Traurig und befreit zugleich
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Traurig und befreit zugleich

Psychische Folgen des Schwangerschaftsabbruchs

  1. 142 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Traurig und befreit zugleich

Psychische Folgen des Schwangerschaftsabbruchs

Über dieses Buch

Die Studie des Familienplanungszentrums Hamburg widerspricht dem Mythos, dass eine Abtreibung in jedem Fall traumatisch sein muss. Frauen wurden nach einem Schwangerschaftsabbruch ausführlich befragt. Die Ergebnisse dieser Befragung aus der ersten Hälfte der 1990er Jahre referiert dieses Buch, verdichtet in zwölf Fallgeschichten. Die Frauen selbst berichten von ihren Erfahrungen, die für andere vor oder nach einem Schwangerschaftsabbruch hilfreich sein können. Welche Bedingungen führen dazu, dass Frauen unter einer Abtreibung leiden, welche Umstände verhelfen zu einer guten Verarbeitung? In dieser Hinsicht hat die Veröffentlichung nichts von ihrer Aktualität verloren.

Häufig gestellte Fragen

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Information

Jahr
2015
ISBN drucken
9783739279503
eBook-ISBN:
9783739263250

Teil II: Persönliche Berichte

Zwei Berichte von Frauen, die unter unwürdigen Bedingungen einen Schwangerschaftsabbruch erlebten. Sie erzählen stellvertretend für viele andere.

«Das war ganz schrecklich.»

Gudrun ist 42 Jahre alt, Lehrerin und verheiratet. Sie hat eine Tochter und einen Sohn. 1976 ließ sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen.
« Mein erster Schwangerschaftsabbruch war schrecklich. Ich war damals 19 Jahre alt und lebte in einer streng katholischen Umgebung. Ich war schwanger, weil mein Gynäkologe sich geweigert hatte, mir die Pille zu verschreiben, und ich es mit Knaus Ogino nicht so richtig hingekriegt habe. Ich war nicht aufgeklärt. Zu Hause durfte man das Thema Verhütung oder Sexualität überhaupt nicht ansprechen. Schrecklich war, daß ich offenbaren mußte, daß ich schwanger bin, aber ich brauchte ja Informationen, wo man abtreiben kann. Dann hatte ich eine Adresse bekommen, sechs Autostunden entfernt in einer völlig fremden Stadt, bei einem Gynäkologen, den ich noch nie gesehen hatte, mit dem ich nur telefoniert hatte. Mein Freund hat mich hingefahren. Als wir in die Praxis kamen, war da noch ein Anästhesist, was ich nicht gewußt hatte. Der wollte wohl auch noch mit daran verdienen. Ich wurde nur kurz begrüßt, dann wurde mir gesagt, ich solle mich ausziehen, aber vorher das Geld auf den Tisch legen. Dann ging es relativ rasant mit der Narkoseeinleitung. Als ich wieder aufwachte, war mein Freund schon bei mir. Er hat mir erzählt, er habe sich Sorgen gemacht, denn es hätte so lange gedauert. Ich habe hinterher überlegt, was die dort drinnen mit mir gemacht haben. Das waren zwei so dunkle Gestalten. Es war wie in einem Film – beide so düster, so dunkel die Räume. Es war ja nach Praxisschluß. Das war ganz schrecklich.
Es ging mir noch längere Zeit unheimlich schlecht, weil ich mit niemandem richtig darüber reden konnte, und mein Freund selbst so hilflos war. Das Ganze war 1976. Heute weiß ich, daß Abtreibungen damals auch legal möglich waren. »

«Die haben schlecht über mich geredet.»

