Erste Schritte
Was ist Malerei?
Um diese Frage zu beantworten, genügt es, ein Buch über Vincent van Gogh aufzuschlagen und sich seine Bilder anzusehen. Die wahre Malerei braucht keine Analysen und Erklärungen wie die kopflastige, oft verwirrende Kunst von heute. Bilder sieht man und fühlt man. Beim Betrachten eines Bildes von van Gogh steigt sofort der süße Duft vergangener Zeiten auf, es tun sich Landschaften auf, die man beinah greifen kann. Sie leben, atmen und laden dich zur Reise in die wundersame vergangene Zeit ein. Sie erzählen dir etwas. Es ist, als ob das, was du da anschaust, gerade in diesem Moment passiert, du bist kein fremder Betrachter, sondern stehst mittendrin in der Szene, bist ein Teil von ihr. Eine solche Malerei ist zeitlos und unvergänglich, grenzt fast an Zauberei. Auch wenn sie verfremdet, wenn es Farben gibt, die so gar nicht in der Realität vorkommen.
Die Bilder wirken!
Und genau darauf kommt es in der Malerei an, ein Bild muss auf den Betrachter wirken. Es muss so stark wirken, dass er ein Teil von ihm wird.
Bei jedem guten Bild hat der Betrachter das Gefühl, das Bild riechen zu können, selbst wenn er nur eine Reproduktion und nicht das Original vor sich hat (manchmal sehen die Reproduktionen sogar besser aus). Die Bildgegenstände müssen so gestaltet sein, dass ihr Duft beim Betrachten sofort in die Nase steigt. Sieht man ein Meer, muss das Bild die Frische des Meeres wiedergeben. Sieht man Heu, sollte der Betrachter das Gefühl haben, geradewegs aus einem Heuschober zu kommen. Bei einem Akt muss das Bild nach warmem Körper duften und uns erotisch anziehen. Ein Maler ist zugleich ein Entführer, ein Zauberer, der uns aus dem tristen Alltag entführt. Somit erschafft er eine Illusion, im positiven Sinne des Wortes.
Kandinsky schrieb einst, dass es viel interessanter sei, das zu malen, was noch nicht da ist, statt abzumalen, was schon da ist. Er schlägt damit die Brücke zur modernen abstrakten, freien Malerei. Kandinsky haben wir es zu verdanken, dass wir heute sogar einen einzigen blauen Strich auf der großen Leinwand als Kunst verstehen können.
Es war bereits die Rede davon, dass es kaum etwas Materielles gibt, das so teuer verkauft wird wie Werke der bildenden Kunst, insbesondere der Malerei. Auch wenn dies absurd erscheinen mag angesichts der Tatsache, dass es sich ja „nur“ um bemalte Leinwand handelt, zeigt sich daran die Kraft, die unglaubliche Kraft des künstlerischen Schaffens. Malerei bedeutet viel mehr als ein Stück bemalte Leinwand.
Auch wenn viele uns einreden wollten, die Malerei wäre tot:
Die Malerei boomt!
Egal, wie modern und digital der Mensch auch geworden ist, das Bedürfnis nach Malerei ist geblieben. Es ist geblieben und ist sogar im Wachsen begriffen. Heute malt die ganze Welt – noch nie wurde so viel gemalt wie heute. Sogar die Supermärkte verkaufen schon Leinwände und Künstlerbedarf.
Fangen auch Sie lieber heute als morgen an!
Kann ich überhaupt malen?
Mit Sicherheit ja. Jeder kann malen.
Vorausgesetzt, das Interesse und die Leidenschaft sind da. Die Begeisterung, der Selbstaufopferungsdrang, die Bereitschaft zu lernen, was das Zeug hält.
Bevor Sie anfangen, gehen Sie auf den Balkon und schreien Sie laut:
Jaaa! Ich kann malen!
