Den Menschen verstehen - Wege aus Leid und Gewalt
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Den Menschen verstehen - Wege aus Leid und Gewalt

Trauma - Individuum - Gesellschaft - Werte

  1. 352 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Den Menschen verstehen - Wege aus Leid und Gewalt

Trauma - Individuum - Gesellschaft - Werte

Über dieses Buch

Eine liebevolle Streitschrift - so lässt sich der Spagat beschreiben, den dieses Buch versucht, im Bemühen um Menschlichkeit, um Wege, die herausführen aus dem Labyrinth von Schmerz, Gewalt, Angst und Entfremdung.Der Autor schlägt hier eine Brücke zwischen der Tiefe des Wesens jedes einzelnen Menschen - er/sie selbst zu sein - und übergeordneten Prinzipien von Schöpfung und Natur. In der Zerrissenheit dieser Pole spielen sich die gestörten Muster heutiger Gesellschaft und Wirtschaft ab, die in der Folge von Gewalt Unglück, Krankheit und Isolation fördern und weiterführen. Die Wiederverbindung von Mensch und Schöpfung führt zu individueller wie gesellschaftlicher Gesundung. Das Buch bietet ein tiefreichendes Verständnis der menschlichen Psyche wie auch der Bedeutung generationsübergreifender Gewalt und Traumata - Wegweiser zu einem besseren Leben inklusive.

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VI Zurück zur Ganzheit

»Probleme gehen nicht einfach weg. Sie müssen durchgearbeitet werden, andernfalls bleiben sie, auf ewig eine Grenze für das Wachstum und die Entwicklung des Geistes.«
M. Scott Peck, M.D.

Erwachen

Die wohlmeinende Betäubung
verliert sich
die verlorenen Teile fügen sich neu
in ein wiederkehrendes Ganzes.
Das Vergröberte findet neu
Feinheit und Differenzierung
das Gewusste wird fühlbarer.
Die erwachende Mitte
schaut sich um, mit erster Empfindung
und versteht,
warum sie einst verloren ging.

