Pressefrühling und Profit
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Pressefrühling und Profit

Wie westdeutsche Verlage 1989/1990 den Osten eroberten

  1. 360 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Pressefrühling und Profit

Wie westdeutsche Verlage 1989/1990 den Osten eroberten

Über dieses Buch

Mandy Tröger deckt auf, wie nach dem Mauerfall westdeutsche Wirtschaftsinteressen und das Eigeninteresse der Bundesregierung eine basisdemokratische Wende in der Presselandschaft der ehemaligen DDR verhinderten. Basierend auf umfangreicher Archivarbeit und Zeitzeugen-Interviews dokumentiert sie, wie westdeutsche Großverlage bereits Ende 1989 aktiv Lobbyarbeit betrieben. Über die Reform des DDR-Postzeitungsvertriebs und die Übernahme der ehemaligen SED-Bezirkszeitungen strebten sie nach Monopolstellungen in Ostdeutschland. Die DDR-Regierung konnte dem Druck aus der Wirtschaft nichts entgegensetzen und die Bundesregierung wollte dies nicht. Durch diese kapital- und parteienorientierte Wendepolitik hatten geplante basisdemokratischer Reformen in Ostdeutschland keine Chance.

Häufig gestellte Fragen

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1.LITERATUR- UND QUELLENLAGE

Dieses Buch zeigt, wie vor allem wirtschaftspolitische Dynamiken den Umbruch der DDR-Presse 1989/1990 steuerten. Im Mittelpunkt stehen also verschiedene wirtschaftliche oder politische Akteure, das heißt Verlage, Verbände oder Ministerien. Viele von ihnen sind bis heute aktiv. Das darf der kritischen Aufarbeitung deren Agieren zur Wendezeit nicht im Wege stehen. Auch dieser Teil deutsch-deutscher Geschichte muss geschrieben werden. Ein Ziel dieses Buches ist also, den Rahmen gegenwärtiger Geschichtsschreibung zur Wendezeit durch die Einbeziehung westdeutscher politischer und wirtschaftlicher Gruppen zu erweitern.

