Klassischer Liberalismus
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Klassischer Liberalismus

Die Staatsfrage – gestern, heute, morgen

  1. 216 Seiten
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Klassischer Liberalismus

Die Staatsfrage – gestern, heute, morgen

Über dieses Buch

Vom Wert des klassischen Liberalismus zeugt das Kompendium herausragender Denker, die in der Achsenzeit politischer Philosophie die Staatsfrage stellten. Gedankliche Klarheit, zeitlose Erkenntnisse sowie heute verlorene Werte und Prinzipien zeichnen ihre Schriften aus.Der Band legt das staatstheoretische Fundament des Liberalismus frei. Im Mittelpunkt steht die Frage nach der Aufgabe und Begrenzung des Staates. Angesichts der strukturellen Krise der EU und der Nationalstaaten sowie des politischen Liberalismus ist eine Staatsdebatte überfällig.Die Lektüre erweitert den Horizont: David Hume, John Locke und Immanuel Kant, Wilhelm von Humboldt und Claude-Fréderic Bastiat, gezielt ausgewählt auch Jeremy Bentham und vor allem Ludwig von Mises haben uns Wegweisendes zu sagen.Ein Essay über heute legitime Staatsausgaben ergänzt die Rekonstruktion klassisch liberaler Denker.

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Information

Ludwig von Mises – Die Vision der Freiheit

I. Einführung

„Ich habe manchmal die Hoffnung gehegt, dass meine Schriften eine praktische Wirkung erreichen und der Politik den Weg weisen würden. Ich habe immer nach den Anzeichen eines ideologischen Wandels Umschau gehalten. Doch ich habe mich eigentlich nie darüber getäuscht, dass meine Theorien den Niedergang der großen Kultur erklären, ihn aber nicht aufhalten. Ich wollte Reformer werden, doch ich bin nur der Geschichtsschreiber des Niedergangs geworden.“ (E, S. 92)
Ludwig von Mises (1881–1973) trat auf die Bühne der Wissenschaft und Publizistik, als der Etatismus, die Vergötterung des Staates, auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Entwicklung angelangt war. Das Programm des Etatismus setzte sich in Österreich und Deutschland, aber auch in anderen westlichen Ländern gegen das Programm des Liberalismus durch. Es rang den Liberalismus nieder und leitete eine der grausamsten Epochen der Menschheitsgeschichte ein.
Das 20. Jahrhundert erlebte zwei Weltkriege, die beiden Spielarten des Sozialismus und als deren Folge die Ermordung von Millionen von Menschen aus ideologischen und machtpolitischen Gründen. Der Holocaust der Juden, die Ermordung der ukrainischen Bevölkerung durch Lebensmittelentzug durch Stalin, Mao Tse-tungs Politik des „Großen Sprungs“ sind einige Beispiele in einer Reihe von Verbrechen des Staates, die uns fassungslos machen.
Kein anderer Wissenschaftler und Theoretiker des Liberalismus legte eine tiefer durchdachte Analyse der Ursachen dieser Menschheitstragödie vor als Ludwig von Mises, u.a. in: Im Namen des Staates oder Die Gefahren des Kollektivismus. (OG) Kein anderer legte eine geschlossenere und konsistentere Soziallehre der Freiheit vor als dieser Wiener Ökonom und Sozialphilosoph.