Marie ist 35 Jahre alt, Krankengymnastin und lebt allein. Vor fünf Jahren hatte sie einen Schwangerschaftsabbruch. Die herabwürdigende Behandlung im Krankenhaus hat ihr mehr Schwierigkeiten bereitet als der Abbruch selbst.
« Ich kam in ein riesiges Zimmer mit vielen Betten. Da lag eine frisch operierte Frau. Neben ihr lag eine, die an der Brust operiert worden war, und eine andere hatte einen Kinderwunsch und war wegen irgendwelcher Untersuchungen da. Ich mochte nicht sagen, daß ich einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollte. Ich habe mir eine Notlüge ausgedacht und fühlte mich damit total elend. Für mich war kein Gespräch mehr möglich, und ich hatte Angst, daß der Arzt kommt und mich dumm anmacht.
Gegen Abend haben sie mich ins Bad geholt und meine Schamhaare abrasiert. Das fand ich ganz schrecklich. Ich fragte, wann ich denn drankommen würde. Die Schwester sagte: ‹Solche Sachen machen wir immer zum Schluß.›
Am nächsten Tag kam ich so um zwei Uhr dran. Mir wurden rote Stützstrümpfe angezogen und ein Flügelhemd und ich bekam eine Spritze. Danach waren alle, die mir entgegenkamen, riesig groß. Sie haben mich in einen OP-Raum geschoben. Am Fenster standen Menschen mit verschränkten Armen und Mundschutz. Ich wurde auf einen Stuhl gelegt. Meine Beine waren auseinander. Ich guckte durch meine Beine und sah diese Menschen mit den verschränkten Armen und dem Mundschutz. Die haben über mich geredet. Ich hatte das Gefühl, die reden schlecht über mich. Obwohl ich noch nicht eingeschlafen war, haben sie mir die Beine und Arme mit Lederriemen festgezurrt. Eine Ärztin sagte: ‹Ich lege Ihnen jetzt eine Kanüle.› Sie schaffte es nicht. Sie hat zwei- oder dreimal gestochen. Es tat so weh, daß ich zu heulen anfing. Ich habe irgendwas gesagt wie: ‹Ihr seid doch alles Schweine.› Die waren empört, haben auch etwas gesagt, aber dann war ich schon weg. Ich hatte noch das Gefühl, jetzt bin ich ihnen völlig ausgeliefert. Das fand ich richtig furchtbar. Die hatten alle Macht der Welt.
Als ich aufwachte, saß meine Freundin am Bett. Ich guckte unter die Bettdecke, da war alles blutig. Ich lag mit meinem Po und meinen Oberschenkeln in einer Blutlache. Mir war unheimlich schlecht. Meine Freundin holte die Schwester, und die sagte: ‹Von so was kommt so was.›
Ich hatte eigentlich nicht das Gefühl, etwas Schlimmes getan zu haben, aber ich sollte wohl bestraft werden. Dabei hatte ich doch alles. Ich hatte die notwendigen Bescheinigungen und wollte eigentlich nur einen Abbruch.»

Wenige Wochen nach dem Schwangerschaftsabbruch

«Ich hatte so eine Angst – aber es war ein ganz besonderes Erlebnis»

