Tiefbauunfälle
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Verfügbar bis 5 Dec |Weitere Informationen

Tiefbauunfälle

Physik, Technik, Taktik

  1. 176 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Tiefbauunfälle

Physik, Technik, Taktik

Über dieses Buch

Das Buch beschreibt die Hintergründe und Besonderheiten von Tiefbauunfällen. Die Autoren erörtern Problematiken und zeigen dem Leser technische und taktische Lösungsansätze zum Befreien von verschütteten Personen auf. Einfach verständlich werden Rettungskräfte auf die unterschiedlichen Szenarien eines Bauunfalls vorbereitet. Zahlreiche Abbildungen sowie Tipps aus der Praxis helfen bei der Umsetzung im eigenen Einsatzbereich.

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Information

1 Einführung

Die Feuerwehrfachliteratur hat in den letzten Jahren ein immenses Wachstum verzeichnet. Die Bandbreite scheint dabei grenzenlos. Egal ob Brandbekämpfung, Technische Hilfe bei Verkehrsunfällen oder das Führen und Leiten von Einsätzen, zu nahezu jedem Thema existieren mittlerweile dutzende von Fachbüchern. Eine Besonderheit stellt dabei der Bereich des Tiefbauunfalls dar. Die deutschsprachige Fachliteratur ist in dieser Hinsicht sehr überschaubar. Einsatzlagen im Bereich Tiefbau sind vergleichsweise selten, die physikalischen und geologischen Hintergründe komplex und der Ausbildungsbedarf entsprechend hoch – umso besorgniserregender ist der vielerorts leichtfertige Umgang mit der Thematik.
In diesem Buch gehen die Autoren auf Schwerpunkte ein und erklären die Abarbeitung von Tiefbauunfällen anhand der »HRG 5 Schritte«, einem Konzept zur einsatztaktischen- und technischen Vorgehensweise bei komplizierten Einsatzlagen. Dabei sei an dieser Stelle auf die Ausgrenzung von Silounfällen hingewiesen – in diesem Buch geht es nur um Tiefbauunfälle in natürlichem Erdreich.
Der Fokus von Heavy Rescue Germany war von jeher die schwere Technische Hilfeleistung. Doch was steckt dahinter? Für uns sind dies Einsätze, die für Rettungskräfte aus verschiedenen Gründen eine Besonderheit darstellen. Schwere Technische Hilfeleistungen sind selten, sie übersteigen den »alltäglichen« Einsatz in Sachen Komplexität, Zeit-, Personal- und Materialaufwand. Beispiele dafür können sein:
Schwere Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Lastkraftwagen
Zugunfälle
Tiefbauunfälle
Maschinenunfälle
Gebäudeeinstürze
Ziel unserer Ausbildung ist es, Einsatzkräften Mittel und Wege an die Hand zu geben, diesen Situationen zu begegnen. Damit es Rettern auch unter Stress und in ungewöhnlichen Einsatzsituationen leichter fällt, vorhandenes Wissen abzurufen, wurden die »HRG 5 Schritte « entwickelt. Jede unserer Ausbildungen basiert auf diesem System von fünf aufeinander aufbauenden Schritten. Der Ablauf ist dabei unabhängig von der Lage nahezu identisch, lediglich kleinere Anpassungen wurden für die jeweiligen Einsatzszenarien vorgenommen.
Konkrete Erklärungen zu den Inhalten der einzelnen Schritte werden in den folgenden Kapiteln gegeben. Im Rahmen dieser Einführung soll lediglich ein grober Überblick über den Aufbau und Hintergrund dieser Idee aufgezeigt werden.
Den ein oder anderen Leser mögen sie an die »fünf Phasen der Bergung « erinnern, doch sei darauf hingewiesen, dass es sich bei den 5 Schritten um deutlich konkretere Maßnahmen handelt, als es die fünf Bergungsphasen hergeben.
Das Ziel dieses Fachbuches ist es, dem Leser zu ermöglichen
die Ursachen und Gefahren eines Tiefbauunfalls zu erkennen,
Ideen zur Rettung, beziehungsweise Bergung, einer verschütteten Person zu entwickeln,
theoretisches Basiswissen über den Rettungsverbau nach US-amerikanischem Vorbild zu erlangen sowie
Verständnis und Weitblick für den Aufbau einer Einsatzstruktur im Bereich »Tiefbauunfall« zu bekommen.