Mises vertrat seinen Standpunkt in einer konsequenten und standhaften Weise, die uns Respekt abfordert. Alle Mitstreiter der neoliberalen Bewegung, der er in historischer Hinsicht als Erneuerer des klassischen Liberalismus auch zugerechnet werden kann, dachten und schrieben in der Absicht, über beeinflussbare Politiker auf den Gang der Geschehnisse mittelbar einzuwirken. Die Schriften Hayeks, Röpkes oder Euckens waren aus diesem Gesichtspunkt nicht derart kompromisslos in ihrer Argumentation wie die von Ludwig von Mises. Sie erarbeiteten Reformvorschläge, von denen sie teilweise selbst annahmen, dass sie nur die zweitbesten waren, dafür aber eine Chance auf Verwirklichung besäßen. (1, S. 65 u. a.) Mises Haltung war eine andere.
Einerseits war er durch seine Tätigkeit in der Wiener Handelskammer mit der praktischen Seite der Ökonomie bestens vertraut. Er erarbeite Stellungnahmen für Banken und die Regierung, die an den engen Möglichkeiten partikularer Wirksamkeit ausgerichtet waren. Dabei erarbeitete er durchaus pragmatische wirtschaftspolitische Reformvorschläge. (8, S. 396, Fußnote 230) In dieser Zeit erwarb er sich ein breites Tatsachenwissen. Der detaillierte materiale Fundus bildet einen meist stummen Hintergrund zu seinen theoretischen Arbeiten zur Nationalökonomie, wodurch diese eine Erdung erhalten, die für eine rein deduktive Methode verblüffend ist. Andererseits hielt er sich nach seiner Zeit bei der Wiener Handelskammer – aus welchen Gründen auch immer – von Tätigkeiten direkter Politikberatung fern. Er schrieb von einem hohen Gesichtspunkt über das Gesamte des menschlichen Handelns. Sein theoretischer Themen- und Zeithorizont reichte Jahrhunderte zurück. Mit einem geradezu enzyklopädischen Wissen erfasste er die Dogmengeschichte der Moderne und verstand es, sie in die Realgeschichte einzubetten. Die Weite der Retrospektive spiegelt sich in der visionären Weitsicht seines Entwurfs einer Ordnung der Freiheit, einer Ordnung, die noch nie in reiner Form bestand.
„The System of market economy has never been fully and purely tried.“ (HA, S. 264)
Daher bezeichne ich Mises als den Visionär der Freiheit. Er ist der einzige unter den Neoliberalen, der konsequent jede Wirtschaftstätigkeit des Staates ablehnt. Dadurch nimmt er unter ihnen eine Sonderstellung ein. In diesem Punkt knüpft er an die Positionen Kants, Humboldts und Bastiats an, die er weiterführt und systematisch begründet. In gewisser Weise ist er radikaler noch als sie, wenn wir Radikalität verstehen als eine konsistente Haltung, die nur gelten lässt, was bis zur letzten Gegebenheit (TH, S. 183) durchdacht ist und einer kritischen Prüfung standhält. In dieser Hinsicht steht er auch zur neoliberalen Bewegung in explizitem Widerspruch, die dem Interventionismus einen Spalt weit die Tür offen hält und damit eine Entwicklung befördert, die die Freiheitsordnung tendenziell zerstört.
Aus dieser Sichtweise ergibt sich die Singularität Mises im Kreis seiner Generation der Österreichischen Schule und der Liberalen überhaupt. Der fundamentale Denkfehler des neoliberalen Konzepts eines dritten Weges besteht darin, dass Interventionismus immer zu einem Machtzuwachs des Staates führt, der unvermeidlich zu einem eigennützigen Gewalt- und Herrschaftsapparat über den Bürgern und gegen die Bürger wächst und alle Freiheit mehr und mehr erstickt. Mises hat vor der Geschichte bestanden. Sein Denken kann und muss den Ausgangspunkt für eine Erneuerung des Liberalismus sein.

