Glaubenssätze und ihre Wirkung mit Übungen.
5. Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot verdienen.
Du wirst sehen, es geht um die Frage, ob du Bischof oder Schaf bist. Es geht um deine eigene Entscheidung und um deine Position in der Gesellschaft.
Noch heute sehe ich das angestrengte und sehr verspannte Gesicht der Großmutter vor mir. Vor dem wir Kinder immer Angst hatten als sie uns predigte: „Im Schweiße deines Angesichtes…“. Na ja, du weißt schon. Sie predigte wirklich. Vielleicht hatte sie sich das abgeschaut von den katholischen Pfarrern, denen sie sehr viel seltener beim Predigen zuhörte als sie es von uns Kindern verlangte. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich mich nicht erinnern, sie einmal lächeln oder gar lachen gesehen zu haben. Aber sie war gut im Predigen. Und immer wenn sie uns diesen Spruch um die Ohren gehaut hatte, machte sie sich wieder mit ihrem gehetzten und mit Schweiß überperltem Angesicht auf den Weg, ihren Job als Steuersachbearbeiterin beim Steuerberater Flohr abzuarbeiten. Und immer im Schweiße ihres Angesichtes. Damals war ich noch zu klein zu fragen, ob dieses Ansinnen etwas mit mir zu tun hatte oder mit ihr. Heute, mit der Weisheit eines aufregenden Lebens ausgestattet, habe ich den Verdacht, sie sprach damals von sich selbst. Das hat sie natürlich nie davon abgehalten, einen ungeheuren Druck in ihre Aussage zu legen, die ganze Macht ihrer verschwitzten Autorität einzubringen, uns unmissverständlich klar zu machen, dass sie im Besitz der allumfassenden Wahrheit war, und uns Kinder mit einer heute als kümmerlich entlarvten Machtdemonstration sehr zu beeindrucken. Aber ich bin sicher, dass ich ihr damals alles geglaubt habe. Autoritäten glaubt man eben!
Woher hatte sie das bloß? Und warum schien sie selbst daran zu glauben? Das zu verstehen war ich damals natürlich auch völlig unfertig. Einmal war die ganze Familie krankhaft katholisch. Ich bin sowas von katholisch aufgezogen worden, dass es mir heute manchmal noch graust, obwohl ich das Katholisch sein ganz aus meinem praktischen Leben verbannt habe. Diese geistige Ausrichtung war natürlich immer von den Dogmen geprägt, die die christliche Kirche (und natürlich auch andere der monotheistischen Religionen) in die Welt setzt und damit einen ganz bestimmten Typ von Menschen beeindruckt. Wenn mir einer erzählt, dass eine Jungfrau ein Kind bekommt, und ich weiß, dass Samen-Transplantationen damals noch nicht erfunden waren; und wenn mir dann noch jemand abverlangt, dass diese tolle Jungfrau auch noch physisch in den Himmel aufgefahren ist, kann ich mich heute fragen, ob die noch ganz bei Trost sind. Damals konnte ich es nicht. Damals war ich ein kleines, schwaches Kind. Wir waren also damals in einer großen Tradition gefangen, die etwas mit Glauben und Gehorsam zu tun hatte, nie jedoch mit Mitdenken oder gar Querdenken. Eine große Todsünde, die mit der Hölle bestraft wird. Und der zweite Grund, warum Großmutter so verbiestert daher kam war, dass sie ein klassischer Flüchtling war, der alles verloren hatte. Sie hatte in der Tat gelernt, dass sie im Schweiße ihres Angesichtes ihr Brot verdienen musste, und das möglicherweise auch noch garniert mit einer großen Existenzangst. Da kann man schon mal ins Schwitzen kommen. Man muss es aber nicht!
