Verdi und das Fremde
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Verdi und das Fremde

Soziale Schichtungen und Außenseiterrollen in Verdis Opern

  1. 120 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Verdi und das Fremde

Soziale Schichtungen und Außenseiterrollen in Verdis Opern

Über dieses Buch

Die von Katja Nadler angestellte Untersuchung zu "Verdi und das Fremde" ist eine der wenigen Arbeiten, die sich in einer leicht verständlichen Wissenschaftssprache und doch unterlegt mit solide recherchiertem Faktenmaterial mitteilt. Sie dient damit nicht nur den Kennern im engsten wissenschaftlichen Rahmen als Information, sondern vor allem denen, die sich aus einem weiteren Interesse heraus mit Themen der historischen und aktuellen Aufführungspraxis bis hin zur Sozialgeschichte Mitteleuropas im Allgemeinen auseinandersetzen. Aussenseiterrollen in Verdis Opern stellen in diesem Zusammenhang eine Parallele zum "Fremden" in der Lebenswelt zu Zeiten Verdis dar, die sich nicht linear, sondern vielschichtig und oft widersprüchlich entwickelten. In einer Zeit, in der das Fremde in jedweder Gesellschaft zur Alltäglichkeit wird und zugleich streng stereotypisiert zu sein scheint, sind sowohl Thema als auch Forschungsansatz von aktueller Bedeutung für die weitere Entwicklung der Musikwissenschaft.

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1. Giuseppe Verdi und seine Zeit

