Wem kannst du trauen?
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Wem kannst du trauen?

Die Antwort auf die vielleicht wichtigste Frage unserer Zeit

  1. 384 Seiten
  2. German
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Wem kannst du trauen?

Die Antwort auf die vielleicht wichtigste Frage unserer Zeit

Über dieses Buch

Wem kann man noch trauen? Der Regierung? Den Wirtschaftsunternehmen? Den Medien? Das Vertrauen in die Institutionen und ihre Führungskräfte ist auf einem historischen Tiefststand. Andererseits handeln wir mit digitalen Währungen, vertrauen Bots, unterhalten uns mit Smart Speakern. Die Vertrauensforscherin Rachel Botsman erklärt diesen von innovativen Technologien getriebenen Paradigmenwechsel. Sie beschreibt, wie sich die Welt in einem Zeitalter des "verteilten Vertrauens" neu ordnet. Worauf es jetzt ankommt? Untereinander, unseren Mitmenschen, Kunden und Firmenpartnern Vertrauensbrücken zu bauen, um die entstandenen Vertrauenslücken zu überwinden. Botsman erläutert, wie es geht. Vertrauen Sie ihr.

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KAPITEL 1

Vertrauenssprünge

Freitag, der 19. September 2014, war für die Wall Street ein historischer Tag. Ab dem Augenblick, als die Börsen um 9:30 Uhr New Yorker Zeit eröffneten, schoss vor allem der Ticker eines bestimmten Unternehmens wie eine Rakete in die Höhe. Es hieß Alibaba. Am Ende des Handelstags hatte der chinesische E-Commerce-Gigant eine Marktkapitalisierung von atemberaubenden 231 Milliarden Dollar.1 Das war die größte Erstemission, die es an der New York Stock Exchange (NYSE) je gegeben hatte. Sie stellte selbst den als Facebook bekannten Moloch und sogar Alibabas gigantischen Rivalen Amazon in den Schatten. Der 50-jährige chinesische Geschäftsmann Jack Ma, Gründer und damaliger Vorsitzender des Unternehmens, wurde ein sehr, sehr reicher Mann.
An jenem Tag drängte sich eine große Menschenmenge auf der Straße und im Saal der New Yorker Börse, um einen Blick auf den legendären Unternehmer zu erhaschen. Er wurde begrüßt wie ein Popstar. „Was wir heute beschafft haben, ist nicht Geld, sondern das Vertrauen von Menschen“, sagte Ma vor über tausend jubelnden Bewunderern.2
Allerdings hatte nicht der charismatische und dynamische Firmengründer die Eröffnungsglocke der Börse geläutet. Vielmehr hatte sich Ma dafür entschieden, dass acht Kunden von Alibaba – darunter fünf Frauen – auf dem Podium standen, um den Handel zu eröffnen. Er wollte zeigen, dass er zu seinem Wahlspruch „Zuerst kommen die Kunden, dann die Angestellten und an dritter Stelle die Aktionäre“ steht. Eine der Händlerinnen – eine von Millionen Kleinunternehmern und Kleinunternehmerinnen, die auf den Websites von Alibaba handeln – war Lao Lishi, eine ehemalige Wasserspringerin, die für China olympisches Gold gewonnen hatte und heute Armbänder aus Holzperlen verkauft. Ein anderer war Peter Verbrugge, ein amerikanischer Farmer, der im Moment den Rekord hält, die größte Menge an Kirschen auf Alibaba verkauft zu haben.3 Diese Kunden, die die Eröffnungsglocke läuteten, standen für etwas, das Ma sehr wichtig ist – dafür, dass Alibaba die Art und Weise verändert hat, wie chinesische Unternehmen aller Formen und Größen eine verwirrende Vielfalt an Waren kaufen und an Menschen auf der ganzen Welt verkaufen können: Kleider und Windeln, Milchziegen mit Stammbaum, gefrorene Hühnerfüße, aufblasbare Sexpuppen und sogar „Do-it-yourself-Abtreibungs-Sets“.
Aber Jack Mas Geschichte ist nicht nur ein faszinierendes Märchen darüber, wie unternehmerische Beharrlichkeit vom Tellerwäscher zum Millionär führt, sondern auch eine bemerkenswerte Leistung in der heiklen Angelegenheit, Vertrauen aufzubauen.
