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Interkulturelle Bildung, Migration und Flucht
Potenziale und Beispiele der Integration in Schule, öffentlichem Raum und Literatur
- 314 Seiten
- German
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Interkulturelle Bildung, Migration und Flucht
Potenziale und Beispiele der Integration in Schule, öffentlichem Raum und Literatur
Über dieses Buch
Die aktuelle Flüchtlingsdebatte fordert die Wissenschaft zu einem intensiven gesellschaftlichen Dialog auf. Wie können wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis öffentlicher Räume überführt werden? Wie ist mit der veränderten Lage an Schulen umzugehen? Welche Bildungskonzepte erfordert die kulturelle Vielfalt? Und was für eine Schlüsselrolle kann hierbei der Literatur zukommen? Der vorliegende Band nimmt sich dieser und weiterer Fragen interdisziplinär an, indem er sowohl Forscher als auch Flüchtlingshelfer unterschiedlicher Kontexte zu Wort kommen lässt.
Häufig gestellte Fragen
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Information
Teil II: Schule und Universität
Vorläufige Überlegungen zur Interkulturellen Bildung anhand des Refugee Programms an der Universität Tübingen 2016-2017
Arhea Venessa Marshall
Die gegenwärtige Flüchtlingsdebatte im Kontext
Dieser Band beschäftigt sich mit einem höchst gegenwärtigen und bedeutenden Thema, „Interkulturelle Bildung und die Flüchtlingsdebatte“. Dennoch mag es lehrreich, wenn nicht gar nötig, sein zu betrachten, welche „Flüchtlingsdebatte(n)“ thematisiert wird und aus welcher Perspektive(n). Konzentriert man sich allein auf die unfreiwillige globale Migration von Individuen und Personengruppen seit Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts, lassen sich unzählige Ereignisse in verschiedenen Nationen identifizieren, welche ausgelöst haben, was gemeinhin als „Flüchtlingskrisen“ bezeichnet wird. Diese Krisen entwickeln sich, wenn der Bedarf von Flüchtlingen an Asyl steigt und die Gruppen, welche Asyl gewähren (Nationalstaaten), auf verschiedene Art antworten, üblicherweise vorgegeben durch eine Flüchtlingspolitik in Verbindung mit einem Asylsystem. Der Begriff „Flüchtlingskrisen“ wird typischerweise in den Massenmedien als emotional geladene Phrase verwendet, die dazu neigt ein Pandämonium hervorzurufen, welches den Diskurs über und die Kommentare zu unerwünschten Migranten und Immigrationswellen wieder aufgreift. Der gefährliche Charakter dieses Begriffs findet sich sowohl auf dem syntaktischen als auch auf dem pragmatischen Level der Analyse. Irgendwie dient das Wort ‚Flüchtling‘ als Deskriptor des Wortes ‚Krisen‘. Zunächst muss auf der Ebene der Krise geklärt werden, was eine Krise ist und für wen. Eine Krise ist eine Zeit intensiver Schwierigkeit oder Gefahr. Krisen sind bis zu einem gewissen Grad unerwartet, sie beschreiben eine verwundbare Gruppe und eine Bedrohung. Wenn die beiden Wörter, ‚Flüchtling‘ und ‚Krise‘, auf den Titelblättern gedruckter und digitaler Medien zusammengeführt werden, hat dies gerne den Effekt, dass die Bewohner oder Bürger der Region die verwundbare Gruppe sind und die Bedrohung nicht nur in den Flüchtlingen als Personengruppe besteht, sondern auch in den zugehörigen Regierungsbeschlüssen und -maßnahmen, welche juristisch und bildlich Form annahmen als Asylantenwohnheime, spezieller Unterricht etc.