Das Leid der Welt tragen

Ein lieber Freund am Telefon. Immer wieder lange Pausen im Gespräch. Er ist in eine tiefe Depression gefallen, er hat zu tief in einen Spiegel geschaut. Der Spiegel: ein Familienvater, im Kampf mit den Elementen des Lebens, im Missverstehen gefangen, sich alle gutgemeinte Mühe gebend, und doch das offensichtliche nicht erkennen könnend; dieser Vater, und sein Sohn, belastet und befrachtet mit dem Ungelösten der Eltern. „Du hast diesen Satz gesagt, das Gegenteil von gut ist gut gemeint.“ Den Satz habe ich von einer Klientin mitgenommen. Sie kannte sich damit aus, weil so viele es gut mit ihr gemeint hatten, mich eingeschlossen. Er ist ein betonharter Maßstab. „Ich habe es auch immer nur gut gemeint,“ fügt er hinzu. Ich weiß, er denkt an sich als Sohn, und an sich als Vater, und an den Sohn als Vater, und den Enkel als Sohn. Er denkt an das weitergegebene Leid.
Sein Leben ist am Wendepunkt. Die Kinder schon viele Jahre aus dem Haus, leben ihr Leben teils erfolgreich, teils führen sie die Lasten und Fehler der Ahnen mit sich. Die Enkelkinder sind schon in der Schule. Die Scheidung liegt lange Jahre zurück, eine Zeit wechselnder Beziehungen ist abgeschlossen, er lebt schon eine Weile allein. Nun gilt es, das Berufsleben loszulassen, der letzte Rest seines nach außen sehr erfolgreichen Lebens, und da es nichts mehr für ihn zu tun gibt, fällt er auf sich zurück. Es gibt nichts mehr zu helfen für ihn. Das war immer sein Lebenssinn: tätig sein und hilfreich sein. Die spirituelle Sinnsuche hat zu vielen Zielen geführt, aber auch viele Wunden an die Oberfläche schwimmen lassen. Viele sind geheilt. Dennoch bleiben kleine Restflecken, Teile der ganz alten Wunden, und er sieht die Welt und die Menschen um sich herum.
„Ich spüre zuviel, weißt du.“
Unter Menschen begegnen ihm Spiegelbilder seines Lebens und seines Leides. Im Rahmen des Annehmens und Gehen Lassens wird es nicht immer besser, weil es nicht immer geht, wenn er es gehen lassen will, auch nicht nach all den Jahren Yoga und Meditation. Diese haben ihn auch offen gemacht. Er spürt das Leid der Menschen. Da ist mehr als genug. „Ich weiß um das Leiden der Menschen, wenn ich ihnen begegne.“ Und er fühlt es in sich. „Am liebsten bin ich allein, dann geht es mir am besten.“ Ich lege ihm nahe, empathisch Grenzen zu errichten. Wenn er das Leid der Welt in sich hineinspiegelt und in sich spürt, so begegnet er auch nicht geheilten Fragmenten der eigenen Geschichte, aber er vermehrt auch das Leid, indem er sich ihm als Bühne zu Verfügung stellt. „Ich habe nicht gedacht, dass es mich noch mal so tief erwischt.“ „Du bist nicht der Dalai Lama, dass du in der Lage wärst, dieses Leiden zu halten“, sage ich zu ihm. Er lacht. Er hat den Dalai Lama kennen gelernt: „Dem geht es auch nicht immer gut. Das habe ich gesehen.“ Den Verdacht hatte ich schon lange. Ich glaube, an dieser Stelle verstehe ich alle beide, den Dalai Lama und meinen Freund. Aber der Dalai Lama hält auch die guten Seiten der Schöpfung in sich, die meinem Freund gerade weggerutscht sind.
Nun möchte er sich zurückziehen, in eines der Meditationszentren, und dort eine Weile „sein“. Einfach nur dort leben, keine Gruppen, nicht arbeiten. „Als ich allein gewandert bin, da ging es mir am besten.“
Ich würde ihn mir als Sender wünschen, dass er sich mit all dem Guten in sich füllt bei der ganzen Liebe und dem ganzen Mitgefühl in ihm, dass er dieses ausstrahlt. Aber er steht ganz auf Empfang. Stellt sich dem Leid zur Verfügung. „Warum bin ich auf dieser Welt? Es sollte Freude sein.“
Ich sage, ich denke an ihn. Er ist froh und weint zum Abschied. „Danke.“

Miteinander sprechen

Gern wird die Gesprächstherapie abgewertet: „Wozu soll ich darüber sprechen?“ oder: „Darüber kann ich auch mit meinen Freunden reden“. Das therapeutische Gespräch unterscheidet sich aber sehr von einem Gespräch „unter Freunden“ und kann ganz unterschiedliche Aspekte haben. Zu zweit sprechen kann ein Werkzeug sein, Diffuses zu erfassen, eine Form kognitiver Neustrukturierung, eine Brücke für Gefühle und die Koordination physiologischer Abläufe. Je nach Thema und Persönlichkeit kann mal der eine Aspekt wichtiger sein, mal ein anderer. Manchmal will nur etwas „ausgekippt“ werden, aber meist geht es auf unterschiedliche Weise um Selbsterforschung, um Arbeit an sich selbst. Ein guter therapeutischer Prozess ist eine Entdeckungsreise zu zweit, ein organischer Wachstumsprozess, in dem der jeweils nächste Schritt der Entwicklung nur aus der wechselseitigen Abgestimmtheit von Klient und Therapeut heraus empfunden und gefunden werden kann. Er entsteht im besten Falle wie von alleine in einer inneren Folgerichtigkeit, der sich die Beteiligten hilfreich zur Verfügung stellen. Nur dann kann die Selbstregulation – die höhere Weisheit des Organismus – die Möglichkeiten der Situation voll nutzen und das innerlich Richtige hervorbringen. Hier sollen ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Aspekte genannt sein, die in psychotherapeutischer Arbeit tragend und hilfreich sein können.

