Hofmark Taufkirchen
1544 geht die Zeit der Taufkircher in Taufkirchen zu Ende. Der junge Georg Taufkircher entspricht dem Wunsch seines Herrn, dem Herzog Wilhelm IV, und übergibt ihm sein Besitztum. Er erwähnt, dass sein gnädiger Herr den Gerichtsbezirk zur Hofmark aufgestuft hat.59 Im Tauschwege erhält der Taufkircher die Hofmark Höhenrain: kein schlechter Tausch, verfügt Höhenrain doch über 80 Höfe, während die Adelsfamilie zuvor nur über sehr viel weniger Besitz gebot!
Abb.: Steffan Ebersberger, Kirche und Schloss Großhöhenrain um 1600
Es gibt keine Nachrichten darüber, wie die Taufkircher ihre Untertanen behandelt haben. Als die Familie in Großhöhenrain residierte, lüftete sich der Schleier ein einziges Mal: Der Reichtum der Familie war damals sehr geschrumpft. Und die Untertanen wurden unzufrieden; der Kooperator Johann Hartmann im nahen Kirchdorf - St. Michael in Höhenrain (s. unten) gehörte als Filiale zu jener Pfarrei - hielt es für angebracht, die Herrschaft von der Kanzel herab zu kritisieren. Der Hofmarksherr Hans Heinrich, der Sohn des Georg II, wehrte sich energisch gegen die Attacke. Er meldete empört, Hartmann habe in einer Predigt gesagt: „Sy, die von Adl, wären Schindfincher [Gewalttäter] und paurnschinder. Sy seien die Kirchenräuber und Gozdib.“ Hartmann hätte „unverschamt fürgeben dörfen, die Steyr, so man Türkkhenhilf nenne [eine Reichskriegssteuer], werde an schön leben, Hoffarth, essen und Trinkhen verwendet.“ Hartmann wurde vor das Geistliche Gericht in Freising zitiert, musste widerrufen und wurde strafversetzt.
Abb.: Barhäuptige Bauern liefern ihre Abgaben an den Grundherrn ab. Holzschnitt aus dem 15. Jh.
Die Taufkircher beherrschten die neue Hofmark bis 1621. Dann verkauft man den überschuldeten Schloss- und Grundbesitz. Die letzten Vertreter der Familie, drei Vettern, zogen als Offiziere in den Dreißigjährigen Krieg und kamen nicht zurück.60 Das Gebiet ging durch viele Hände und gehört heute zur Gemeinde Feldkirchen-Westerham.
Doch zurück nach Taufkirchen: Georg stellt in einem „Saalbuch“, ein ausführliches Verzeichnis seiner Höfe in und außerhalb von Taufkirchen und Westerham mit allen Abgaben auf. Es ergibt einen seltenen Einblick in die Besitz- und Sozialverhältnisse.
Es heißt: „Dem Leonhart Loder, Hauspfleger, ist der Sitz von Jar zu Jarn verlassen [überlassen], gibt kain Gült, ist Hoffmarchs ambtman vnnd über das Wessern gestellt. Er soll auch den anger vnnd paumgarten versehen, hat in ain veld 1 Juch61 ackers Hen vnnd annder vih.“
Unmittelbar bei der Kirche liegt der Schlossanger (ein Obstgarten) und darin der „Sitz“, das Herrenhaus. Das Gebäude wird von Phillip Apian 1585 in seiner Topographie von Bayern als „arx“ (Burg/Schloss) bezeichnet. (Im Saalbuch von 1555 ist neben dem „Herrn Haus“ zusätzlich vom „Pflegershaus“ die Rede.)62
Zu den Aufgaben des Amtmanns gehörte wohl das Richteramt im Dorfgericht, die Aufsicht über den wichtigen Hachinger Bach, als Hauspfleger der Unterhalt des Sitz und des „paumgarten“ dazu der Betrieb einer kleinen Landwirtschaft. Es heißt noch im Saalbuch: „Den pach hab Ich [der Hofmarksherr] auffzukern [aufzustauen] vnd Wessern all Sambstag zu Versper Zeit bis an den Sundtag zu Vesper Zeit vnnd denselben den Inwonern der Hoffmarch vnnd meinen Hintersassen gelihen.“ Die Bewohner der Hofmark dürfen also kostenfrei Wasser zur Bewässerung aus dem Hachinger Bach (oder dem Entenbach) entnehmen, während beispielsweise der Angermüller in Winning wegen der Bewässerung der Wiesen im Sommer „Wassergeld“ zahlen muss.
Der Hachinger Bach hatte natürlich auch für die Trinkwasserversorgung von Mensch und Tier eine große Bedeutung. Auch als Fischwasser war er ertragreich. 1525 hatte deshalb der Herzog den Bach außerhalb der Hofmark bereits den Taufkirchern abgekauft und eine Wasserordnung, ein frühes Wassergesetz, erlassen, um die einzelnen Nutzungen zu regeln.
Den Taufkirchern gehörten die Zaunmühle (urkundlich 1465), die Mangmühle (urkundlich 1544) und die Sixtmühle (urkundlich 1544). Die Kottmühle hatten sie 1426 neben anderen Höfen großzügig gestiftet, um an der Ortskirche für den dauernden Unterhalt eines Frühmessers (Hilfspfarrers) zu sorgen. Die bereits 1052 erwähnte Bachmühle gehörte zusammen mit zwei Nachbarhöfen bis zur Säkularisation dem Stift St. Veit im Bereich des Bischofs in Freising.
