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Bilder aus der deutschen Vergangenheit
Die Geschichte Deutschlands anschaulich erklärt
- 1,374 Seiten
- German
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Bilder aus der deutschen Vergangenheit
Die Geschichte Deutschlands anschaulich erklärt
Über dieses Buch
Gustav Freytag zeichnet in seinem Geschichtsklassiker »Bilder aus der deutschen Vergangenheit« die Zeit vom Mittelalter bis zur Märzrevolution 1848 nach. Freytag vermittelt auf anschauliche Art die großen geschichtlichen Zusammenhänge. Besonders prägnant stellt Freytag die kulturgeschichtlichen Fortschritte dar, etwa die Entwicklung von Märkten, Städten, Klöstern, Kunst, und Medizin. Die »Bilder aus der deutschen Vergangenheit« erschienen zwischen 1859 und 1862 ursprünglich in fünf Bänden, die in dieser Ausgabe vollständig enthalten sind: Band 1: Mittelalter und VölkerwanderungBand 2: Zeit vom Mittelalter bis ca. 1500Band 3: Buchdruck, Reformation, LutherBand 4: Dreißigjähriger KriegBand 5: Aufklärung und Revolution 1848
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Information
1. Aus dem Klosterleben
Im zehnten Jahrhundert
Das älteste Mönchstum. – Hilarion. – Irische Mönche. – Die Benediktiner und der Einfluß der Angelsachsen. – Gründung eines Klosters, seine Reliquien und seine irdischen Gönner. Bau der alten Klöster. – Tätigkeit der Benediktiner. – Landbau, Schule, Handschriften. – Aristokratismus der alten Klöster. – Einwirkung der lateinischen Bildung auf die Laien. – Das Leben im Kloster; Kampf mit den Gelübden. – Die Frauenklöster. – Hroswitha. – Kurze Probe aus ihrem Drama Paphnutius. – Das Liebeskonzil im Kloster. – Verfall und Bedeutung der Benediktiner. – St. Gallen. – Bericht Ekkehards IV. aus den Schicksalen von St. Gallen: der Ungarneinfall, Graf Udalrich und Wendilgard und ihr Sohn Abt Purchard; Ekkehard der Hofmann und die Herzogin Hadawig. – Geschichtsschreibung in den Klöstern
Von Klöstern und Bischofsitzen verbreitete sich eine Bildung, die in ihrer Literatur noch fast ganz lateinisch, in ihren praktischen Forderungen fast ganz deutsch war. Mit neuer Kraft betätigte der Christenglaube seine Macht als Kulturträger. Allerdings auf eine Weise, welche uns fremdartig erscheint; denn es war Fügung, daß gerade die Richtung, welche unserer Bildung am wenigsten heimisch ist, die weltverachtende Aszese, den Völkern des Mittelalters weltliche Kultur und irdisches Heil begründen sollte.
Christus und die Apostel hatten nicht in der Einsamkeit härenes Gewand getragen, sondern ihr Leben darangesetzt, Lehrer der Völker zu werden. Aber aszetischer Eifer, in dem jüdischen Glauben wie in den heidnischen Kulten des Orients seit alter Zeit geschäftig, drang auch in die milde Christenlehre.
Aus den sittenlosen Städten Ägyptens, wo uralte Superstition sich mit griechischen und orientalischen Kulten widerwärtig gemischt hatte, wo raffinierte Sinnlichkeit auch die Christgläubigen verdarb, zogen sich die frommen Büßer hinweg in die Wüsten längs dem Niltal. Dort am Saum der bewohnbaren Welt errichteten sie ihre Zellen, um darin betend zu kauern, oder einen Säulenschaft, um zu Gottes Ehre darauf zu stehen.