1.1 Sein Leben – seine Werke

Giuseppe Verdi ist am 10. Oktober 1813 in Le Roncole nahe der Kleinstadt Busseto geboren.1 Seine Eltern besitzen ein Wirtshaus und ein Stück Land. Damit haben sie einen hohen Lebensstandard, verglichen mit der restlichen Bevölkerung in ihrer ländlichen Gegend.2
Verdi zeigt schon in seiner Kindheit großes musikalisches Talent. Sein Vater kauft ihm ein Spinett und er erhält Orgelunterricht bei dem örtlichen Organisten, dessen Amt er bereits mit neun Jahren übernimmt.
Im Jahre 1823 beendet Verdi die Volksschule und wechselt auf das Gymnasium in Busseto. Zu den damaligen Schulfächern gehören Philologie, Naturwissenschaften und Mathematik.3 Musikunterricht erhält Verdi in der Musikschule bei Ferdinando Provesi. In dieser Zeit entstehen bereits zahlreiche seiner Kompositionen: Märsche, Trios, Konzerte und geistliche Werke.4
Provesi führt Verdi in die Kirchenmusik und die Werke der Klassik ein. Schnell erkennt er das Talent des jungen Verdi und macht deutlich:
„Wisset, mein Junge, wenn Ihr Euch beim Unterricht weiter so anstrengt wie bisher, dann werdet Ihr ein ausgezeichneter Maestro werden […] wegen Eurer grenzenlosen Liebe zur Musik.“5
Verdi schließt die Schule 1827 mit dem Abitur ab. Bis 1829 nimmt er Unterricht bei Provesi. Sein Wunsch ist es, seine musikalische Laufbahn am Mailänder Konservatorium weiterzuführen. Finanzielle Unterstützung erhält er von Antonio Barezzi, dem Präsidenten der Philharmonischen Gesellschaft in Busseto, der auf Verdis Talent aufmerksam geworden ist.
Im Juni 1832 reist Verdi zur Aufnahmeprüfung nach Mailand. Er wird aber mit der Begründung abgelehnt, er habe kein Talent für die Musik und zudem das Mindestalter überschritten.6 Weiter heißt es im Protokoll:
„Der Klavierlehrer […] war der Meinung, oben genannter Verdi müsse seine Handhaltung ändern, was, so sagte er, im Alter von 18 Jahren schwierig sei, dass er bei sorgfältigem und geduldigem Studium der Regeln des Kontrapunktes imstande sein wird, die eigene Phantasie, die er zu besitzen scheint, so weit zu zügeln, dass aus ihm ein annehmbarer Komponist werden könnte.“7
Verdi bleibt dennoch in Mailand und nimmt Privatunterricht bei Vincenzo Lavigna, einem Orchestermusiker der Mailänder Scala.8 Im Frühjahr wird Verdi der Mailänder Philharmonischen Gesellschaft vorgestellt und darf sofort das Dirigat eines Chores übernehmen. Hier schließt er wichtige Kontakte für seine weitere musikalische Laufbahn.
Nachdem Verdi seine Studien 1835 beendet hat, geht er zurück nach Busseto, um sich für die Stelle des städtischen Musikdirektors zu bewerben. Es kommt zu einem Streit, in den die ganze Stadt miteinbezogen wird: Die politisch Konservativen bevorzugen einen anderen Kandidaten, Giovanni Ferrari, als Musikmeister, während die Liberalen hinter Verdi stehen. Ein Wettbewerb wird für die Stelle ausgeschrieben. Nachdem Ferrari nicht erscheint, wird Verdi städtischer Musikdirektor.9
Am 4. Mai 1836 heiratet Verdi Margherita Barezzi, mit der er schon seit 1832 als verlobt gilt. 1837 bekommt das Ehepaar eine Tochter, der ein Jahr später noch ein Sohn folgt.
Mehr und mehr sieht Verdi seine Zukunft als Opernkomponist. Deshalb siedelt die Familie im Spätsommer 1839 nach Mailand über.
Ein befreundeter Impresario hat Verdi bereits 1835 ein Libretto zur Verfügung gestellt. 1839 beendet Verdi die Oper, welche den Namen Oberto trägt. Im gleichen Jahr unterschreibt er einen Vertrag mit der Mailänder Scala, die sein Werk aufführen möchte. Zur damaligen Zeit sind die Programme der Opernhäuser immer auf Neuheiten aus. Zudem sorgen Werke unbekannter Komponisten für Gesprächsstoff und ziehen das Publikum an. Die Premiere von Verdis Debütstück findet am 17. November 1839 mit großem Erfolg statt; kurze Zeit später tritt die Oper ihren Siegeszug durch Europa an.10
Drei weitere Aufträge folgen: Die Verwechslungskomödie Un giorno di regno hat am 5. September 1840 Premiere. Der Erfolg bleibt jedoch aus. Es gibt zwei Gründe für den Misserfolg der Oper. Zum einen sind in der Zeit kurz vor Verdis Kompositionsbeginn sein Sohn und seine Frau gestorben, seine Tochter bereits ein Jahr zuvor. Es scheint offensichtlich unmöglich, vor diesem Hintergrund eine Opera Buffa zu schreiben. Zum anderen versucht Verdi, das komische Sujet in die Form der tragischen Oper zu zwängen. Er komponiert Arien statt verspielte Romanzen oder Arietten.11
Der zweite Auftrag ist die Vertonung des Librettos zu Nabucco, die am 9. März 1842 mit triumphalem Erfolg uraufgeführt wird. Der Gefangenenchor wird zur Hymne der liberalen Einigungsbewegung Italiens. Die Hauptrolle der Abigaille wird von der berühmten Sängerin Giuseppina Strepponi gesungen. Verdi sagt später über Nabucco:
„Man kann wahrlich sagen, dass mit dieser Oper meine künstlerische Laufbahn begann.“12
Nach dem Erfolg von Nabucco wird Verdi bewusst, dass Musik Einfluss auf die Gesellschaft nehmen kann – er als Einzelner kann durch sein Schaffen etwas bewegen.
Die nächste Oper steht ganz im Zeichen dieses neuen Bewusstseins.13 Am 11. Februar 1843 wird I Lombardi alla prima crocciata mit Triumph uraufgeführt. Verdi wird schnell bekannt. Mehrere seiner Chöre aus Nabucco und I Lombardi werden auf den Straßen als Manifestation des italienischen Patriotismus gesungen.14
Verdi unternimmt seine erste Auslandsreise nach Wien, wo er einer Aufführung seines Nabucco beiwohnt.15
Im Jahr 1843 bestellt das Teatro La Fenice in Venedig eine Oper bei dem namenhaften Komponisten. Auch die Opernhäuser Neapels und Roms geben Aufträge an Verdi. Er komponiert Ernani für Venedig, I Due Foscari für Rom und Alzira für Neapel. Alle werden ein Erfolg.
Verdi ist zu einem angesagten, reichen Komponisten aufgestiegen. Er bewohnt ein Haus im Aristokratenviertel Mailands und verkehrt in den nobelsten und gefragtesten Salons.16
Am 15. Februar 1845 wird Giovanna d´Arco vor einem begeisterten Publikum uraufgeführt. Die Kritiken sind jedoch gespalten.
1846 erkrankt Verdi am gastrischen Fieber, schreibt aber trotz Krankheit seinen Attila. Die Oper feiert am 17. März 1846 Premiere. Danach ist der Name Verdi nicht nur in Italien, sondern auch über die Grenzen hinaus ein fester Begriff.17 Im selben Jahr fährt der geschwächte Komponist zur Kur nach Recoara.
Die Opern Giovanna d´Arco, Alzira und Attila bestätigen mit ihren patriotisch geprägten Inhalten Verdis Ruf als revolutionärer Komponist.18 Es folgen Macbeth und I Masnadieri nach Schillers Werk Die Räuber.
1847 reist Verdi über die Alpen, Deutschland, Belgien, Paris und Brüssel nach London. Hier kommt I Masnadieri am 22. Juni mit mäßigem Erfolg zur Aufführung.
In Paris trifft Verdi die Sängerin Strepponi wieder, die sich nach ihrem Stimmverlust dort als Gesangslehrerin niedergelass...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelseite
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Vorwort der Herausgeberin
  4. Einleitung
  5. 1. Giuseppe Verdi und seine Zeit
  6. 2. Charaktere in Verdis Opern
  7. 3. Fallstudie: La Traviata
  8. 4. Schlussbemerkung
  9. Impressum