Es ist immer eine Herausforderung, einen erfolgreichen Online-Marktplatz aufzubauen, auf dem einander beide Seiten vertrauen müssen, aber das, was Mas Geschichte so außerordentlich macht, ist die Tatsache, dass ihm das in China gelungen ist. Traditionell basiert die chinesische Gesellschaft auf einem Konzept namens Guanxi, was man grob mit „Beziehungen“ übersetzen könnte. Zwischen Menschen, die zum gleichen Guanxi gehören – Verwandte, Bekannte und Bewohner des gleichen Dorfes –, herrscht sowohl geschäftliches als auch persönliches Vertrauen. Es handelt sich also um Menschen, die man im Laufe der Zeit gut kennenlernt, nicht um Fremde auf einem fernen Planeten namens Internet. Eigentlich ist es sogar üblich, Menschen außerhalb des eigenen persönlichen Netzwerks zu misstrauen. Dadurch kann ein kulturelles Hindernis und geschäftliches Hemmnis entstehen, weil die Menschen dazu neigen, keine neuen Beziehungen aufzubauen, wenn keine enge Verbindung besteht.
Als ich 25 Jahre alt war, reiste ich zum ersten Mal geschäftlich nach Shanghai. Ich war an einem Beratungsprojekt für eine bekannte Marke beteiligt, die nach Asien expandieren wollte. Im Laufe der ersten Woche aßen wir viele Male gemeinsam mit unseren chinesischen Geschäftskunden. Die Drehteller rotierten, wir aßen mittags und abends köstliche Speisen und stießen immer wieder mit unseren Biergläsern an. Diese Zusammenkünfte waren herzlich und angenehm, aber ab dem dritten Tag fragte ich mich, wann wir mit der „eigentlichen“ Arbeit beginnen würden. Ich war ziemlich unsensibel und begriff nicht, wie wichtig es für chinesische Geschäftsleute war, zu Beginn einer Beziehung sehr viel Zeit gesellig miteinander zu verbringen und sich kennenzulernen. „Im Westen behalten wir das von Herzen kommende Vertrauen (affektbasiertes Vertrauen) der Familie und Freunden vor, das vom Kopf her kommende Vertrauen (kognitionsbasiertes Vertrauen) hingegen Geschäftspartnern“, erklärt Professor Paul Ingram von der Columbia Business School, der sich mit sozialen Netzwerken befasst. „Aber in China sind das affekt- und das kognitionsbasierte Vertrauen auch im Geschäftsleben eng miteinander verflochten.“4 Insbesondere ist es in China so, dass die Menschen einem erst dann vertrauen, wenn man im Voraus viel Zeit investiert hat, um sich als vertrauenswürdig zu erweisen.
Gegen diese Gegebenheiten musste Jack Ma ankommen. Er schickte sich an, eine felsenfeste Konvention des Vertrauens zu zertrümmern.
Ma Yun, wie er ursprünglich hieß, wuchs in der Zeit von Maos Kulturrevolution in Hangzhou auf, circa 180 Kilometer südwestlich von Shanghai. Er war das zweite von drei Kindern, und seine Eltern traten im traditionellen Musiktheater auf. Ma hatte ihre Liebe zur Selbstdarstellung geerbt. Später war er dafür bekannt, dass er kunstvolle Perücken und Lederbekleidung trug und bei Firmenveranstaltungen gern Lieder aus „Der König der Löwen" röhrte.
Ma war kein besonders guter Schüler, aber er war schlau. Schon in jungen Jahren begriff er, wie wichtig es ist, Englisch zu können. Nachdem Präsident Nixon im Jahr 1972 Hangzhou besucht hatte, strömten Touristen in diese Gegend, um die schönen Seen, Tempel und Gärten zu sehen. Ma stellte sich den Wecker jeden Tag auf 5:00 Uhr und fuhr mit dem Fahrrad zum Hangzhou Hotel. Er sprach mit den Besuchern Englisch und bot sich als Führer an, der ihnen kostenlos die Stadt zeigte. Das machte er mehr als neun Jahre lang. Darüber hat er einmal gesagt: „Diese Touristen aus dem Westen öffneten meinen Geist, denn alles, was sie mir erzählten, war ganz anders als das, was ich in der Schule und von meinen Eltern lernte.“5