Wer jetzt das Leben eines dieser Heiligen, wie es von seinen Verehrern aufgezeichnet ist, überschaut, wird widerwillig die große Hingabe an die Gottesidee anerkennen, aber auch einen Schauder nicht überwinden vor der furchtbaren Einseitigkeit solcher Devotion. Als Knabe wurde Hilarion von heidnischen Eltern nach Alexandrien in die Lehre eines Grammatikers gegeben, aber den Knaben trieb der Ruf des heiligen Antonius zu diesem in die Wüste. Er blieb einige Monate bei ihm als bewundernder Schüler; doch der Zudrang der Menschen und die Wut der Besessenen, welche um den großen Exorzisten brüllten, wurde dem Knaben zuviel, er kehrte nach Palästina zurück, verteilte die Habe seiner gestorbenen Eltern unter die Armen und ging, fünfzehn Jahre alt (um 310), in eine Einöde unweit dem Strande, die durch Räuber unsicher gemacht wurde. Er war ein zartes Kind, anfällig gegen Witterung, seinen Leib hüllte er in einen Sack, außerdem hatte er einen Überwurf von Fellen und einen Bauernmantel; so hauste er zwischen Meer und Sumpf, seine Tageskost waren fünfzehn Datteln, die er nach Sonnenuntergang aß, keine Nacht schlief er der Räuber wegen an derselben Stelle. Er sah Gesichte, Gestalten in Kriegswagen, welche über ihn wegfahren wollten und vor ihm in die Erde verschwanden, hörte Geschrei und Gebrüll von Geistern und dämonischen Tieren. Da dem Unschuldigen doch lüsterne Bilder kamen, so entzog er sich noch von der dürftigen Kost, arbeitete mit dem Grabscheit und flocht Binsenkörbchen. Gegen Sonne und Regen baute er sich eine Zelle, so klein, daß gerade nur sein Leib hineinging, einem Sarge ähnlicher als einer Wohnung. Das Haar schor er einmal im Jahre, am Ostertag; sein Lebtag schlief er auf einem Binsenlager; den Sack, den er einmal umgetan hatte, wusch er nie, weil Sauberkeit im Büßerhemd überflüssig sei; auch das obere Kleid wechselte er nie, bis es ganz zerrissen war. Er betete, sang Psalmen und sprach sich die Worte der Heiligen Schrift vor. Mit seiner Kost wechselte er nach den Jahren: durch drei Jahre aß er ein kleines Maß Linsen, die er in kaltem Wasser gequollen hatte, wieder drei Jahre trockenes Brot und Salz, wieder drei Jahre nur wilde Kräuter und Wurzeln; als er später fühlte, daß sein Augenlicht abnahm und die Haut an seinem ganzen Körper schuppig wie Bimsstein wurde, setzte er etwas Öl zu seiner Gemüsekost. Einst kamen Räuber, die von ihm gehört hatten; ihnen sagte er: »Ich bin nackt«; als sie antworteten: »Du kannst doch getötet werden«, versetzte er ruhig: »Ich kann, ja ich kann, ich bin bereit zu sterben«. Der Ruf seiner Frömmigkeit drang durch das Land, die Leute zogen zu ihm und flehten in der Not um sein Gebet, denn sein Gebet wirkte Wunder, heilte Kranke und vertrieb den Teufel, sogar aus einem ungeheuren baktrischen Kamel, das viele Menschen umgebracht hatte und von mehr als dreißig Männern an dicken Stricken zu ihm geführt wurde, er ließ es losbinden, und das Kamel stürzte kraftlos zu seinen Füßen nieder. Auch andere Einsiedler gesellten sich zu ihm, es wurde eine fromme Genossenschaft in der Wüste; aus weiter Ferne suchten Besessene seine Wunderkraft, unter diesen auch ein vornehmer Deutscher aus Byzanz. Ihm aber wurde der Zudrang der Menschen lästig, er fiel in Schwermut, weinte und sehnte sich nach seiner früheren Einsamkeit, die Gesellschaft der Büßer erschien ihm wie ein Kerker. Durch flehentliches Bitten suchte ihn die ganze Gegend zurückzuhalten; endlich zog ein großer Haufe mit ihm aus, er aber wählte vierzig Mönche, welche den Tag über wandern konnten, ohne zu essen, und entließ das übrige Volk. Er besuchte die Heiligen in den Städten Asiens und die Einsiedler in der Wüste und auf den Bergen; überall entfernte er sich wieder, durch den Zulauf der Menschen erschreckt. Endlich setzte er sich zu Schiff, kam nur mit einem Knaben nach Sizilien und bezahlte die Reise mit seinem Evangelienbuch; auch dort ging er, bereits ein alter Mann, an eine wüste Stätte, sammelte alltäglich Holz und schaffte es auf dem Rücken des Knaben nach der nächsten Stadt, um dafür Speise zu erhalten. Unterdes suchte einer der treuesten Schüler den großen Heiligen durch alle Länder, endlich erfuhr er in Sizilien, daß ein alter Jude in der Einöde Holz sammle. Er eilte zu ihm, warf sich ihm zu Füßen und wurde endlich von ihm aufgenommen.