Die praxeologische und deduktive Methode der Ökonomie Mises‘

Wir müssen nicht biografische oder andere thymologische Gründe suchen, um zu erklären, warum Mises diesen Standpunkt eingenommen hat (Thymologie = verstehende Psychologie, vergleiche TH). Sein Standpunkt folgt aus seiner Stellung innerhalb der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Mises hat ihre Herausforderungen angenommen. Carl Menger, der Begründer der Schule, führte einen Methodenstreit mit Gustav Schmoller, dem Oberhaupt der Kathedersozialisten und Vertreter des Historismus. (2) Menger vertrat den Standpunkt, dass die Ökonomie zeitlos gültige Gesetze des wirtschaftlichen Handelns entdecken und damit eine systematische wissenschaftliche Theorie bilden könne. Böhm-Bawerk setzte den Streit fort, indem er die Kapitaltheorien der verschiedenen Denkschulen methodologisch zerlegte und ihre wissenschaftliche Fehlerhaftigkeit nachwies. (3) Zur Zeit als Mises, Schüler Böhm-Bawerks, anfing, im Rahmen dieser Schule zu denken, war der Historismus noch lange nicht aus dem Feld geschlagen. Mises unternahm darum den Versuch, die Methodologie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie systematisch zu begründen. (vergleiche: GN, NÖ, HA, TH) Deren Denkansatz wird durch folgendes Zitat deutlich:
„Für die Untersuchung der Probleme der Marktwirtschaft formt die Katallaktik ein Gedankenbild, in dem die Elemente der Marktwirtschaft rein erscheinen, so dass die Schlüsse, zu denen sie von diesen Annahmen aus gelangt, nicht durch die Rücksichtnahme auf die Wirkung anderer Faktoren getrübt werden. Sie geht davon aus, dass das Marktgetriebe nicht behindert wird durch weitere institutionelle Gegebenheiten; ihr Markt ist in dem Sinne ein freier Markt, als die Preisbildung nicht gestört wird durch das Walten von Kräften, die für das Getriebe nicht notwendig sind. Sie geht von der Annahme aus, dass Arbeitsteilung und Sondereigentum an den Produktionsmitteln bestehen, und daraus folgt dann, dass die Verwendung der Produktionsmittel durch den Markt gelenkt wird. Andere Annahmen macht sie zunächst nicht. Erst wenn sie alles erschöpft hat, was sich aus diesen Annahmen ergibt, geht sie dazu über, die Wirkung aller denkbaren weiteren Gegebenheiten zu prüfen. Diese Unter-suchung der Probleme, die die Interventionen bieten, wird gewöhnlich als die Theorie der Wirtschaftspolitik bezeichnet.“ (NÖ, S. 228 f.)
Diese Annahmen werden gemacht, obwohl in Wirklichkeit diese Bedingungen nicht in reiner Form gegeben sind. Unter Katallaktik ist zu verstehen:
„Seit man von Nationalökonomie, von Sozialökonomie oder einfach von Ökonomik spricht, hat man es stets als die Aufgabe dieser Wissenschaft angesehen, die Erscheinungen des Marktes zu untersuchen, d. i. die Bildung der wechselseitigen Austauschverhältnisse der auf den Märkten umgesetzten Sachgüter und Dienste, die Entstehung dieser Austauschverhältnisse aus dem Handeln und ihre Wirkung auf weiteres Handeln.“ (NÖ, S. 224)