Im Laufe der Jahre schloss Ma mit vielen Touristen Freundschaft, unter anderem mit einer jungen Amerikanerin, die ihm vorschlug, einen englischen Namen anzunehmen. Ihr Ehemann und ihr Vater hießen Jack. Und so wurde er zu Jack.
Jack Ma wurde im Jahr 2014 zum reichsten Mann Chinas mit einem Vermögen von mehr als 19,5 Milliarden Dollar. In diese luftige Position hievte er sich mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit, wenn etwas misslang, einer ordentlichen Dosis ungezügelten Ehrgeizes und einer anderen unentbehrlichen Art von Vertrauen – Selbstvertrauen.6 Er bewarb sich zehnmal in Harvard und wurde zehnmal abgelehnt. (Wer bewirbt sich schon zehnmal?) Er fiel zweimal bei der Aufnahmeprüfung für eine staatliche chinesische Universität durch. Als er 1988 endlich einen Abschluss in Anglistik hatte, wurde er Lehrer.7 Um sein bescheidenes Wochengehalt von umgerechnet drei Dollar aufzubessern, kaufte und verkaufte er in den Straßen von Hangzhou Synthetikteppiche. Im Grunde seines Herzens war er Geschäftsmann.
Als Chinas Wirtschaft zunehmend anzog, beschloss Ma Anfang der 1990er-Jahre, den Lehrerberuf an den Nagel zu hängen. Er bewarb sich auf mehr als 30 Stellen, scheiterte jedoch bei allen. Als er sich als Polizist bewarb, wurde ihm schlicht gesagt: „Sie taugen nichts.“ „Ich ging sogar zu Kentucky Fried Chicken, als die nach China kamen“, sagte Ma vor Publikum auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. „24 Leute bewarben sich auf den Job. 23 wurden genommen. Ich war der Einzige, der nicht genommen wurde.“8
Erst 1995, als er zum ersten Mal die Vereinigten Staaten besuchte, nahm sein Leben eine glückliche Wendung. Ein Jahr zuvor hatte Ma die Hangzhou Hope Translation Agency gegründet und flog nun nach Amerika, um einer chinesischen Firma bei der Beilegung einer finanziellen Streitigkeit zu helfen, die sie mit einem US-amerikanischen Geschäftspartner hatte. Daraus wurde ein Horrortrip – der Amerikaner, den er treffen sollte, war ein Trickbetrüger, der ihn mit einer Schusswaffe bedrohte. Er reiste nach Seattle, um bei einem Bekannten namens Stuart Trusty zu wohnen, der zufälligerweise einen der ersten Internetprovider Amerikas leitete, VBN.9 Ma fiel ein mysteriöser grauer Kasten mit einem Bildschirm auf dem Schreibtisch seines Freundes auf. Er fragte sich, was das wohl sein mochte. „Jack, das ist keine Bombe“, versicherte ihm Trusty. „Das ist ein Computer. Du kannst damit nach allem suchen, was du willst.“
Langsam tippte Ma das Wort „beer“ ein. Er weiß nicht mehr, warum, vielleicht weil es so einfach zu tippen ist. Es erschien eine Liste von Bieren aus Deutschland, Amerika und Japan, aber ihm fiel auf, dass keine chinesischen dabei waren. Dann tippte er „beer“ und „China“ ein. Keine Treffer. Bedenken Sie, dass das im Jahr 1995 war. Netscape war gerade erst gegründet worden und Yahoo steckte noch in den Kinderschuhen. Google startete erst drei Jahre später. Außerdem war das noch die Zeit der quälend langsamen Einwahlverbindungen. Trotzdem spürte Ma, dass da ein Riesending in den Startlöchern stand.
Als er wieder daheim war, gründete er China Pages, eine Art Gelbe Seiten für chinesische Unternehmen. „An dem Tag, als wir mit dem World Wide Web verbunden wurden, lud ich Freunde und Fernsehleute in mein Haus ein … wir warteten dreieinhalb Stunden und erhielten eine halbe Seite“, erzählt Ma. „Während wir warteten, tranken wir, sahen fern und spielten Karten. Aber ich war sehr stolz darauf. Ich hatte [meinen Besuchern] bewiesen, dass das Internet existierte.“10 Später verkaufte Ma das Branchenbuch-Unternehmen für eine Million Yuan (circa 148.000 Dollar) – damals sehr viel Geld – an die staatliche Hangzhou Telecom. Dann ging er nach Peking, um das Ministerium für Außenhandel und wirtschaftliche Zusammenarbeit bei der Einführung des „elektronischen Handels“ zu beraten.11 „Mein Chef wollte das Internet nutzen, um kleine Unternehmen zu stärken“, so Ma.12 Unternehmen gründen und aufbauen – das war das, was Ma wirklich wollte.