Im Falle Deutschlands wird das Recht auf Asyl Opfern von Verfolgung durch das Grundgesetz gewährt (siehe die offizielle Website des Bundesministeriums für Inneres). Selbst wenn Asyl und Flüchtlingspolitik in der beständigen nationalen Politik umrissen sind, beeinflussen erwartete Größe und Reaktionszeit die Wahrnehmung, die viele Bürger haben (meist aus den Medien), dass Flüchtlingswellen plötzlich und unerwartet auftreten, statt erwartet und theoretisch in der Nationalpolitik mitbedacht. Die Rolle der Medien in der Einflussnahme darauf, wie Flüchtlingskrisen wahrgenommen werden, ist gravierend, bedauerlicherweise übersteigt es die Kapazitäten dieses Artikels, dieses spezifische Mittel der Debattenproduktion zu untersuchen.
Wenn wir über die Flüchtlingsdebatte sprechen, müssen wir bedenken, dass es zahlreiche Gründe für die verschiedenen Perspektiven auf das Debattierte gibt. Es gibt Debatten darüber, wer als Asylsuchende/r gelten sollte und wer als Flüchtling, andere fragen, ob Flüchtlinge zeitweiliges oder dauerhaftes Asyl in Drittländern erhalten sollten, wieder andere diskutieren darüber wie es möglich wäre, Kulturen der Integration und Inklusion zwischen Flüchtlingen und den Bürgern und Regierungen, die die Asylsuchenden willkommen heißen, zu schaffen / fördern. Dies sind lediglich ein paar der über die letzten Jahre diskutierten Themen, wenn es um Flüchtlinge geht. Ein wichtiger, aber oft vernachlässigter Aspekt dieser Themen ist für gewöhnlich die Frage nach Integration, Beteiligung und sogar Einbindung in das alltägliche Leben, sei es das Wissen um soziale Normen, die das öffentliche Leben sowie die Dinge dazwischen und subtil auftretende Bereiche des Alltagslebens, wie Bildung, bestimmen. Der Großteil der Hilfe die Flüchtlinge in diesen alltäglichen Aspekten des Lebens erhalten, scheint von hilfsbereiten Bürgern zu kommen, die das Bedürfnis haben und dazu getrieben sind Hände und Füße der legislativen Maßgaben zu sein, die Flüchtlingen ermöglichen Asyl zu finden.
Leider scheint hinter vielen der debattierten Punkte eine grundlegende Unsicherheit auf. Dies kommt nicht überraschend, bedenkt man, dass niemand weiß was die Zukunft für Flüchtlinge oder alle anderen bereithält, selbst angesichts der am besten geplanten politischen Strukturen. Deshalb steht dieser Essay hinter den Worten Angela Merkels: Furcht ist kein guter Ratgeber. Interessanterweise diskutieren die meisten Zeitungsartikel die Flüchtlingsthematik, mit wenigen Ausnahmen, explizit im Rahmen von Migrations- und Außenpolitik und mit dem Fokus auf Sicherheit und Verteidigung. Es ist sehr ungewöhnlich, dass man einen Bericht über Flüchtlinge liest, in dem sich die Begriffe ‚Vielfalt‘ und ‚interkulturelle Erfahrung / Zusammentreffen‘ finden. Warum wird offenbar eine Seite der Flüchtlingserfahrung lieber hervorgehoben als eine andere? Vielleicht eine produktivere Frage wäre: ist dies schon zuvor geschehen? Sicherlich ist dies kein Medienphänomen, seien es gedruckte oder digitale Medien, das für Berichte über Flüchtlinge einzigartig wäre. Man brauch lediglich Berichte über freiwillige und unfreiwillige Migration zu lesen und das Muster wiederholt sich. Zugleich gibt es in Ländern wie Deutschland auf allen Ebenen öffentlicher institutioneller Systeme Initiativen, die Vielfalt und Internationalisierung befürworten.