Allein sogleich litt es den Alten nicht mehr in der Gegend; er fuhr nach Dalmatien, wo er fremd war; auch dort verriet ihn seine Wunderkraft. Denn wo er hinkam, schrien die Teufel ängstlich, daß Hilarion da sei, überall strömten die Menschen zu, und immer wieder dachte er auf Flucht. Endlich zog er nach Ägypten in eine grausige Einöde, zu einem Berge, den man kaum auf Händen und Füßen kriechend ersteigen konnte. Dort fand er Bäume und Wasserquellen und die Trümmer eines Heidentempels, um welche Tag und Nacht ein Heer böser Geister brüllte. Da freute er sich sehr, daß er seine Gegner in der Nähe hübsch beisammen hatte, und blieb dort fünf Jahre in hohem Greisenalter. Jetzt war er wieder allein, nur zuweilen kroch sein treuer Schüler zu ihm hinauf. Endlich störten ihn auch dort wundersuchende Fromme; die letzten fanden ihn sterbend. Er hatte einen Brief geschrieben an seinen Freund Hesychius und diesem seine Schätze vermacht, nämlich sein Evangelium, den Sack, den er auf dem Leibe trug, und die Mönchskutte. Seine letzten Worte waren: »Geh hinaus, meine Seele, was fürchtest du dich? was zauderst du?«
Es lag im Wesen der Zeit, genau die heiligen Muster nachzuahmen. Das Leben des heiligen Antonius, des heiligen Hilarion wurde für Hunderte ein Vorbild, und die Gestalten dieser großen Büßer die Ahnen aller Mönchsgenossenschaften im Morgen- und Abendland. Denn um die Zellen leidenschaftlicher Büßer erheben sich zahlreiche Hütten Frommer, welche gleich ihnen die arge Welt verlassen hatten, um in Entsagung dem Herrn zu dienen. Durch kluge Führer wurden diese zu einer sozialistischen Genossenschaft vereinigt, welche in der Einsamkeit zuerst den notdürftigen Lebensunterhalt aus dem Boden zog, bald neben den Andachtsübungen andere, Gott wohlgefällige Arbeit übte, zuströmende Arme und Kranke pflegte und die Kenntnis der Heiligen Schrift durch ihre Schreibekunst vermehrte. Ein strenges Gesetz regelte das Zusammenleben der Frommen; [...] und sie hielten ihr kleines Reich durch Zaun und Klausur von der Welt geschieden.
In Europa erlangten diese frommen Gesellschaften zuerst eine merkwürdige Bedeutung auf der entlegensten Weltinsel, in Irland. Sehr früh mußte das Mönchstum aus Ägypten dorthin gedrungen sein. In dem keltischen Volk von feurigem Sinn und leicht erregter Phantasie bildeten sich auf den Gebieten kleiner Landesherren tätige Genossenschaften von entsagenden Frommen, welche im Gottesfrieden das Land bauten, Gewerbe trieben und heilige Bücher kopierten. Uns ist überliefert, daß um das Jahr 600 das Kloster Bancor an der Grenze von Cornwallis sieben Abteilungen Mönche, jede von 300 Mann unter einem Vorsteher, gehabt habe. Sie lebten nach alter Regel und erkannten die Autorität des römischen Bischofs nicht an. Einst war die Mehrzahl von ihnen bei einem Kampf mit dem halb heidnischen, halb katholischen Angelsachsen in geschlossener Schar ausgezogen, um während der Schlacht gegen die Fremden zu beten. Der König Edilfried sah sie auf einem Hügel stehen und rief: »Wenn sie gegen uns zu ihrem Gott schreien, so schaden sie uns durch ihre Bitten, sie sind auch ohne Waffen unsere Feinde.« Und er ließ 1200 derselben niederhauen, nur fünfzig retteten sich durch die Flucht. Aus Bancor zog um 590 Columban nach dem Süden, den weltlich gesinnten Franken die Lehre der Entsagung zu verkünden, und wie er Haufen seiner Landsleute. Vom sechsten bis zwölften Jahrhundert bewahrten die irischen Mönche einen Wandertrieb wie sonst nur Germanen, sie pilgerten durch das ganze Abendland, gründeten überall Einsiedeleien und kleine Mönchsgenossenschaften und setzten sich fast in allen Klöstern fest.
