Berufswege
Den Beruf des Spieleentwicklers gibt es nicht.
Würde man innerhalb der Branche nach seinem Beruf gefragt, würde niemand mit „Spieleentwickler“ antworten. Man könnte auch sagen: Streng genommen gibt es nur einen einzigen Beruf, auf den die Exklusivbezeichnung „Spieleentwickler“ zutrifft, und das ist der Game Designer. Alle anderen Disziplinen, wie Grafiker, Programmierer, Musiker und Manager könnten in der Regel ohne große Schwierigkeiten auch an andersartigen Produkten arbeiten, darunter Animationsfilme, Anwendungssoftware oder auch, ja, Space Shuttles.
Diese große Bandbreite an Berufsbildern zeigt, dass die Spielebranche nicht nur einigen wenigen Menschen offen steht, sondern dass Einsteiger mit verschiedenartigsten Fähigkeiten einen Platz finden können. In den folgenden Abschnitten stelle ich die wichtigsten Berufsgruppen im Überblick vor. Denke daran: Es gibt keine Standardisierung. Wenn du dich bereits auf eine Fachrichtung spezialisiert haben solltest, die hier nicht aufgeführt wird, von der du jedoch trotzdem glaubst, dass Sie in der Spieleentwicklung einen Platz hat, dann ist dies keinesfalls ein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Vielleicht werden genau deine Fähigkeiten von einem Studio händeringend gesucht.
Wichtig ist an dieser Stelle auch die Anmerkung, dass die Jobbeschreibungen sich von Studio zu Studio und von Land zu Land inhaltlich stark unterscheiden. Zum Beispiel hat mancherorts der Producer starken kreativen Einfluss auf ein Projekt, während er sich in anderen Studios allein um die Einhaltung von Zeit, Budget und Qualität kümmert.
Im Folgenden werden die vornehmlich direkt an der Spieleentwicklung beteiligten Berufsbilder beschrieben. Selbstverständlich gibt es in der Spielebranche auch Jobs in der Buchhaltung, dem Produktmanagement oder ähnlichen Bereichen. Doch diese haben tatsächlich in aller Regel weitaus weniger Kontakt zur Spieleentwicklung und zu ihnen wurde bereits an anderen Stellen genug geschrieben.
Kreuz-Disziplinäre Arbeit
Bevor es nun um die Beschreibung und Aufgaben der einzelnen Disziplinen geht, möchte ich unbedingt darauf hinweisen, dass diese nicht in Stein gemeißelt sind. Es ist nicht unüblich, dass ein Grafiker auch Ideen zum Game Design hat und diese einbringen kann. Gleichsam wird ein Programmierer sicherlich mal ein Wort zur grafischen Umsetzung verlieren oder gar durch Shaderprogrammierung einen spektakulären Grafikeffekt einbringen.
Die Spieleentwicklung lebt davon, dass sie im Brennpunkt verschiedener Disziplinen steht und nur durch die Fusionierung dieser entstehen wirklich Werke wie aus einem Guss. Zwar wird sich im Entwickleralltag jeder auf sein Spezialgebiet konzentrieren, doch in einem gesund funktionierenden Team stehen Ideen und nicht Berufsbezeichnungen im Vordergrund. In so einem Fall ist es egal, wer eine Idee hatte: Wenn sie das Spiel verbessert, wird sie umgesetzt.
In diesem Zusammenhang ist auch relevant zu erwähnen, dass es sich hier lediglich um Rollen im Entwicklungsprozess eines Spieles handelt. Dass ein Mitarbeiter mehrere Rollen übernimmt, kommt durchaus vor.
Ein paar Worte zu Titeln: Senior Lead Supervisor
Es ist gewiss auch viel Eitelkeit im Spiel, wenn es um die genaue Positionsbezeichnung eines Entwicklers im Team oder im Studio geht. Begriffe wie Lead, Senior, Manager, Director oder auch Supervisor sind nicht nur mangels allgemeingültiger Definitionen oft leere Worthülsen, die bei näherer Betrachtung keinerlei konkrete Bedeutung tragen oder wenigstens einer genauen Hinterfragung bedürfen.