Irgendwann war ich einmal in der Lage anzuschauen, was da von uns verlangt wurde und von wem. Irgendwann hatte ich mal gelernt, dass Päpste rumgehurt haben, Kinder gezeugt, Wein gesoffen, Kriege führt, möglicherwiese dafür ein bisschen geschwitzt (vor allem beim Kinder zeugen), Intrigen gesponnen, Feinde ermordet, Ablassbriefe verkauft, Immobilien angehäuft, sich mit Kaisern und Könige auf eine Stufe gestellt, und trotzdem oder gerade deshalb von ihren Schäfchen Unterwerfung verlangt haben. Und zwar Unterwerfung auf der ärmsten denkbaren Stufe. „Ora et labora“ haben die Päpste den Mönchen und die Mönchen den Schafen abverlangt. Habe ich irgendwie den Eindruck, einen mittelalterlichen Papst schon mal arbeiten gesehen zu haben? Oder einen Kardinal? Oder auch nur einen einfachen Bischof? Nein, es waren immer die Schafe. Immer waren es die Kleinen und Armen, die mit Hilfe von Arbeit abgehalten werden sollten, nachzudenken und „Um Gottes Willen“ an ihrem Schicksal etwas zu ändern. Das hätte den Machtanspruch einer Kirche und ihrer Repräsentanten sehr erschüttert. Und dann habe ich auch irgendwann mal erfahren, dass die Erzdiözese Köln einer der reichsten Immobilienbesitzer weltweit ist. Und trotzdem betteln die das arme Weiblein um den letzten Cent an, um ihre goldenen Gewänder zu finanzieren. Und auch wenn es jetzt so aussieht, als ob ich ein Katholiken-Feind wäre, bin ich nicht; aber ich habe gelernt mitzudenken. Und ich sehe auch, dass die Macht der großen Kirchen bei den Völkern abnimmt, also haben sie die Politiker für sich vereinnahmt, die dieses Credo jetzt auch rezitieren und predigen. Und die genau das gleiche von uns wollen: „Arbeiten, wie blöd, dabei schwitzen, ja nicht nachdenken, und möglichst nichts verändern“.
Heute ist mir völlig klar, dass der Anspruch „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot verdienen“ immer an die Schafe gestellt wurde, nie an die Bischöfe und Päpste. dein Job ist es zu entscheiden, ob du lieber Schaf sein willst oder Bischof. Ich habe meine Entscheidung getroffen.
Warum ist das aber so, dass dieser unselige Anspruch so unchristlich (ich will jetzt gar nicht über den Islam reden) an uns gestellt wurde? Warum sind die großen Kirchen so interessiert daran, eine Herde von Schafen zu kontrollieren? Klar, weil es in der Bibel steht. Und warum steht es da? Weil die großen Religionen schon immer unmenschliche Machtapparate waren (ich rede jetzt nicht von den echten Seelsorgern, die an der Seite von Menschen stehen), die eine große Masse williger Schafe brauchte, um ihre Pfründe zu retten und ihre Machtposition zu sichern. Du kannst jeden Tag in den Nachrichten erleben, wie viel Macht die Religionen und Kirchen ausüben. Und meistens hat das, was wir sehen gar nichts mit Religion zu tun, sondern nur mit Kirche. An dieser Stelle könnten wir das Thema beiseitelegen und aus der Kirche austreten. Wenn es da nicht noch ein weiteres fatales Problem gäbe.