An vorderster Front aktiver Debatten und praktischer Maßnahmen sehen wir Universitäten, etwa die Universität Tübingen, welche Internationalisierungsbestrebungen zeigt und Vorlesungsreihen über die Verbindung zwischen interkultureller Bildung und der Flüchtlingskrise/-debatte hält. Diesen Ambitionen zum Trotz gibt es eine Trennung zwischen Vorbereitungskursen für Flüchtlinge und den Internationalisierungsbemühungen an der Universität Tübingen, ein Kritikpunkt, der hier nicht weiterverfolgt, aber hoffentlich andernorts diskutiert wird. Auf ähnliche Weise etabliert die Politik den feinen Unterschied zwischen Flüchtling und Asylbewerber. Die Arbeit der getrennten, aber in diesem Zusammenhang verbundenen Institutionen, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, ist existentiell für die Entwicklung der Debatte zu interkultureller Bildung und Flüchtlingen in Deutschland, da sie die aktuell eingesetzten strukturellen Regierungseinrichtungen sind. Diese Einrichtungen bestimmen zu einem gewissen Grad die formelle Bildungserfahrung von Flüchtlingen, sobald sie im System sind. Ich empfinde es als wichtig, formelle und informelle Bildung als weiteren Aspekt der Debatte herauszustellen, weil beide Möglichkeiten existieren; da sich die vorliegende Fallstudie aber auf einen formellen Rahmen konzentriert, empfehle ich weiteres Nachforschen zu den Unterschieden (vgl. Sinclair 2007; im Grunde kann der Hauptunterschied als die Fähigkeit identifiziert werden, dem Teilnehmer ein anerkanntes Zertifikat auszustellen). Die unterschiedlichen Einrichtungen können sowohl in formellem als auch in informellem Rahmen kooperieren, von unterschiedlichen Aufträgen bis zum Erreichen miteinander verschränkter Ziele.
Die weiteren Teile dieses Berichts sollen einen einfachen Einblick in die Schritte geben, die zu Integration und Einbindung in die Bildung führen, sodass man sich vorstellen kann, warum die später erwähnten Organisationen und Individuen eine Rolle in den interkulturellen Erfahrungen von Flüchtlingen im Flüchtlingsprogramm der Universität Tübingen zu spielen haben. Es ist wichtig anzumerken, dass, obgleich diese Phasen derart beschrieben sind, dass sie sich gegenseitig auszuschließen scheinen, die Phasen zu Überschneidungen und Verzögerungen neigen. Beginnend mit den Schritten zur Anmeldung für Asyl, nachdem man Zuflucht gesucht hat, lassen sich die Phasen des Asylprozesses in Deutschland, bekannt als „integriertes Flüchtlingsmanagement“, in drei Schritten beschreiben: 1. Ankunft und Registrierung, 2. der Asylprozess und 3. Integration oder Rückkehr, wie beschrieben vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Das hier ‚integriert‘ verwendet wird, hat nicht die zweifache Bedeutung von erfolgreicher Integration und Beteiligung an den verschiedenen Aspekten der Bildung, inklusive Sozialisation und die Gleichheit in den Ressourcen verbunden mit dem Bildungssystem (seien sie ökologisch, elterlich oder materiell, um ein paar zu nennen). Vor Januar 2017, als das Integrationsgesetz in Kraft trat, waren Asylsuchende, inklusive jener mit guten Aussichten in Deutschland zu bleiben, nicht verpflichtet Integrationskurse zu besuchen, welche vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als Mittel beworben wurden, um das Ziel zu erreichen, in Deutschland zu leben. Als Ergebnis der wachsenden Zahl an Flüchtlingen, die durch die Gesetzesänderung verpflichtet oder berechtigt wurden, an diesen Kursen teilzunehmen (während Abwesenheiten den Verlust von Vorteilen nach sich ziehen konnten), stieg die Zahl derer, die solche Kurse bereitstellen (Knight 2016). Während sich diese Kurse meist darauf konzentrieren deutsche Sprachkenntnis und Wissen über die deutsche Kultur, Geschichte und Gesetzgebung zu verbessern, wird das Element ‚interkultureller Bildung‘ als Aspekt der Integration oft vernachlässigt.