Ein „Lead Artist“ zum Beispiel ist per Wortsinn ein leitender Künstler bzw Grafiker. Wenn der „Lead Character Artist“ jedoch die gesamte Character-Entwicklung im Alleingang durchgeführt hat, wen hat er dann angeleitet?
Die IGDA (International Game Developer Association) schlägt hier einige Standards vor, jedoch selbst über die „Mindestdienstzeiten“ für Zusätze wie „Intermediate“ oder „Senior“ von 5 Jahren herrscht weiter Uneinigkeit. In der Regel ist einem „regulären“ Mitarbeiter ein „Lead“ und diesem wiederum ein „Director“ übergeordnet. Die verschiedenen Manager kümmern sich oft eher um die Verwaltung der Zeitpläne und Aufgaben als um die künstlerischen Aspekte.
Der Producer, Projektleiter oder Projektmanager hingegen hat zwar wichtigen Einfluss auf die zeitlichen und somit teils auch inhaltlichen Aspekte der Produktion – künstlerisch behalten jedoch in der Regel die Direktoren das Entscheidungsrecht. Das heißt konkret: der Art Director im Grafikbereich, der Technical Director in der Programmierung und, sofern definiert, der Game Director im Bereich Game Design.
Berufswege: Bereich Grafik
Die Grafik macht in der Regel den arbeitsintensivsten Anteil eines Spiels aus. All die Dinge, die der Spieler im Spiel sieht, werden von Projekt zu Projekt und Konsolengeneration zu Konsolengeneration von immer mehr Grafikern erstellt. Steigende Auflösungen und erweiterte technische Möglichkeiten erhöhen den Aufwand in der Contenterstellung. Und so könnte man meinen, dass besonders der Markt für Spielegrafiker in den nächsten Jahren genug Raum für reichlich Nachwuchs bietet.
Dabei sollte jedoch der technische Fortschritt zum Beispiel in der sogenannten prozeduralen Asseterstellung nicht außer Acht gelassen werden. Im Bereich der Animation ist hier in den letzten Jahren die Verbreitung von Technologien wie NaturalMotion’s Endorphin als nur ein Beispiel zu nennen.
Auch im Bereich der Texturierung und des Modelings von Charakteren wird sich einiges tun, denn nicht erst die wachsenden Teamgrößen in der Spieleentwicklung bedingen neue Technologien zur Erstellung immer größerer und aufwändigerer Welten. Dennoch wird Kreativität und visuelle Vorstellungskraft immer nötig sein und auch neue Tools wollen bedient werden. Insofern wird der Job des Spielegrafikers in Zukunft sicherlich noch so manchen Wandel durchlaufen, aber dennoch bestehen bleiben.
Auch wenn es Grafiker gibt, die sich in allen Bereichen zu Hause fühlen, so lässt sich doch eine klare Gruppierung in die Bereiche 3D und 2D feststellen. Zwischen diesen gibt es zwar diverse Berührungspunkte, doch die Arbeitsbereiche unterscheiden sich eindeutig.
3D-Grafiker
Das Feld der 3D-Grafik ist in sehr viele Teilbereiche mit jeweils unterschiedlicher technischer und kreativer Gewichtung unterteilt. Während durchaus alle Aufgaben von ein und demselben Grafiker übernommen werden können, hat sich in größeren Teams heute eine klare Arbeitsteilung entsprechend der Stärken und Schwächen der Teammitglieder durchgesetzt. So werden Modeling, Texturing und Animation meist von drei verschiedenen Grafikern durchgeführt. Lediglich in kleineren Teams kommt noch alles aus einer Hand.