Wie zuvor erwähnt sind Tiefbauunfälle ein seltenes Einsatzszenario verglichen mit herkömmlichen Schadenlagen wie Bränden oder Verkehrsunfällen. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) gab auf Anfrage an, über keine aktuelle Statistik zum Vorkommen von Tiefbauunfällen zu verfügen. Eine andere Quelle aus dem Jahr 2015 nennt (in Bezugnahme auf die BG Bau) pro Jahr bis zu 20 tödlich verlaufende Unfälle im gewerblichen Bereich sowie ungefähr ebenso viele tödliche Unfälle im privaten Bereich (Südmersen, 2015, S. 2). Eigene Recherchen der Autoren in den bundesweiten Medien deuten auf rund 30 Fälle pro Jahr hin, wobei nicht alle diese Fälle tödlich enden und die Wahrscheinlichkeit, dass nicht alle bundesweit auftretenden Fälle erfasst wurden, als recht hoch eingeschätzt werden muss. Diese niedrige Zahl an Vorfällen trägt ihren Teil dazu bei, dass Rettungskräfte häufig zu Fehleinschätzungen von Tiefbauunfällen neigen. An dieser Stelle sei gesagt, dass für die Autoren grundsätzlich die Devise gilt, nie über eine Lage zu urteilen, die sie nicht selbst erkundet haben. Die Komplexität von Tiefbauunfällen, einhergehend mit unter Umständen fehlender Ausrüstung und mangelnder Erfahrung, zwingt Einsatzkräfte häufig zu alternativlosen und eigengefährdenden Maßnahmen, um Verschüttete zu retten. Die folgenden Schilderungen sind deswegen ausdrücklich nicht als Kritik, sondern als Analyse der Ausgangssituation in den meisten Feuerwehren und THW-Ortsverbänden zu verstehen.
Unter Betrachtung verschiedenster Einsatzbilder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz scheint es, dass unter Einsatzkräften insgesamt mit der von einem Tiefbauunfall ausgehenden Gefahr vergleichsweise leichtfertig umgegangen wird. In der Regel zeigen Einsatzdokumentationen einen unzureichenden bis nicht vorhanden Verbau von Baugruben. Für diesen Fakt gibt es verschiedene Ursachen:
Zum einen ist es sicherlich der Wunsch einem Verschütteten schnellstmöglich Hilfe zukommen zu lassen. Die Dramatik, die mit einer ganz oder teilweise verschütteten Person einhergeht ist immens – Verzögerungen bei der Rettung folglich keine Option. Da liegt der Schritt in die Grube nahe und ist – rein emotional betrachtet – zwar verständlich, bleibt aber lebensgefährlich.
Der Umstand, dass es in Deutschland so gut wie keine dokumentierten Fälle von verschütteten Einsatzkräften gibt, ist zum Großteil purem Glück geschuldet. Eine gewisse Dunkelziffer ist allerdings sicherlich vorhanden. Den Autoren liegen diesbezüglich Bilder und Berichte über Zwischenfälle vor, deren Veröffentlichung im Rahmen dieses Buches jedoch von Beteiligten ausdrücklich nicht gewünscht wurden.
Ein anderer Aspekt, der außerdem häufig seinen Teil zum gefährlichen Umgang beiträgt, ist der Umstand, dass eine Wand aus Erdreich primär stabil wirkt und Sicherheit suggeriert – Wann fallen Wände schließlich einfach um?
Ein weiteres Problem stellt die meistens nicht ausreichend vorhandene Ausrüstung (beispielsweise Rüstholz und Rettungsstützen) dar. Nur wenige Feuerwehren und THW-Ortsverbände sind nach Meinung der Autoren tatsächlich adäquat auf einen (Tief-)Bauunfall vorbereitet. Zu guter Letzt haben die wenigsten Einsatzkräfte Erfahrungen in diesem sehr komplexen Bereich. Die individuelle Einsatzerfahrung im Bereich (Tief-)Bauunfall geht gegen null.
Erschwerend kommt hinzu, dass nach einem solchen Einsatz der objektiv kritische Umgang mit dem eigenen Handeln und das Hinterfragen von getroffenen Maßnahmen für viele Feuerwehren nicht einfach ist. Wer offen spricht und Kritik äußert, stößt häufig auf Widerstand und Ablehnung – letztlich ist schließlich alles gut gegangen. Das Stichwort »Fehlerkultur« scheint vielerorts leider nach wie vor ein Fremdwort zu sein und sorgt dafür, dass trotz aufgetretener Probleme eine Besserung oftmals ausbleibt.
Der nachfolgende Erfahrungsbericht der Samtgemeinde Rodenberg (NDS) zeigt, dass es auch anders geht und aus negativen Erfahrungen wichtige Erkenntnisse gezogen und Handlungsbedarf abgeleitet werden kann.