Es klapperten also jahrhundertelang fünf Wassermühlen in Taufkirchen einschließlich Potzham und Westerham, dazu kam die Angermühle am Entenbacherl in Winning, die dem Kloster Tegernsee gehörte. Das ist die Mühle, die Abt Heinrich 1285 an Ulrich von Aschau verlehnte, die aber in dem Dokument ungenau Taufkirchen zugeordnet wird.63
In Taufkirchen gehört den Ortsherren außer dem Sitz und der Sixtmühle die beiden Sedlhöfe, der Wirt und ein Gütlein (Bauer ist Wolffganng Renz). Ein anderes Gütlein (Viertelhof, Lehen) und das Mesnerhäusl zählen zum Vermögen der Ortskirche St. Johannes. Das Widem, der Hof des Benefiziaten, ist Teil einer Stiftung der Taufkircher aus dem 15. Jahrhundert. Es gibt in Taufkirchen außerdem 3 Sölden (Achtelhöfe) im Eigenbesitz von Kleinbauern und 3 Sölden im Eigentum von Bauern, aus deren Höfen sie wohl abgezweigt worden waren, die aber St. Veit als Obereigentümer haben.
In Westerham besitzen die Ortsadeligen außer der Zaunmühle, 3 Viertelhöfe und die Sölde, auf der der Dorfhirte wirtschaftet. Von den anderen 5 Anwesen gehören zwei dem Kloster Tegernsee und je eines der Kirche in Schäftlarn, der Ortskirche und dem Benefizium Unterhaching.
In Potzham zählen die Taufkircher zu ihrem Eigentum die Mangmühle, den großen Püchelhof, den ebenfalls große Hinterhof und zwei Lehen. Außerdem ihr eigen: ein Hof in Unterhaching (bewirtschaftet von Hanns Tumbergers Erben) und ein Häuslein im Wald bei Engelwarting. Zusammengefasst umfasst der Besitz der Taufkircher 17 Anwesen.
Die Hofmark verfügte im Bereich von Engelwarting und Bergham über mindestens 140 Tagwerk Wald, der großteils als Waldweide genutzt wurde. Die einheimischen Bauern hatten außerdem seit dem Mittelalter ganzjährig das Recht, im Grünwalder Forst (der damals auch den Deisenhofener und den Perlach Forst umfasste) ihr Vieh grasen zu lassen. Sie wurden aber 1614 einmal von der Obrigkeit verwarnt, weil sie unerlaubt Wildwuchs in einer Waldweide entfernt hatten.64 (Es heißt erstaunlicherweise, dass noch um 1880 Bauernburschen aus Bergham ihre Zeit zusammen mit Pferden zur Nachtweide im Wald verbrachten).65
Die Dokumente besagen, dass im Herbst Bauern aus vielen Dörfern Schweine zur Eichelmast in den Grünwalder Forst trieben . Dazu gehörten auch neben Taufkirchen und Westerham auch die Nachbarorte Pötting, Winning und Bergham (nicht aber Potzham, dass wohl auch eigenen Wald besaß).
Bei der „Benutzungsgebühr“ unterschied Jacob Tanner, Castner zu München im Jahr 1494, zwischen „kauf saw“ und „zigl saw“ (Zuchtsau). Taufkirchen musste z. B. für 18 Kaufsäue je 12 und für jede der 55 selbst gezogenen Schweine 5 Pfg bezahlen.66
Wichtig war in den Bauerndörfern auch eine Schmiede. Eine solche ist 151967 erwähnt.
Es heißt später, wenn die vergrößerte Hofmark etabliert ist68: „Die ehehafftschmidtn steht zu Perckhaim [am Entenbach], mues aber doch von der hoffmachsgemain underhalten werden.“ Formeller Obereigentümer ist bis 1812 die Ortskirche.
Abb.: Die Schmiede in Bergham
Die Taufkircher richteten vor 1544 eine Gastwirtschaft ein, die „Tavern“. „Eine Taferne war ein mit Real- und Sonderrechten ausgestatteter Gasthof mit Speisungs-, Tränkungsund Beherbergungspflicht im Gegensatz zur einfachen Schänke, auch Bierzäpflerei genannt.“69 Im Hachinger Tal bestanden zu der Zeit lediglich Tafernen in Taufkirchen und Unterhaching. 1592 darf der Wirt auch mit Vieh handeln. Er muss „Ungelt“ (Umsatzsteuer) zahlen.
Abb.: Das Traditionsgasthaus, erwähnt 1544
Einen Bader bzw. Wundarzt gab es nicht, Mensch und Tier mussten sich früher bei Krankheit nach Unterhaching begeben. Folgende Arztrechnung ist überliefert: „Ich Endunterschriebener habe den Melchior Öttl, Paurn zu Winning, wegen verbrachten Schlögerei von Andre Clasen, auch Paurn zu Winning, 11 Tag alle Tag und 4 Tag, das er sich selbst zu- und verbunden, an einem Aug, an welchem er 8 Tag nichts gesehen, dann an einem Fues zwei Streiffen und auch meine Pflaster in die 14 Tage gebraucht, für welches mein verdientes Arztlohn 2 Gulden 20 Kreuzer. Attestiere solches mit dem Actum, Unterhaching den 1. Oktober anno 1724. Melchior Hainz, Bader und Wundarzt zu Undterhaching.“70 Erst um 1900 zog mit Peter Hörnig ein Bader nach Taufkirchen.
Von 1544 bis 1560 unterstand die Hofmark Taufkirchen und Westerham der herzoglichen Verwaltung. Dann überträgt Albrecht V (1550-1579) seinem Kanzler Dr. Simon Egckh (1514-1574, ein ...