Unsere Kultur ist ja so stolz darauf, christlich geprägt zu sein. Und diese christliche Prägung haben die Kirchen immer mit Subtilität und Gewalt durchgesetzt. Im Mittelalter wurden weise Frauen bestialisch gefoltert und verbrannt; bei der sogenannten Kultivierung Südamerikas und Australiens wurde alles ermordet, das nicht pariert hat; und bei uns wird zumindest der Staat, der sich im Grundgesetz zur Trennung von Religion und Staat verpflichtet hat, vereinnahmt, die Steuern für die Organisationen einzutreiben. Das alles hat dazu geführt, dass sich Menschen massenweise dieser sogenannten Kultur verpflichtet fühlen, dass sie die Dogmen und Glaubenssätze bereitwillig als ihre eigene Weisheit verstanden haben wollen; und dass sie dich mit missionarischen Eifer verpflichten wollen ihrer Sicht der Dinge zu folgen. Und wenn dir jemand sagt: „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot verdienen“, dann ist da eben eine unumstößliche Wahrheit und du hast dich gefälligst zu fügen. Auch sie werden zweierlei damit erreichen wollen: Einmal werden sie Macht über dich ausüben wollen, und zum Zweiten werden sie von ihrem eigenen kümmerlichen Dasein ablenken wollen. Hast du schon mal jemanden gesehen, der wie ein Irrer arbeitet, dabei fürchterlich schwitzt und gleichzeitig glücklich aussieht? Ich nicht. Und das wollen sie „Sei ja nicht glücklich“, denn das könnte meine eigene Position gefährden, auch egal wie kümmerlich sie ist.
dein Job ist es nun zu entscheiden, ob du kümmerlich sein willst oder groß; ob du schwitzen willst oder glücklich sein; ob du Schaf bist oder Bischof. Und wenn du das entschieden hast, dann kannst du jedem, der dich mit diesem Glaubenssatz konfrontiert sagen: „Geh einfach weiter arbeiten, mach´s um die nächste Ecke rum, damit ich das Drama nicht ansehen muss, und lass´ mich in Ruhe glücklich sein und mein Leben genießen. Punkt. Ciao.
Noch was: Die Übungen werden dir helfen, deine Position zu finden, deine auch geheimen Wünsche zu entdecken und Ziele zu finden. Es sind deine Übungen.
Übung
- Nimm dir einen Zettel und einen Stift und notiere alles, was momentan einen Großteil deiner (beruflichen und/oder privaten) Zeit beansprucht. Notiere dazu, ob dir dieser Job oder diese Aufgabe eher leicht fällt oder schwer.
- Bewerte diese Aussagen, indem zu hier ankreuzt (oder übertrage auf ein Papier):
- Bewerte diese Wünsche, indem zu hier ankreuzt (oder übertrage auf ein Papier):
Ich möchte ein einfaches Leben führen
- Schau dir diese Antworten an und notiere deine persönlichen Konsequenzen dazu. Halte fest, was jeweils zu entscheiden ist und von wem du Hilfe dabei brauchst.
- Triff alle notwendigen Entscheidungen; setze sie um und ruhe erst, wenn du Resultate im Sinne deiner Wünsche und Träume vorweisen kannst. Hänge diese Aufgabe möglichst öffentlich an deinem Arbeitsplatz auf und sei bereit, mit jedem, der dich danach fragt, darüber zu reden.
6. Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund.
Im letzten Kapitel habe ich mir so ziemlich alle zum Feind gemacht. Jetzt kann ich das auch noch mit dem kleinen Rest der übrigen Menschheit tun. Gehen wir´s an.
Der Glaubenssatz dieses Kapitels ist der perfideste, den ich je kennengelernt habe. Es ist der Titel eines Liedes und kommt so niedlich, so unbedarft, so ungefährlich daher. Und du wirst sehen, dass das ein Wesensmerkmal von Glaubens-sätzen ist, möglichst unverdächtig aufzutreten. Parteiprogramme kann man leicht ablehnen, einen Glaubenssatz kaum. Wie klingt denn dieser Satz in deinen Ohren? Fürsorglich? Nähe suchend? Vor einer Gefahr warnend? Menschlich? So lieblich, wie es Nicole in ihrem Lied sein will? Ich will jetzt hier nicht den ganzen Songtext zitieren, den kannst du im Internet leicht selbst finden; nur ein kleiner Auszug, der zeigt, was ich meine:
An dem großen, gelben Fluss da saß ein Mann dass er traurig war, das sah man ihm gleich an auf dem Baume neben ihm, saß ein Vogel und es schien
dieser Mann singt sein Lied nur für ihn.