Die Grundhaltung

»Ein guter Therapeut ist einer, der mich da tragen kann, wo ich bin; die Lösung kommt dann von alleine.«
Eine Klientin
Man möchte müde werden, das eigentlich Selbstverständliche zu wiederholen. Aber die Erfahrung lehrt, die scheinbar normalen Dinge sind in der Realität die kostbare Ausnahme. Es sollte gerade in der Behandlung psychischer Störungen im Vordergrund stehen, im Gegenüber den Menschen zu sehen, und in der Behandlung sollten sich nicht etwa distanziert-gleichgültige Bezugsweisen der Eltern wiederholen. Also steht an erster Stelle der Respekt vor der Person, die vertrauensvoll, zumindest aber in Not, Unterstützung sucht. Respekt drückt sich in der Wertschätzung für die Autonomie des anderen aus, auch dort, wo er selbst sie noch gar nicht empfindet, und in der Erkundung und Berücksichtigung der Grenzen des Gegenübers. Die positiven Wirkungen der humanistischen Psychologie beruhen auf dieser einfachen Form von Mitmenschlichkeit. Es geht nicht um „Gesprächs-Technik“, sondern um eine Art des Miteinanders, die Vertrauen fördert in die mit der Übung wachsende Fähigkeit, sich aus eigenen Kräften zu entwickeln und Lösungen für das eigene Leben zu finden. Die eigene Einzigartigkeit, was die Werte, den Lebenslauf, die Lebenssituation, die Problemlagen und die Lösungsmöglichkeiten angeht, ist der Ausgangspunkt jeder Zusammenarbeit. Wir sind alle Menschen, die in der uns möglichen Weise versuchen, durch unser Leben zu kommen und unsere Interessen zu wahren. Wenn auch manche Lebensumstände, insbesondere in der Kindheit, nur durch sehr verzerrte, schwierige und problematische Verhaltensmuster gelöst werden konnten, so steht doch der Mensch dahinter mit seiner Empfindungsfähigkeit, seinen Bedürfnissen, seinen Notwendigkeiten. Daher ist es wichtig, auf beispielgebende Weise dem Menschen in jeder Facette die Wertschätzung entgegenzubringen, die spürbar macht, dass er als Mensch akzeptiert ist, wertvoll ist, von Bedeutung ist. Es sind Interesse und Teilhabe, die einen Menschen erleben lassen, dass er ein „Jemand“ ist, der es wert ist, der der Mühe wert ist. Das hilft dem Klienten bei der schwierigen Aufgabe, sich selbst wertfrei zu erforschen, verstehen zu lernen und sich zu akzeptieren. Nur daran, dass einem Menschen frei von Bewertung begegnet wird, kann er auch selbst lernen, die Brille der Be- und Verurteilung beiseite zu legen und eine freundlichere Selbstbeziehung zu entwickeln. Die Gefühle, der innere Kosmos können nur so in die Tiefe gehend erforscht und verstanden werden. Zum Respekt gehört auch, selbst ehrlich und „real“ zu sein, also selbst als Mensch mit Gefühl und Lebenshintergrund da zu sitzen, statt sich in eine Rolle zurückzuziehen oder als Gegenüber verlorenzugehen. Wie in jeder Beziehung braucht es für die Beziehung nicht nur einen, der mit einem anderen unterschiedslos verschmilzt und so verschwindet, sondern zweie, die voneinander verschieden und füreinander offen sind, auch wenn die Rollen „Therapeut“ beziehungsweise „Klient“ zugunsten des Klienten einen unterschiedlichen Rahmen besitzen. Zwar ist es nicht die Pflicht des Therapeuten, die Bedürftigkeit des Klienten zu stillen, aber wohl, sie wahrzunehmen, anzuerkennen und gemeinsam innere oder außerhalb der Therapie liegende Lösungen zu entwickeln, während andersherum der Therapeut bedürfnislos am Klienten sein soll, indem er gut versorgt in die Praxis kommt. Am Vorbild der authentischen Haltung des Behandlers kann auch der Klient zu mehr Ehrlichkeit und Unverstelltheit zu kommen. Er spürt, dass er ein reales Gegenüber hat, das ihn so annimmt und gelten lässt, wie er ist. So fördern diese Aspekte therapeutischer Grundhaltung die Würde des Menschen, sein Zutrauen in sich selbst, die Fähigkeit, sich zu erkennen, verstehen und da heraus auch anzunehmen. Es wächst ein Selbstwertgefühl, das auf einem selbst beruht, und nicht auf den Meinungen der anderen. Dazu braucht es auch die Demut des Behandlers, zu verstehen, dass er bei all seinen Modellen, seinem Wissen und der Erfahrung doch letztlich nicht weiß, wer da wie vor ihm sitzt. So ist es die Aufgabe des Behandlers, die richtige Balance zwischen Folgen und Führen zu finden. Die Ausgangsidee ist, einen Fuß in der Welt des Klienten zu haben und einen in der eigenen Welt, mal braucht es mehr des einen, mal mehr des anderen. Wer aber zuwenig nachfragt und vor allem nicht hinreichend offen ist, die verschiedenen Lebensäußerungen des Klienten auch wirklich zu hören, wird schnell zur Quelle von Gewalt werden durch wohlmeinendes, aber falsches Handeln, zumindest aber der Gewalt der Missachtung. Der alte Therapeutengrundsatz, „man muss den Menschen dort abholen, wo er ist“, gilt in jeder Stunde neu. Im Grunde gilt er für jeden Menschen: Jeder muss auch sich selbst dort abholen, wo er steht – weil sich wohl nur auf diese Weise in Übereinstimmung und durch Mitarbeit des Inneren gute Lösungen entwickeln können.