Es waren Männer von altertümlicher Strenge und Einfalt, oft heftige und gewaltsame Naturen; sie lehrten in den Klöstern Frankreichs und Deutschlands, was sie von heimischer Kunst mitbrachten. Denn sie waren eifrige Musiker, zumal auf der Harfe, und große Künstler im Schreiben und Bilderzeichnen, die seltsamen Formen ihrer Arabesken und Initialen in erhaltenen Manuskripten verraten noch die alte Verbindung mit den Eremiten des Orients. Sie waren auch praktische Leute als Ackerbauer und Baumeister und verstanden viele geheime Künste des Fischfanges, welche die süddeutschen Mönche von ihnen lernten und noch Jahrhunderte später mit besonderer Freude anwandten. Selten reisten sie anders als truppweise. Sie führten lange Stöcke, lederne Quersäcke und Flaschen, trugen wallende Haare und waren häufig nach nordkeltischer Sitte an einzelnen Teilen des Leibes, zumal an den Augenlidern tätowiert. Als sie ihre Wanderfahrten begannen, waren sie noch nicht römisch-katholisch, aber sie wurden in den Germanenklöstern des Kontinents als geehrte Gäste freundlich empfangen, in der Folge, selbst als sie die Benediktinerregel angenommen hatten, nicht immer gut behandelt. Ihre Bedeutung für die Kultur des Mittelalters ist nicht gering anzuschlagen, denn fast überall fachten sie die ersten Funken christlicher Bildung in den Klöstern an. Aber in Wesen und Bräuchen blieb ihnen etwas Fremdländisches. Von ihnen stammen die Schottenmönche, welche in den Kreuzzügen noch einmal Bedeutung gewannen.
Unterdes war von Italien aus das Klosterleben in anderer Weise reformiert worden. Benedikt von Nursia gab den Mönchen auf Monte Cassino um 529 eine Regel, welche Vorbild für das gesamte Abendland wurde. Es war die germanische Idee der Gefolgeschaft, welche er in seiner Gesellschaft ausbildete; unter einem Häuptling, dem Abt, standen im Dienst des großen Himmelsherrn oder seines Heiligen die frommen Mannen in drei Abstufungen, wie Germanenbrauch war, als Priester, Diakonen und Knappen (pueri). Durch die drei Gelübde der Armut, des Gehorsams und der Ehelosigkeit waren sie an den Herrn gebunden; sie hatten außer dem geistlichen Dienst auch die Bundespflicht, Schüler zu unterrichten und mit der Hand zu arbeiten. In dieser Regel erblühte das Mönchsleben zuerst bei den neu bekehrten Angelsachsen. Während Kenntnis der Schrift und Literatur unter den letzten Merowingern gering wurden, war in den Klöstern der Angeln die größte Gelehrsamkeit jener Zeit, eine reine begeisterte Hingabe an die heilige Wissenschaft und emsiges Abschreiben aller wertvollen Bücher. Von Pippin Heristal bis auf Karl den Großen bewahrten Angelsachsen fast das gesamte Wissen, durch welches spätere Jahrhunderte gebildet wurden. Und wie 200 Jahre früher die Iren, so zogen seit dem achten Jahrhundert die angelsächsischen Mönche von ihrer Insel nach dem Süden als die großen Lehrer und Kulturträger des Abendlandes, mit Bonifazius und Alkuin andere in ungezählter Menge; sie gründeten überall Klöster, tauften die Heiden, besetzten Bischofstühle, wurden Ratgeber und Erzieher der Fürsten und der Völker.
Wollte ein deutscher Landesherr ein Kloster gründen, so verständigte er sich mit den Mönchen eines bestehenden Mutterklosters. Dann wurde der Platz sorgfältig überlegt, vielleicht war es ein alter Tummelplatz heidnischer Dämonen in tiefem Wald, wie bei Gandersheim, oder eine günstige Kulturstelle wie bei der zweiten Anlage (822) von Corvey, der Tochter des französischen Klosters Corbie. – Ackerscholle, Quell und Teich, das Gestein und Sonnenlicht auf Wald und Hügel, die Straße, der Ausblick in das Land und die Nachbarschaft wurden sorglich erwogen, Brüder wurden als Späher ausgesandt, bei den Frommen der Umgegend ward Kunde eingeholt, dann erst wurde eine Gesellschaft der Brüder abgesandt zur Gründung des Klosters. Die Gesandten begingen Flur und Tal, darauf knieten sie nieder, beteten und sangen die Psalmen, welche zu diesem Offizium gehörten, warfen die Richtschnur, steckten die Pflöcke und maßen den Grund der Kirche, dazu die Wohnungen der Brüder. Schnell wurden vorläufige Hütten gebaut, und der Bischof ward geladen, die Stätte zu weihen; an die Stelle, wo der Altar sich erheben sollte, wurde die heilige Kreuzfahne gesteckt, von dort die geweihte Umfriedung mit einem Namen begabt. An demselben Tage begann der Bau, die Mönche arbeiteten mit den Landleuten um die Wette an Balken und Steinen. Waren die nötigsten Gebäude aufgerichtet, dann siedelten die Brüder aus dem Mutterkloster über mit allem Hausrat, Männer, Greise und Knaben, sie begingen unter dem Notdach die erste Messe. Stand die Kirche vollendet, dann führte der Abt des neuen Klosters eine größere Anzahl der Brüder herzu. Ihm und den weltlichen Stiftern lag ob, die unentbehrliche Grundlage für das Gedeihen der neuen Stiftung, die Reliquien, zu finden.
