Schriftspuren zu Bilderwelten
eBook - ePub

Schriftspuren zu Bilderwelten

Peter Handkes Beziehung zur Bildenden Kunst im Allgemeinen und zum Sehen im Besonderen

  1. 124 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Schriftspuren zu Bilderwelten

Peter Handkes Beziehung zur Bildenden Kunst im Allgemeinen und zum Sehen im Besonderen

Über dieses Buch

Peter Handke gehört zu jenen Schriftstellern, die sich sehr intensiv mit visuellen Fragestellungen auseinandersetzen. Sein Werk ist durchzogen von dem Versuch, das Schauen, den, Augenstoff", zu finden; jedes seiner Bücher markiert die Schwelle einer neuen Wahrnehmungsanstrengung und ist zu sehen als eine Analyse von Empfindungsmöglichkeiten, Wiederholungen und der Sehnsucht nach dem Ganzen. In diesem Zusammenhang ist auch seine umfassende Beschäftigung mit der Bildenden Kunst zu verstehen, sei es mit den großen Malern der Kunstgeschichte wie Brueghel, Hopper, Cézanne, sei es mit zeitgenössischen Künstlern wie Jan Voss, Peter Pongratz oder Pierre Soulage, die alle durch Handkes Blick zusammengehalten werden. Diese Arbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kategorien Sehen, Wahrnehmung und Bildende Kunst im Werk Peter Handkes zu untersuchen. Neben einem Überblick über wichtige phänomenologische Theorien aus der Philosophie und über wichtige literarische Werke, bei denen ebenfalls die Wahrnehmung im Mittelpunkt steht, stellt sich die Autorin die Frage, wie Handke selbst in seinem Prosawerk das Verhältnis von Mensch und Welt entwirft und welche Rolle die sinnliche Wahrnehmung gegenüber Reflexion und Handeln in seinen Büchern spielt. Anhand von fünf Erzählungen soll darüber hinaus Handkes Einstellung zur Phänomenologie, zum Sehen und der damit verbundenen Sprachproblematik nachgezeichnet werden.

Häufig gestellte Fragen

Ja, du kannst dein Abo jederzeit über den Tab Abo in deinen Kontoeinstellungen auf der Perlego-Website kündigen. Dein Abo bleibt bis zum Ende deines aktuellen Abrechnungszeitraums aktiv. Erfahre, wie du dein Abo kündigen kannst.
Derzeit stehen all unsere auf mobile Endgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Perlego bietet zwei Pläne an: Elementar and Erweitert
  • Elementar ist ideal für Lernende und Interessierte, die gerne eine Vielzahl von Themen erkunden. Greife auf die Elementar-Bibliothek mit über 800.000 professionellen Titeln und Bestsellern aus den Bereichen Wirtschaft, Persönlichkeitsentwicklung und Geisteswissenschaften zu. Mit unbegrenzter Lesezeit und Standard-Vorlesefunktion.
  • Erweitert: Perfekt für Fortgeschrittene Studenten und Akademiker, die uneingeschränkten Zugriff benötigen. Schalte über 1,4 Mio. Bücher in Hunderten von Fachgebieten frei. Der Erweitert-Plan enthält außerdem fortgeschrittene Funktionen wie Premium Read Aloud und Research Assistant.
Beide Pläne können monatlich, alle 4 Monate oder jährlich abgerechnet werden.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja! Du kannst die Perlego-App sowohl auf iOS- als auch auf Android-Geräten verwenden, um jederzeit und überall zu lesen – sogar offline. Perfekt für den Weg zur Arbeit oder wenn du unterwegs bist.
Bitte beachte, dass wir keine Geräte unterstützen können, die mit iOS 13 oder Android 7 oder früheren Versionen laufen. Lerne mehr über die Nutzung der App.
Ja, du hast Zugang zu Schriftspuren zu Bilderwelten von Mag. Manuela Molk im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Sprachen & Linguistik & Sprachwissenschaft. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Der Weg zu Cézanne: ,,Die Lehre der Sainte-Victoire" (1980)

THEMA UND STRUKTUR DER "LEHRE"

