flossen sehr früh ein die Philosophie von Yin und Yang, vom Yi Ging, dem Buch der Wandlungen und der fünf Wandlungsphasen („5 Elemente“) - Wu Xing, sowie deren Zusammenwirken und deren Entsprechungen in der Natur und im Körper (wie außen – so innen). Meridiane (Leitbahnen), der Fluss von Qi und „Blut“, u.v.m. sind Teile dieser Betrachtungen.
Die TCM in der klassischen und in ihrer heutigen modernen Form werden beide in diesem Buch der Einfachheit halber als TCM bezeichnet. Die TCM ist ein eigenständiges und völlig durchgängiges System. Verschiedene Aspekte wie Gesundheit, Lebensführung, Lebensumfeld, Ernährung und Medizin werden dabei immer im Zusammenhang gesehen.
Ein Grundprinzip in der TCM ist: Gesundheit ist Gleichgewicht, Harmonie, innerhalb des menschlichen Körpers ebenso wie zwischen Mensch und Umwelt. Dazu gehört der ständige harmonische Ablauf der Lebensvorgänge. Wird diese Harmonie aus irgendeinem Grund gestört, entsteht Krankheit. Die chinesische Medizin bezweckt daher mit ihren Methoden die Wahrung bzw. die Wiederherstellung der Harmonie. [3]
Was ist aus dem Gleichgewicht?
Der „Werkzeugkasten“ des Therapeuten sind seine fünf Sinne: sehen, hören, riechen, schmecken, tasten. Darüber werden die Disharmoniemuster bestimmt und schließlich mittels Puls- und Zungendiagnose eine „chinesische Diagnose“ gestellt, danach Behandlungsprinzipien festgelegt und die Behandlungsmethoden ermittelt. Die Diagnose unterstützend sind die Methoden der 8 Leitkriterien (Ba Gang: Yin/Yang, Innen/Außen, Fülle/Leere, Hitze/Kälte).
Zusätzlich sind Diagnose und Abklärung nach unseren Gesetzen und Vorschriften Voraussetzung für eine Behandlung hierzulande!
Die Prinzipien der TCM sind Grundlage für die Diagnose, die Wahl der Behandlungsmethoden, die Einteilung und Wirkungsweisen von Lebensmitteln in der Ernährung und das Erkennen psychischer Muster.
Als Säulen der TCM sind zu sehen: Akupunktur und Moxibustion, Tuina, Kräutermedizin, Körperübungssysteme wie Qi Gong, Nei Yang Gong, Taijiquan und die Ernährung. Die Erklärung der Begriffe folgt:
Akupunktur ist eine uralte chinesische Methode. Akupunkturnadeln werden nach genauen Regeln in bestimmte Akupunkturpunkte gestochen, um Blockaden im Körper zu lösen. Wirkungsvolle Anwendungsgebiete sind chronische Schmerzzustände, Nervosität, Stress, Schlafstörungen, Erschöpfungszustände, Blutdruck- und Verdauungsbeschwerden, rheumatische Erkrankungen, u.v.m.
Bei der Moxibustion oder kurz Moxa genannt, werden Akupunkturpunkte oder Meridianverläufe erwärmt. Moxa wird hauptsächlich bei chronischen Erkrankungen und zur Stärkung der Immunabwehr eingesetzt.
Tuina ist mit Massagetechniken und chinesischer Osteopathie Teil der TCM und beruht auf den Konzepten von Meridianen und Akupunkturpunkten. Daher ist die Behandlung der betroffenen Körperstellen besonders wirksam. Angewendet wird Tuina bei Erkrankungen des Bewegungsapparates, zur Manipulation der Gelenke, in der Schmerztherapie, zur Entschlackung des Bindegewebes, zur Kräftigung des Körpers.
Kräutermedizin. Über die medizinische Wirkung von Kräutern, Wurzeln, Früchten, Pilzen und Beeren gibt es Erfahrungen über Jahrtausende. Bestimmte Mischungen und Abkochungen – Dekokte – werden für genau definierte Anwendungen auf die zu behandelnde Person und ihre Erkrankung maßgeschneidert erstellt. Diese Naturarzneien sind sehr wirkungsvoll, wenn sie über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Besonders wirkungsvoll ist die Kräutermedizin bei „Leere“- Mustern um „Energie“ aufzutanken (Qi und „Blut“ auffüllen und bewegen), was mit der reinen Akupunktur kaum gelingt. In vielen Fällen ist die Behandlung in der Kombination der Kräutermedizin mit der Akupunktur angezeigt.
Die Anregung der Selbstheilungskräfte unterstützen einfache Körperübungssysteme wie Qi Gong und Nei Yang Gong.
Nahrungsmittel werden den „5-Elementen“ (Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser) zugeordnet. Der gekonnte Einsatz dieses Wissens bei der Zubereitung und Nahrungsaufnahme wirkt ausgleichend und fördert die Gesundheit im Sinne von „Ernährung als Medizin!“
Das völlig eigenständige Medizinsystem der TCM, oder einzelne Methoden daraus, sind schon in vielen Fällen Behandlungsmethoden der Wahl, oder können, in Absprache mit dem behandelnden Arzt, zusätzlich angewendet werden. Sie bieten bewährte alternative Methoden und stellen eine Bereicherung des Behandlungsspektrums dar.
Die TCM, verstanden als eine Art chinesischer Naturheilkunde, berücksichtigt auch, als ganzheitliche Methode, die Persönlichkeit und Lebenssituation. Einbezogen sind Körper, Geist, Seele, Familie und soziales Umfeld.
Grundlage für Gesundheit ist der Mensch in innerer Harmonie und sein Leben im Einklang mit der Natur und ihren natürlichen Abläufen. Die Lebensführung insgesamt steht dabei im Vordergrund. Eine Stärkung des Körpers führt zur Stärkung von Geist und Seele. Heilung erfolgt durch Anregung der Selbstheilungskräfte - in Ruhe und Entspannung.
Abbildung 1: Hua Tuo bei der Behandlung. Moderne Bildhauerarbeit in Stein im Tal der Heiligen, China
Körper, Seele und Geist bilden eine Einheit.
Gesundheit braucht einen bilanzierten Energiefluss im Körper. Blockaden führen zu Krankheit. Jede Energie soll ausgewogen zwischen zwei Polen vorhanden sein. Bei zu wenig Lebensenergie Qi kommt es zur Krankheit in einem bestimmten Bereich. Das wirkt sich über die Leitbahnen im Körper, den sogenannten Meridianen, auch auf andere Teile, auf Organe, oder den ganzen Körper aus. Sogar der frühe Entwicklungszeitraum der prä- und perinatalen Phase des Menschen soll zur Betrachtung seiner Gesundheit berücksichtigt werden.
1.2 Westliches und östliches Denken
Der Westen möchte die Natur beherrschen und unterwerfen („Macht euch die Erde untertan!“). Es liegt ein mechanistisch-analytisches Verständnis vor: es gilt der Gedanke „reparieren und ersetzen“. Die eigentliche Ursache des Entstehens (z.B. eines Tumors) wird eher ignoriert.
Abbildung 2: zwei Freunde, Hebei, China
Die Philosophien des Ostens erkennen die Zusammengehörigkeit von Mensch und Natur. Der Mensch hat sich in die Gegebenheiten der Natur einzufügen. Er soll sich als Einheit von Körper, Geist und Seele sehen, sowie als Teil einer umfassenden kosmischen Ordnung.
Westliche Medizin st...