Interkulturelle Bildung
Die 2007 von der UNESCO veröffentlichte Stellungnahme „Guidelines on Intercultural Education“ (UNESCO 2007) dient als Ausgangspunkt für das Konzept der „interkulturellen Bildung“, wie es in diesem Aufsatz besprochen wird. Wie in den Richtlinien von 2007 definiert, kam interkulturelle Bildung als Antwort auf die Herausforderung „Qualitätsbildung für alle bereitzustellen“. Sie dient den Bildungszielen, welche die internationale Kommission für Bildung für das einundzwanzigste Jahrhundert als die „vier Säulen der Bildung“ definiert hat: lernen zu wissen, lernen zu tun, lernen zusammenzuleben und lernen zu sein. Neben dem Fokus auf vielfältiges Lernen fördert bewusste interkulturelle Bildung die Akzeptanz von Multikulturalismus. Sie strebt dabei das gegenseitige Verständnis an und erzielt folglich ein Miteinander der Kulturen statt eines bloßen Nebeneinanders, und entspricht somit weiteren Zielen der Bildungspolitik.
Die Perspektive interkultureller Bildung ist nicht neu. Unter anderem Namen wurde sie zuvor auf praktische Fälle der ‚Integration‘ zugewanderter Schulkinder, von Kindern von Einwanderern oder Kindern, die selbst geographische Migration erlebt haben, angewandt. Dies ist der Rahmen, zu dem wir zurückkehren, um die Bildung moderner Flüchtlinge, vor allem in Deutschland, zu thematisieren. Klar ist es, dass Bildungssysteme sich von Land zu Land unterscheiden, allerdings muss auch die Variation innerhalb von Nationen bedacht werden – dies stellt eine Herausforderung für den Bildungsaspekt der Flüchtlingsdebatte dar. Wie offen ist das Gastgeberland Deutschland in Bezug auf Anerkennung der Bildungsstandards in den Herkunftsländern der Flüchtlinge? Inwiefern beeinflusst die vorherige Bildungserfahrung die Erwartungen eines/r Schülers/in an eine neue Bildungsumgebung? Wie können die Richtlinien für interkulturelle Bildung (vornehmlich gedacht, um Schulkindern die Integration zu erleichtern) angepasst werden, um auch den Flüchtlingen zu helfen, welche sich in der schwierigen Situation finden ihren höheren Bildungsweg bereits begonnen oder abgeschlossen zu haben, ohne dass ihre geleistete Arbeit außerhalb ihres Herkunftslands anerkannt wird? Dies sind einige der Hauptfragestellungen im Kern der praktischen Arbeit, Flüchtlinge bei ihrer Entscheidung, ihre Bildung im Land ihres Asyls fortzusetzen, zu unterstützen.