Eine Lehre ist immer eine Erleichterung.1

In der "Lehre der Sainte-Victoire" wandert der Ich-Erzähler unter dem Eindruck der Kunst Cézannes durch die Landschaft rund um die Montagen Sainte-Victoire in Südfrankreich, die das bevorzugte Objekt des Malers gewesen ist. Der Erzähler nähert sich der Montagne von Aix aus, überquert das dem Bergmassiv südlich vorgelagerte Hochplateau und hat dabei in Puylobier ein Erlebnis mit einem aggressiven Hund. Schließlich besteigt er von der Ortschaft Vauvenargues aus den Gipfel. Die ,,Kreise um die Sainte Victoire"2werden weitergezogen, und so wiederholt der Erzähler "Bergbesteigungen" im Kleinen in Paris und Berlin; er besucht seinen Vater in Norddeutschland und reist dann zusammen mit der Mantelnäherin D. erneut in die Provence, um abermals die Montagne zu erklimmen. Das Schlusskapitel erzählt eine Wanderung durch den Morzger Wald bei Salzburg.

Die Erzählung ist in neun Kapitel unterteilt, die teilweise wiederum in durch Absätze markierte Abschnitte gegliedert sind. Die reduzierte Handlung bildet einen Leitfaden, der den Bericht des Ich-Erzählers von seinen Wahrnehmungen in der Natur, seine Deutung der Kunst Cèzannes, seine schriftstellerische Entwicklung und sein Verhältnis zur Malerei sowie seine poetologischen Überlegungen durchzieht.3

Der Bericht von den verschiedenen Wanderungen ist natürlich keine zufällig gewählte Konstruktion zur Entfaltung des eigentlichen Themas. Das vor allem in der Romantik häufig verwendete Motiv des Wanderns kann auch in dieser Erzählung als Ausdruck der Suche, hier der Suche eines Schriftstellers nach Sinn und Form des Schreibens verstanden werden.4

DER MALER PAUL CÉZANNE

Cézanne

Bei ihm lernten
Felsen und Bäume
durchsichtig sein

Hügel aus Äther
unwiderruflich

Grüne Essenz
Grün
in blauer Haut

Der Umriß
die Helle innen:
Stoff ohne Schwerkraft.5

Paul Cèzanne (1839 - 1906), Male raus Aix-en-Provence, gilt neben George Seurat, Paul Gauguin und Vincent van Gogh als derjenige Künstler, der die ,,formalen und geistigen Grundlagen der Kunst unseres Jahrhunderts erarbeitet hat."6

Von 1882 bis 1890 befasste sich Cèzanne zum ersten Mal intensiv mit dem alles beherrschenden Bergrücken seiner Heimat, der Montagne Sainte-Victoire, zu Deutsch ,,Berg des heiligen Sieges". Um die 20 Arbeiten zeigen die Montagne Sainte-Victoire von dem südwestlich von Aix gelegenen Hof Bellevue aus, der seit den 80er-Jahren im Besitz der Schwester des Künstlers, Rose, und ihres Mannes Maxime Conil war.7In diesen frühen Bildern stellte Cézanne den Berg noch als Begrenzung einer weiten Ebene dar, womit er einer traditionellen, tiefenräumlichen Landschaftsmalerei verpflichtet blieb. Erst in den späteren Bildern der Montagne, die in einer erneuten Auseinandersetzung mit dem Motiv seit etwa 1900 entstanden, wurde der Bergrücken zum dominanten Element. Dabei versucht der Maler durch grobe, ineinander verzahnte Farbflecken nicht die tatsächlichen Farben und Formen wiederzugeben, sondern Farbeindrücke unterschiedlicher Bildzonen, Licht- und Schattenregionen zu beschreiben.

