Abgründe der Gewalt
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Abgründe der Gewalt

Die größten Schandtaten der Weltgeschichte - eine Dokumentation

  1. 692 Seiten
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Abgründe der Gewalt

Die größten Schandtaten der Weltgeschichte - eine Dokumentation

Über dieses Buch

Mit seinem Buch schließt der Autor eine Lücke in der bisherigen Historiographie, welche die größten Gewalteruptionen in der Geschichte oft nur beiläufig erwähnt oder gänzlich ignoriert. Aus Gründen der Authentizität schreckt Witzens auch vor der Schilderung schlimmer Gewaltverbrechen nicht zurück, wobei er sich jedoch strikt an zeitgenössische Dokumente und Augenzeugenberichte hält. Doch geht es ihm bei dieser Kompilation der Gewaltexzesse in der Weltgeschichte, die er chronologisch bis zur Gegenwart beschreibt, nicht nur um die bloße deskriptive Dokumentation dieser Schandtaten, sondern vor allem um die Analyse der Motive, Umstände und Hintergründe, die Menschen dazu bringen, über andere Menschen herzufallen, sie zu versklaven, zu foltern und zu ermorden. Stimmt der Satz des Philosophen Thomas Hobbes, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist? Welche anthropologischen und ideologischen Faktoren unterstützen die Wandlung des Menschen zur reißenden Bestie? Mit welchen Schutzbehauptungen und Ausreden rechtfertigen die Täter ihre Verbrechen, wenn sie zur Verantwortung gezogen werden. Um für die Antwort auf diese Fragen eine möglichst breite empirische Basis zu erhalten, beschränkt sich Witzens nicht auf den europäischen Kulturraum, sondern berücksichtigt auch den amerikanischen und asiatischen Kulturbereich.

Häufig gestellte Fragen

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Gewalt im 20. Jahrhundert

Das 20. Jahrhundert ist das mit Abstand blutigste Jahrhundert der Weltgeschichte. In keinem Jahrhundert davor geschahen so viele verlustreiche Kriege, entsetzliche Massaker und Völkermorde. Religion, Aufklärung und zivilisatorischer Fortschritt hatten nichts zur Bändigung der „Bestie Mensch“ beigetragen. Obwohl die explizite Beschreibung der Genozide nicht zum Thema dieses Buches gehört, werden einzelne herausragende Massaker, die im Rahmen von Völkermorden verübt wurden, dennoch hier behandelt.