Die einzelnen Tätigkeitsfelder in ihrer vollen Tiefe zu beschreiben, würde den Rahmen sprengen und da bereits genügend gute Bücher zu diesem Thema existieren, möchte ich an dieser Stelle auf die Literaturliste am Ende dieses Buches verweisen.
MODELING
Am Anfang jedes 3D-Spielobjekts steht nach der Konzept- und Ideenphase zunächst das Modeling. Dreidimensionale Spielwelten werden aus einzelnen Objekten zusammengesetzt. Unterschieden wird in der Regel zwischen Charakteren (dazu gehören zum Beispiel die aktiven Spielfiguren), Props (unter Anderem die Dinge, mit denen die Charaktere interagieren, wie Rüstungen) und Environments (also Umgebungen). All diese Objekte werden im Rechner einzeln modelliert, das heißt im dreidimensionalen Raum nachgebaut. Dazu stehen verschiedene Tools zur Verfügung, 3ds Max und Autodesk Maya sind nur zwei der bekanntesten Vertreter.
TEXTURING
Meist folgt auf das 3D-Modeling das sogenannte Texturing: Das vom modellierenden Grafiker meist lediglich mit grauen Oberflächen versehene Objekt bekommt Farbe und Oberflächeneigenschaften. Dies geschieht entweder durch Verwendung von Fotos oder durch „klassische“ Malerei von Hand im Rechner. Der sogenannte Texture Artist entscheidet unter Umständen auch darüber, wie lichtdurchlässig ein Objekt ist oder wie stark es einfallendes Licht reflektiert.
LEVEL DESIGN
Die Zusammenstellung der einzelnen, von Modelern erstellten Objekte zu einer ganzen Spielwelt, übernimmt ein Level Designer. Diese Arbeit überschneidet sich meist mit der des Game Designers (siehe auch „Level Designer“, Seite 32)
ANIMATION
Animatoren finden sich sowohl im Bereich der 3D- als auch der 2D-Grafik. In Bezug auf dreidimensionale Modelle gilt: Sobald das Objekt modelliert wurde kann damit begonnen werden, es zu animieren. Dazu wird es zunächst mit einem sogenannten Skelett versehen („Rigging“), gewichtet („Weighting“) und mit Bewegungen (Animationen) versehen. Diese stammen entweder aus der „Keyframe-Animation“, bei der einzelne Posen vom Animator von Hand nachgestellt werden, oder aus Motion Capture-Aufnahmen, bei denen reale Akteure mit einer speziellen Ausrüstung ganze Bewegungsabläufe aufzeichnen. Speziell im Bereich des Motion Capturing liegt der Schwerpunkt auf der Technik und die Spezialisierung der Animatoren reicht auch hier teils sehr tief.
Die Ursprünge der Animation gehen bis weit vor die Zeit der Videospiele zurück. Spätestens mit der Popularität von Disney-Filmen hat sich die Animation als sehr solides Handwerk entwickelt. Viele der aus Trickfilmzeiten stammenden Regeln und Arbeitskonzepte haben jedoch auch in der 3D-Grafik Bestand.
2D-Spiele sind beinahe eine Nische geworden, daher ist die Verwendung von 2D-Animationen ebenfalls stark zurückgegangen. Dieses nun kleinere Segment hält sich jedoch bereits seit vielen Jahren konstant und es spricht vieles dafür, dass das auch noch lange so bleibt.
2D-Grafiker
Auch wenn 2D-Spiele seit über einem Jahrzehnt regelmäßig totgesagt werden, erfreuen sie sich immer wieder großer Beliebtheit. Völlig unabhängig davon werden auch die Grafiker aus dem Bereich der 2D-Grafik weiterhin in der Industrie benötigt. Sei es, um Menüs, Vektorgrafiken oder schlichtweg Texturen für 3D-Modelle zu erstellen: Die Bereiche Handzeichnung und Layout werden weiter Bestand haben.
