Wie zählt man Wolken?
eBook - ePub

Wie zählt man Wolken?

Philosophische Probleme der Wahrnehmung

  1. 416 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Wie zählt man Wolken?

Philosophische Probleme der Wahrnehmung

Über dieses Buch

Wie beschreiben wir Wahrnehmungen?Unsere Alltagssprache ist keine Werkzeugkiste, in der wir für alle möglichen Anwendungen die passenden Werkzeuge finden. Was wir sehen, hören, tasten, schmecken oder riechen bestimmt nicht nur unsere verbalen sondern auch unsere nicht-verbalen Begriffe. Wir verwenden unterschiedliche medienbestimmte Begriffe, um uns über Wahrnehmungsinhalte zu verständigen.Das Buch diskutiert in 128 Kapiteln (230 Grafiken) Fragen und Probleme der Kunst- und Wahrnehmungsästhetik, der Sprachphilosophie, Erkenntnistheorie und Ontologie. Die Leserinnen und Leser sind eingeladen, an der Lösung dieser Probleme mitzuwirken.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Wie zählt man Wolken? von Andreas Roser im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Philosophy & Philosophy History & Theory. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Kunst

Was unterscheidet Kunst und Wissenschaft?

Unter „Ästhetik“ verstand man ursprünglich eine wissenschaftliche Beschäftigung mit Fragen der sinnlichen Wahrnehmung. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts tauchte die Idee auf, diesen Begriff aus der Tradition der griechischen Philosophie der Antike auch auf Fragen der Wahrnehmung des Schönen anzuwenden. Mitte des 19. Jahrhunderts erweiterten ästhetische Konzepte zur Beschreibung des Hässlichen diese ersten Studien zur Wahrnehmung des Schönen. Ob oder wie uns Wahrnehmungen „gefallen“, ob wir Lust oder Unlust bei ihnen empfinden, ob wir ihren Inhalt für schön, hässlich oder geschmacksneutral halten, all das wird in der Ästhetik auch zu einer Frage unseres Wissens über die Art und Weise etwas wahrzunehmen.
Die Entwicklung der Ästhetik, von einer allgemeinen begrifflichen Untersuchung unserer Wahrnehmungen bis zur Beschreibung subjektiver Empfindungen oder Gefühle, steht für eine Absage an die Versuche, Formen unserer Sinneswahrnehmungen unabhängig davon zu beschreiben, ob es Wahrnehmungen von Werken der Kunst oder Wahrnehmungen alltäglicher Dinge unserer Umwelt sind. Die begriffliche Trennung und Einteilung unserer Wahrnehmungen in solche, die von Gefühlen begleitet sind und in jene aller anderen Wahrnehmungsobjekte oder -Ereignisse, ist aus gleich mehreren Gründen problematisch. Nicht nur problematisch, weil hier Kunstwerke zur „Gefühlswerken“, zu Werken der Gefühlsvermittlung werden, sondern vor allem, weil der Anspruch aufgegeben wird, die Beschreibung des sinnlich wahrnehmbaren Kunstwerkes mit überprüfbaren Beobachtungsaussagen zu verbinden. Sollen wir Fragen des Erkennens anders behandeln, wenn wir statt über Nichtkunstwerke über Kunstwerke sprechen? Oder sind Kunstwerke wie Dinge unter anderen Dingen zu beschreiben. Arbeitet die Wissenschaft mit Geltungsansprüchen, auf die in der Ästhetik großzügig verzichtet wird? Wahrnehmungsbeschreibungen sind oft mit subjektiven Empfindungen von Lust oder Unlust verbunden. Denken wir beispielsweise an Kochbücher oder Drehbücher die Handlungsbeschreibungen enthalten, die auch als Handlungsregeln zu lesen sind (→ „Enthalten Beschreibungen Normen?“).
