Heidegger und die christliche Tradition
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Heidegger und die christliche Tradition

Annäherung an ein schwieriges Thema

  1. 288 Seiten
  2. German
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Heidegger und die christliche Tradition

Annäherung an ein schwieriges Thema

Über dieses Buch

Heideggers abfällige Bemerkungen zur christlichen Theologie, auch zur 'pseudotheologischen Luft' an der Nachkriegsuniversität, die ihm sehr zu schaffen mache, lassen die pointierte Deutung von Heideggers unausgesprochenen Absichten bedenkenswert erscheinen: »Indem er [Heidegger] sich gegen das kirchliche System der Heilssicherung wandte, glaubte er vielleicht selber noch 'christlicher' zu sein als die offizielle Theologie« (Jean Grondin).Hans-Georg Gadamer sah hinter Heideggers Versuch der Destruktion der abendländischen Philosophie »das alte, wohlbezeugte Anliegen Heideggers an der originären christlichen Botschaft«.Heideggers Beziehung zum christlichen Glauben war – nach der anfangs klaren Zustimmung – in seiner mittleren Zeit gestört und in seinen späteren Jahren schwankend und zwiespältig geworden. Aber das tiefe Interesse an der Aneignung der christlichen Tradition ist aus seinen Schriften und Vorlesungen, aus Briefen, Seminarprotokollen und Berichten belegt. Das 2006 veranstaltete Mainzer Symposion zum 30sten Todestag Heideggers galt der Erörterung seiner Beziehung zur christlichen Überlieferung an ausgewählten Stationen seines Denkwegs.Heidegger selbst hat die Frage nach seiner 'Herkunft' aus dem Christlichen ausdrücklich bejaht. Neu publizierte Texte in der 'Ausgabe letzter Hand' förderten bisher unbeachtete Perspektiven ans Licht, die zu einem klareren Bild führen. Bereits in seiner frühen Vorlesung Phänomenologie der Anschauung und des Ausdrucks (1920) verkündete Heidegger programmatisch: »Es besteht die Notwendigkeit einer prinzipiellen Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie und der Verunstaltung der christlichen Existenz durch sie. Die wahrhafte Idee der christlichen Philosophie; christlich keine Etikette für eine schlechte und epigonenhafte griechische. Der Weg zu einer ursprünglichen christlichen – griechentumfreien – Theologie«.Der Band nimmt Heideggers Stellung zu den Autoren in den Blick, die für seinen Rekurs auf das christliche Erbe besonders wichtig waren.Hinweis des Verlages. Herrmann Heidegger hat den Verlag aufgefordert, zu dem Beitrag von Otto Pöggeler auf Seite 183 klarzustellen, dass Martin Heidegger seine politische Haltung zu keiner Zeit zu dem Entschluß geführt habe, »aus dem Leben zu scheiden«. Diese Behauptung sei unseriös und nicht zu begründen. Wir kommen dem Wunsch von Herrmann Heidegger hiermit nach.

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Information

– NORBERT FISCHER

Selbstsein und Gottsuche

Zur Aufgabe des Denkens in Augustins ›Confessiones‹ und Martin Heideggers ›Sein und Zeit‹

