III Geschäftsmodelle 4.0
7 Transformation von Geschäftsmodellen im digitalen Zeitalter – Grundlagen, Beispiele und Vorgehen
Daniel Schallmo8
7.1 | Einleitung |
7.2 | Digitale Transformation von Geschäftsmodellen |
7.3 | Roadmap für die Digitale Transformation von Geschäftsmodellen |
7.4 | Digitale Realität: Den Status quo erfassen |
| 7.4.1 | Zielsetzung und Fragen |
| 7.4.2 | Aktivitäten und Instrumente |
7.5 | Digitale Ambition: Die Ziele festlegen |
| 7.5.1 | Zielsetzung und Fragen |
| 7.5.2 | Aktivitäten und Instrumente |
7.6 | Digitale Potenziale: Die Optionen ableiten |
| 7.6.1 | Zielsetzung und Fragen |
| 7.6.2 | Aktivitäten und Instrumente |
7.7 | Digitaler Fit: Die Eignung bewerten |
| 7.7.1 | Zielsetzung und Fragen |
| 7.7.2 | Aktivitäten und Instrumente |
7.8 | Digitale Implementierung: Die Realisierung ermöglichen |
| 7.8.1 | Zielsetzung und Fragen |
| 7.8.2 | Aktivitäten und Instrumente |
7.9 | Zusammenfassung |
Literaturverzeichnis |
7.1 Einleitung
Im Kontext der Transformation von Geschäftsmodellen im digitalen Zeitalter spielen technologische Potenziale, die eine Digitalisierung ermöglichen, eine wichtige Rolle. Produkte bestanden früher aus mechanischen und elektrischen Komponenten und stellen heute komplexe Systeme dar, die eine Verknüpfung von Hardware, Software und Datenspeichern ermöglichen - Produkte sind folglich intelligenter und vernetzter als in der Vergangenheit (Porter/Heppelmann 2014, S. 36).
Neben Produkten werden auch Dienstleistungen, Prozesse und Wertschöpfungsketten digitalisiert, was einerseits neue Geschäftsmodelle erfordert, aber auch ermöglicht (Porter/Heppelmann 2015, S. 58).
Ein Beispiel für intelligentere Produkte ist Linde Material Handling, ein Hersteller von Gabelstaplern. Linde Material Handling rüstet seine Gabelstapler mit Übertragungseinheiten aus und überträgt mittels Bluetooth oder Mobilfunk Daten wie Betriebsstunden und Fehlercodes. Die Auswertung der Daten ermöglicht, es, Ersatzteile ohne Zeitverzug zu bestellen und Reparaturen durchzuführen.
Neben technologischen Potenzialen und der Veränderung von Geschäftsmodellen spielen veränderte Kundenanforderungen eine große Rolle. Kunden fordern heute statt einzelner Produkte »Rundum-sorglos-Pakete« mit passenden Serviceleistungen.
Die Zielsetzung des vorliegenden Beitrags besteht darin, den Begriff der Digitalen Transformation von Geschäftsmodellen zu erläutern. Ferner wird eine Roadmap aufgezeigt, die ein Vorgehen mit fünf Phasen beinhaltet: 1. Digitale Realität, 2. Digitale Ambition, 3. Digitale Potenziale, 4. Digitaler Fit und 5. Digitale Implementierung. Die Phasen werden mit ihrer Zielsetzung, Aktivitäten und Instrumenten beschrieben; ausgewählte Aktivitäten werden anhand eines durchgehenden Beispiels erläutert.
7.2 Digitale Transformation von Geschäftsmodellen
In diesem Kapitel wird der Begriff der Digitalen Transformation von Geschäftsmodellen aufgezeigt.
Ausgehend von bestehenden Definitionen zur Digitalen Transformation (siehe: BMWi, 2015, S. 3, Bowersox et al. 2005, S. 22 f. , Boueé/Schaible 2015, S. 6, PwC 2013, S. 9, Capgemini 2011, S. 5, Mazzone 2014, S. 8 und Schallmo 2019, S. 5) und zur Definition von Geschäftsmodellen (siehe Schallmo, 2013, S. 22 f.), definieren wir die Digitale Transformation von Geschäftsmodellen wie folgt (Schallmo 2019, S. 7):
• Die Digitale Transformation von Geschäftsmodellen betrifft einzelne Geschäftsmodell-Elemente, das gesamte Geschäftsmodell, Wertschöpfungsketten sowie die Vernetzung unterschiedliche Akteure in einem Wertschöpfungsnetzwerk.
• Der Grad der Digitalen Transformation betrifft sowohl die inkrementelle (geringfügige) als auch die radikale (fundamentale) Veränderung eines Geschäftsmodells. Die Bezugseinheit im Hinblick auf den Neuigkeitsgrad ist primär der Kunde; sie kann allerdings auch das eigene Unternehmen, die Partner, die Industrie und Wettbewerber betreffen.
• Innerhalb der Digitalen Transformation von Geschäftsmodellen werden Enabler bzw. Technologien eingesetzt (z. B. Big Data), die neue Anwendungen bzw. Leistungen (z. B. Bedarfsvorhersagen) erzeugen. Diese Enabler erfordern Fähigkeiten, die die Gewinnung und den Austausch von Daten sowie deren Analyse und Nutzung zur Berechnung und Bewertung von Optionen ermöglichen. Die bewerteten Optionen dienen dazu, neue Prozesse innerhalb des Geschäftsmodells zu initiieren.