Flieg nicht so hoch mein kleiner Freund die Sonne brennt dort oben heiß wer zu hoch hinaus will der ist in Gefahr Flieg nicht so hoch mein kleiner Freund glaub' mir ich mein es gut mit dir keiner hilft dir dann, ich weiß es ja wie's damals bei mir war
Nicole
Und dieser kleine Text zeigt ganz genau, worum es geht. Lass´ uns doch mal den Titel zerlegen.
„Flieg nicht…“
Es ist ein uralter Traum der Menschheit, fliegen zu können. Was haben sie nicht alles erfunden, um dieses Ziel zu erreichen. Menschen sind gestorben, beim Versuch, mit einfachsten Mitteln die Vögel nachzumachen. Tausende sind bei Abstürzen draufgegangen. Viele sind beim Hinausfliegen in den Weltraum explodiert. Trotzdem tun sie es immer wieder. Es ist uns wohl genetisch eingepflanzt, uns über unser zweidimensionales Dasein zu erheben. Es wird wohl ein Auftrag der Evolution sein. Es wäre etwas, das dich ganz klar weit über den Fähigkeiten der Masse positionieren würde, wenn du es könntest. Aber die Masse will nicht, dass du dich erhebst. Lies die Geschichte der Möwe Jonathan. Was tun Möwen? Sie kreischen im Schwarm, scheißen die Hafenmole voll und fressen Fischabfälle. Und genau das tut der Schwarm, der dich umgibt auch. Jonathan wollte mehr. Er wollte keine Fischabfälle mehr fressen; er wollte zum Flugkünstler werden, um die besten Fische erreichen zu können. Er wollte mehr als der Schwarm. Und was war das Ergebnis? Neid, Beschimpfung, Bedrohung, Anfeindung, Ausstoß aus der Gemeinschaft. Und das ist die übelste Strafe. Menschen wollen Geborgenheit, wollen dazu gehören, wollen Anerkennung. Ein Ausgestoßener hat das nie. Also bleib´ schön in der Geborgenheit eines Abfall fressenden Schwarmes und fühle dich in der Nachbarschaft deiner Exkremente maximal warm und wohl. Das ist die Botschaft jeden Schwarmes. Und dann kommt einer daher und bietet dir an „Flieg!“. Es ist die absolute Bedrohung alles dessen, was den Schwarm ausmacht. Der Schwarm kann das nicht akzeptieren. In den seltensten Fällen wird der Schwarm Gewalt anwenden (es sein denn sein Häuptling ist ein verrückter Despot). Aber der Schwarm wird dir in den schwärzesten Farben ausmalen, was passieren wird, er wird dir sehr plakativ alle vermeintlichen Gefahren zeigen und er wird dich dann auffordern „Flieg nicht…“ – aus purer Fürsorge natürlich. Lies einfach nochmal den kleinen Auszug aus dem Lied oben, und du wirst wissen was ich meine. Jeder Drachenflieger, jeder Paraglider, jeder Pilot wird wissen, welch erhebendes Gefühl es ist, sich über den Boden, über die Wolken zu erheben und zu fliegen. Und natürlich wissen die auch alle, dass sie eine Minderheit sind. Und das wollen sie so. Warum? Weil sie sich entschieden haben, sich über die Masse zu erheben und etwas für die Erfüllung ihrer Träume zu tun. Sie haben sich entschieden, anders zu sein und nach dem Faust´schen Motto zu leben „Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne und von der Erde jede höchste Lust“. Der Schwarm wird nicht begreifen, dass Fliegen das größere Lustgefühl ist als den Hof zu kehren oder einen blühenden Rasen mit dem Aufsitzrasenmäher nieder zu machen. Der Schwarm wird in seiner intellektuellen Einfachheit einfach sagen „Flieg nicht…“.
„…so hoch…“
Mein Gott, seht doch diese Gefahr. Im Liedtext sind sie alle aufgezählt. Sie haben alle ...