»retorquebas me ad me ipsum«.
»in cuius oculis mihi quaestio factus sum«.1

1. Vorläufige Hinweise zum Thema

Martin Heidegger hat zwei Texte zur Interpretation von Augustins Confessiones verfaßt: erstens die frühe Freiburger Vorlesung aus dem Sommersemester 1921 mit dem Titel Augustinus und der Neuplatonismus, in deren Zentrum das zehnte Buch der Confessiones steht,2 zweitens den Vortrag mit dem Titel Des hl. Augustinus Betrachtung über die Zeit. Confessiones lib. XI, den Heidegger, wie auf der ersten Seite des Typoskripts vermerkt ist, am »26. x. 1930« (seinem Geburtstag) in der Erzabtei St. Martin in Beuron als »Conferenz vor den Mönchen, Klerikern und Novizen« gehalten hat und der als »kleiner Dank […] für die freundschaftliche Aufnahme« in diesem Kloster gedacht war.3 Die besondere Stellung des zehnten und des elften Buches der Confessiones betont Heidegger auch im Brief an Elisabeth Blochmann vom 12. April 1933, in dem es heißt: »Ich finde es immer am fruchtbarsten beim Lesen mit dem 10. Buch zu beginnen in eins dem 11 – und dann erst mit dem ›Biographischen‹, wenn man es überh[au]pt so nennen darf.«4 Heidegger war mit Augustins Werken vertraut und überzeugt, Gespür für deren Geist zu haben.5 Er bezieht sich in anderen Arbeiten zuweilen auf die Confessiones und hat auch entlegene Texte Augustins, wie vor allem Aussagen in Briefen zu entnehmen ist, immer wieder gelesen.
Die Reihe der einschlägigen Untersuchungen zum Verhältnis Heideggers zu Augustinus begann mit wesentlichen Hinweisen von Otto Pöggeler, die dieser 1959 in Sein als Ereignis vorgelegt hat.6 Dem Streben des frühen Heidegger, das auf Neubelebung der Metaphysik zielte, habe die Frage einen kritischen Impuls verliehen, »ob die Metaphysik je der Tiefe des Glaubens und Dichtens […] hat genügetun können« (603). Im »Motiv der Verabschiedung der Metaphysik« folge er zwar Wilhelm Diltheys Abwendung »vom starren Sein um des vollen Lebens willen« (ebd.). Vor den transzendenzlosen Anthropologismus Diltheys, also »vor die neuzeitliche Form des historischen Denkens«, habe sich ihm jedoch »eine Erfahrung des Geschichtlichen gestellt, die Heidegger sich am Modell des urchristlichen Glaubens verdeutlicht hat« (604).
Diese ersten Hinweise Pöggelers auf die frühen Freiburger Vorlesungen zur Phänomenologie der Religion, die auch das zehnte Buch der Confessiones betreffen, sind fundiert und bedenkenswert, wurden aber gelegentlich unbedacht nachgesprochen. Pöggeler sagt (605):
»Augustin, so hat Heidegger nachzuweisen versucht, denkt aus der faktischen Lebenserfahrung. Das glückselige Leben und die Wahrheit (vgl. Conf. X,20 – 23) sind bei ihm nicht von den Gehalten her, sondern vom Vollzug her erfaßt. Doch ist Augustins Begrifflichkeit nicht immer am faktischen Leben orientiert. Die fruitio Dei, wie Augustin sie charakterisiert, steht geradezu im Gegensatz zum Haben des Selbst. Die hier verwandte Begrifflichkeit und die Erfahrung, die sich in ihr aussprechen will, entstammen nicht derselben Wurzel, sondern sind nur von außen zusammengewachsen. Damit entsteht das Problem ›Augustin und der Neuplatonismus‹. Die ästhetisch-quietistische Haltung, in der Gott neuplatonisch als summum bonum gewertet und genossen wird, verfehlt den urchristlichen Bezug zu Gott, der auch bei Augustin da ist. Die faktische Lebenserfahrung wird durch die neuplatonische Begrifflichkeit verfälscht. Deshalb darf Augustin nicht nur expliziert, er muß auch destruiert werden. Die Interpretation muß durch die Begrifflichkeit hindurchgreifen auf die eigentlich zugrundeliegende Erfahrung; diese Erfahrung muß befreit werden von der unzulänglichen Begrifflichkeit, in der sie sich ausspricht.«7