Die deduktive Methode Mises besteht in der Setzung eines Theorems, dem Satz vom Handeln, dessen begrifflicher Inhalt mehr und mehr entfaltet wird. Der Satz wird als apriori und apodiktisch wahr ange-nommen. Er ist in den ersten Zeilen der Nationalökonomie formuliert:
„Handeln ist bewusstes Verhalten. Wir können auch sagen: Handeln ist Wollen, das sich in Tat und Wirken umsetzt und damit verwirklicht, ist ziel- und zweckbewusstes Sichbenehmen, ist sinnhafte Antwort des Subjekts – der menschlichen Persönlichkeit – auf die Gegebenheit der Welt und des Lebens.“ (NÖ, S. 11)
Zur Entfaltung des Begriffsinhalts des Satzes vom Handeln (der Lehre der Praxeologie) sind reine Gedankenbilder der Handlungszusammenhänge zu konstruieren, die von allen Verzerrungen befreit gedacht, den Gesetzen des Handelns unterworfen sind. Die Nationalökonomie ist ein Teil dieser umfassenden Handlungslehre und sein am besten ausgearbeiteter Teil.
Mises Ökonomie ist folglich ein theoretisches geistiges Konstrukt, ein Gedankenmodell. Die empirische Welt der Ökonomie wird gedacht als eine Welt handelnder Individuen, die den praxeologischen und katallaktischen Gesetzen unterliegen. Die Komplexität der empirischen Welt kann durch Kombination verschiedener Gesetze erklärt werden. Makroökonomie baut sich aus der Mikroökonomie auf.
Das in beschriebener Weise aus Modulen zusammengesetzte Modell arbeitet virtuell in idealtypischer Weise. Die Gegenstände der Nationalökonomie sind immer einmalige unwiederholbare Gescheh-nisse, die sich auch nicht in einem Labor nachstellen lassen, weil die Wahlakte nicht objektiv determinierbar sind. Die Nationalökonomie kann folglich nicht szientistisch, also empirisch, Variablen isolieren und quantifizieren, Hypothesen verifizieren oder falsifizieren. Sie ist ein Gedankenmodell. Ihr Wahrheitsgehalt beruht auf der Stimmigkeit und Logik verketteter Kausalbeziehungen mikroökonomischen Handelns. Aus der immer umfassenderen Konstruktion mikroökonomischer Sätze bilden sie die Totalität makroökonomischer Tatbestände nach. Die Nationalökonomie ist folglich ein zusammenhängendes Theoriegebäude hoher Komplexität. Das ist die Schwierigkeit.
Die Nationalökonomen sind sich uneinig in der Beurteilung der Tauglichkeit der Praxeologie als Grundlage der Nationalökonomie. Ein Teil von ihr weicht auf die Behandlung von Aggregaten aus. Das sind Zusammenfassungen von Handlungsmomenten vieler Einzelner und bzw. Teilaspekte des Handelns einer Gruppe (beispielsweise Sozialprodukt), die sie mit statistisch-mathematischen Methoden untersuchen. Die Ökonometriker geben somit den mikroökonomischen Ansatz auf und versuchen quasiempiristisch Kausalbeziehungen zu entdecken. Doch sie erkennen nur Korrelationen von Datensätzen, deren genaue Bedeutung sie häufig nicht anzugeben vermögen, da diese nicht aus der Analyse des individuellen Marktgeschehens gezogen wurden.