Erfahrungsbericht aus der Praxis – »Technische Hilfe 2, zwei Personen in Baugrube verschüttet« – Text: Feuerwehr der Samtgemeinde Rodenberg

Am 29.11.2010 gegen 12:00 Uhr, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, wurden die Feuerwehren der Samtgemeinde Rodenberg mit dem Stichwort »Technische Hilfe 2, zwei Personen in Baugrube verschüttet« auf das Gelände eines landwirtschaftlichen Betriebes alarmiert.
Bei Eintreffen fanden wir eine teileingestürzte Grube ohne vorhandenen Verbau mit den Maßen 2m Breite, 8m Länge und 6m Tiefe mit insgesamt drei Personen darin vor. Das Erdreich bestand aus wechselnden Schichten von Sand- und Lehmboden.
Zum Zeitpunkt des Erdabrutsches befand sich eine Person in der Grube, die bis zum Hals von den Erdmassen verschüttet wurde. Noch vor Eintreffen der ersten Rettungskräfte eilte dem Verschütteten eine zweite Person zur Hilfe. Während diesem Befreiungsversuch kam es zu einem zweiten Erdrutsch, der den Helfer erfasste, selbst bis zur Hüfte begrub und schwer verletzte. In Folge sprang eine dritte Person in die Grube und versuchte die beiden Verschütteten zu befreien. Bei allen drei Personen handelte es sich um Angehörige der benachbarten Feuerwehr, die die Arbeiten im Rahmen ihrer Tätigkeit als Landwirte verrichteten. Zweck der Grube waren Arbeiten an Versorgungsleitungen von Futtersilos.
Bereits mit dem Eintreffen erkannten wir, dass zur Rettung der Personen erheblich mehr Personal, Gerätschaften und Material erforderlich sein würde und alarmierten deswegen das THW mit einer Räumgruppe sowie einen weiteren Rüstzug zur Einsatzstelle. Zu Beginn sicherten wir die dritte Person in der Grube mit einer Leine und bauten parallel eine schiefe Ebene über Steckleiterteile in die Grube auf, worüber die dritte Person die Grube verlies.
Zur Sicherung der Grube standen uns nur eine geringe Anzahl an Bohlen, Kanthölzern, Drehsteifen und Kanalstreben zur Verfügung. Für die klassischen Kanalstreben war – aufgrund des Abbruchs der Grubenkante – die Grube zu breit.
Das Sichern der Grubenwände gestaltete sich folglich schwierig. Die Drehsteifen hätten nur durch Betreten der Grube installiert werden können, wobei von einer massiven Eigengefährdung der Feuerwehrkräfte auszugehen war. Erschwerend kam hinzu, dass, bedingt durch die unebene Abbruchkante, eine Sicherung vor weiterem Einsturz ohnehin kaum möglich gewesen wäre. Ein Verbau der Grube konnte mit den vorhandenen Mitteln nicht durchgeführt werden und unterblieb bis auf Weiteres.
Aufgrund des Unfallhergangs kam für die erste Person jede Hilfe zu spät, sie verstarb noch an der Einsatzstelle. Alle weiteren Maßnahmen konzentrierten sich auf die Rettung der zweiten Person. Diese war bis zur Hüfte von den Erdmassen eingeschlossen worden und hatte sich schwere Verletzungen (unter anderem eine Becken- und Oberschenkelfraktur) zugezogen. Da sich die Vitalzeichen zunehmend verschlechterten musste eine Entscheidung getroffen werden.