Glaube versetzt bekanntlich Berge. Es ist völlig egal, wer das glaubt und wer nicht, Hauptsache, Sie glauben das! Wenn Sie keinen Balkon haben sollten, gehen Sie in einen Wald und schreien Sie dort: Jaaa! Danach betrachten Sie den Wald. Diesen alten und ehrwürdigen Wald. Die Formen der Bäume und die Lichtungen, die Farbenspiele, Licht und Schatten. Riechen Sie den Duft des Waldes und lassen Sie alles auf sich wirken. Die Natur ist selbst eine tolle Künstlerin, oder? Vielleicht die beste von uns allen.
Es gibt in der Malerei gewisse Gesetzlichkeiten, und die müssen gelernt sein. Doch Sie brauchen sich nicht unbedingt einen Lehrer suchen, das muss nicht sein, denn die klassische Malausbildung ist tot!
Am besten werden Sie lernen, wenn Sie die Geheimnisse hinter der Malerei selbst entdecken. Vielleicht ein Buch hier, ein Buch da, aber den größten Teil müssen Sie selbst erforschen und erproben. Das Wichtigste dabei: Das Beobachten!
Beobachten Sie alles, was die Augen sehen, und Sie werden merken, dass man wirklich alles zum Bildobjekt machen kann. Man kann von allem, was sich im Leben zeigt, abstrahieren, man kann mit allem spielen und es verändern, aus Alt Neu machen, aus Neu Alt, oder erst einmal Skizzen machen, Stichwörter notieren, die Dinge verinnerlichen, sie im Gedächtnis speichern und später malen, und so weiter …
Und wenn Sie trotzdem merken sollten, all das macht Ihnen doch keinen Spaß, dann lassen Sie es einfach, befreien Sie die Malerei von Ihnen, vergessen Sie es, widmen Sie sich anderen Dingen. Aber was Sie auch tun, tun Sie es aus vollem Herzen, mit Begeisterung und Leidenschaft. Das Leben ist viel zu aufregend, um gelangweilt darauf zu warten, endlich das Rentenalter zu erreichen. Im Grunde ist es völlig egal, was ein Mensch in seinem Leben macht, Hauptsache, er macht es gut, mit viel Liebe, und er hat Freude daran. Wir haben vermutlich nur dieses eine Leben. Dem Universum ist es egal, ob Sie Künstler sind oder Müllmann oder auch Gangster.
Apropos, aus Müll kann man auch Kunst machen, es gibt heute Künstler, die Müll sammeln und ihn dann als große Kunst verkaufen. Erfolgreich sogar. Es gibt einen Künstler, Damian Hirst, der tote Tiere, in einen Glaskäfig gelegt, als Kunst verkauft und Millionen damit verdient. Auf diese bizarre Idee muss man erst mal kommen.
Also:
Sollten Sie statt bei der Kunst bei der Müllabfuhr landen oder Metzger werden: auf jeden Fall werden Sie auch an solchen Arbeitsplätzen viel Kunst entdecken.
Alles ist Kunst!
Was soll ich überhaupt malen?
Heute leben wir in einer Zeit, die keine eindeutigen Stilrichtungen kennt, ob in der bildenden Kunst, in der Musik oder im Film. Heutzutage ist künstlerisch alles erlaubt. Vielleicht stehen wir ja vor der Geburt eines neuen Zeitalters und jeder von uns hat die Chance, künstlerisch etwas völlig Neues zu wagen und zu kreieren. Aber Vorsicht mit dieser Denkweise. Ob etwas wirklich neu ist, kann nur von anderen und aus zeitlichem Abstand beurteilt werden. Man selbst weiß es nicht, zumindest nicht, während ein Werk entsteht. Die Zeit vergeht, und erst später sehen wir, ob wirklich neu war, was wir geschaffen haben. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als still vor uns hin zu arbeiten und umzusetzen, wozu wir uns berufen fühlen und was authentisch ist. Einfach auf die innere Stimme hören und malen.
Was aber ist diese innere Stimme?
Vielleicht der Instinkt, der uns immer wieder sagt, das mag ich und das mag ich nicht, das schmeckt mir, das aber nicht, diese Farbe sagt mir zu und jene nicht.
Das Fühlen!