Bescherte das Glück die Reliquien eines freundlichen Heiligen, welcher starke Neigung erwies, Wunder zu tun, so wurde die Übersiedelung seiner Gebeine der große Festtag des Klosters. Mit Weihrauch, Kerzen und Reliquien zog psalmensingend die Brüderschaft des Klosters ihm entgegen. Die Vornehmen und das Volk der Umgegend sammelten sich, zahllose Kranke wurden herzugetragen, Zelte erhoben sich rings um den Klosterzaun, und während das Gefäß mit den heiligen Überresten in der Kirche aufgestellt wurde, sangen die Männer und Frauen draußen in getrennten Chören das Kyrieeleison. Gesang und Gebet wechselten die ganze Nacht, die Aufregung wurde groß, zwischen die Lärmenden und Knienden auf der Wiese stürzte zuweilen ein Mönch oder ein Landmann mit der Verkündung eines neuen Wunders, das der Heilige soeben an einem der eindringenden Kranken getan. Jede solche Botschaft steigerte die Begeisterung und Opferlust der Menge. Unterdes war im Hause des Abtes festliche Bewirtung der Vornehmen und viel Heben der Becher, und der Bruder Küchenmeister geriet in Eifer und rief seinen Knaben zu: »Rasch, sputet euch, denn unser Heiliger wird gleich wieder ein Wunder tun.« – Aber schon um das Jahr 1000 gab es viele Zweifler, welche an die verkündeten Wunder nicht glauben wollten, und in der Tat lief für jene Zeit sichtbarer Betrug mit unter. Ein gewissenhafter Geistlicher hatte Wundertaten nicht zu suchen, sondern abzuwehren, denn Männer und Weiber machten ein Gewerbe daraus, an Kirchenfesten geheilt zu werden als Blinde, Lahme usw.; wer sich mit solchen Landläufern einließ, die bereits hundertmal geheilt waren und als Wunder berichteten, was sie gaukelten, hatte den Schaden. Und dergleichen Volk trieb sich überall umher. Auch die heiligen Gebeine liebten es, als Spezialitäten ihre Wunderkraft zu äußern, d. h. vorzugsweise in gewissen Leiden nützlich zu sein; das eine heilte mit größerer Kraft Lähmungen und verbogene Glieder, ein anderes Kröpfe, das dritte fallende Sucht, ein anderes war mächtig gegen Feuerschaden, Donner und Blitz. Und solche Vorliebe des Heiligen für einzelne Interessen der leidenden Menschheit war auch dem Kloster nützlich.
Gab der heilige Patron dem Kloster Ansehen, so war der Schutz der irdischen Gönner nicht weniger förderlich. Bedeutung und Wohlstand eines Klosters hingen davon ab, daß eine große Herrenfamilie ihre Interessen mit denen des geistlichen Stiftes vereinigten. Die weltlichen Gründer und Schützer: das Königsgeschlecht, ein Herzog oder Graf, betrachteten das Kloster als einen wertvollen Helfer für ihr irdisches und ewiges Heil. Durch die Mönche ordneten sie ihre Rechnung mit dem Himmel, der Klosterheilige war auch ihr Patron, ihm wurden Gelübde abgelegt, ihm bei beschwertem Gewissen Geschenke gemacht, ihm die Söhne und Töchter geweiht, welche nicht der weltlichen Lust und Versuchung teilhaftig sein sollten, an seinem Altar suchte man Frieden und Erhebung, bei seinen Reliquien die letzte Ruhestätte. Fast jedes der großen Klöster Deutschlands, welche vom achten bis elften Jahrhundert Bedeutung gewannen, war in solchem Sinne Besitz eines mächtigen Hauses und Vertreter seiner Interessen. Und es wurde in der Regel ein Verhältnis von großer Innigkeit. In der Einsamkeit des Klosters fand der wilde Krieger, der ränkevolle Politiker eine heilige Ruhe, welche ihm sein Leben nicht gönnte, in den Mönchen die treuesten Anhänger, die ihn als den großen Spender und Freund betrachteten, in den Weisen des Klosters stille Ratgeber, Verfertiger von Schriftstücken – zuweilen auch von unechten – und Verfasser der Annalen seines Hauses. Die Äbte wurden häufig aus seinem Geschlecht gewählt, unter den Brüdern oder Schwestern waren Kinder seiner Anhänger, er und die Seinen hatten im Kloster eine geweihte Heimat, und wenn ihr Glück auf Erden gescheitert war, die letzte Zuflucht.