Kerstin ist 28 Jahre alt, Buchhändlerin und lebt allein. Ihr Schwangerschaftsabbruch war vor drei Wochen. Sie ist noch damit beschäftigt, den Eingriff, vor dem sie große Angst hatte, und die Zeit davor zu verarbeiten.
« Es ist jetzt fast drei Monate her, daß ich zu meiner Frauenärztin ging, um mir die Pille verschreiben zu lassen. Ich ahnte schon, daß ich schwanger sein könnte. Ich hatte es nicht nachgeprüft, aber mir war übel, und ich fühlte mich irgendwie anders. Die Frauenärztin teilte mir dann tatsächlich mit, daß ich schwanger bin. Ich habe geweint und gelacht. Ich wußte gar nicht, was ich machen sollte. Ich war total durcheinander. Ich dachte: ‹Jetzt bin ich eine richtige Frau, ich kann Mutter werden.› Dann habe ich gedacht: ‹Nein, das geht doch nicht.›
Dann habe ich ziemlich viele Krisen erlitten. Es ging eine Woche aufwärts, dann wieder abwärts. Ich habe gemerkt, ich kann beides intensiv erleben, auch diese Freude am Mutterwerden. Ich dachte, jetzt fange ich an zu spinnen. Ich habe es gluckern und rauschen gehört, da badete irgendwas. Es war einfach irre. Dann wieder wollte ich das alles gar nicht. Ich habe keine ökonomische Basis für das Kind. Ich weiß nicht, ob die Partnerschaft hält. Die Bindung durch ein Kind wäre mir zu eng gewesen. Das wäre nicht gutgegangen.
Mein Freund hat sich gefreut. Er war ganz begeistert und konnte mein Abwehren nicht verstehen. Damit kam er nicht zurecht. Er hat sich ziemlich von mir zurückgezogen. Man könnte meinen, er sollte Mutter werden. Das war ganz erstaunlich. Das hatte ich nicht von ihm erwartet. Er konnte mich überhaupt nicht unterstützen in dieser schwierigen Zeit. Deshalb habe ich mich ziemlich allein gefühlt. Ich habe es Freundinnen mitgeteilt. Sie haben versucht, mich zu unterstützen, mir sowohl in die eine als auch in die andere Richtung Klarheit zu geben. Es war wichtig, darüber sprechen zu können, weil ich dachte, ich platze mit diesen vielen Gefühlen.
An dem Tag, an dem ich erfuhr, daß ich schwanger bin, sagte meine Gynäkologin zu mir: ‹Kümmern Sie sich um die Formalitäten. Umentscheiden können Sie sich immer noch. Sehen Sie zu, daß Sie sobald als möglich das Beratungsgespräch und die Bescheinigung darüber bekommene.› Ich ging zu Pro Familia, auch um noch ein bißchen mehr Klarheit zu finden. Gut war, daß die Beraterin mich so genommen hat, wie ich war, mit meiner Angst, mit meiner Freude. Sie hat mir zugehört, mich nicht kritisiert oder versucht, eine Entscheidung zu erzwingen. Sie hat es ein bißchen zusammengefaßt und es noch mal von verschiedenen Seiten beleuchtet. Das war für mich wichtig. Aber zur Klärung war es noch zu früh. Ich habe nie erwartet, daß mich das so sehr beschäftigen würde. Ich habe immer gehofft, daß es mir nie passiert. Ich dachte, wenn, dann würde ich das Kind auch bekommen.
Nachdem ich mich entschieden hatte, die Abtreibung machen zu lassen, bekam ich einen Termin in einer Klinik. Eine Freundin fragte mich: ‹Bist du dir auch ganz klar, daß du das da machen lassen willst?› Ich sagte: ‹Nein, irgendwie nicht.› Aber ich wußte nicht, was mein Problem dabei war. Mir liefen die Tränen, und ich kriegte richtige Angstzustände. Ich wußte nur nicht, warum. Ich konnte es nicht in Worte fassen. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Ich wußte gar nicht, was dort auf mich zukommen würde. Ich hatte so eine Angst! Ein Arzt hatte mir gesagt, bei meiner Angst wüßte er nicht, ob er es mit örtlicher Betäubung machen könne. Dann kam meine Freundin auf die Idee, daß ich ins Familienplanungszentrum gehen könnte. Ich könnte es mir anschauen und klären, was mich dort erwarten würde. Ich ging dorthin. Die Räume hatten so eine nette Ausstrahlung. Es war wie ein kleines ‹Willkommen› und ‹Es wird schon irgendwie gehen›. Ich hatte das Gefühl, als ich da auf dem Stuhl war und die Ärztin die Voruntersuchung machte, irgendwie ist das hier richtig. Du mußt nur den Mut haben und die Kraft, das auch durchzuführen, aber du wirst es gut überstehen. Ich hatte auf einmal so ein zuversichtliches Gefühl.
Ich hatte dann noch eine Woche Zeit, um zu mir zu kommen. Die Entscheidung war klar. Ich hatte trotzdem große Angst. Nicht davor, daß ich von dem Stuhl wieder runtergehen würde, sondern überhaupt dorthinzukommen. Es war ganz furchtbar! Eigentlich wollte ich alles ungeschehen machen.
Aber dann kam alles anders während der Behandlung. Zum einen, daß mich jemand die ganze Zeit berührt hat. Das war ein Erlebnis, das hätte ich nie erwartet. Die Krankenschwester hat mir die ganze Zeit den Bauch massiert. Sie hat mit mir gesprochen, mich wahrgenommen und sich um mich gekümmert. Ich habe mich wirklich aufgehoben gefühlt. Das war für mich ein ganz besonderes Erlebnis.