Mises und die Spaltung des Neoliberalismus

Wir können nicht in die Diskussion der Problematik der Praxeologie einsteigen. Sie wurde von keinem der anderen Neoliberalen geteilt. Diese folgten in den methodologischen Fragen den Lehren Poppers von der Verifizierbakeit (Popper I) und Falsifizierbarkeit (Popper II) der wissenschaftlichen Theorien und mussten schon aus diesem Grund die Praxeologie ablehnen. (E, S. 195) Wichtig für uns ist an dieser Stelle nur zu erkennen, von welchem Standpunkt aus Mises seine politische Haltung, seinen Liberalismus vorträgt. Die Reinheit und Logik seiner wissenschaftlichen Theorie spiegelt sich in der Stringenz und Kompromisslosigkeit seiner politischen Lehren. Wissenschaft und Liberalismus bilden eine konsistente Einheit. Jeder Kompromiss aus politischen Erwägungen zieht einen Verstoß gegen die gültigen Gesetze der Marktwirtschaft nach sich, verstößt gegen das Primat der Freiheit und muss daher abgelehnt werden.
Mises Purismus und Rigorosität der Argumentation sind von kantischem Geist. „Politische Bildung aber bedeutet vor allem Nationalökonomie“, formuliert er apodiktisch. (WL, S. 602)
„Es ist nicht schwer, die Ursache ihres Scheiterns zu erklären. Dieser angebliche Neuliberalismus war tatsächlich nicht liberal. Seine Verfechter erstrebten nicht die freie Marktwirtschaft, sondern nur eine “Milderung” gewisser interventionistischer Maßnahmen. Sie waren eifrig darauf bedacht, zu versichern, dass sie keineswegs Laissez-faire-Kapitalismus, sondern nur einen vom Staat “vernünftig” geregelten Kapitalismus anstreben. Mit einem Wort: Sie waren Interventionisten; wie sie glaubten, gemäßigte Interventionisten. Sie kritisierten keineswegs das, was man die Doktrin des Interventionismus nennen mag. Sie empfahlen nur mehr Milde, d. h. weniger Folgerichtigkeit, in der Durchführung seines Programms. Die Progression in der Besteuerung der Einkommen und Verlassenschaften soll gemildert, doch keineswegs beseitigt werden. Manche – aber nicht alle – Gewaltmaßnahmen der Gewerkschaften sollen unterdrückt werden. Manche – aber nicht alle – Privilegien, die den minder leistungsfähigen Unternehmer gegen den leistungsfähigeren schützen, sollen fallen. Schutzzölle und andere protektionistische Verfügungen sollen auf das “unbedingt notwendige” Maß zurückgeführt werden.
Wenn einmal der Grundgedanke des Sozialismus und Interventionismus, dass nämlich die Marktwirtschaft die Mehrheit des Volkes zugunsten einer Minderheit von Profitmachern benachteilige, als richtig unterstellt wird, dann ist der liberale Standpunkt preisgegeben.“ (WL, S. 603)
Damals wie heute glauben die Politiker aller Couleur die ökonomischen Gesetze missachten zu dürfen. Der Machtstandpunkt stellt Politik über Ökonomie. Die Wirtschaft ist in den Augen des Politikers ein passives Feld, das dem Willen des Interesses unterliegt, dem er dient. Alle interventionistischen und sozialistischen Richtungen unterliegen diesem Trugschluss.
„Das Verhängnis des 19. Jh. war es, dass den im demokratischen Staatswesen zur Führung berufenen Schichten der Gebildeten die Nationalökonomie fremd wurde. Es ist hier nicht der Ort, die Gründe dieser Erscheinung aufzuweisen. Es genügt festzustellen, dass etwa seit den 1870er Jahren nur wenige es der Mühe wert erachteten, sich ernstlich mit den Problemen zu beschäftigen, die man gemeinhin als nationalökonomische Theorie zu bezeichnen pflegt.“ (WL, S. 602)
Ludwig von Mises wies in unzähligen Fällen nach, dass vom Standpunkt der gesetzten Ziele, die Interventionen nicht zu den gewünschten Ergebnisse führen. (siehe Unterkapitel Regierungseingriffe des Interventionismus) Sie schaffen Verhältnisse, die vom Standpunkt der Interventionisten weniger erwünscht sein müssen, als die vorausgegangenen. Dies analysiert der Wissenschaftler. Der Liberale stellt fest, dass alle Interventionen nur die Macht des Staates stärken und die Position des Bürgers schwächen.
Natürlich war Mises der Außenseiter in der Bewegung des Neoliberalismus. Das ergab sich schon allein aus den unterschiedlichen Lebenszielen. Mises verstand sich als der Erbe der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Er arbeitete daran, diese kritisch zu durchdenken und zu höherer Konsistenz und Vollständigkeit zu führen. Er wollte sie nicht mit anderen Paradigmen mischen oder in anderen Paradigmen Lehren entwickeln. Die übrigen deutschsprachigen neoliberalen Denker brannten darauf, nach der Überwindung des Nationalsozialismus ein freieres Deutschland zu schaffen und sie fanden mit Ludwig Erhard einen bedeutenden Gestalter im Zentrum der Macht, ein Glücksfall, den Mises erkannte und würdigte.
Mises dachte allerdings in den Dimensionen des...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Vorwort
  3. David Hume – Begründer der klassisch-liberalen Staatslehre
  4. John Locke – Begründer der modernen Staatslehre
  5. Immanuel Kant – Kritik und Neubegründung
  6. Wilhelm von Humboldt – die Grenzen der Wirksamkeit des Staates
  7. Claude-Frédéric Bastiat – Kämpfer gegen einen neuen Absolutismus
  8. Jeremy Bentham – Utilitarismus und die liberale Moralphilosophie
  9. Ludwig von Mises – Die Vision der Freiheit
  10. Legitime Staatsausgaben
  11. Der Autor
  12. Der Herausgeber
  13. Forum Freie Gesellschaft
  14. Impressum