Zur Aufgabe der Destruktion ist zu erwähnen, daß im zehnten Buch der Confessiones zum Beispiel von ›frui deo‹ oder ›fruitio dei‹ keine Rede ist. Bei Texten Augustins ist stets zu prüfen, wo und wie er Selbstgedachtes vorträgt und wo er nur tradiertes Bildungsgut vergegenwärtigt. Augustinus scheint in späteren Texten gelegentlich ›vergessen‹ zu haben, was er selbst einst mit höchster Akribie erarbeitet hatte.8 In Gott findet er gerade keine Beruhigung, sondern die Aufstachelung zur Unruhe: ruhelos ist das menschliche Herz, weil es auf Gott hin geschaffen ist (conf. 1,1). Nach weltlichem Maßstab hatte er eine Karriereleiter erklommen, die ihm – im Vergleich mit anderen – erlaubt hätte, sich in der ruhigen Selbstsicherheit des Erfolgverwöhnten zu präsentieren: ›quies in deo‹ ist für ihn aber kein in der Weltzeit mögliches, unruhestillendes Geschehen. Das menschliche Leben bleibt in Wahrheit von ›temptatio‹ bestimmt:9 die ersehnte wahre Ruhe ist das erhoffte Ereignis des siebenten Schöpfungstages (conf. 13,51 f.), den Augustinus nicht als Ende der Zeitlichkeit denkt, sondern als das lebendige Leben (conf. 10,39) einer ›sancta civitas‹ (conf. 11,3), deren Sein nichts mit der Ewigkeit als ›nunc stans‹ zu tun hat, sondern eher »als ursprünglichere und ›unendliche‹ Zeitlichkeit« zu begreifen ist.10 Pöggelers Hinweise sind im Ansatz zwar wohlbegründet, aber als Wegweisung zu weiterer Betrachtung zu nehmen.
Karl Lehmann hat diese Hinweise alsbald aufgegriffen und weitergeführt.11 Wichtig ist vor allem der dritte Exkurs zum »Ursprung der Geschichtlichkeit des Daseins«, in dem die »Auslegung der christlichen Lebenserfahrung bei Augustinus«, aber auch der »Gewinn des Begriffes der ›Destruktion‹ durch die Augustinusdeutung« zur Sprache kommt.12 Zu beachten ist folgende These: »Als Sein zum Seinkönnen ist es je schon über sich hinaus, aber nicht ausschließlich in einem Verhalten zu anderem Seienden, sondern vielmehr als Sein zu seinem wahrhaften ›Selbst‹. Der Sachverhalt bestätigt sich in der schon von Augustinus bemerkten Erfahrung: ›Homo transcendit hominem‹.«13 Im Blick auf Heideggers ›Destruktion‹ Augustinischer Motive verweist Lehmann vor allem auf Arbeiten von Rudolf Berlinger und Max Müller. 14
Einen Höhepunkt der Klärung von Heideggers Verhältnis zu Augustinus bieten die einschlägigen Beiträge Friedrich-Wilhelm von Herrmanns.15 Von besonderer Prägnanz sind die Arbeiten zum zehnten und elften Buch der Confessiones, die 2001 unter dem Titel Die Confessiones des Heiligen Augustinus im Denken Heideggers publiziert worden sind. In ihnen werden die schon erwähnten Texte Heideggers zu Augustinus ausgelegt, zusätzlich aber weitere Texte beachtet.16 Im ersten Teil, der das zehnte Buch »im Horizont von Heideggers hermeneutischer Phänomenologie des faktischen Lebens« untersucht, weist von Herrmann nach, daß Heidegger in der vollzugsgeschichtlichen Interpretation der bekennenden Selbstauslegung und Gottsuche Augustins bereits den »Ansatz für das Denken von Sein und Zeit ausgebildet« hat (114 f.). Die Fragen nach Gott und dem eigenen Selbst stehen demnach in enger Verbindung (116): »Als erstes gilt es zu verstehen, wie die Gottsuche die Selbstauslegung der anima fordert und wie die bekennende Selbstauslegung der anima die Gottsuche einschließt.