Foucault in 60 Minuten
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Foucault in 60 Minuten

  1. 136 Seiten
  2. German
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Foucault in 60 Minuten

Über dieses Buch

Foucault gilt als einer der ganz großen Poststrukturalisten, lehnte selbst aber jede Zuordnung seines Denkens ab. Tatsächlich künden schon seine spektakulären Buchtitel von einer radikal neuen Sicht auf die Dinge, so etwa: "Wahnsinn und Gesellschaft", "Überwachen und Strafen", "Der Gebrauch der Lüste", "Die Ordnung der Dinge". Foucault gehört zu jenen Philosophen, deren Bedeutung nach ihrem Tod nicht nachlässt, sondern beständig zunimmt. Dieser Umstand ist erfreulich und bedenklich zugleich. Erfreulich, weil Foucaults zentraler Gedanke lebendig geblieben ist und immer relevanter wird, bedenklich, weil eben dieser Kerngedanke etwas Beunruhigendes hat: "der Mensch verschwindet, wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand." Foucault meint mit seiner These vom "Tod des Menschen" nicht, dass wir als Gattung aussterben, etwa durch die Klimaerwärmung. Er will uns zu verstehen geben, dass der Mensch, so wie wir ihn kennen, nämlich als freies, selbstbestimmtes und spontan lustvolles Wesen allmählich verschwindet. Er löst sich in den Diskursen und Strukturen unserer Zwangsgesellschaft auf - und zwar auf dieselbe lautlose Art, wie ein in den Sand gezeichnetes Gesicht von den Wellen verwischt wird. Im 18. Jahrhundert wurde ein neuartiges rundes Gefängnis entwickelt, das dem Wächter vom Mittelpunkt aus, die Beobachtung aller Gefangenen erlaubt. Dieses Gefühl, jederzeit beobachtet zu sein, ist, so Foucault, zum Modell für unsere gesamte Gesellschaft geworden. Letztlich entwickelt er seinen Kerngedanken in 3 Schritten: Als erstes gräbt und forscht er wie ein Archäologe nach alten Überzeugungen, die unsere heutigen Einstellungen hervorgebracht und geprägt haben. In einem zweiten Schritt kritisiert er diese Geisteshaltung, da sie viele Menschen ausgrenzt, und uns alle von unseren Bedürfnissen abschneidet. In einem dritten und letzten Schritt versucht er trotz des Ausgeliefertseins an die Zwangsgesellschaft, ein Konzept für eine moderne Lebenskunst zu entwerfen.Wie sieht diese Lebenskunst aus? Ist es überhaupt noch möglich, als einzelnes Subjekt aus der Zwangsgesellschaft auszubrechen? Hat Foucault mit seinem berühmten Gefängnis-Paradigma recht und wir alle fühlen uns beobachtet? Gipfelt womöglich unser digitales Zeitalter in totaler Selbstdisziplinierung? Kein Zweifel - Foucaults Gedanken sind von beunruhigender Aktualität. Sein Kerngedanke wird anhand von über hundert seiner besten Zitate dargestellt. Das Buch ist in der beliebten Reihe "Große Denker in 60 Minuten" erschienen.