Aus Sicht der Führungskräfte war ein weiteres Arbeiten innerhalb der Grube zu gefährlich. Aufgrund mangelnder Alternativen und dem dringenden Handlungsbedarf entschlossen sich trotzdem zwei Einsatzkräfte die Grube unter Lebensgefahr zu betreten und schafften es, mit bloßen Händen die zweite Person nach circa 20 Minuten aus ihrer Lage zu befreien. Sie wurde anschließend mittels Schleifkorbtrage über die schiefe Ebene aus der Grube gerettet und per Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen.
Zur Bergung der noch eingeschlossenen Person wurde aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit weiterer Einstürze eine Tiefbaufirma angefordert, die über eine mobile Verbaubox sowie einen Löffelbagger verfügte. Nach dem Eintreffen des Geräts wurden die Grubenwände durch die Fachfirma gesichert. Etwa acht Stunden nach Einsatzbeginn konnte der Verschüttete aus der Grube geborgen und die Einsatzstelle an die Polizei übergeben werden. Im Einsatz waren rund 60 Kräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und THW.
Hintergrundinformationen
Bei der Feuerwehr Rodenberg handelt es sich um eine auf Technische Hilfe spezialisierte Feuerwehr, die auf Jahrzehnte lange Erfahrung diesem Bereich zurückblicken kann. Die geographische Nähe zur Bundesautobahn 2 und weiteren, viel befahrenen, Bundesstraßen hatte über die Jahre unzählige Einsatzszenarien zur Folge. Der geschilderte Einsatz stellte allerdings selbst für die erfahrensten Einsatzkräfte vor Ort eine ganz neue Lage dar.
Seit diesem Ereignis arbeiten wir daran geeignetes Material zu beschaffen, die Ausbildung zu forcieren und eine Standard-Einsatz-Regel für solche Szenarien zu erstellen. Als einzelne Feuerwehr ist es schwierig sich auf solche Einsatzlagen vorzubereiten, sei es geschultes Personal mit dem nötigen Fachwissen und ausreichend Material vorzuhalten oder die Kosten für entsprechende Ausstattung bereitgestellt zu bekommen. Mit diesem Einsatzbericht möchten wir als Feuerwehr Rodenberg dazu beitragen Entscheidungsträger zu sensibilisieren und Feuerwehren dazu auffordern, sich mit der Materie auseinanderzuset...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Der Gedanke hinter dem Buch
  7. 1 Einführung
  8. 2 Definition und Vorschriften
  9. 3 Grundlagen
  10. 4 Gängige Einsatzszenarien
  11. 5 Einsatzablauf
  12. 6 Berechnungsbasis des Rettungsverbaus
  13. 7 Aufbau der Einsatzstelle
  14. 8 Persönliche Schutzausrüstung
  15. 9 Fahrzeug- und Einsatzkonzepte
  16. 10 Aus der Praxis für die Praxis
  17. 11 Knoten
  18. Schlusswort der Autoren
  19. Danksagung
  20. Abkürzungsverzeichnis
  21. Literaturverzeichnis
  22. Stichwortverzeichnis