1. Name und Lage
Bei den Externsteinen am Nordostabhang des Teutoburger Waldes beim Städtchen Horn handelt es sich um 13 voneinander abgrenzbare Felsen, die von nordwest nach südost verlaufen und von nordwest beginnend auch durchnumeriert werden. Sie bilden ein einzigartiges Kulturdenkmal und liegen im ältesten Naturschutzgebiet Lippes. Die Sandsteinfelsen entstanden in der Unterkreidezeit vor etwa 70 Millionen Jahren, als der ursprünglich flach liegende Sandstein im Zuge der Gebirgsbildung bei Bewegungen der Erdkruste senkrecht aufgepreßt wurde. Dies geht auf Sedimentablagerungen des ehemaligen nordwesteuropäischen Flachmeeres vor rund 100 Millionen Jahren und deren nacheinander erfolgende Verdichtung zurück.
Durch die Auffaltung wurde das Gestein gebrochen und zerklüftet, die Erosion durch Wind und Wasser spülte die Felsen frei und formte die Oberfläche der Steine. Auch die Eiszeit vor 150.000 Jahren brachte einen Gletschervorstoß von Skandinavien bis zum südlichen Teutoburger Wald und führte durch Frost und Wassereinwirkungen zu weiteren Zerstörungen. Noch heute gut sichtbar sind blasenförmige Auswitterungen in den Felsen, wo tonige Bindemittel der Erosion einen geringeren Widerstand leisteten.
Die Felsen, die früher meist als „Steine“ bezeichnet wurden, ragen bis zu 40 Mtr. in die Höhe. Die Steine bilden eine Reihe, die aus der steinfreien Umgebung deutlich hervorragt.
Felsen I liegt am weitesten westlich und wird in I, Ia und Ib unterteilt. In diesem Felsen befindet sich unten die von Menschenhand eingeschlagene „untere Kapelle“ oder „Grotte“, daher nennt man ihn auch den „Grottenfelsen“. Außen an diesem Felsen auf der Nordostseite des Felsens befindet sich zwischen den Eingängen zur Grotte das in den Stein geschlagene Kreuzabnahmerelief. Vor dem Felsen befindet sich der sog. „Sargstein“, zum Teich hin das „Teufelsloch“, und auch die „Reclusenzelle“ ist in den Stein eingehauen. Felsen I ist der größte der Felsen; er ragt heute in den künstlichen Teich hinein, der durch Aufstauen des kleinen Baches, der Wiembeke, entstanden ist. Dieser Bach floß einst neben dem Felsen I vorbei.
Der Felsen II ist der höchste der Felsen, er wird als „Turmfelsen“ bezeichnet. Oben befindet sich die „obere Kapelle“ oder „Sonnenwarte“, neutral „Höhenkammer“ genannt, unten vor dem Felsen die „Kanzel“.
Felsen III ist der Felsen, der die Treppe zum Felsen III enthält und der daher „Treppenfelsen“ genannt wird.
Abb. 1: Die Externsteine heute.
Es folgt der recht große Felsen IV, der oben den „Wackelstein“ trägt, der „Wackelsteinfelsen“. Zwischen Felsen III und IV verlief die alte Reichsstraße 1, auf der sogar einst eine Straßenbahnlinie verkehrte; vor Felsen IV stand früher ein recht großes Wirtshaus.
Der nächste Felsen V wird wegen eines großen Gesichtes an seiner Spitze, dem „Rufer“, auch der „Ruferfelsen“ genannt.
Es schließen sich die weiteren Felsen an, an denen weniger Bearbeitungsspuren zu finden sind; die Abstände zwischen diesen Felsen werden dabei größer, und durch den Wald sind sie vom Wege aus nicht oder schlecht zu sehen.
Menschliche Bearbeitungsspuren finden sich in erster Linie auf der nordöstlichen Seite der Steine. Diese Seite ist gemeint, wenn es heißt „vor den Steinen“ oder „vor den Felsen“, die Südwestseite ist entsprechend „hinter den Steinen“.