Die Vernichtung der Hereros

Vorgeschichte
Der erste Völkermord des an Genoziden nicht armen 20. Jahrhunderts geschah 1904 im heutigen Namibia. Ca. 50.000 Menschen kamen ums Leben. Was geschah? Im Mai 1904 wurde Adrian Dietrich Lothar von Trotha auf Anweisung von Kaiser Wilhelm II. zum Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) und Oberbefehlshaber der dortigen Kaiserlichen Schutztruppe ernannt und damit beauftragt, den Aufstand der gegen die deutsche Kolonialherrschaft aufbegehrenden Herero niederzuschlagen. Wie kam es zu dem Aufstand? Die Deutschen hatten sich 1883 im Südwesten Afrikas festgesetzt. Ein Deutscher namens Heinrich Vogelsang hatte als Agent des Bremer Tabakgroßhändlers Adolf Lüderitz einem Häuptling vom Volk der Nama eine ganze Bucht abgekauft. Doch das beruhte auf einem Schwindel: Als Adolf Lüderitz im Mai 1883 dem Volk der Nama eine Bucht im Süden des heutigen Namibia abkaufte, nutzte er ein Missverständnis über Maßeinheiten zu seinem Vorteil. Der Führer der Nama war mit der englischen Meile vertraut, jedoch nicht mit der fast viermal längeren deutschen Meile. So erhielt der Bremer Kaufmann für 100 englische Pfund und 200 Gewehre ein viermal so großes Gebiet als die Eingeborenen eigentlich verkauft zu haben glaubten. Das durch diesen „Meilenschwindel“369 erworbene „Lüderitzland“ wurde zur Keimzelle der ersten Kolonie des Deutschen Reiches: Deutsch-Südwestafrika.
Das wüstenartige Land schien wenig attraktiv. Doch das Deutsche Reich wollte unbedingt einen „Platz an der Sonne“ genau wie die anderen Kolonialmächte auch (die freilich wesentlich früher ihre Kolonialreiche erobert hatten). Die bedeutenden Diamanten-, Uran- und Kupfervorkommen waren noch nicht entdeckt, und auch für die Landwirtschaft bot das unwirtliche Land keine optimalen Voraussetzungen. Ackerbau war in der „Lüderitzschen Sandbüchse“ mühsam, lediglich Rinder- und Schafzucht bot Einheimischen wie deutschen Siedlern ein gesichertes Auskommen. Das Gebiet sei „nichts als ein ödes Sandloch“, spottete der Reichstagsabgeordnete Eugen Richter im Jahre 1885. Zu bedauern seien dort „nur die armen drei Beamten, die jetzt dort unsere Flaggenstangen auf dem öden Sandmeer bewachen müssen.“370 Reichskanzler Bismarck, im Grunde ein Gegner imperialistischer kolonialer Ambitionen, wollte das Unternehmen Deutsch-Südwest abbrechen. Wegen seiner Abberufung durch Kaiser Wilhelm II. kam es jedoch nicht mehr dazu. In dem von Deutschland beanspruchten Gebiet lebten gut 200.000 Angehörige einheimischer Völker. Die größte Bevölkerungsgruppe stellte das Volk der Herero mit mehr als 80.000 Menschen. Anfangs leisteten sie den eindringenden Deutschen heftigen Widerstand. Doch das änderte sich ab 1890, als der oberste Führer der Herero, Samuel Maharero, sich zu Kooperation mit den Deutschen entschloss. Er wollte mit Hilfe der Kolonialmacht seinen Herrschaftsanspruch festigen, auch weil die Herero durch die von Süden aus der britischen Kapkolonie einwandernden Nama unter Druck geraten waren.
Theodor Leutwein, der als Kommandeur der „Schutztruppe“ und später Gouverneur die deutschen Interessen in der Kolonie vertrat, etablierte mit geschickter Diplomatie ein System des „divide et impera“, mit welchem Verhandlungen der Vorzug vor Zwangsmaßnahmen gegeben wurde. Die Einheimischen sollten sich unter weitgehender Beibehaltung ihrer Selbstverwaltung an die deutsche Herrschaft gewöhnen.371 Die internen Rivalitäten der Häuptlinge wurden von Leutwein bewusst gestärkt, um die Völker besser kontrollieren zu können. Materielle Anreize machten die Häuptlinge mehr und mehr zu Kollaborateuren der Kolonialverwaltung, und die deutsche Herrschaft festigte sich. Doch als 1897 die Rinderpest im ganzen Süden Afrikas ausbrach, der die Mehrzahl des Viehs der Herero zum Opfer fiel, geriet dieses „System Leutwein,“ das ein gewisses Gleichgewicht zwischen Kolonialmacht und einheimischen Herrschaftsstrukturen garantiert hatte, in Schieflage. Denn mit dem Verlust ihres Viehs wurde den Hereros die wesentliche wirtschaftliche Grundlage entzogen, zumal die Rinderherden auch Symbol für Prestige und Macht waren. In der Folge waren immer mehr Herero gezwungen, mehr und mehr Land zu verkaufen und sich als Lohnarbeiter für die Weißen zu verdingen. Die Zahl der Weißen im Land stieg von 539 im Jahr 1891 auf über 4.500 im Jahr 1904. Die durch den Verlust ihrer Herden verunsicherten Herero fühlten sich bald immer mehr in die Ecke gedrängt. Überdies waren die neu eintreffenden Siedler stärker von rassistischer Ideologie geprägt als die Einwanderer der ersten Stunde. Übergriffe von Weißen waren bald an der Tagesordnung, aber die parteiische Kolonialjustiz ahndete sie kaum.