Ein weiteres theoretisches Ziel interkultureller Bildung ist, „Universalismus“ (wie in der Universalität der Menschenrechte) und „kulturellen Pluralismus“ einzubeziehen. Diese Absichten sind wichtig, aber die Möglichkeiten sie zu implementieren variieren. Betrachten wir beispielhafte Erfahrungen aus dem Flüchtlingsprogramm, sehen wir, dass das Einbeziehen kulturellen Pluralismus nicht zwingend mit Fokus nur auf unterschiedliche Herkunftsländer geschehen muss. ‚Kulturell‘ bezieht sich nicht nur auf Ähnlichkeiten in Erfahrungen und Erwartungen an Normalität, basierend auf einem gemeinsamen nationalen Hintergrund, sondern auch auf die Komplexität der ‚Flüchtlingskultur‘. Diese ‚Flüchtlingskultur‘ wird auch aus einer teilweise gemeinsamen Erfahrung geboren, die Erfahrung ein Flüchtling und möglicherweise ein Asylbewerber in einer bestimmten Generation oder Neuankömmling in einem spezifischen nationalen System zu werden. Diese Kultur überspannt ursprüngliche Staatszugehörigkeit und in gewissem Maße vorhergehende sozioökonomische Grenzen. Diese pluralistische ‚Flüchtlingskultur‘ wird am deutlichsten sichtbar, wenn der Begriff und die Ziele „interkultureller Bildung“ nicht nur auf die einzelne Perspektive des Interkulturellen zwischen ‚ursprünglicher Kultur‘ der Flüchtlinge und der Kultur der Gastgeberländer konzentriert sind. Durch einen weiteren Blick auf das Konzept der „Interkulturalität“, auch jene zwischen Individuen und Gruppen, welche durch die gemeinsame (aber unterschiedliche) Erfahrungen Flüchtling zu werden, im Kontext der Flüchtlingsdebatte eine gemeinsame Identität annehmen, erlaubt interkulturelle Bildung eine Perspektive auf die Erfahrungen von Flüchtlingen, die nicht gebunden ist durch das Überpinseln von Besonderheiten in verschiedenen Flüchtlingsdebatten, welche großteils von den Flüchtlingen selbst nicht diskutiert werden.
Wie interkulturelle Begegnungen, so ist auch interkulturelle Bildung ein interaktiver Handlungsprozess. Den Dutzenden so genannten Best-Practice-Theorien zum Trotz ist interkulturelle Bildung eine kontextbasierte erfahrungsgeleitete Methode, um welche herum institutionelle Programme versuchen ihre Rahmen zu ziehen. Die Interkulturalität in der Bildungsarbeit mit Flüchtlingen beginnt nicht mit der Fluchterfahrung. Ich vertrete die Ansicht, dass interkulturelle Bildung mit den Unterschieden und Ähnlichkeiten zwischen Individuen in einem geteilten Raum beginnt, seien sie bedingt durch familiäre, soziale und ähnliche Hintergründe. Wie bereits erwähnt, hängen diese kulturellen Unterschiede nicht primär von verschiedenen Ursprungsländern ab, obgleich dies die Unterschiede sind, die normalerweise in Flüchtlingsdebatten auf internationaler Ebene hervorgehoben werden, falls sie nicht vollständig ausgelöscht und durch den Deskriptor „Flüchtlinge“ ersetzt werden. Beispiele dieser Formen der Verallgemeinerung in den Medien zeigen sowohl positive als auch negative Pfade von Absicht und Auswirkung, wie das gefeierte Flüchtlingsteam bei den olympischen Sommerspielen 2016, welches vier Herkunftsländer umfasste, oder die mannigfaltigen, aber intensiven Berichte über mehrere sexuelle Übergriffe in der Neujahrsnacht 2016, von denen viele die Gewalt der zunehmenden Zahl an Nordafrikanern, Flüchtlingen oder Einwanderern anrechnen. Der Gebrauch dieser Begriffe wurde nicht als neutrale Repräsentation irgendeiner dieser Gruppen und Individuen, die von diesen Kategorien bezeichnet werden, gesehen. Diese Wortwahl in den Medien und in späteren Unterhaltungen über die Vorfälle brachte den isolierenden und ausschließenden Effekt des Gebrauchs von Begriffen ans Licht, die unter bestimmten Umständen polarisieren, wenn interkulturelle Unterschiede auf der Ebene nationaler Identität in Flüchtlingsdebatten hervorgehoben wird.
Aus diesen Gründen betrachtet ...
Inhaltsverzeichnis
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhaltsverzeichnis
- Plädoyer für eine interkulturelle Bildung für morgen
- Teil I: Theoretische Vorüberlegungen
- Teil II: Schule und Universität
- Teil III: Öffentlicher Raum
- Teil IV: Kulturformen
- Danksagung
- Fußnoten