Die Trennung zwischen subjektiven und objektiven Beschreibungen ist beispielsweise in jenen Fällen unvernünftig, in denen eine objektive Beschreibung unter Berufung auf subjektive Gefühle zustande kam. Unsere subjektiven Empfindungen in der Wahrnehmungsbeschreibung einer Giftschlange beschreiben ihre objektive Gefährlichkeit nicht weniger als unsere Beschreibung der Farbmuster dieser Schlange. In diesen und vergleichbaren Fällen leiten Empfindungen und Gefühle die Suche nach objektiven Beschreibungen. Wir haben schon als Kinder gelernt auf Wahrnehmungsinhalte unserer Sinneswahrnehmungen zu reagieren. Wir sind durch Eltern, Schule, regionale Gemeinschaften und kulturelle Traditionen in unseren Interessen und Bewertungseinstellungen beeinflusst worden und bringen unsere eigenen persönlichen Wertschätzungen in die Beschreibungen unserer Sinneswahrnehmung ein, die auf immer neue Weise begrifflich gefiltert, sortiert, vermittelt und neu bewertet werden. Die Beschreibung alltäglicher Dinge funktioniert nicht anders als die Beschreibung jener Objekte, die wir für Kunstwerke halten.
Ästhetik beschäftigt sich mit allgemeinen Fragen der Wahrnehmung und nicht notwendigerweise mit Wahrnehmungsfragen, die sich nur Menschen stellen.
Könnten Roboter Gedichte schreiben oder Musik komponieren, wären Fragen der Ästhetik auch von ihnen zu beantworten. Stellen wir uns vor, mit einem intelligenten Roboter die Tate Modern in London zu besuchen. Wäre dieser in der Lage, unser Sehen und Beobachten mit uns zu teilen, dann hätte er unsere begrifflichen und philosophischen Probleme. Ästhetik ist nicht nur eine Disziplin, die sich mit anthropologischen, psychologischen oder sozial- und kulturgeschichtlichen Fragen beschäftigt. Wir haben es in der Ästhetik immer auch mit allgemeinen begrifflichen Problemen und mit allgemeinen Fragen der Wahrnehmung und des Wissens zu tun und diese Fragen sind immer nur Fragen des menschlichen Erkennens und Wissens. Die Ästhetik steht für alle Fälle der Beschreibung alltäglicher Wahrnehmungen, weil in der Gegenstandswahrnehmung unsere Empfindungen, Gefühle und Wertschätzungen der Dinge deren Beschreibung mitbestimmt. Wir finden keine Gegenstandsbeschreibungen, frei von subjektiven Bewertungen, Einschätzungen oder Geltungsansprüchen. Erstaunlicherweise ist ausgerechnet der Versuch, Wahrnehmungsbeschreibungen wissenschaftlich neutral zu halten, bestens geeignet, unsere subjektive Wertschätzung einer Beschreibung und unsere Beschreibungspräferenzen auch zu verdeutlichen. Warum sollten wir – beispielsweise - einen Flaschentrockner (1) nicht wie jedes andere Objekt beschreiben, wenn wir ihn einerseits als Alltagsgegenstand andererseits als ästhetisches Objekt bzw. als Kunstwerk beschreiben?