Vorausgesetzt, man hat Zugang zu seiner Seele. Leider gibt es viele Menschen in unserer modernen Gesellschaft, die ihre Seele völlig verloren haben und orientierungslos hin und her irren. Was sie ausschließlich tun, ist funktionieren. Sie streben nur nach Geld, Konsum und Karriere. Von ihnen können wir natürlich nicht verlangen, dass sie sich auf ihren Instinkt verlassen. Sie sind menschliche Roboter, die nur für den äußeren Schein leben und auf äußere Signale reagieren. Das Innenleben dieser Menschen ist tot!
Der größte Anfängerfehler ist, gleich zu Beginn abstrakt zu malen. Machen Sie erst einmal alles, was Sie sehen, was Sie fühlen, wovon Sie träumen zu Ihrem Bildobjekt. Wenn irgendwann diese Dinge Sie zu langweilen beginnen, dann können Sie abstrakt und frei malen. Aber erst dann. Lernen Sie erst einmal das Gefühl für den Raum kennen, die Perspektive, die Entfernung, Licht und Schatten, das Farbenzusammenspiel im realen Leben. Wir sehen jeden Tag so viel, so Verschiedenes, so Vielgestaltiges und Farbenfrohes … Sogar im eigenen Wohnzimmer kann man Dinge entdecken, die künstlerisch genutzt werden können. Schauen Sie sich einfach um, und Sie werden staunen, was es alles in Ihrem Umfeld gibt. Oder gestalten Sie Ihre Umgebung so, dass sie Sie zum Malen anregt. So haben es die Impressionisten gemacht. Zeichnen Sie. Zeichnen ist überhaupt die beste Übung. Es schärft das Auge und den Blick. Dann gehen Sie hinaus, egal wie das Wetter ist, und Sie werden, wenn Sie aufmerksam beobachten, so allerlei sehen, was sich da draußen so tut. Hören Sie erst einmal bewusst auf die Geräusche. Danach nehmen Sie wahr, was um Sie herum passiert. Die Farben des Lebens, ob im Sommer oder im Winter, die Farben sind immer da, zu jeder Jahreszeit. Mal grell, mal gedämpft.
Malen Sie das Leben, die Bäume, die Brücken, die Autos, die Tiere und natürlich die Menschen. Sie werden sehen, dass Sie sich von Motiv zu Motiv und von Bild zu Bild weiterentwickeln. Zeigen Sie dann diese Bilder Ihren Freunden, Ihren Verwandten … Die meisten werden Sie loben, und das brauchen wir alle. Die anfängliche Begeisterung ist ein absolutes Muss! Sie ist der Motor für Ihre weitere Entwicklung und ein wichtiger Baustein, dass sich Ihre Freude und Ihr Drang, sich künstlerisch auszudrücken, regelrecht zu einem Trieb entwickelt. Dieser Trieb, ohne den es keine Kunst gibt, wird immer stärker, und auch ihr Ehrgeiz wird immer größer und ernsthafter. Sie werden selbstsicherer. Und dieses Gefühl der absoluten Selbstsicherheit werden Sie brauchen, um auf diesem zugegebenermaßen dornigen Weg der Selbstverwirklichung durch das Schaffen von Kunst nicht zu straucheln.
Gegenständlich? Figurativ? Abstrakt?
Auf einer meiner Ausstellungen sagte mir einmal ein etwas älterer Herr, ebenfalls Künstler, ich hätte Talent, aber noch keinen eigenen Stil. Weil meine Bilder so unterschiedlich waren und es bis heute sind. Ich war sauer, schwieg aber aus Respekt vor seinem Alter.
Es gibt eine Rockgruppe, die immer dieselbe Musik macht, seit Ende der Sechziger. Obwohl sie über 80 Millionen Tonträger verkauft hat, ist sie in den seriösen Musikerkreisen verpönt. Die unverwüstlichen „STATUS QUO“, ja, die mit dem ewigen „Rockin’ All Over The World“… Immer der gleiche Rhythmus, die gleichen Gitarrenakkorde, die gleichen Texte, die gleichen Refrains, das gleiche Grinsen, alles gleich seit vierzig Jahren. Entwicklung gleich Null! Das absolute Gegenteil ist die unglaubliche Gruppe „GREATFUL DEAD“, deren Gitarrist Jerry Garcia die Musiker immer dazu aufforderte, Fehler...