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Information

Foucaults Kerngedanke

Archäologie des Wissens:
Wie wir wurden, wer wir sind

Foucault hat seine eigene philosophische Herangehensweise in den Büchern Archäologie des Wissens und Die Ordnung der Dinge folgendermaßen beschrieben. Es komme ganz entscheidend darauf an, als Philosoph und als Mensch keine Vorurteile zu haben. Wir müssen, so Foucault, die Wirklichkeit der Welt so erkennen, wie sie sich von sich selbst her zeigt. Das bedeutet, wir müssen das wirkliche Wissen einer Zeit zu Wort kommen zu lassen. Und das geht am besten, indem man wie ein Historiker oder Archäologe wirkliche, echte Dokumente, Ausgrabungsfunde, Kunstwerke und Chroniken von Ereignissen und Institutionen einer Epoche studiert und dann die gemeinsame Struktur beziehungsweise das verbindende „Dispositiv“ des jeweiligen Wissens offenlegt. Foucault hat in seinen Büchern tatsächlich eine Vielzahl von Urkunden, Gefängnisbauplänen, literarischen Werken und Chroniken aus verschiedenen Epochen ausgewertet, bis hin etwa zur Beschreibung der Vierteilung eines Vatermörders:
Die bisherige Philosophie, so Foucault, hätte entweder idealistisch nur die Theorie ernst genommen und das Wissen einer bestimmten Epoche einzig und allein an den bedeutendsten Ideen, also den Gedanken der Könige, Philosophen und Genies festgemacht oder umgekehrt nur materialistisch die ökonomischen und sozialen Verhältnisse berücksichtigt, die dann vermeintlich alles andere bestimmen.
Beides sei aber falsch. Letztlich, so Foucault, müsse man sich einzig und allein an die tieferen Strukturen des Wissens einer Epoche und ihrer institutionalisierten Wahrheitsproduktion halten. So gesehen war Foucault durch und durch Strukturalist. Mit Gleichgesinnten kritisierte er deshalb schon während seiner Studentenzeit Sartres existenzialistische These, wonach der Mensch absolut frei entscheiden könne und auf der anderen Seite die These von Marx, wonach die Entscheidungen und Überzeugungen der einzelnen Subjekte nur die Folge ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage seien:
Stattdessen, so Foucault, komme es einzig und allein darauf an, die zugrunde liegende Tiefenstruktur, oder wie er wörtlich sagt, die „Schicht des konstitutiven historischen Wissens“ aufzuzeigen, aus der sowohl das Denken der Subjekte als auch deren soziale Verhältnisse hervorgehen:
Das Subjekt, also der Mensch, ist in Foucaults strukturalistischer Betrachtung nicht länger der Ursprung und der Begründer neuer Gedanken und Entwicklungen, sondern nur noch eine „variable Funktion des Diskurses“. Das bedeutet, wir äußern als einzelne Subjekte zwar unsere Meinungen, aber wir können sie eben nur in der Weise äußern, wie es der Funktion im herrschenden Diskurs entspricht. Wir können immer nur das sagen, was sich innerhalb der Grenzen des vorherrschenden Diskurses sagen lässt:
Unter „Diskurs“ versteht Foucault also nicht nur das konkrete Gespräch zwischen Menschen, sondern immer auch die darin mitschwingende Macht- und Wissensformation der jeweiligen Gesellschaft. Denn diese beeinflusst uns ganz entscheidend:
Auch unsere vielgerühmte freie Meinungsäußerung ist letztlich, so Foucault, eine Illusion. Sie wird nämlich fundamental von der jeweiligen Diskurswirklichkeit geprägt und ist somit keineswegs so frei, wie wir es gerne hätten. Jeder individuelle Diskursbeitrag erfolgt nur innerhalb bestimmter gesellschaftlich konstituierter Strukturen, wie der Grammatik unserer Sprache, den Sitten und Gepflogenheiten unseres Landes, dem politischen System, der gelernten Moral, der gängigen Überzeugungen, der pädagogischen Erziehungsstile, der vorherrschenden Ästhetik und somit all der Axiome, die wir gerade für wahr halten – kurzum innerhalb der Struktur des „konstituierenden Wissens“ unserer Zeit. Dieses konstituierende Wissen verändert sich zwar von Epoche zu Epoche, es bestimmt aber durchgängig den Charakter der Diskurse. Dabei ist das jeweils produzierte Wissen nicht die Wahrheit, sondern nur das, was in den Diskursen der jeweiligen Epoche gerade als wahr gilt:
In den Diskursen der Indianer wurden beispielsweise geistig Verwirrte bestaunt oder verehrt. Man glaubte nämlich, sie wären vom göttlichen Geist Manitus berührt. In mittelalterlichen Diskursen betrachtete man sie als vom Teufel besessen und beauftragte Exorzisten mit der Austreibung. Heutzutage gelten sie gemäß der gängigen Diskurswahrheit als psychisch krank und ein Heer von Ärzten macht sich an die Arbeit, sie zu therapieren. Nach Foucault erfahren wir aber in allen drei Diskursen nicht, was die betroffenen Subjekte wirklich sind, sondern nur das, als was sie im jeweils herrschenden Diskurs betrachtet werden. Auf dieselbe Weise wie die Indianer Nordamerikas oder die mittelalterlichen Exorzisten, geben auch unsere heutigen Psychiater nur jenes Wissen wieder, das unserem derzeitigen Diskurs mit seinem ihm zugrunde liegenden konstituierenden Wissen entspricht:
Sind also unsere persönlichen Gedanken nur Schaumkronen auf dem unendlichen Ozean der gesellschaftlich erzwungenen Diskurse? Sind wir nach Foucault nur Marionetten der Strukturen des „konstituierenden Wissens“?
Wir sind es und wir sind es nicht. Foucaults Denken ist eine Gratwanderung. Einerseits enthüllt er mit großer Nüchternheit als „Archäologe“ die eisernen Diskurs- und Wissensstrukturen, denen wir alle auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind und die uns als Subjekte formen, andererseits macht er am Ende seiner Beschreibungen dann doch noch etwas sehr Verblüffendes. Er beschreibt nämlich unser heutiges Wissen, unsere heutige Wahrheitsproduktion beziehungsweise die vorherrschende Struktur unserer Diskurse derart provokativ, dass wir sie als Leser so einfach nicht hinnehmen können und hinnehmen wollen. Er ist also zunächst reiner Deskriptivist und beschreibt nur, aber seine Beschreibungen zwingen uns am Ende dann doch zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Beschriebenen. Mit seinen Ergebnissen erschüttert er nämlich unsere Überzeugungen, indem er uns die Herkunft und Engstirnigkeit dieser Überzeugungen entschlüsselt und vor Augen führt. Und genau darin, also im Erkennen der eigenen strukturellen Determiniertheit, liegt, so Foucault, zu guter Letzt zumindest die Chance auf ein mögliches Umdenken:
Und weil wir durch das Verstehen unserer Determiniertheit, an den Gitterstäben unserer Strukturen rütteln können, sind wir nicht nur gutgläubige oder ohnmächtige Gefangene der herrschenden Überzeugungen, sondern können versuchen, uns selbst und unser Denken zu verändern:
Aufgrund dieser Wissenskritik zum Zwecke der „Veränderung seiner selber“ gilt Foucault als Poststrukturalist. Zwar geht es ihm genau wie den klassischen französischen Strukturalisten zunächst einmal nur darum, systematisch neutral und ohne jede Wertung die Bedingtheiten unseres heutigen Wissens und die entsprechenden Diskurse zu beschreiben, aber seine Ergebnisse sind am Ende derart provokativ, dass sie den Horizont strukturalistischer Betrachtung sprengen. Sie gipfeln in einer fulminanten Kritik unserer aktuellen Wissensproduktion und deren Ausgrenzungs- und Unterwerfungstendenzen. Indem er diese beim Namen nennt, sind sie natürlich noch keineswegs beseitigt, aber es klafft ein erster verräterischer Riss im Schleier ihrer Legitimität.
Wahnsinn und Gesellschaft –
die Ausgrenzung der Unvernunft
Bereits in seiner über fünfhundert Seiten umfassenden Doktorarbeit mit dem Titel Wahnsinn und Gesellschaft gelingt Foucault ein erster großer Wurf. Er beschreibt darin die Struktur unserer abendländischen Vernunft anhand ihres Umgangs mit dem Wahnsinn. Dabei enthüllt er nicht nur die aktuellen Kriterien, mit denen unsere moderne Wissenschaft die Wahnsinnigen beziehungsweise psychisch Kranken von den Normalen trennt, sondern auch den Umgang mit dem Wahnsinn in früheren Epochen. In der Renaissance beispielsweise sei die Gesellschaft gegenüber dem Wahnsinn noch sehr „gastfreundlich“ gewesen. Die Irren, wie man damals sagte, wurden nicht einfach weggesperrt, ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Foucaults große Entdeckung
  4. Foucaults Kerngedanke
  5. Was nutzt uns Foucaults Entdeckung heute?
  6. Zitatverzeichnis
  7. Weitere Informationen
  8. Der Autor
  9. Impressum