Die Digitale Transformation von Geschäftsmodellen erfolgt anhand eines Vorgehens mit einer Abfolge von Aufgaben und Entscheidungen, die in logischem und zeitlichem Zusammenhang zueinander stehen. Sie betrifft vier Zieldimensionen: Zeit, Finanzen, Raum und Qualität.
7.3 Roadmap für die Digitale Transformation von Geschäftsmodellen
Auf Basis der Ansätze zur Digitalen Transformation und auf Basis bestehender Ansätze zur Innovation von Geschäftsmodellen (siehe hierzu: Bucherer 2010, S. 63 ff.; Rusnjak 2014, S. 109 ff., Schallmo 2013, S. 47 ff.; Schallmo 2014 , S. 52 ff.; Schallmo 2015, S. 5 ff.; Wirtz/Thomas 2014, S. 37 ff.) erfolgt nun die Erarbeitung einer Roadmap, die nachfolgend dargestellt wird. Die Roadmap besteht aus fünf Phasen, die nachfolgend kurz erläutert sind.
Digitale Realität
In dieser Phase erfolgt das Skizzieren des bestehenden Geschäftsmodells eines Unternehmens, die Analyse der Wertschöpfungskette mit dazugehörigen Akteuren und das Erheben von Kundenanforderungen. Somit liegt ein Verständnis zur Digitalen Realität in unterschiedlichen Bereichen vor.
Digitale Ambition
Auf Basis der Digitalen Realität werden die Ziele im Hinblick auf die Digitale Transformation festgelegt. Diese Ziele beziehen sich auf die Zeit, die Finanzen, den Raum und die Qualität. Die Digitale Ambition sagt aus, welche Ziele für das Geschäftsmodell und dessen Elemente gelten. Anschließend werden die Ziele und Geschäftsmodell-Dimensionen priorisiert.
Digitale Potenziale
Innerhalb dieser Phase werden Best Practices und Enabler für die Digitale Transformation erhoben, die als Ausgangspunkt für das Design des zukünftigen digitalen Geschäftsmodells dienen. Hierfür werden je Geschäftsmodell-Element unterschiedliche Optionen abgeleitet und logisch miteinander kombiniert.
Digitaler Fit
Die Optionen für die Ausgestaltung des digitalen Geschäftsmodells werden bewertet. Hierbei spielen der Fit mit dem bestehenden Geschäftsmodell, die Erfüllung von Kundenanforderungen und das Erreichen von Zielen eine Rolle. Die bewerteten Kombinationen können somit priorisiert werden.
Digitale Implementierung
Im Rahmen der Digitalen Implementierung erfolgen das Finalisieren und das Implementieren des digitalen Geschäftsmodells, also der Kombination an Optionen, die weiter verfolgt werden soll. Die Digitale Implementierung enthält ebenso das Gestalten der digitalen Kundenerfahrung und des digitalen Wertschöpfungsnetzwerks mit der Integration der Partner. Ferner werden Ressourcen und Fähigkeiten berücksichtigt, die zur Digitalen Implementierung notwendig sind.
Die Abbildung 33 stellt die Roadmap zur digitalen Transformation von Geschäftsmodellen mit den Phasen und Aktivitäten dar. Die vorgestellten Phasen werden im Folgenden jeweils mit Ihrer Zielsetzung und den Fragen erläutert. Anschließend werden die Aktivitäten jeweils mit den Instrumenten aufgezeigt. Ausgewählte Aktivitäten werden anhand eines Beispiels erläutert, das nachfolgend kurz beschrieben ist.
Abb. 33: Roadmap zur Digitalen Transformation von Geschäftsmodellen
General Electric mit Pivotal (GE 2016; Pivotal 2016)
GE verfügt über insgesamt neun Geschäftsbereiche und sieht sich als führendes digitales Industrieunternehmen. GE möchte die Industrie durch softwarebasierte Technologien und Lösungen vernetzen, die schnell und vorausschauend sind. GE hat sich aus diesem Grund mit 105 Mio. $ für 10% an Pivotal beteiligt. Pivotal wandelt Daten in Informationen um, die für Dienstleistungen genutzt werden. Intel und Cisco sind ebenfalls Partner und insgesamt hat Pivotal mehr als 100 Technologiepartner und zwei Systemintegratoren: Capgemini und Accenture.
Bislang liegen GE über 50 Mio. Datensätze vor, die von über 10 Mio. installierten Sensoren an Maschinen, Anlagen etc. erhoben wurden. Pivotal hat für GE bislang über 40 Anwendungen entwickelt, darunter, z. B. Flugroutenoptimierung, Stillstandvermeidung.
Das nachfolgende Beispiel bezieht sich auf den Geschäftsbereich »Aviation«, insbesondere die Herstellung und Wartung von Triebwerken. Als Kunden von GE Aviation kommen Fluggesellschaften in Frage. Dazu gehört z. B. der Low Cost Carrier Air Asia, der über eine Flotte mit 160 Flugzeugen verfügt und 340.000 Flüge pro Jahr durchführt. Das Streckennetz umfasst über 100 Destinationen in 22 Ländern.
Anhand von Analysen hat GE festgestellt, dass weltweit, bei allen Fluggesellschaften, eine Ineffizienz durch Flugzeit, Treibstoffverbrauch, und Routen von 18-22% vorliegt. Würde es gelingen, den Treibstoffverbrauchs um 1% p.a. zu ...