Ich habe Angst vor Sachen, die ich nicht kenne. Ganz besonders dann, wenn es mit körperlicher Nähe oder dem Zulassen von Berührungen zu tun hat, habe ich große Probleme. Die Angst wich dann Schritt für Schritt. Ich kriegte mit, daß die Krankenschwester die ganze Zeit über dableiben würde. Am Anfang hat es mich irritiert. Ich war gerührt und durcheinander. Ich hatte gedacht, da wird ganz viel passieren, was ich nicht mitbekomme. Aber ich spürte ja die ganze Zeit ihre Hand. Ich hatte das Gefühl, beteiligt zu sein. Die Ärztin hat gesagt, was sie gerade tut. Ich habe ein Ziehen gemerkt. Darauf hatten die beiden mich vorher hingewiesen. Sie haben mir gesagt, was ich.zu erwarten hätte. Dann ging es ganz schnell vorbei. Ich war im Grunde genommen positiv überrascht, wenn das passend ist für diese Situation. Ich habe schon ein bißchen Schmerzen gehabt, aber im Verhältnis zu dem, was ich erwartet hatte, war das minimal. Ich weiß nicht, ob ich übertrieben reagiert habe. Ich kann mich da nicht einschätzen, weil ich keine anderen Frauen kenne, mit denen ich mich darüber ausgetauscht habe.
Eine Freundin meinte vorher: ‹Versuch doch, ein bißchen Abschied zu nehmen, damit es dir nicht ganz so schwer fällt.› Nach dem Eingriff lag ich auf einer Liege, und die Sonne schien auf mein Gesicht. Dann habe ich mit dem Baby ein bißchen gesprochen. ‹Mach’s gut, und wir sehen uns wieder.› Dieses Wesen wird es vielleicht verstanden haben.
Ich spürte große Erleichterung, weil die Angst von mir abgefallen war. Ich war aber auch traurig. Aber ich war auch dankbar für dieses Erlebnis, daß meine Angst in Sicherheit umgeschlagen war.
Eine Freundin hatte mich begleitet. Ich fand es wichtig, daß ich mit jemandem sprechen konnte, den ich kenne, den ich mag. Meine Freundin hat mir später noch etwas gekocht. Aber ich war noch angespannt, weil ich dachte: Was passiert jetzt noch? Ich habe an dem Tag auf Schmerzen gewartet, die aber nicht kamen. Nach und nach fiel die Angst dann ab. Ich habe zwar stärkere Blutungen bekommen, aber ich hatte an Sicherheit gewonnen, nachdem ich den Abbruch geschafft hatte. Mir hat auch geholfen, daß ich die Freiheit hatte, ein wenig krank zu sein, so daß ich Zeit für mich hatte.
Ich merke jetzt eigentlich erst, daß ich langsam wieder da ankomme, wo ich vorher war. Dieser Nebel, diese Schwere fängt an, sich zu verändern. És drückte irgend etwas auf meine Schultern. Das fängt jetzt langsam an, sich zu verändern. Und ich nehme immer noch Abschied. Ich habe noch nicht richtig losgelassen. Manchmal merke ich das, wenn ich Frauen mit Kindern sehe.
Was ich unmöglich fand, war dieser Gang zum Sozialamt. Daß ich mich dort einem fremden Mann oder einer fremden Frau präsentieren mußte, mit allem, was ich gerade vor mir hatte, empfand ich als Eingriff in meine Privatsphäre. Ich habe mich diskriminiert gefühlt.
Die Partnerschaft zwischen meinem Freund und mir ist im Moment in einer Krise. In der für mich so schweren Zeit mußte ich mich noch zusätzlich um ihn kümmern. So kannte ich ihn noch gar nicht. Wir konnten uns keine richtige Hilfe geben. Das war für mich ganz schwierig. Wir haben uns dadurch ein bißchen entfernt. Er sagt zwar nicht, daß er noch an das Kind denkt, aber ich bin mir ganz sicher, daß er das noch nicht abgeschlossen hat. Ich weiß auch nicht, inwieweit er mir das übelnimmt. Ich konnte ihn nicht unterstützen, sondern ich war sehr enttäuscht, daß er so wenig für mich dasein konnte und sich in mich nicht hineinfühlen konnte. Bei mir verstärkte sich die Dankbarkeit, daß ich Freundinnen habe, die mich ein bißchen auffingen. Bei ihnen konnte ich mich zeigen, wie ich gerade war. Bei ihm hatte ich oft das Gefühl, ich muß mich verstecken, damit es nicht so angespannt ist. Ich weiß nicht mehr, ob das mit meinem Freund richtig ist. Da ist etwas aufgebrochen während der Schwangerschaft. Aber es gab vorher auch schon Probleme. Es war nicht so, daß wir eine Liebe hatten, die standfest gewesen wäre.
Für mich war das Ganze eine Lebensentscheidung. Ich bin einen Schritt mehr zu mir gekommen. Ich habe gemerkt, ich kann zu dieser Entscheidung stehen. Ich vertraue mir ein bißchen mehr. Es hat etwas mit Verantwortung und Reife zu tun. Ich bin auch noch etwas wehmütig und denke, wie wäre es wohl gewesen, wenn ich ein Kind bekommen hätte.
Ich muß jetzt erst einmal Ruhe finden und zu mir kommen. Ich hoffe, wenn ich wieder schwanger werde, daß ich dann das Kind auch bekommen kann. »