Das Gebiet, in dem die Externsteine liegen, wird seit alters her der „Osning“ oder „Osnegg “ genannt; dieser Name bedeutet „Asen-Egge“. „Asen“ ist der Name der germanischen Götterfamilie, und „Egge“ bedeutet „Spitze“, althochdeutsch ecka, niederländisch eg[ge] geht mit zahllosen verwandten Wörtern auf indogermanisch *ak-, *ok-(„scharf, spitz, kantig“) zurück. Sowohl unser heutiges Wort „Ecke“, als auch das Gerät zum Ackern, „Egge“ (wegen der daran befindlichen Spitzen), aber auch der Name der „Eiche“ (wegen der knorrigen Rinde) entstammen dieser Wortwurzel. Weiters der Name „Ahorn“ (wegen seiner spitz zulaufenden Blätter), die „Ähre“ (wegen der spitzen Grannen) und auch der Name des Vogels „Elster“ (wegen des spitzen Schwanzes). Im „Osning“ gibt es tatsächlich zwei Berge, die diesen Namen tragen, die Große- oder Asen-Egge und die Kleine Egge. Ob nun das Gebirge wegen der spitzen und kantigen Felsen so benannt wurde oder wegen der dort stehenden Eichen oder Ahörner, vielleicht sogar wegen der Elstern, ist unklar und bleibt Interpretation. Jedenfalls beweist der Name „Osning“, daß diese ganze Gegend als den Göttern geweihtes Land galt. Die Gegend der Steine hieß Wedmeri oder Wethigau („Gau des glänzenden Heiligtums“).
Der Name des Gebirges findet sich bereits in Einhards „Vita Karoli Magni“. Einhard lebte von 770 bis 840, seine Biographie über Karl den Großen endete mit dem Jahr 836; der Sachsenkrieg dauerte von 772 bis 804. Im Kapitel 8 schreibt Einhard von Karls Feldzug gegen die Sachsen2:
Wenn wir also Zerstörungsspuren an den Externsteinen finden, dann werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Zeit der Sachsenkriege, der Missionierungskriege der Franken unter Karl dem Großen gegen die Sachsen stammen.
Auch in der Thidreks Saga (Mitte des 13. Jh. verfaßt) kommt der Osning vor. Da heißt es über Thidrek, den König Dietrich von Bern3:
Dietrich von Bern trifft hier auf Ecke und es kommt zum Kampfe der beiden; Ecke wird erschlagen. Eckes Burg „Drachenfels“ lag an der Ostseite des Osning, dort, wo auch G. A. B. Schierenberg vor über einem Jahrhundert die aus der Nibelungensage bekannte „Gnitaheide“ wiedergefunden haben wollte.
Wenden wir uns nun dem Namen „Externsteine“ zu. Diese Steinformation wurde in Urkunden folgendermaßen genannt:
Abb. 2: Die Externsteine im 19. Jh., Kupferstich.
13. Jh. Eggesterenstein, Agistersteyn, Agistersten („Schreckenstein“),
1360 Egesterensteyn, Egesterenstein, Eghesterenstene,
1369 Eghesterensteyne,
1560 zum Egesterensteine,
1564 Rupis picarum („Fels der Elstern“)
1584 Egesterenstein,
1592 in lapideo monte vulgo Eggestrensteyn, thon Eggesterensteyn, Eggesternstein,
1627 und 1655 Eggesterstein,
1672 picarum rubes, vulgo Exterenstein („Elsterfels, volkstümlich Exterenstein“)
1693 Egisterstein seu Exterstein.
1750 Eostrae Rupes („Eostras Fels“)
Weitere Namensformen: Exterenstein, Exterstein, Externstein(e), Exsterstein, Egersterstein.
Der wohl älteste Name lautet „Agistersten“. Wie schon ausgeführt, bedeutet der erste Namensbestandteil „Egge“ (Spitze). Nun ist allerdings unmstritten, ob es sich bei dem mittleren Bestandtei des Wortes um eine bloße grammatikalische -str- Ableitung handelt, die es besonders bei i und j-Stämmen gibt, oder ob eine eigene Bedeutung zugrunde liegt. Die germanischen Begriffe „*blostra“, althochdeutsch „bluostar“ („Verehrung“) oder „*gelstra“, althochdeutsch „gelstar“ („Tribut, Zoll, Opfer“) haben diese Endung. Allerdings haben die meisten überlieferten Namensformen einen längeren
Abb. 3: Karte von Asgard und der Gnitaheide nach Schierenberg.
Mittelteil, welcher nicht nur aus der Silbe -str- besteht, sondern diese noch mit „e“ auffüllt und mit „-en“ erweitert: „-steren“. Dadurch ist eine andere Deutung wahrscheinlich, nämlich das Wort „Stern“, mhd. „stern[e], sterre“, althochdeutsch „sterno, sterro“, niederl. „ster“, was auf die indogermanische Wurzel „*ster-“ („Stern“) zurückgeht.
