Die Lokführerin
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Die Lokführerin

Erzählung aus der Epoche der Deutschen Bundesbahn

  1. 60 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Die Lokführerin

Erzählung aus der Epoche der Deutschen Bundesbahn

Über dieses Buch

Die Zeit von 1975 bis 1991 – in der sich das Schicksal "der Lokführerin" abspielte - war für die Eisenbahnen in Deutschland ein besonderer Abschnitt. Es war die letzte Phase einer Staatsbahn in Deutschland. Danach fielen die Bahnen wieder in ihre Anfänge zurück – in Privat- und Länderbahnen. Es war auch die Zeit, wo erstmals nach langer Zeit Strecken neu gebaut wurden (Schnellfahrstrecken für den IC und ICE-Verkehr) und wo West und Ost wieder zueinander fanden (Vereinigung der Bundesbahn mit der Reichsbahn). Natürlich war es auch die Zeit wo Frauen endlich in allen Ebenen vordringen konnten. Sophia Fuhrmann hatte sowohl im schweren Güterzugverkehr wie im ICE-Traktionsdienst die letzten Hürden (Männerdomänen) genommen. In dieser Epoche war noch ein starker Gemeinschaftssinn unter den Eisenbahnern zu spüren. Die Bahn war gewissermaßen ein großer Familienbetrieb. Man fühlte sich nicht als Söldner im Eisenbahnerheer sondern als Teil des Unternehmens. Dies kommt besonders in den Handlungen "der Lokführerin" zum Ausdruck. Die Erzählung ist daher auch ein vom Leben geschriebenes historisches Dokument jener Ära.

