Reisen der Großherzoglichen Familie mit der Eisenbahn
VON PETER FALOW
Rückblick auf die Geschichte der mecklenburgischen Eisenbahn
Nach der Inbetriebnahme der ersten deutschen Dampf-Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth (1835) folgten die Strecken Leipzig-Dresden (1839), Hamburg-Bergedorf (1842) und Berlin-Potsdam (1838). In Mecklenburg waren es 1835 die Hafenstädte, vor allem die Wismarer Bürgerschaft, die mit eigenen Bahnprojekten Anschluss an ein Gleisnetz anstrebten. Von besonderer Bedeutung für die Eisenbahnen Mecklenburgs war das Projekt eines Schienenstrangs, der die Großstädte Hamburg und Berlin verbinden sollte. Die Bahn, die über mecklenburgisches Territorium geführt werden sollte, förderte der Großherzog Friedrich Franz II. und trug durch persönliches Eingreifen dazu bei, das konkurrierende Projekt einer Bahn zwischen Hamburg und Magdeburg zu verhindern. Das Land beteiligte sich mit 1 ½ Millionen Talern auf Aktien am Bahnbau. Am 15. Dezember 1846 konnte die gesamte Strecke zwischen Hamburg und Berlin in Betrieb genommen werden.
Die feierliche Eröffnung der Anbindung der Residenzstadt Schwerin an das preußische Gleisnetz über den Bahnhof Hagenow erfolgte am 1. Mai 1847. Im Revolutionsjahr 1848 erhielt Wismar ohne Feier Gleisanschluss, dem folgten 1850 Bützow, Güstrow und Rostock.
Damit besaß Mecklenburg ein Eisenbahnnetz, das über die Schiene ihre Hafenstädte mit den Industriestädten und der Residenzstadt Schwerin verband, darüber hinaus über Hagenow einen Anschluss an das umfangreiche preußische Schienennetz ermöglichte, und das bereits zu einem Zeitpunkt, als die Eisenbahnkarten Deutschlands noch große weiße Flecken aufwiesen und in einigen Ländern noch Inselbetrieb bestand.
Der Bau weiterer Strecken kam recht zögerlich voran. Die Großherzogliche Friedrich-Franz-Eisenbahn eröffnete die Strecke Güstrow-Neubrandenbug am 15. November 1864. Die Ostwestverbindung zwischen Stettin und Lübeck (Hamburg) konnte mit der Eröffnung der Strecke Bad Kleinen-Lübeck ab dem 1. Juli 1870 durchgängig befahren werden.
Reisen fürstlicher Personen mit Extrazügen oder Hof-Salonwagen
Anhand der Fülle der in den Annalen des Großherzoglich Mecklenburgisch Schwerinschen Staats-Kalenders akribisch aufgeführten Reisen des Großherzogs, seiner Familie und seiner Gäste gewinnt man den Eindruck, als sei dieser Personenkreis ständig unterwegs gewesen. Die Großherzogliche Familie benutzte für ihre recht häufigen Reisen mit der Eisenbahn entweder Sonderabteile in planmäßigen Reisezügen, reiste inkognito oder bei besonderen Anlässen mit dem eigenen Salonwagen. Hof-Salonwagen waren besonders bequeme, mit allem Komfort eingerichtete Wagen für die Nutzung durch Allerhöchste und Höchste Herrschaften.
Abbildung 1
Salonwagen der MFFE im Maßstab 1:5
Baujahr 1864, Lauenstein Hamburg,
Sammlung Peter Falow
Der erste nachweisbare Salonwagen in Mecklenburg wurde 1864 von der Firma Lauenstein (Hamburg), Hauptlieferant der Friedrich-Franz-Eisenbahn, geliefert. Dabei handelt es sich um einen zweiachsigen, relativ schlichten Waggon mit zwei offenen Bühnen. Gleichzeitig wurde er als betriebsfähiges Modell im Maßstab 1:5 zusammen mit einer 1 B-Dampflokomotive der Firma Richard Hartmann, Chemnitz, dem Großherzog als Geschenk übergeben. Der Zug genoss, ausgestellt in einem gesonderten Ausstellungsraum des Schweriner Schlosses, eine besondere Wertschätzung. Die im Schloss aufgewachsene Kronprinzessin Cecilie berichtete darüber in ihren „Erinnerungen“.