(1) Ready-made von Marcel Duchamp
Jemand könnte behaupten, dass mit Hilfe eines naturwissenschaftlichen Experiments nicht zu entscheiden wäre, ob der Flaschentrockner in (1) ein Kunstwerk sei. Das ist wahr, aber es ist in diesem Falle belanglos, denn allein mit Hilfe naturwissenschaftlicher Experimente lassen sich auch die Aussagen in vielen anderen wissenschaftlichen Theorien nicht überprüfen. Wie sollte beispielsweise ein Axiom der Logik naturwissenschaftlich überprüft werden können? Der Einwand wäre also kein spezifischer Einwand gegen die Kunstwissenschaft. Sollten wir Menschen verbieten, Alltagsgegenstände zu Kunstwerken zu erklären, weil Kunstwerke möglicherweise mit Gefühlen der Lust oder Unlust bei Menschen verbunden sind, Alltagsgegenstände aber nicht? Die Aufspaltung unserer Wahrnehmungsbeschreibungen in Aussagen über alltägliche Dinge einerseits und „Gefühlsobjekte“ andererseits, entspricht unserer Beschreibungspraxis weder im Umgang mit alltäglichen Dingen noch im Umgang mit Werken der Kunst. Wahre Aussagen sind häufig mit Gefühlen der Lust oder Unlust verbunden. „Wahr“ ist eine Aussage für uns, wenn wir – wie auch in ästhetischen Beschreibungen - die Form einer Aussage auf der Grundlage von Merkmalen wählen, die nicht nur etwas mit dem Gegenstand einer wahren oder falschen Aussage zu tun hat, sondern auch durch das Medium ihrer Mitteilung bestimmt ist. Die vielleicht bekannteste dieser Theorien ist die sogenannte Korrespondenztheorie der Wahrheit, die besagt, dass eine Aussage wahr ist, wenn es sich verhält, wie behauptet wird. Die Aussage „Das bekannteste Bild Leonardo da Vincis hängt im Louvre“, ist demnach wahr, wenn dieses Bild dort tatsächlich hängt. Wenn wir es dort finden und unsere Aussage dadurch bestätigen, spricht man von einer Korrespondenz zwischen Aussage und Sachverhalt. Wir wählen diese Form einer wahren Aussage nicht, weil andere Theorien der Wahrheit in demselben Anwendungsfall auch zu wahren Aussagen führen, sondern in Übereinstimmungen mit unseren subjektiven Bewertungen der Situation, in der wir eine wahre Aussage machen. Es könnte sich von Fall zu Fall und aus naheliegenden Gründen als zweckmäßiger erweisen, andere Personen zu fragen, ob sie einer Aussage zustimmen. Wenn alle Personen, die wir befragen, unsere Behauptung bestätigen, liegt ein anderer Fall vor. Die Menschen stimmen nun darin überein, dass es sich so verhält, wie gesagt wird. Ob es sich aber so verhält, könnte eine ganz andere Frage sein. Wir haben es mit einer Konsenstheorie der Wahrheit zu tun, wenn die Frage der Übereinstimmung der Menschen untereinander das entscheidende Merkmal der Wahrheit einer Aussage ist. In diesem Falle wird es nicht erforderlich sein, nach Paris zu fliegen, um selbst in Augenschein zu nehmen, was im Louvre zu finden ist. Denkbar wäre auch, dass wir selbst vor Ort nicht recherchieren, andere Personen nicht befragen und uns allein auf Textquellen und überlieferte Berichte verlassen. In dieser Variante einer Kohärenztheorie der Wahrheit gilt eine Aussage als wahr, wenn sie sich kohärent auf andere Aussagen berufen kann, beispielsweise auf das in der Fachliteratur dokumentierte Wissen. Im Alltag wäre es zu kompliziert, jedes Detail unseres Wissens persönlich zu recherchieren. Helfen uns Wahrheitstheorien, allgemeine wahrheitsfähige Aussagen von jenen in der Kunst zu unterscheiden? Es sieht nicht danach aus. Wenn wir unter ästhetischen Aussagen jene verstehen, die sich auf Empfindungen oder Gefühle beziehen und mit Objekten oder mit Handlungen verbunden sind, dann werden wir alle hier genannten Wahrheitstheorien auch in der Ästhetik anwenden können. Es lässt sich beispielsweise mit Wahrheitsanspruch behaupten und feststellen, ob Menschen Kunstwerke als solche anerkennen, diese wahrnehmen, sie beschreiben oder in anderer Weise mit ihnen umgehen. Fragen wir uns, in welchem der nachfolgenden Beispiele wir auf Wahrheitsansprüche verzichten könnten:
  • Eine Komposition vermittelt die Stimmungen einer Großstadt
  • Eine Grafik bestimmt den Wert einer Banknote
  • Ein Objekt steht unter Denkmalschutz
  • Menschen erklären Werke zu Nichtkunstwerken
  • Ein Kunstwerk ist Teil des Weltkulturerbes
  • Eine Jury bestimmt die ästhetische Qualität einer Tanzperformance
  • Ein Objekt ist ein Kunstwerk der Natur
  • Ein Kunstwerk beschreibt das Elend eines Krieges
  • Die Qualität eines Kunstwerkes steht in Frage.