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Information

Jahr
2015
ISBN drucken
9783734799792
eBook-ISBN:
9783739290393
Sie stand im Hauptbahnhof Frankfurt am äußersten Ende des Bahnsteiges und wartete auf den ICE nach Stuttgart. Die Lautsprecheransage hatte den von Hamburg kommenden Intercity-Express 5 Minuten Verspätung vorausgesagt. Endlich. Gemächlich über die Weichen windend fuhr der lange Zug in den Bahnsteig ein. Der Kollege im Cockpit grüßte ihr etwas verlegen zu. Sophia Fuhrmann schaute auf die Uhr. Der Zug hatte 10 Minuten Verspätung. „Nun ja“, dachte sie, „auf der Schnellfahrstrecke Mannheim – Stuttgart werde ich die Zeit wieder hereinholen, falls nicht durch einen langen Bahnhofs-Aufenthalt die Verspätung noch größer wird.“
Kaum das der Zug ganz stand, schloss sie den Triebkopf auf und kletterte hinein, während am anderen Ende, auf der Prellbockseite, der Kollege den Führerstand verließ. Er hatte Feierabend und sie Dienstbeginn. Sobald sie ihre Tasche abgestellt hatte, öffnete sie den Indusischrank (induktive Zugsicherung) und trug ihren Namen in die Schreibrolle, die ihre Fahrt aufzeichnen würde. Dann legte sie den Sifa-Schalter (Sicherheitsfahrschalter) um. Dieses Gerät würde ihre Dienstfähigkeit überwachen. Früher hieß diese Einrichtung Totmannschalter. Nun tippte sie die Zugnummer in den elektronischen Buchfahrplan. Das betreffende Display würde ihr während der Fahrt zu jedem Streckenkilometer die zulässige Höchstgeschwindigkeit, nebst der Uhrzeit, an der sie dort sein sollte, angeben. Natürlich auch die Bahnhöfe an denen sie zu halten hatte mit der vorgegebenen Aufenthaltszeit. Nun stellte sie am Zugbahnfunk noch die Frequenz für die vorliegende Strecke ein und machte es sich in ihrem Arbeitstuhl bequem. Sitzend löste sie die Bremsen im Zug. Der Lokführer am anderen Ende hatte alle Bremsen angelegt. Diese hatte sie nun von ihrem Führerstand aus zu lösen. Das galt als vereinfachte Bremsprobe. Damit konnte festgestellt werden ob auch ihr Hauptführerbremsventil alle Bremsen im Zug ansprach.
Nach ein paar Minuten entspannten Sitzens leuchtet an einem Signalmast vor ihr der grüne Kranz auf – das Abfahrsignal. Ohne aus dem Seitenfenster zurück zu schauen schaltete Sophia die acht Antriebs-Motoren auf, und der Zug glitt allmählich beschleunigend aus dem Bahnhof. Über das vor ihr liegende Weichengewirr durfte sie mit maximal 60km/h fahren. Danach, bis Mannheim, betrug die vorgesehene Geschwindigkeit zwischen 140 und 160km/h.
Als der sich Zug über den Weichenverbindungen wand entrang Sophie unwillkürlich ein Seufzer. Sie dachte an die Morgenstunden. Daheim hatte sie eine fürchterliche Szene provoziert. Sie war Pfarrfrau und ihr Mann hatte sie gebeten ihren Beruf als Lokführerin aufzugeben um sich mehr der Gemeinde zu widmen. Das hatte ihr nicht gefallen. Maßlos verärgert schrie sie ihren Mann an: „Wer war den zuerst da, du oder die Bahn? Als du mich heiratest wusstest du von meinen Beruf, und er hat dir sogar imponiert und nun soll ich ihn aufgeben? Nie und nimmer!“ Als Zeichen der Empörung warf sie ihm den Gemeindebrief vor die Füße. Er bat sie dann um der beiden kleinen Kinder willen, die ihre Mutter noch brauchten, zu Hause zu bleiben. „Du lungerst doch den ganzen Tag im Pfarrhaus herum. Du kannst dich doch um die Kinder kümmern, dann hast du wenigsten etwas Vernünftiges zu tun.“, erwiderte sie mit schriller Stimme, packte ihre Eisenbahnertasche und verschwand.
Der Zug hatte nun die freie Strecke erreicht. Ohne ihr zutun fand er seinen Weg. Irgendwo auf einem Stellwerk hatte jemand ihr die Fahrstraße zuverlässig eingestellt. Wo aber lag ihr persönlicher Weg? Befand sie sich noch auf der rechten Bahn? Die Sache von heute Morgen lag ihr unverdaut im Magen. Wenn es doch auch im menschlichen Leben jemanden gäbe der einen auf den richtigen Weg leiten könnte.
Die Signale standen alle auf grün. Sophia beschleunigte den Zug auf 160km/h. Bis nach Mannheim würde sie voraussichtlich ungehindert durchfahren können. Sie hatte vor Fahrtbeginn die Langsamfahrordnung (La) studiert. Es gab heute keine Baustellen auf diesen Streckenabschnitt und ihr ICE hatte Vorrang vor allen anderen Zügen. Ausgenommen davon waren nur spezielle Sonderzüge, wie ein dringlicher Hilfszug oder ein Güterzug mit zeitkritischer Ladung. Die Wahrscheinlichkeit war gering, dass um die jetzige Mittagszeit ihr so etwas in die Quere kam. Entspannt lehnte sie sich zurück und ließ die Landschaft an sich vorüberrauschen. Aber mit der vorbeieilenden Umgebung kamen die Erinnerungen.