Um mit Hof-Salonwagen das Gleisnetz anderer Bahnverwaltungen befahren zu dürfen, mussten sie dem technischen Standard der jeweiligen Bahnen entsprechen. Als zum Beispiel der Einsatz zwei- und dreiachsiger Waggons international im Schnellzug nicht mehr zulässig war, wurde für den Großherzog ein Salonwagen bei der „Breslauer Actien-Gesellschaft für Eisenbahn-Wagenbau“ bestellt, dem Werk, bei dem auch der Kaiser Wilhelm II. überwiegend seine Waggons bezog. Der „Salonwagen für seine Königliche Hoheit den Großherzog von Mecklenburg“ glich in der Grundkonstruktion zwar dem Wagen des Kaisers, in der Ausstattung bestanden aber erhebliche Unterschiede.
Der zuletzt gebaute mecklenburgische Salonwagen wurde nach dem Sturz der Monarchie zu einem normalen Reisezugwagen umgebaut und war noch nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Schwerin und Berlin im Schnellzugdienst im Einsatz. Insgesamt konnten bisher acht Salonwagen in Schwerin nachgewiesen werden. Ausgemusterte Salonwagen fanden anderweitige Verwendung, unter anderem als Inspektions- oder Präsidentenwagen.
Abbildung 2
Postkarte: Wie der Kaiser reist. Hofzug und Yacht Hohenzollern
Sammlung Peter Falow
Kaiser Wilhelm II., der wegen seiner vielen Reisen auch als Reisekaiser bezeichnet wurde, stand ein Wagenpark von etwa 40 Waggons zur Verfügung. Eingesetzt wurden die Züge meist vom Kaiserbahnhof Wildpark bei Potsdam. Bei Fahrten des Kaisers bestand der Kaiserzug aus sechs oder mehr Waggons, die von zwei Schnellzug-Dampflokomotiven gezogen wurden. Alle Unterlagen, wie auch die Fahrpläne der Hofsonderzüge waren aus Sicherheitsgründen als „geheim“ eingestuft worden.
Der russische Zar, der öfter mit seinem „Zarenzug“ zwischen St. Petersburg und Mecklenburg unterwegs war, reiste gern über Warnemünde mit der Fähre zur Verwandtschaft nach Dänemark, wo er sich frei und sicher fühlte. Wegen vorausgegangener Anschläge auf den Zug in Russland bestand ein besonderes Sicherheitsbedürfnis. Die Höchstgeschwindigkeit des Zuges war aus diesem Grund auf 50 km/h begrenzt.
Der Regent Johann Albrecht ließ von seinem Wohnsitz, dem Schloss Wiligrad am Schweriner See, um für die Regierungsgeschäfte schnell zur Verfügung zu stehen, zwischen Schwerin und der Station Wiligrad (Lübstorf) einen Personen-Shuttleverkehr mit „Hofbedarfszügen“ einrichten, der nach einem festen Fahrplan verkehrte und in Schwerin Anschluss an Fernzüge besaß.
Abbildung 3
Fahrplan für Bedarfs-Sonderzüge für
fürstliche Personen
Sammlung Peter Falow
Der Plüsch-Salonwagen
Die Herrschaften, die mit der Doberan-Heiligendammer Schmalspurbahn zur Station Rennplatz fahren, zum Promenieren nach Heiligendamm oder zum Baden in der Ostsee zusteigen wollten, benutzten zunächst die Wismar-Rostocker Eisenbahn bis Doberan. Hier bestand für sie die Möglichkeit sich im Fürstentrakt des Bahnhofes Doberan frisch zu machen. Sie fuhren dann im Plüsch-Salonwagen der Schmalspurbahn zur Station Rennplatz zum Promenieren oder weiter nach Heiligendamm, um mit Hilfe von Badekarren in die Ostsee zu steigen. Eine Besonderheit des Salonwagens war, dass die Hälfte des Waggons als Salon eingerichtet war, während die andere Hälfte der Dienerschaft zur Verfügung stand und als III. Klasse galt.
Die Entdeckung eines Herrengefolgewagens aus dem Bestand des Hofzuges des Kaisers in einem Militärgebiet der NVA auf der Insel Usedom nach der Wende war eine Überraschung. Von Bäumen total eingewachsen, befand er sich auf einem Gleisstummel ohne Gleisanschluss. Er war als Ferienunterkunft genutzt worden. Für seine Bergung musste eine Reihe von Bäumen gefällt werden. Der Wagen befand sich in einem relativ guten Zustand. Alle Messingbeschläge sowie die vier Fabrikschilder aus Bronze waren noch vorhanden. Der Wagen wurde daraufhin an die Usedomer Eisenbahnfreunde übergeben und jahrelang von ABM-Kräften aufgebaut – leider nicht fachgerecht.