In allen Fällen finden wir objektive bzw. empirisch überprüfbare Bedingungen wahrer ästhetischer Aussagen. Beispielsweise sind die Aufführungsbedingungen und künstlerischen Qualitätsmerkmale einer Komposition oder der verwendeten Musikinstrumente überprüfbare Qualitätsmerkmale eines Kunstwerkes. Das Tempo, in dem ein Werk der Musik gespielt wird, ist ein physikalisch messbarer Vorgang, der die Qualität des Werkes und seiner Reproduktion maßgeblich mitbestimmt. Auch der Farbauftrag auf einer Leinwand kann nicht beliebig sein, wenn ein Werk als Kunstwerk gelten soll. Oft korrespondieren Aussagen über Kunstwerke Aussagen über physikalische Objekte.
In zahllosen anderen Fällen scheint die Vergleichbarkeit von künstlerischen und nicht-künstlerischen Aussagen fraglich bzw. problematisch zu sein. Wollte man beispielsweise künstlerische durch naturwissenschaftliche Aussagen ersetzen, müsste man die daraus resultierende Praxis beschreiben können. Zwar lässt sich ein Gemälde auch nach Zahlen malen (→ „Malen nach Zahlen?“), doch wer würde ausrufen „Das kann nur ein Renoir sein!“, wenn er eine digitale Zahlenfolge erblickte? Andererseits: Können wir diesen Fall wirklich ausschließen? Eine binäre Zeichenfolge könnte ihrerseits als Kunstwerk beschrieben werden, vielleicht mit dem Untertitel „Ein echter Renoir“. Wäre das absurd? Nicht, wenn wir uns mit digitalen Bildgebungsverfahren beschäftigen. Andererseits scheinen sich Gefühle oder Hoffnungen, Trauer oder Freude nur unzureichend, wenn überhaupt, naturwissenschaftlich beschreiben zu lassen. Wer würde ein Gerät zur Vermessung von Hoffnungen konstruieren, um ein Gedicht zu analysieren? Etwas in uns sperrt sich gegen solche Interpretationen des Verhältnisses von Kunst und Wissenschaft. Möglicherweise fehlt uns noch die Handlungspraxis, fehlen uns noch die Konventionen, um solche Experimente als sinnvolle Interpretationen des Verhältnisses von Kunst und Wissenschaft erscheinen zu lassen. Deutlich weniger komplex ist beispielsweise die Frage der experimentellen Überprüfbarkeit der Entstehung optischer Täuschungen und ihrer Beschreibungen. In den Beschreibungen der Verfahren zur Herstellung optischer Täuschungen darf sich beispielsweise kein Widerspruch finden, wohl aber in deren visueller Beschreibung. Die optische Täuschung in (1) lässt sich mit Hilfe eines in geeigneter Weise gedrehten Modells (2) herstellen. Die Treppen-Illusion einer unendlich an- oder absteigenden Treppe ist natürlich nicht in der Sprache der Physik zu beschreiben. Naturwissenschaftliche Beschreibungen dieser Treppe sind nur für das Treppen-Modell (2) möglich, das diese Illusion in einer geeigneten Perspektive seiner Betrachtung auslöst. Was wir in (1) subjektiv wahrnehmen, wäre nur mit Sätzen zu beschreiben, die den Grundlagen physikalischer Gesetze widersprächen.