Im Bahnbetriebswerk Kornwestheim hatte sie das Handwerk eines Lokführers gelernt. Während des letzten Jahres im Gymnasium wurde sie oft gefragt, was sie werden wollte. Sie zuckte jedes Mal mit den Schultern. Sie wusste es selbst nicht. Zum studieren hatte sie keine Lust. Da las sie in verschiedenen Zeitungsannoncen, dass die Bahn Lokführer suchte. Mittlere Reife reichte bereits um sich zu bewerben. Sie dachte sich: „Warum nicht? Das probierst Du einfach einmal.“ Ihre Bewerbung wurde angenommen und nach dem Abitur wurde sie dem Bw Kornwestheim zur Ausbildung zugewiesen. Von dort wurde sie auf eine Bundesbahnschule nach München geschickt. In München lernte sie die technischen Geheimnisse der Diesel- und Elektrolokomotiven aber auch das ganze betriebliche Regelwerk der Bahn kennen. Von den Anwärtern wurde z. B. verlangt, dass sie das Signalbuch sowie die Fahrdienstvorschrift so gut wie auswendig kannten. Denn bei Unregelmäßigkeiten, wie technischen Störungen, Baustellen, Unfällen usw. mussten sie eindeutig wissen, was zu tun war. Eine falsche Handlung in einer Situation, wo die betrieblichen und technischen Absicherungen nicht mehr greifen, kann zur Katastrophe führen.
Die einjährige Ausbildung in München bereitete Sophia keine große Schwierigkeiten. Sie fand sie interessant und sehnte sich, wie die meisten ihrer Ausbildungskollegen, bald auf große Fahrt zu gehen. Doch damit war vorerst nichts. Sie wurde auf dem großen Verschiebebahnhof Kornwestheim im Rangierdienst eingesetzt. Auf den Diesellokomotiven V60 und V90 war sie nun als Lokführerin tätig. Bei Wind und Wetter, bei Tag und Nacht musste sie den Kopf aus dem Führerstandsfenster herauslehnen um die Anweisungen der Rangierer aufzunehmen und umzusetzen. Ihre Aufgabe bestand darin, die von den Streckenlokomotiven hereingebrachten Güterzüge zu zerlegen und in Nahgüterzüge zusammenzustellen. Oder umgekehrt, Güterwagen aus dem Nahbereich zu Ferngüterzügen zusammenzustellen. Sie war die einzige Frau in dieser Männerdomäne und manchmal fragte sie sich ob sie wirklich den richtigen Beruf gewählt habe.
Doch der Rangierdienst hatte auch seine reizvollen Seiten. Bei schönem Wetter im Frühjahr und Sommer, machte es Freude seinen Kopf aus dem Lokfenster zu stecken. In diesen Augenblicken wollte sie ihren Arbeitsplatz nicht mit einem muffigen Büro vertauschen. Sie hatte langes kräftiges schwarzes Haar, das sie zu einem Zopf zusammenflocht. Es hing ihr bis zu den Hüften. Sie leistet sich oft den Spaß ihren Zopf aus den Lokfenster baumeln zu lassen. Die Rangierer die auf den Trittbrettern mitfuhren starten verdutzt darauf. Manche deuteten sogar mit dem Finger auf ihren dicken Zopf. Verschiedene Male wurde sie darauf angesprochen: „Das ist aber gefährlich. Wenn ihr Haar an einem Gittermast hängen bleibt, wird ihnen die Kopfhaut abgerissen.“ „Nein, nein!“, erwiderte sie lachend. „Das ist eine Sicherheitsmaßnahme für euch. Wenn ihr den Halt verliert könnt ihr euch daran festklammern.“ Mit der Zeit merkte sie, dass die meisten Rangierer gern mit ihr Dienst taten und es manche sogar als Ehre empfanden, zusammen mit ihr das Geschäft zu erledigen. Das entschädigte sie etwas für den harten Dienst bei Kälte, Regen und Schnee. Oft saß sie auch während der Rangierpausen mit ihnen zusammen zum vespern oder zum plaudern. Es waren einfache Leute, die eine harte unfallträchtige Arbeit auszuführen hatten, meist Ausländer. Im Gespräch mit ihnen lernte sie ihre Alltagssorgen und Nöte kennen und verstehen. Bald war sie, die einzige Lokführerin im großen Rangierbahnhof, bekannt und beliebt wie ein bunter Hund.
Nach einem Jahr jedoch wurde sie in den Streckendienst versetzt. Allerdings ging es immer noch nicht auf große Fahrt. Sie wurde im Personenzugnahverkehr eingesetzt. Hauptsächlich fuhr sie auf der eingleisigen Strecke zwischen Ludwigsburg und Backnang. Hier hatte sie mit der Diesellok V100 Wendezüge zu fahren. Mit der Lok voraus fuhr sie nach Backnang. Zurück nach Ludwigsburg steuerte sie vom letzten Reisezugwagen aus (er war als Steuerwagen ausgerüstet) den Zug, während die unbesetzte Lok den Zug schob. Es war eine nette Zeit. Die Arbeitszeit war meist tagsüber und der Führerstand war abgeschlossen und warm. Nur in den Bahnhöfen, deren es allerdings auf der Strecke viele gab, musste sie vor Abfahrt des Zuges das Seitenfenster öffnen um den Abfahrauftrag des Zugführers entgegen zu nehmen. Das Geschäft war nicht mehr so gesellig wie der Rangierdienst. Nun war sie einsam auf der Lok. Dennoch war der Fahrdienst angenehmer und gefiel ihr auch besser.
Als ein Jahr verflossen war, gab es wieder einen Wechsel. Das Hauptgeschäft vom Bw (Bahnbetriebswerk) Kornwestheim bestand nicht im Rangierdienst oder Personennahverkehr sondern im Güterzugdienst. Auf der Hauptrollbahn waren Ferngüterzüge zwischen Bruchsal und Neu-Ulm durch das Hügelland zu schleppen. Deswegen waren im Bw Kornwestheim die sechsachsigen elektrischen Lokomotiven der Baureihe 150 und 151 beheimatet. Die Loks waren fü...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Textbeginn
  3. Impressum