1.1PROBLEME

Die Wende-Geschichte 1989/1990 scheint lang zurückzuliegen, doch das täuscht: Aus geschichtswissenschaftlicher Sicht passierte sie quasi gestern. Aufgrund dieses geringen zeitlichen Abstandes gestaltet sich Forschung schwierig (zur Quellenlage s. u.). So könnte der persönliche Hintergrund der Autorin und die Fragestellung des Buches zu Vorwürfen fehlender ›Objektivität‹ führen. Hier also vorweg: Geschichtsschreibung kann nicht objektiv oder neutral sein, denn sie ist immer eine Reflexion vergangener Realitäten unter gegenwärtigen Bedingungen. Da Letztere sich ständig weiterentwickeln, ändern sich auch die Perspektiven, aus denen wir uns Geschichte nähern, wie wir sie erzählen und welche Fragen wir an sie stellen. Anders ausgedrückt: Geschichte wird nie alt, denn sie ist immer auch ein Abbild der Gegenwart.
Dadurch hat sich auch in der Geschichtstheorie durchgesetzt: Mehr zeitlicher Abstand zwischen dem Jetzt und der Vergangenheit garantiert keine Objektivität, nur eine andere Art der Subjektivität. Auch gibt es keine Biografie, die es einem erlaubt, sich ohne ›eigene Brille‹ Geschichte zu nähern. Jede/r Historiker/in wird selbst Teil der Geschichte, stellt Fragen, erforscht Quellen und wählt aus diesen aus. Man setzt Schwerpunkte und spricht wenn möglich mit Zeitzeugen. Was in der Wissenschaftsliteratur ›Intersubjektivität‹ oder ›Relativismusproblem‹ genannt wird, heißt, eigene Hintergründe offenzulegen, die in diesen Prozess mit einfließen – nicht, um Objektivität vorzutäuschen, sondern um Subjektivität transparent zu machen.30
Ich bin in Ost-Berlin geboren und dort in einer unpolitischen Ein-Eltern-Familie aufgewachsen, bin also Teil der »dritten Generation Ost.«31 Ich habe den Fall der Berliner Mauer und den rasanten sozialen und wirtschaftspolitischen Wandel als Kind erlebt. Die Fragen nach den dahinterstehenden Gründen sind seitdem geblieben. 20 Jahre nach der Wende ging ich an die Universität von Illinois in Urbana-Champaign (UIUC), um dieses Thema aus medienspezifischer Sicht zu erforschen. Denn in Deutschland ist der Rahmen dafür, auch aufgrund der angesprochenen politischen Brisanz, eng. Die Erforschung der Wende-Geschichte (nicht zuletzt von öffentlichen Geldern finanziert) folgt in der Regel dem Narrativ des Sieges der Demokratie über die Diktatur (s. Kap. 1.2).32 Fragen nach der Unterwanderung basisdemokratischer Reformen in der DDR durch wirtschaftspolitische Interessen der alten Bundesrepublik haben weder Raum in der Forschung noch in deren Finanzierung. Daher brauchte es geografische und politische Distanz. Dieses Buch ist ein Teil meiner Dissertation, die dort entstand.33
Trotz Distanz war meine kulturelle Nähe zum Thema wichtig. Aufgrund meines ostdeutschen Hintergrunds haben sich in der Kommunikation mit (hauptsächlich ostdeutschen) Interviewpartnern (s. Kap. 1.3.1) sicher andere Gesprächsdynamiken entwickelt, als sie es vielleicht sonst getan hätten. Der gemeinsame Hintergrund bot Raum für Gespräche, abseits aktueller deutscher Geschichtspolitik (s. Kap. 1.2). Daraus folgt jedoch nicht, dass die Ergebnisse dieses Buches verzerrt oder weniger genau sind als andere. Zum einen ist die Grundlage des Buches Archivmaterial. Zum anderen bauen sich in jedem Interview Gesprächsdynamiken auf, d. h. niemand ist vor Verzerrung sicher. Der viel zitierte (westdeutsche) Medienforscher Gunter Holzweißig beispielsweise ist bekannter Experte für Medien der DDR.34 Er war in der alten Bundesrepublik auch Direktor des Gesamtdeutschen Instituts, also der Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben. Wie der Name vermuten lässt, war die Agenda des Amtes das BRD-Statut, dass die DDR kein legitimer Staat und Deutschland tatsächlich eine Nation war, vorläufig vertreten durch die Bundesrepublik. Mit diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Holzweißigs Forschung sich stark auf die politische Seite (also Propaganda) der DDR-Medien konzentriert (s. Kap. 1.2). Das macht seine Forschung nicht falsch, nur anders subjektiv.
Holzweißig ist ein Beispiel von vielen. Letztlich beeinflusst die Grundsatzfrage, ob die DDR tatsächlich ein legitimer Staat war, die Art und Weise, wie deutsch-deutsche Geschichte geschrieben wird. Denn wäre die DDR kein legitimer, souveräner Staat gewesen, wäre alles, was während der Wendezeit passierte und zur deutschen Einheit führte, ein unvermeidlicher Prozess, quasi eine »Korrektur der Geschichte.«35 Die meisten historischen Arbeiten in der deutschsprachigen Forschung beruhen auf dieser Annahme. Sie wird weiterhin von der Bundesrepublik vertreten und durch öffentliche Mittel gefördert.
Ausgangspunkte der Betrachtung dieses Buches sind die internationale Rechtsprechung und die DDR-Reforminitiativen 1989. Die Anerkennung der DDR durch die Vereinten Nationen im Jahre 1973 gab ihr offiziell staatliche Autonomie. Faktisch war sie in wirtschaftlicher, politischer oder sozialer Hinsicht immer abhängig – von der Sowjetunion (UDSSR) auf der einen und der BRD auf der anderen Seite. Dennoch, in vierzig Jahren DDR hat sich eine andere, historisch legitime Gesellschaftsordnung als Teil einer international gespaltenen wirtschaftspolitischen Ordnung (USA und UDSSR) entwickelt. Die Herbstbewegung 1989 waren ein Versuch, eine diktatorische Regierung durch die Reform des sozialistischen Staates zu stürzen. Der Herbst 1989 war damit Teil eines internationalen Umbruchs, der mit Michail Gorbatschows ›Glasnost und Perestroika‹ begonnen hatte.36 Im Gegensatz zu oft vorherrschenden Meinungen war das Ziel dieser Reformbewegung nicht die deutsche Einheit, sondern die demokratische Reform einer souveränen und sozialistischen DDR.
Dieses Buch zeigt, welche Reformen im Medien- und Pressebereich angedacht waren und was letztlich daraus wurde. Damit erzählt es nicht die Wende-Geschichte, sondern eine Geschichte der Wendezeit mit einem Fokus auf den DDR-Pressesektor und Pressevertrieb und die westdeutschen Einflüsse in beiden. Sie erhebt keinen Anspruch auf Ausschließlichkeit.