Durch Spenden der Gönner mehrte sich allmählich das Eigentum des Klosters, seine Ackerstücke und Hufen lagen vielleicht über einen großen Teil Deutschlands verstreut, die Kultur der nahe liegenden Besitzungen wurde vom Kloster aus geleitet und die Klöster deshalb auch Wirtschaften im großen Stil.
Das Kloster selbst war eine kleine Stadt. Mittelpunkt die Kirche des Heiligen, an diese lehnten sich durch besondere Umfriedung eingehegt die Gebäude der Klausur: Schlaf- und Vorratsräume der Brüder, ihre Bibliothek, ihr Arbeitshaus, die innere Schule, der ansehnliche Speise- und Beratungsraum mit Kreuzgang. Außerhalb der verbotenen Räume aber lag eine ganze Welt von verschiedenartiger Tätigkeit eng zusammengeschachtelt in niedrigen Gebäuden, welche oft nach antiker Weise kleine Hofräume umschlossen. Dort war die stattliche Abtswohnung als Palast mit eigener Wirtschaft und Küche, dann die Außenschule, Gasthäuser für reisende Brüder, für Vornehme und für gewöhnliche Leute, die letztern mit gutem Grund ohne Ofen und Feuerstätte – ferner Krankenhäuser, dabei die Wohnung und Apotheke des Bruders Arzt. Dann die Werkstätten der Handwerker und Künstler, der Goldschmiede, Schwertfeger [*] [baut Schwerter und Seitengewehre zusammen und poliert sie; allg. Waffenschmied] , Sattler usw., sämtlich kleine Arbeitsräume mit Schlafzellen daneben. Endlich die Gebäude einer großen Landwirtschaft: Viehställe, Knechtwohnungen, Scheuern, Brauerei, Vorratsräume, Hühner- und Geflügelhöfe und Gärten für Blumen und Arzneikräuter und für Gemüse, als die gewöhnliche Kost der Mönche, zuletzt der Kirchhof als Obstgarten. Die Gebäude und einzelnen Anlagen waren durch kleine Gassen und Stege, durch Hecken oder Mauern geschieden; dieser ganze Wabenbau der geistlichen Bienen nach außen eine viereckige abgeschlossene Anlage, mit Pfahlwerk und Graben, später auch mit Mauern und Türmen kastellartig umschanzt. In dieser Klosterstadt waren die Mönche nur kleine Minderzahl, aber auch Dienstleute, Arbeiter, Schüler, Knechte und Gäste mußten sich der strengen Ordnung fügen, welche außerhalb der Klausur galt. In der Nähe endlich lag das Dorf mit pflichtigen Landleuten und darin andere Handwerker und Diener des Klosters und unweit die Burg eines reisigen Dienstmannes, welchem der nächste kriegerische Dienst und Schutz seiner Patrone oblag. Er war vornehmen Brüdern verwandt und ohne Zweifel einer der wohlhäbigsten Landgenossen.
Nächst den Meiereien des Königs waren die Klostergüter damals am sorgfältigsten bewirtschaftet; in den Gärten der Mönche hat die deutsche Sonne zuerst den Pfirsichen und Aprikosen rote Bäckchen gemalt, die weiße Lilie und die volle Rose der Römer wurden hier zuerst bewundert und in den lateinischen Versen zum Schmuck himmlischer Schönheit verwandt. Trotz der strengen Regel verstanden die Brüder auch für die seltenen Tage eines Konviviums und für den Tisch ihres Abtes gute Dinge zu bereiten, Kochkunst und Pflege des Weines wurden mit derselben pedantischen Sorgfalt geübt, welche alle Tätigkeit der alten Klöster bezeichnet. Aber auch höherem Künstlertalen...
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