Die wiederholte Auseinandersetzung mit ein und demselben Motiv ist für Cèzannes gesamtes Schaffen charakteristisch. Wenn er in den letzten Lebensjahren immer wieder zur Montagne Sainte-Victoire zurückkehrt, so will er sich darauf konzentrieren, den Berg sehend zu erfassen. Dabei geht es ihm nicht darum, die Wirklichkeit zu kopieren, sondern ein bildnerisches Äquivalent für seinen Seheindruck zu schaffen.8Der Maler nennt das wahrnehmende Empfinden der Natur ein Lesen. Dieses Lesen bezieht sich auf eine Form des Sehens, die von Max Imdahl mit dem Begriff des ,,sehenden Sehens" im Unterschied zu ,,wiedererkennendem Gegenstandssehen"9gekennzeichnet worden ist:

,,Gemeint ist vielmehr das sehende Sehen als ein von allem Vorwissen oder von allen Gewißheiten aus nichtoptischen Erfahrungen weithin gereinigter Erkenntnisakt, als die in dem menschlichen Bewußtsein und für dasselbe sich vollziehende Hervorbringung der Welt ausschließlich in Rücksicht auf die sichtbare Erscheinung."10

Von den Impressionisten, vor allem von Pissaro, hat Cèzanne gelernt, dass Malerei nicht in der Übersetzung von imaginären Bildern in die Wirklichkeit besteht, sondern auf einem genauen Studium der Erscheinungen beruht, also mehr in der Natur als im Atelier zuhause ist. Doch die Impressionisten suchten nicht in erster Linie die Objekte, sondern die Atmosphäre, in welcher Objekte uns begegnen, darzustellen. Cèzanne geht noch einen Schritt weiter: Er möchte die Realität finden, ohne die Empfindungen aufzugeben, die Natur darstellen, ohne den unmittelbaren Eindruck zu verleugnen.

Farbeindrücke sind für ihn keine bloßen Lichtreflexe, sondern raumbildende Werte. Die Form des Gegenstandes ist für das Sehen kein an sich abgeschlossenes, vielmehr ergibt sich die Form aus der Modulation der Farbwerte, im Unterschied zur traditionellen Modellierung von Volumen durch Licht und Schatten. In den Bildern vom ,,Mont Saint-Victoire" setzt Cèzanne flächige Farbwerte, ohne jede abbildende Beziehung zur gesehenen Landschaft.11Anstelle der Linie als fester Umriss der Dinge tritt bei ihm die Farbe in den Vordergrund. Sie bringt die Form eines Gegenstandes zur Erfüllung.

Cèzannes Ziel ist also die Einigung beziehungsweise die Parallelität von Natur und Kunst. Auch für Handke spielt die Analogie als Erzählverfahren eine wichtige Rolle. Seine Orientierung an den künstlerischen Gestaltungsverfahren des Malers aus Aix stellt also den Versuch dar, analog oder - anders ausgedrückt - ,,parallel" zu arbeiten. Bereits in der Studie über den Maler Peter Pongratz macht Handke darauf aufmerksam, dass ,,die Schemata fürs Schreiben und Malen"12vergleichbar sind. Der Erzähler verfolgt aber bei seiner Beschreibung keine historische Linie, sondern er zielt auf eine philosophisch fundierte Erkenntnistheorie. Seine Deutung Cézannes zeigt eine Parallele zu einem kurzen Text Heideggers über den Maler.13Die ,,Lehre" versucht jenes ,,Eindringen in die Gefahr der äußersten Beziehung zu den einfachen Dingen",14das der Philosoph am Maler entdeckt. Dadurch wird das Schreiben in eine Nähe zu Cèzannes Malen gerückt, über das Heidegger ausführt:

,,Im Spätwerk des Malers ist die Zwiefalt
von Anwesenden und Anwesenheit einfältig geworden,
,,realisiert" u...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Zum Begriff des Sehens und der Wahrnehmung in Philosophie und Literatur: Ein phänomenologischer Abriss
  3. Peter Handkes welterneuerndes Sehen
  4. Die Genese der Blicke in Peter Handkes Frühwerk (1970 - 1975)
  5. Der Weg zu Cézanne: ,,Die Lehre der Sainte-Victoire" (1980)
  6. Ich werde mich immer nach jener Art des Schauens sehnen, die auf Griechisch Leukein heißt ...Peter Handkes "Chinese des Schmerzes" (1983)
  7. Schlussbetrachtung
  8. Literaturverzeichnis
  9. Rezension
  10. Impressum