1.2LITERATUR

Ein kurzer transatlantischer Vergleich: Der Unterschied zwischen der deutschen und der angloamerikanischen Literatur zum Thema ist der sozialpolitische Kontext, in dem Forschung betrieben und Literatur veröffentlicht wird. Im angloamerikanischen Raum wird die DDR und ihre postsozialistische Geschichte durch eine Vielzahl theoretischer und methodischer Ansätze beleuchtet. Generell versuchen diese, sich vom ideologischen Schwarz-Weiß-Erbe des Kalten Krieges zu emanzipieren.37 In Deutschland ist das schwieriger. Da DDR- und Wende-Geschichte nach wie vor stark politisierte Themen sind, ist auch der sozial-politische Rahmen, in dem geforscht wird, stark überformt.38
Der Historiker und Politikwissenschaftler Martin Sabrow spricht von drei Idealtypen, wie sich in Deutschland DDR-Geschichte genähert und an sie erinnert wird. In einem »tripolaren Kräftefeld zwischen Diktaturgedächtnis, Arrangementgedächtnis und Fortschrittsgedächtnis«, so Sabrow, wird »die DDR-Vergangenheit täglich neu verhandelt.«39 Arrangementgedächtnis heißt: Alltagswelt aus ostdeutscher Perspektive erzählen. Im Vordergrund stehen Selbstbehauptung unter schwierigen Bedingungen und stolz sein auf das Erreichte. Laut Sabrow ist dieser Idealtyp vor allem in den neuen Bundesländern besonders lebendig. Mit Fortschrittsgedächtnis meint Sabrow das Festhalten an der Idee, dass der Sozialismus eine legitime Alternative zu einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung biete. Sie ist insbesondere unter ehemaligen DDR-Eliten populär.40 Beim dritten Idealtyp, dem Diktaturgedächtnis, geht es um politische Unterdrückung, diktatorische Strukturen der DDR und deren mutige Überwindung in den friedlichen Protesten 1989. »Täglich neu verhandelt«, wie Sabrow schreibt, wird zwischen diesen drei Gedächtnistypen allerdings wenig. In der kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschung führt klar das Diktaturgedächtnis und steht damit symptomatisch für die Konstruktion der DDR-Erinnerung allgemein.41 Dieses Ungleichgewicht ist historisch und politisch erklärbar.
Die ostdeutsche Erfahrung vor allem durch die Brille von Tätern, Opfern und Widerstand zu interpretieren, hatte eine lange Tradition in der damaligen Bundesrepublik. Dies gründete natürlich in den Machtstrukturen der DDR selbst, aber auch in deren angenommener staatlicher Illegitimität. Nicht selten wurde und wird die DDR hier als Gegenstück für das westliche Modell von Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie genutzt.42 Sabrow kritisiert, dass so institutionalisierte und staatlich finanzierte DDR-Diktaturgeschichte im Dienste selbst-aufwertender Erzählungen westdeutscher demokratischer Freiheit stehe.43 Der Rahmen des Diktaturgedächtnisses geht aber über den der Forschung hinaus. Er ist Teil eines institutionalisierten (mehr oder weniger) kollektiven Gedächtnisses, das sich in Medien, in politischen Debatten, in Literatur und Museen wiederfindet. Verschiedene Medieninhaltsanalysen beispielsweise zeigen, dass in der alten Bundesrepublik die Vorstellung vom Leben in der DDR schon immer vor allem politisch geprägt war. Bis heute stehen so Unterdrückung, Verfall und Materialknappheit in der DDR im Vordergrund.44 Dieses Bild, das nicht zuletzt der politischen Agenda der alten Bundesrepublik geschuldet war, ist nun das dominante DDR-Gedächtnis in ganz Deutschland.
Damit fallen andere Erinnerungen und Perspektiven aus dem Raster. Michael Meyen argumentiert, dass mit der rigorosen Durchset...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Titel
  4. DANK
  5. INHALT
  6. INSTITUTIONEN UND ABKÜRZUNGEN
  7. ZEITTAFEL
  8. VORWORT
  9. EINLEITUNG
  10. 1. LITERATUR- UND QUELLENLAGE
  11. 2. DIE PRESSE-WENDE 1989/1990
  12. 3. DER PRESSEVERTRIEB ALS ›HINTERTÜR‹
  13. 4. ZUSAMMENFASSUNG
  14. ANMERKUNGEN
  15. QUELLEN
  16. LITERATUR
  17. BILDNACHWEISE
  18. PERSONENREGISTER
  19. Weitere E-Books von Herbert von Halem