Mit der Ankunft immer mehr deutscher Siedler verschärfte sich der Kampf um das Land, auf dem sich Landwirtschaft betreiben ließ. Zunächst verkauften Herero-Obere wie Samuel Maharero große Ländereien zu Spottpreisen. Dann eigneten sich Siedler Grund und Boden der Einheimischen oft durch Betrug an oder indem sie diese in Schuldknechtschaft trieben. Hochbegehrt waren natürlich die raren Wasserstellen, ohne die in dem heißen, regenarmen Klima keine Land- und Viehwirtschaft möglich war. Ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten die Herero traditionell mit der Rinderzucht. Doch durch die Rinderpest wurden ihre Herden stark dezimiert. Die zunehmende Aneignung des Landes, insbesondere wertvoller Weidegründe, sowie Betrügereien, durch die sich deutschen Siedler in den Besitz der Rinder brachten, führte zu empfindlichen Einbußen der Herero nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch kultureller Hinsicht. Dies förderte ihren Unmut ebenso wie die (bis zum Verbot 1902) lange Jahre geübte Kreditvergabepraxis der deutschen Kaufleute, wobei die Häuptlinge für die Schulden ihrer Stammesmitglieder aufkommen sollten. Durch die folgende Verarmung waren viele Herero gezwungen, sich und ihre Familien durch Lohnarbeit in die Abhängigkeit von den deutschen Farmen zu begeben.
Der Rassismus der weißen Siedler und ihre Übergriffe
Herero, die noch Vieh besaßen, gerieten immer öfter in Konflikte, wenn sie ihr Vieh auf nunmehr von Siedlern beanspruchtem Land weiden ließen. Dies zog den Zorn der Siedler nach sich, welche die Hirten vielfach gewaltsam vertreiben ließen. Im Juli 1900 sprachen sich die Bürger der Stadt Windhuk in einer Eingabe an die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes gegen die Abschaffung der Prügelstrafe mit den Worten aus: „Für Milde und Nachsicht hat der Eingeborene auf die Dauer kein Verständnis: er sieht nur Schwäche darin und wird infolgedessen anmaßend und frech gegen den Weißen, dem er doch nun einmal gehorchen lernen muss, denn er steht geistig und moralisch doch so tief unter ihm.“372 Mit Lattenstöcken und Rhinozerospeitschen wurden die oft nackt über ein Bierfass gebundenen Opfer so lange misshandelt, bis sie schwere Verletzungen davontrugen. Der Kolonialbeamte Wilhelm Vallentin fasste seinen Eindruck in die Worte: „Ein rohes, gehacktes Beefsteak ist nichts dagegen!“373 Die deutschen Soldaten, die in das unwirtliche Territorium entsandt wurden, erhielten eine Broschüre, in der es hieß: „Für die Behandlung des Eingeborenen ist maßgebend, dass er nicht auf die gleiche Stufe mit dem Weißen gestellt werden darf und als ein noch nicht mündiges Glied der menschlichen Gesellschaft betrachtet werden muss.“374 Von ein paar Missionaren abgesehen, gerierten sich die Deutschen als Rassisten. Der Plantagenbesitzer August Boshart war einer von vielen, wenn er befand: „Der Neger ist ein blutdürstiges, grausames Raubtier, das nur durch das Auge und die Peitsche des Bändigers in Respekt gehalten werden kann.“ Auch Regierungsbaumeister Joseph Bendix, eigentlich ein fortschrittlich gesinnter Mann aus jüdischer Familie, spielte sich als arroganter Herrenmensch auf und ließ widerspenstige Eingeborene verprügeln: „Die Neger hier sind überhaupt ein ziemlich verlottertes Gesindel, sie lügen und stehlen. Wenn sie nicht parieren, bekommen sie 25 übergezählt.“375
Der Aufstand
Besonders empörte es jedoch die Herero, dass viele deutsche Männer ihre schwarzen Frauen als Freiwild betrachteten. Einer von ihnen beklagte sich bei einem Missionar: „Manche Männer wurden totgeschossen wie Hunde, wenn sie sich weigerten, ihre Frauen und Kinder preiszugeben.“ Vergewaltigung und Mord, deren sich die Siedler gegenüber Herero schuldig machten, waren schwere Missachtungen der Menschenwürde, die auch nach damaliger deutscher Rechtsprechung strafwürdigen Tatbestände darstellten. Dass diese Fälle vielfach nicht oder nur milde bestraft wurden, verstärkte die Spannungen weiter. Der Herero-Führer Daniel Kariko sagte zu den Ursachen des Aufstands: „Unsere Leute wurden erschossen und ermordet, unsere Frauen missbraucht, und die es taten, wurden nicht bestraft. Unsere Chiefs berieten sich und entschieden, dass Krieg nicht schlimmer sein könnte als das, was wir durchlitten.“ Neben dem existenzbedrohenden Verlust immer größerer Weidegebiete war es die rassistische Diskriminierung der Herero, die als Auslöser für den Aufstand wirkte. Als schließlich Samuel Maharero Anfang Januar 1904 zur Rebellion aufrief, waren die Deutschen überrascht. Schwarze, die gegen ihre Unterdrückung aufbegehrten und Widerstand leisteten, passten nicht in ihr Weltbild. Lediglich der Pfarrer Philipp Horbach wagte anzumerken: „Das arme zertretene Herero-Volk führt - vom unparteiischen Standpunkt aus gesehen - einen Befreiungskrieg wie einst unsere Väter unter Hermann dem Cherusker.“