Sprechen erleichtert

Viele der Dinge, die in der Therapie erzählt werden, finden sonst keinen Zuhörer, sei es, dass die Personen in der Umgebung parteiisch sind, oder das zu Erzählende als zu belastend eingeschätzt wird. So kann es leichter sein, einer „neutralen“ Person davon zu erzählen. Das nimmt Druck; es tut häufig gut, die Belastung mit jemandem zu teilen, und sei es nur durch das Zuhören. Dies kann ein guter Einstieg sein, wirkt aber bei tiefer liegenden Problemen gewöhnlich nicht nachhaltig. Würde man „nur“ dieses tun, kann es die eigentlichen Themen durch den Abbau inneren Drucks auch verschleiern.

Im Aussprechen entsteht Klarheit

Für sich selbst zu denken ist etwas gänzlich anderes, als seine Gedanken auch auszusprechen und erst recht sich im Spiegel eines Zuhörers selbst zu hören. Das Sprechen verleiht dem Mitgeteilten eine realere Form, in der sich vieles von allein ordnet und klärt.

Neugier und Wertschätzung

Im gemeinsamen, wertfreien und offenen Erforschen der Gedanken, Gefühle und inneren Verbindungen und Hintergründe entsteht im besten Falle eine Atmosphäre der Neugier und Akzeptanz, die erlaubt, sich selbst auf freundlich-annehmende und zugleich neutrale Weise tiefgehend kennen zu lernen, ein natürliches Gegenmittel gegenüber Angst.