(1)
(2)
Immerhin sind in diesem Falle zwei unterschiedliche Beschreibungsmethoden möglich. Dieses Beispiel lässt sich verallgemeinern: Jedes visuelle Kunstwerk erlaubt neben den naturwissenschaftlich nicht überprüfbaren visuellen Effekten auch naturwissenschaftliche Beschreibungen der Entstehungsbedingungen dieser Effekte. Wir sehen an den Beispielen (1) und (2), dass die Übergänge zwischen ästhetischen und naturwissenschaftlichen Beschreibungen fließend sind. Auch in der Geschichte der Naturwissenschaften wurden diese Beschreibungstypen nicht immer unterschiedlich und nicht immer als Fälle der Anwendung unterschiedlicher Beschreibungsmethoden behandelt. Die Mathematik zeigt uns auf anschauliche Weise den Zusammenhang von Wissenschaft und Kunst, wenn wir Funktionsverläufe mathematischer Gleichungen visualisieren (3). Was wir sehen und mathematisch im Rechner produzieren muss zwar notwendigerweise Gemeinsamkeiten zeigen, andernfalls wüssten wir nicht, wovon überhaupt die Rede ist; aber was wir in (3) erblicken, ist nicht mit dem identisch, was wir in der Gleichung einer rekursiv definierten Folge komplexer Zahlen z0, z1, z2, … nach diesem Bildungsgesetz
erfassen.
(3) Funktionsverlauf eines Fraktals
Unsere visuelle Wahrnehmung des Bildes (3) erlaubt es nicht, das Bild durch die Gleichung zu ersetzen, auch wenn wir mit Hilfe der Gleichung dieses Bild in (3) erzeugen.
Auch in diesem Fall ist nicht die Verbindung von Kunst und Wissenschaft problematisch, sondern die Frage, was Kunst und Wissenschaft unterscheidet. Wissen wir oder können wir z.B. wissen, ob die Tanzwissenschaft ihrem Gegenstand gerecht werden kann? (→ „Ist Tanzen mit Worten zu beschreiben?“), wenn ein Physiker das Tanzen auf ganz andere Weise beschreibt als eine Choreografin? Was interessiert einen Physiker der emotional gefärbte Bewegungsausdruck der Tanzenden? Auch Verhaltenswissenschaftler, Psychologen oder Kultursoziologen interessieren sich für Tänze; und doch scheinen alle diese Beschreibungen des Tanzes dessen ästhetische Wirkung auf uns zu verfehlen. Liefert uns eine Tanz-Choreografie diese „ästhetische Wirkung“?
Ästhetische und naturwissenschaftliche Beschreibungen dienen der Erschließung der Künste, gelten als Forschungsleistungen und erlauben die Vergleichbarkeit von Kunst und Wissenschaft. Das ist unbestritten und doch liegt hier ein altbekanntes Problem, denn die Frage ist neuerlich, was Kunst und Wissenschaft trennt. Um hier einen Schritt weiter zu kommen bietet sich beispielsweise das Kriterium der Widerspruchsfreiheit der in Kunst und Wissenschaft verwendeten Beschreibungen an. In den Wissenschaften, mit Ausnahme gewisser Strömungen der Philosophie, gelten widerspruchsfreie Aussagen in einer Disziplin als formale Voraussetzungen ihrer Wissenschaftlichkeit. Das ist in der Kunst nicht immer der Fall, denn in vielen Fällen verzichten wir auf konventionelle Wahrheitsansprüche in unseren Beschreibungen eines Kunstwerks, weil uns Kunstwerke etwas auf widersprüchliche Weise mitteilen oder in der Beschreibung dieser Kunstwerke Widersprüche nicht zu vermeiden sind. Das folgende Bild mit dem Titel „K“ (4) illustriert einen solchen Fall:
(4)
Abhängig davon, ob die Aussage „K teilt etwas mit!“ oder „K teilt nichts mit!“ wahr oder falsch ist, erläutern wir beide Sätze an demselben Beispiel, nämlich an „K“. Lässt sich, was „K“ zeigt, über wahre oder falsche Aussagen beschreiben, wenn einander w...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Vorwort
  3. Wahrnehmung
  4. Gegenstände
  5. Raum
  6. Zeit
  7. Farben
  8. Kunst
  9. Nachwort
  10. Index
  11. Impressum