Rund 8000 Herero standen einer anfänglich nur gut 2000 Mann starken Schutztruppe gegenüber. In ihren Planungen hatten die Aufständischen jedoch die Fähigkeit des Deutschen Reiches unterschätzt, große Truppenkontingente in nur kurzer Zeit nach Afrika zu verlegen. Nachdem dies feststand, gab es für die Herero nur die Möglichkeit, die Deutschen zu besiegen, bevor weiterer Nachschub eintreffen konnte. Erste Opfer des Krieges waren deutsche Siedler. Die Herero brannten deren Höfe nieder und töteten zumeist die Männer. Den Kriegern kam zugute, dass sich der Hauptteil der deutschen Schutztruppe und Gouverneur Leutwein im Süden befanden, um einen lokalen Aufstand der Bondelzwart niederzuschlagen. Dadurch befanden sich nur schwache deutsche Kräfte im Kampfgebiet. Neben Angriffen auf Farmen wurden die ersten Schläge der Herero gegen Depots, Eisenbahnlinien und Handelsstationen geführt. Dabei kamen rund 140 Deutsche und sieben Buren ums Leben. An fast allen Orten wurde den deutschen Frauen und Kindern freies Geleit zur nächsten Schutzstation gewährt. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit der Deutschen – im Aufstandsgebiet lagen nur zwei Ersatzkompanien – gelang es ihnen, die Städte und letztendlich auch die Telegraphenlinie zu halten.
Der Vernichtungsbefehl
In seinem „Aufruf an das Volk der Herero“ befahl Lothar von Trotha - damals im Rang eines Generalleutnants - seinen Soldaten, mit extremer Härte gegen die Aufständischen vorzugehen. Trothas Aufruf an das Volk der Herero vom 2. Oktober 1904, der sogenannte Vernichtungsbefehl, lautete: „Ich der große General der Deutschen Soldaten sende diesen Brief an das Volk der Herero. Die Hereros sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und andere Körperteile abgeschnitten, und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage dem Volk: Jeder der einen der Kapitäne an eine meiner Stationen als Gefangenen abliefert, erhält 1000 Mark, wer Samuel Maharero bringt, erhält 5000 Mark. Das Volk der Herero muss jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen. Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück, oder lasse auf sie schießen. Das sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Deutschen Kaisers“376 Frauen und Kinder sollten verschont werden
Ergänzt und entschärft wurde die Proklamation durch den nur der eigenen Truppe zu verlesenden Zusatz, dass zwar keine männlichen Gefangenen gemacht werden sollten, aber die Strafaktion nicht „zur Grausamkeit gegen Weiber und Kinder“ ausarten sollte, also Frauen und Kindern verschont werden sollten: „Dieser Erlass ist bei den Appells den Truppen mitzuteilen mit dem Hinzufügen, dass auch der Truppe, die einen der Kapitäne fängt, die entsprechende Belohnung zuteilwird und dass Schießen auf Weiber und Kinder so zu verstehen ist, dass über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu zwingen. Ich nehme mit Bestimmtheit an, dass dieser Erlass dazu führen wird keine männlichen Gefangenen zu machen, aber nicht zu Grausamkeit gegen Weiber und Kinder ausartet. Diese werden schon fortlaufen, wenn zweimal über sie hinweggeschossen wird. Die Truppe wird sich des guten Rufes des Deutschen Soldaten bewusst bleiben.“377
Am 11. und 12. August 1904 versuchte Trotha in der entscheidenden Schlacht am Waterberg, die versammelten Herero einzukesseln und zu vernichten. Dies gelang jedoch nicht, und ein großer Teil der geschlagenen Herero floh unter schweren Verlusten mit Angehörigen und Vieh nach Osten in die Trockensavanne der Omaheke. Zu diesem Zeitpunkt kam es zu einem Konflikt zwischen Gouverneur Leutwein und Trotha. Ersterer wollte die Herero schonen und sie als Arbeitskräfte bei der weiteren Kolonialisierung des Landes einsetzen, Trotha hingegen wollte sie vernichten. Trotha setzte sich durch und riegelte die Omaheke ab, um eine Rückkehr der Herero zu verhindern, „da ich mit den Leuten weder pactieren kann noch ohne ausdrückliche Weisung Seiner Majestät des Kaisers und Königs will.“ Major Ludwig von Estorff wurde angewiesen, mit seinen Truppen den Flüchtenden nachzusetzen und sie „immer wieder von eventuell dort gefundenen Wasserstellen zu verjagen.“378 Von Estorff berichtete später von diesem Einsatz:
„Die Herero flohen nun weiter vor uns in das Sandfeld. Immer wiederholte sich das schreckliche Schauspiel. Mit fieberhafter Eile hatten die Männer daran gearbeitet, Brunnen zu erschließen, aber das Wasser ward immer spärlicher, die Wasserstellen seltener. Sie flohen von einer zur andern und verloren fast alles Vieh und sehr viele Menschen. Das Volk schrumpfte auf spärliche Reste zusammen.“379 Dieser perfiden Taktik rühmte sich noch 1907 der Generalstab in seinem Bericht: „Wie ein halb zu Tode geh...

Inhaltsverzeichnis

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Vorwort
  3. Einführung
  4. Prähistorische Gewalttaten
  5. Gewalt in der Antike
  6. Gewalt im Mittelalter
  7. Gewalt in der Neuzeit
  8. Gewalt im 20. Jahrhundert
  9. Epilog
  10. Anmerkungen
  11. Literaturnachweis
  12. Personenregister
  13. Impressum