Auch hier sind die Übergänge fließend, die folgenden Abschnitte bieten einen groben Überblick Über die wesentlichen Felder dieses Sektors.
PIXEL ART
Die großen Schritte bei der Erhöhung der Auflösung selbst kleinster mobiler Geräte wie Handys und Handheld Konsolen hat zu einem starken Rückgang der Pixelgrafik geführt. Auch wenn sich die Kunst, Objekte nicht direkt zu malen, sondern Pixel für Pixel zu konstruieren und teils auch zu animieren, in einigen Nischen nach wie vor hält und vermutlich auch halten wird, so hat Pixelgrafik ihre Bedeutung im Mainstream verloren. Zu groß sind die Produktionskosten für Animationen hoher Auflösung und viel mehr als eine Handvoll speziell für diesen Grafiktyp entwickelter und künstlerisch anspruchsvoller Titel wird es vermutlich jährlich nicht mehr geben. Eine reine Spezialisierung auf diese Sparte scheint daher nicht sinnvoll.
VEKTORGRAFIK
Web bzw. browserbasierte Spiele sind längst ein wichtiger Aspekt der Spieleindustrie. Die verwendete Technologie erfordert meist Vektorgrafiken, erstellt in Software wie Adobe Flash oder Illustrator. Hier handelt es sich nach wie vor um einen Wachstumsmarkt mit vielen Chancen. Doch nicht nur das: Vektorgrafik ermöglicht meist einen ganz eigenen Stil, der oft auch für klassische Computer- und Konsolenspiele erwünscht ist.
Die meisten Stellen gibt es hier im Bereich der Browsergames und 2D-Spiele im Allgemeinen. 2D-Point-and-Click-Adventures, aber auch 2D-Storysequenzen gehören ebenfalls zu den Aufgabengebieten der Vektorgrafiker. Das heißt jedoch nicht, dass Vektorgrafiken nicht auch in 3D-Spielen benötigt würden.
INTERFACE DESIGN, LAYOUT
Der wichtigste Aspekt eines Spiels ist die Interaktion mit dem Spieler. Über das Interface hat der Spieler direkten Kontakt zur Mechanik, zum Kern des Spiels. Das User Interface, kurz UI, hat daher maßgeblichen Einfluss auf die Wahrnehmung des Spiels durch den Konsumenten. Es muss nicht nur optisch ansprechend, sondern auch intuitiv bedienbar sein. Somit sollte auch viel psychologisches Verständnis in diese Arbeit einfließen, die ganz klar mindestens zu gleichen Teilen ebenso zum Aufgabengebiet eines Game Designers gehört. Gelernte Kommunikationsdesigner fühlen sich in diesem Job oft wie zu Hause.
ILLUSTRATION / CONCEPT ART
Zu Beginn jeder Produktion steht die Idee, das Konzept. Um die grafische Linie eines solchen neuen Konzepts effizient zu visualisieren und zu konzeptionieren, sind handzeichnerische Fähigkeiten und Vorstellungskraft gefordert. An dieser Stelle geht der Illustrator oder Concept Artist an die Arbeit. Während der Grad der Ausarbeitung und vor allem auch die künstlerische Freiheit hier unterschiedlich stark ausgeprägt sind, ist in jedem Falle Kreativität gefragt. Teilweise wird zwar auch mit 3D-Modellen zur Visualisierung gearbeitet, in der Regel eignet sich jedoch ein handgemaltes Bild wesentlich besser, um effizient Stimmungen und visuelle Ideen zu vermitteln.
Die Arbeit des Illustrators beschränkt sich nicht zwingend auf die Vorproduktion. Auch in den Spielen selbst werden oft 2D-Elemente wie Hintergründe oder große Texturen von ihm/ihr erstellt.
Berufswege: Bereich Game Design
Der Bereich Game Design gilt unter Branchenneulingen oft als der interessanteste Bereich um den si...