Abbildung 4
In einem Wald auf Usedom eingewachsener Salonwagen des Kaiserzuges
Sammlung Peter Falow
Abbildung 5
Fürstlicher Repräsentationsraum im
Hauptbahnhof Schwerin
Foto: Peter Falow
Fürstenräume in Bahnhöfen
Für einen ausgewählten Kreis von Personen war es aus Standesgründen und sicher auch aus Gründen des Personenschutzes nicht möglich in gewöhnlichen Zügen zu reisen und sich in gewöhnlichen Wartesälen der Bahnhöfe aufzuhalten – für sie wurden von der Eisenbahn in ausgewählten Stationsgebäuden oder in extra errichteten Gebäuden Räume eingerichtet, die allein der fürstlichen Familie und anderen standesgemäßen Personen vorbehalten waren.
Das waren Bahnhöfe, die in der Nähe von Residenzen, größeren Schlössern, Fähr- und Grenzbahnhöfen, auch Jagdgebieten lagen, und auf denen ein-, aus- und umgestiegen wurde. Diese Warte-, Empfangs- oder Aufenthaltsräume für Allerhöchste und Höchste Herrschaften bestanden meist aus einem Empfangszimmer, einem Damenzimmer und einem Zimmer für Bedienstete. Je nach ihrer Bedeutung waren sie unterschiedlich groß dimensioniert und auch unterschiedlich eingerichtet.
Gewöhnliche Reisende hatten zu diesen Räumen keinen Zugang. Es spricht für das Selbstbewusstsein des mecklenburgischen Großherzogs, dass selbst der Antrag der katholischen Erzbischöfe und Bischöfe anderer Länder auf Mitbenutzung mit den Worten abgelehnt wurde, dass dafür kein Interesse bestehe. Auch Generälen war der Zutritt zu den Fürstenräumen nicht gestattet. Beim Betrachten eines Bahnhofs konnte man schon von außen am aufwendigen baulichen Dekor die Lage der Fürstenzimmer erkennen. Sie befanden sich stets an exponierten Stellen der Bahnhöfe, in den Empfangsgebäuden der Bahnhöfe oder in Gebäuden, die speziell dafür errichtet wurden. Meist waren sie von der Zug- und Straßenseite her leicht erreichbar. In der Regel besaßen sie eine Auffahrt für Kutschen.
Abbildung 6
Fürstentrakt Hauptbahnhof Schwerin
mit Kutschenauffahrt,
Terrasse und Baldachin
Sammlung Peter Falow
Abbildung 7
„Großer Bahnhof“ Empfang
„Allerhöchster und Höchster Herrschaften“ am Hauptbahnhof Schwerin
Sammlung Peter Falow
Abbildung 8
Staatsempfang für Kaiser Wilhelm II.
in Neustrelitz
Sammlung Peter Falow
In Durchgangsbahnhöfen lagen sie am ersten Bahnsteig, dem sogenannten Hausbahnsteig, wie auch im Bahnhof Schwerin, der entsprechend breit für das am Bahnsteig stattfindende Zeremoniell dimensioniert war. In diesen Fürstenräumen und deren Umfeld fand ein sehr wichtiger Teil des höfischen Lebens, die öffentliche Repräsentation aristokratischer Macht, statt. Hier wurden Kaiser und Könige, Zaren, Angehörige ausländischer Regierungen und Mitglieder anderer Fürstenhäuser empfangen und verabschiedet. Hier wurden Paraden abgenommen, Gala-Dinners gegeben, hier durfte das Volk den Fürsten zujubeln und über den höfischen Glanz staunen. Das hat in der Diplomatensprache zu dem Begriff des „Großen Bahnhofs“ geführt. Deutlicher konnte nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass kaum etwas so prunkvoll und feierlich war wie der Empfang am Bahnhof.
Die Repräsentanten der Eisenbahn hatten bei solchen Veranstaltungen, nach der Weisung der Eisenbahn zur Behandlung Allerhöchster und Höchster Herrschaften, in Galauniform mit Zweispitz, Glace-Handschuhen, Degen und Portepee zu erscheinen. Zu diesen Empfängen gehörte auch der festliche rote Teppich auf dem Bahnsteig, der den Ehrengästen ausgerollt war. Der Zug mit dem Salonwagen hatte mit der vorgesehenen Wag...