Überparteilichkeit befreit von der Bewertung

Vieles ist mit Scham, inneren Verboten und Schuldgefühlen belegt. Aber für alles, was geschieht, gibt es gute und wichtige innere Gründe. Aus falschem Moralismus herauszukommen befreit von inneren Verurteilungen und führt zum tieferen Empfinden des wirklich „eigenen“ an Standpunkt. Verstehen führt zu Verständnis, Verständnis ersetzt Urteile.

„Wer bist Du? – Wer bin ich?“

Jeder von uns trägt neben dem Eigenen eine große Last an Fremdurteilen, verinnerlichten Geboten, Beziehungspersonen, Ansprüchen und so weiter; auch der Alltag, den die meisten führen, dient mehr „den anderen“. In all dem ist aber eine einmalige, besondere, empfindende Person oder „Seele“ verborgen oder manchmal begraben; bisweilen hat gerade dieses Eigene in der Familie nicht sein dürfen. Wenn auf diesen inneren Kern, auf die „Seele“ oder wie man es nennen möchte gelauscht wird, so erlebt dieses „Eigene“ vielleicht zum ersten Mal im Leben, bedeutungsvoll, wichtig und gewollt zu sein.

Die zweite oder dritte Meinung

Eine wirklich neutrale Sicht gibt es nicht, immer fließen subjektive Einflüsse mit ein, persönliche Werte und eigene Erfahrungen. Jeder Mensch, jede Situation ist anders und kaum vergleichbar, daher kommt der Satz: „Ratschläge sind auch Schläge“. Aber oft ist das Bedürfnis da, zu einer bestimmten Geschichte eine „begründete Meinung von außen“ zu hören. Diese hilft bei der eigenen Positionsbestimmung, sei es, dass man sich verstanden fühlt und bestätigt, und Aspekte erkennen kann, die vorher nicht so klar waren, sei es indem man Widerspruch findet an der Meinung eines anderen und dadurch klarer wird in der eigenen Meinung. Die Perspektive von außen kann auch helfen, die innere Beobachterhaltung zu entwickeln.

Beziehung üben

Das therapeutische Miteinander hat bestimmte Strukturen und Formen. Diese lassen sich in vielem übertragen auf das Leben draußen mit anderen; so kann das therapeutische Miteinander Modellfall und Übungsfeld sein für Beziehungen außerhalb der Therapie.

Fachwissen

Das psychologische Wissen und die Erfahrung sind oft von unschätzbarem Wert, um sich selbst verstehen zu lernen, Anregungen zu bekommen, wie man mit sich und den anderen umgehen und zurechtkommen kann. Übungen ermöglichen Zugang zu speziellen Qualitäten und Fragestellungen. Der Verlauf des Gesprächs selbst soll sowohl stärken und unterstützen als auch Verarbeitung und Lösung von alten Erlebnissen herbeiführen und begleiten.

Außergewöhnliche und komplexe Störungen bearbeiten

Über die „normalen“ Lebensbelastungen hinaus gibt es häufig Störungs- und Belastungsmuster, die einer speziellen Umgangsweise, einer speziellen Behandlung bedürfen, um sich verändern zu können. Dies sind insbesondere Angststörungen aufgrund traumatischer Vorbelastungen, Traumafolgestörungen, und frühe bzw. strukturelle Störungen wie die Borderline-Störung. Alle diese brauchen eine spezielle und ressourcenorientierte therapeutische Herangehensweise, können durch „normale“ Gesprächstherapie sogar verschlimmert werden.