«17 Eine für das hier verfolgte Thema entscheidende Frage besteht darin, warum sich in Sein und Zeit keine deutliche Spur seiner am zehnten Buch gewonnenen Einsicht findet, »daß Augustinus das Wie des Gottsuchens als ein Wie der Selbstbekümmerung des faktischen Lebens versteht und zur Abhebung bringt« (120). Die in der Vorlesung gedachte Ableitung des Verfallens von Menschen »an das ihnen Erreichbare«, »an die lebensweltlichen Bedeutsamkeiten« als Seinsweise derer, die Gott nicht suchen (121), spielt in Sein und Zeit keine klar sichtbare Rolle mehr. Verschwunden scheint dort zum Beispiel die Einsicht, daß das »andere Wie des sehenden Umgangs […] ein Sehen in eigentlich existenziell bekümmerter, weil eigentlich gottbekümmerter Orientierung« ist (127).
Im zweiten Teil wendet sich von Herrmann zunächst der erwähnten Beuroner Vorlesung zum elften Buch der Confessiones mit der Interpretation der Zeit als ›distentio animi‹ zu, die insofern »als dreidimensionales Sicherstrecken in die drei Zeitdimensionen« gedacht werde (135): »In der distentio als dem Wesen der Zeit« zeige sich »das Wesen der Existenz des Menschen«. Aber Heidegger übergehe »auch nicht die im Kapitel 29 vollzogene Kennzeichnung dessen, wie sich die Seele in ihrer distentio-Verfaßtheit in die aeternitas auszustrecken vermag.«18
Überraschender noch als die auf der Hand liegenden Anknüpfungen Heideggers an den zweiten Anlauf zur Beantwortung der Frage nach dem Wesen der Zeit sind die Bemerkungen zu Augustins Bedeutung für das ereignisgeschichtliche Denken Heideggers. Von Herrmann sagt (138): »Auch wenn es hierfür keine direkten textlichen Belege, d. h. keine direkte Bezugnahme Heideggers auf das Kapitel 20 gibt, so legt es sich von der Sache her nahe, daß das Kapitel 20 nicht nur der transzendental-horizontalen, sondern gerade auch der ereignisgeschichtlichen Ausarbeitung der temporalen Bestimmung des Seins in dem 1962 gehaltenen Freiburger Vortrag Zeit und Sein einen Wink gegeben hat.« Er benennt es als das Erregende, daß Augustinus »den Se...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. Norbert Fischer / Friedrich-Wilhelm von Herrmann: Die christliche Botschaft und das Denken Heideggers. Durchblick durch das Thema
  7. Friedrich-Wilhelm von Herrmann: Faktische Lebenserfahrung und urchristliche Religiosität. Heideggers phänomenologische Auslegung Paulinischer Briefe
  8. Martina Roesner: Logos und Anfang. Zur Johanneischen Dimension in Heideggers Denken
  9. Norbert Fischer: Selbstsein und Gottsuche. Zur Aufgabe des Denkens in Augustins ›Confessiones‹ und Martin Heideggers ›Sein und Zeit‹
  10. Johannes Schaber OSB: Heideggers frühes Bemühen um eine ›Flüssigmachung der Scholastik‹ und seine Zuwendung zu Johannes Duns Scotus
  11. Jean Greisch: ›Warum denn das Warum?‹ Heidegger und Meister Eckhart: Von der Phänomenologie zum Ereignisdenken
  12. Karl Kardinal Lehmann: ›Sagen, was Sache ist‹: der Blick auf die Wahrheit der Existenz. Heideggers Beziehung zu Luther
  13. Otto Pöggeler: Heideggers Weg von Luther zu Hölderlin
  14. Albert Raffelt: Heidegger und Pascal – eine verwischte Spur
  15. Paola-Ludovika Coriando: Sprachen des Heiligen. Heidegger und Hölderlin
  16. Joachim Ringleben: Freiheit und Angst. Heidegger zwischen Schelling und Kierkegaard
  17. Ulrich Fülleborn: Dichten und Denken: Bemerkungen zu Rilke und Heidegger
  18. Siglen und Hinweise zur Zitation
  19. Literaturverzeichnis
  20. Personenregister