Denkbar ist, daß der ältere „Stern-Begriff“ mit der „-str-“-Endung zusammenfiel. Das führt zu der Übersetzung „Egge-Sternen-Steine“ („die Sternen-Steine des Egge-Gebirges“), statt der Kurzdeutung „Egges-Steine“ („die Steine des Egge-Gebirges“ oder „spitze Steine“, „eichenbestandene Steine“). Wir haben hier bereits einen Hinweis darauf, daß diese Felsen mit den Sternen bzw. Sternbeobachtungen in Verbindung stehen.
Im 17. Jh. leitete der Gelehrte Johann Piderit den Namen der Steine von der mittelniederdeutschen Bezeichnung „Egester“ für „Elster“ ab, die denselben Wortstamm hat wie „Egge“, und deutete sie als „Elsterfelsen“4:
Da die Elster ein bekanntes Hexentier ist, Elstern aber an den Felsen gar nicht nisten, kann „Elsterfelsen“ auch „Hexenfelsen“ bedeuten. Da im Schwedischen die Elster „Skata“ heißt, hat Schierenberg die Externsteine mit der Göttin Skadi und ihrer Burg Thrymheim zusammengebracht.
Schon 1564 hatte Hermann Hamelmann in seinem Werk „Delineatio Oppidorum Westfaliae“ geschrieben5:
»Horne oppidum campos et agros iucundos habet, et ex vicina rupe picarum, antiquo monumento, cuius veteres scriptores mentionem fecerunt, claret; legi aliquando, quod ex rupe illa picarum, idolo gentilitio, fecerit Carolus magnus altare Deo sacratum et ornatum effigiebus apostolorum.«
Er hatte die Steine also lateinisch „Rupis picarum“ („Fels der Elstern“) genannt. Nach seiner Darstellung muß das Kreuzabnahmerelief aus der Zeit von Karl, also nach 772 stammen. Die alten Schriftsteller, auf die er sich beruft, sind unbekannt und nicht mehr erhalten. Deswegen muß diese Behauptung Hamelmanns nicht falsch sein, wir können sie heute nur nicht weiter nachprüfen.
Tatsächlich sind die Wörter „Egge“ und „Elster“ verwandte Begriffe, wie ich oben darlegte; und damit ist es eine Interpretation, wie man den Namen deutet. Man kann also nicht von „richtig“ oder „falsch“ sprechen.
1750 ist der Name „Eostrae Rupes“ überliefert, der sich auf die Göttin Eostre oder Ostara (mutmaßlich ein Name der Göttin Frova/Freyja), bezieht. Tatsächlich finden wir Hinweise, daß Eostar an den Felsen einst verehrt wurde, was bekannt war und zu dieser Namensdeutung geführt hatte. Denn schon in der Chronik des Meinberger Pastors Friedrich Christoph Pustkuchen (gest. 1775) von 1762 heißt es6:
Zuweilen wird behauptet, die Göttin Ostara / Eostre sei eine von Jacob Grimm (17851863) vermutete und erfundene Frühlingsgöttin, doch diese Erwähnung entstand bereits 23 Jahre vor der Geburt von Jacob Grimm.
Die Chronik beweist, daß noch 1762 hier heidnischer Kult geübt wurde, denn ein weltliches oder kirchliches Osterfeuer kann hier nicht gemeint gewesen sein, darüber hätte sich der Pastor kaum erregt. Dazu paßt auch, daß im Kloster Corvey ein uralter Eostar-Segen erhalten ist, dessen erste Zeile schon bei Nikolaus Hocker7 zitiert wurde, und im Dom zu Paderborn das bekannte Drei-Hasen-Fenster prangt (Abb. 4, rechts); diese drei Hasen hat man in den Mondflecken gesehen und sie beziehen sich auf die Göttin Eostar (Ostara).
Noch heute kann man einen großen, nach links gekehrten Hasen im Nest, der ein Ei trägt, zu Ostern in den Flecken des Vollmondes erkennen, siehe Abb. 4, links. In anderen Jahreszeiten ist die Mondscheibe etwas gedreht und daher deutet man die Flecken dann anders. So ist der Osterhase keine menschliche Erfindung, sondern zu Ostern tatsächlich in den Mondflecken zu sehen.
Wenn man sich den Hasen im Monde genauer ansieht, kann man drei Hasen erke...