«Ich habe mit niemandem darüber gesprochen»

Elke ist 34 Jahre alt, Krankenschwester und verheiratet. Sie hat eine siebenjährige Tochter. Ihr Schwangerschaftsabbruch war vor einem Monat. Sie ist noch sehr traurig.
« Ich habe sehr früh das Gefühl gehabt, schwanger zu sein. Mir war es schon klar, bevor ich den Test gemacht habe. Wie bei meiner ersten Schwangerschaft hatte ich schon vorher ein Spannungsgefühl in der Brust. Für mich war das recht beunruhigend.
Ich habe meinem Mann zunächst nichts erzählt und habe für mich überlegt, was ich machen soll. Wir sind finanziell fest eingebunden, weil wir Wohnungseigentum erworben haben, so daß wir auch auf mein Einkommen angewiesen sind. Nach der Geburt meiner Tochter bin ich vier Jahre zu Hause geblieben. Ich fand das schon richtig, aber mir ist auch die Decke auf den Kopf gefallen. Die Tätigkeit als Hausfrau fand ich unbefriedigend. Es ist einerseits ganz schön, aber auf Dauer nicht das, was ich mir wünsche. Ich überlegte, was ich tun kann, wenn ich das Kind bekomme, um die finanzielle Seite abzusichern. Da hatte ich nicht so viele Ideen.
Ich hätte gerne noch ein Kind gehabt, aber mein Mann ist um einiges älter und hat schon ein Kind aus erster Ehe, und ich wußte, daß er auf keinen Fall ein weiteres wollte. Ich habe dann erst einmal mit ihm gesprochen. Er war völlig überrascht und nicht begeistert. Er hat dann aber gesagt, letztlich müßte ich das entscheiden. Da habe ich es entschieden. Im Grunde habe ich vorher schon dazu tendiert. Ich habe das Ganze dann forciert, indem ich mich trotz des Verdachtes der Schwangerschaft habe röntgen lassen. Vielleicht auch, um mir dadurch den Rückweg zu verbauen. Was besonders dazu beigetragen hat, daß ich mich für die Abtreibung entschieden habe, war der Satz meines Mannes: «Was du entscheidest, ich mach das mit.» Ich habe die Befürchtung gehabt, daß ich das irgendwann präsentiert bekomme oder daß das Kind das zu spüren bekommt, wenn es schiefgeht und wir es finanziell nicht schaffen. Er hätte mir später vielleicht die Vorhaltung gemacht: Du hast es doch so gewollt. Wenn er es auch nicht gesagt hat, aber es stand so im Raum. Es hätte die Beziehung massiv gestört, wenn ich darauf bestanden hätte, das Kind auszutragen. Es wäre auf jeden Fall sehr schwierig geworden. Ich weiß nicht, ob wir das hingekriegt hätten, unabhängig davon, ob ich es befriedigend gefunden hätte, zu Hause zu bleiben. Ich hätte mein Kind auf keinen Fall in die Krippe gegeben, ganz abgesehen davon, daß es sowieso kaum Plätze gibt.
Dann habe ich angefangen, mit allen möglichen Beratungsstellen, die ich im Telefonbuch gefunden habe, zu telefonieren. Ich bin am nächsten Tag gleich bei Pro Familia gewesen. In der Beratung bin ich gefragt worden, warum ich einen Abbruch will. Ich wollte das nicht erklären. Man hat mir dann gesagt, ich brauche es nicht. Das fand ich wohltuend. Wenn ich es für mich rekapituliere, erscheinen mir die Gründe nicht befriedigend. Ich hatte dann auch die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen.
Ich habe fast drei Wochen für die Entscheidung gebraucht. Es war eine schwere Entscheidung; denn eine Abtreibung ist etwas, was ich für mich nicht in Ordnung finde, was ich mir nicht habe vorstellen können.
Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Zuerst hatte ich überlegt, mich mit einer Freundin darüber zu unterhalten. Weil ich denke, daß ich mit einer Frau eher darüber reden oder Verständnis erwarten kann. Aber kurz vorher hatte sie mir Dinge von jemandem erzählt, die sie nicht hätte erzählen dürfen.
Ich glaube, so ein Gespräch hätte nichts an der Entscheidung geändert, aber laut nachzudenken, jemanden zu haben der z...

Inhaltsverzeichnis

  1. Zu diesem Buch
  2. Die Autorinnen
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Einführung
  5. Teil I: Die Ergebnisse der Studie
  6. Teil II: Persönliche Berichte
  7. Anhang
  8. Impressum