Gefühle sind die eigentlichen Beweggründe

Viele Menschen bewegen sich vor allem im Gedanklichen. Die Logik des Denkens bestimmt Leben und Sein. Dahinter steht die Vorstellung, dass Verstehen die Lösung sei. Dabei ist das Denken häufig nur die Marionette der Gefühle. Gefühle haben die „älteren Rechte“, auch in der Hirnphysiologie. Sie bestimmen unsere Entscheidungen, und dem Verstand obliegt es, eine mehr oder weniger vernünftige Erklärung für die Gefühlsentscheidung zu finden. Auch die Problemlösung via Denken gelingt in den wichtigsten Fragen nicht. Gedankenkreisläufe wiederholen sich lösungslos, werden zum Grübeln, gar zum Grübelzwang. Da ist es wichtig, den Weg von den Gedanken zu den Gefühlen hinter den Gedanken zu finden. Denn es ist das Recht und das Bedürfnis der Gefühle, bewusst gefühlt zu werden. Gefühle, die ihren ordnungsgemäßen Weg durchlaufen dürfen, kommen zu Ende und geben Raum für neue Gefühle – und somit auch für neue Gedanken.

Sprache finden

Menschen reden über Gärten, Autos, Urlaube und Beziehungen. Aber es gibt nur wenige Gelegenheiten, bei denen über die Bewegungen des Seelenlebens gesprochen wird, und die Art wie das Seelische im Körper spürbar wird, und wie das miteinander zusammenhängt. So ist vieles nur vage gespürt, bleibt im Unklaren, im nicht recht Fassbaren. Die Sprache für das innere Erleben muss oft erst gefunden werden. Das braucht auch Unterstützung durch ein Gegenüber, das Sprache für verschiedenste Zustände zur Verfügung stellt oder das Finden eigener Formulierungen begleitet.

Den Körper gewinnen

Die meisten Menschen glauben, dass sie einen Körper „haben“. Der soll unauffällig seinen Dienst verrichten und funktionieren. Tatsächlich aber ist der Körper viel mehr als das: er ist Lebensraum des Seelischen, er ist das Seelenleben. Das Körperliche wirkt auf das Seelische zurück und das Seelische gestaltet den Körper in Funktion, Verhalten und Aussehen, es „lebt“ im und durch den Körper. Ohne Körper gibt es keine Lebendigkeit und keine Gefühle, keine Stimmungen, letztlich nicht einmal Gedanken. So profitiert ein Mensch davon, wenn der Körper mehr und mehr ein bewusst gefühlter und seelisch gefüllter Raum ist, wenn die Sprache des Körpers verstanden werden kann, wenn das Selbstempfinden Einzug hält und Versöhnung findet mit dem körperlichen Sein, dem in-der-Welt-sein.

Stärkung und Ermutigung

Jeder von uns hat eine Vielzahl von Stärken, Fähigkeiten und Eigenschaften, die helfen, das Leben zu bewältigen. Jedoch geraten diese Dinge aus dem Blickfeld, ähnlich einer guten Nachricht, die nicht in der Zeitung erscheint. Diese Schätze in das Licht des Bewusstseins zu heben macht erlebbar, wie viel Gesundes und Stabiles da ist, was auch die Beschäftigung mit den Belastungen erleichtert. So soll Therapiezeit nicht mehr als nötig Belastungszeit sein, sondern auch Stärke für das Leben und den Alltag geben.

Die inneren Teile

Die Person, die man ist, ist nicht immer genau die gleiche. Da wohnen nicht nur ach, zwei Seelen in der Brust: Es gibt viele Stimmen, Stimmungen, Rollen, die scheinbar ein gewisses Eigenleben in uns besitzen. Vom „inneren Kind“ ist viel die Rede; viel zu selten vom „inneren Erwachsenen“, aber den „inneren Kritiker“ kennt fast jeder. Viele Verstrickungen gerade in Beziehungen, aber auch bei anderen Konflikten lassen sich erst dann sinnvoll verstehen, wenn die Position und das Interesse der ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Vorwort
  3. Die Parzellierung des Geistes überwinden
  4. I Von den Schwächen der Menschen
  5. II Aspekte der menschlichen Natur
  6. III Vom Trauma zur Gewalt
  7. IV Kindliche Lebenswelten
  8. V Gewalt ist kein Unfall, sondern eine Gesellschaftsform
  9. VI Zurück zur Ganzheit
  10. Anhang
  11. Impressum