Ma hatte die revolutionäre Vision, zu einer Transformation der gesamten chinesischen Exportwirtschaft beizutragen, indem er kleine und mittelständische chinesische Unternehmen mit Kunden aus dem Westen sowie Unternehmen aus dem Westen mit unzähligen chinesischen Fabriken verknüpfte. In den Vereinigten Staaten waren Amazon und Ebay an den Start gegangen, aber in China existierte noch nichts dergleichen.
Heute laufen über 80 Prozent aller Waren, die in China online gekauft und verkauft werden, über diverse Online-Marktplätze von Alibaba.13 Das spinnennetzartig gestaltete Firmengelände mit seinen Gärten und offenen Arbeitsbereichen breitet sich in Mas Heimatstadt Hangzhou über mehr als 150.000 Quadratmeter aus. Es beherbergt Zehntausende Mitarbeiter sowie weitere Unternehmen, die Ma inzwischen gegründet hat. Dort hat das 2003 gegründete Unternehmen Taobao (das bedeutet „Schatz ausgraben“) seinen Sitz. Ähnlich wie bei Ebay können die Menschen einander dort so gut wie alles verkaufen, aber es hat mehr Ähnlichkeiten mit einem örtlichen Flohmarkt, auf dem man womöglich auf ein Schnäppchen oder etwas so Bizarres wie lebende Skorpione oder auf Seife stößt, die die Verkäuferin aus ihrer Muttermilch hergestellt hat. Hunderte von Taobao-Dörfern sind über ganz China verstreut, wo ein großer Teil der Wirtschaft darauf basiert, dass Menschen über diese Plattform vor Ort produzierte Waren verkaufen.
Dann kam im Jahr 2008 Tmall dazu, das Online-Pendant zu einem gigantischen, hochglanzpolierten Einkaufszentrum, in dem weltbekannte Marken von Disney bis Burberry direkt an die chinesischen Verbraucher verkauft werden. Die Alibaba Group verzeichnet jährlich 454 Millionen aktive Käufer, und jeder dritte Chinese hat schon einmal etwas auf seinen Marktplätzen gekauft.14
Am Tag des Börsengangs von Alibaba im September 2014 sprach der dynamische Ma überschwänglich über den historischen Meilenstein, den sein Unternehmen erreicht hatte. In den Interviews, die er gab, stach immer ein Wort heraus: „Haben Sie Vertrauen. Vertrauen Sie uns, vertrauen Sie dem Markt und vertrauen Sie den jungen Menschen“, sagte Ma. „Vertrauen ist die neue Technologie. Die Welt wird immer transparenter. Um alles, worum Sie sich sorgen, sorge ich mich schon seit 15 Jahren“, fuhr Ma ohne Pause fort. „Natürlich muss man sich Vertrauen erst verdienen. Denn wenn man Vertrauen hat, ist alles ganz einfach. Wenn man kein Vertrauen hat, wird alles kompliziert.“15 Innerhalb einer Minute sprach er das Wort „trust“ (im Deutschen „vertrauen“, „Vertrauen“ oder „trauen“) achtmal aus.
Ma wusste von Anfang an, wie wichtig es insbesondere in einer Kultur wie der chinesischen ist, Vertrauen aufzubauen – deshalb wirft er mit diesem Wort so freigiebig um sich. Wir werden noch darauf zurückkommen, wie er das anstellte. Es lohnt sich jedoch, zunächst das Konzept des Vertrauens an sich genauer zu untersuchen. Wie uns allen würde es Ma wahrscheinlich schwerfallen, es zu definieren – was genau meint man damit, wenn man von „Vertrauen“ spricht? Und welche Türen öffnet es?
Vertrauen ist keine Nettigkeit, kein optionales Extra des Lebens. Wir alle sind bei vielen unserer täglichen Aktivitäten darauf angewiesen. Wie könnten wir essen, Auto fahren, einkaufen, in ein Flugzeug steigen, zum Arzt gehen oder Geheimnisse erzählen, wenn wir nicht anderen Menschen vertrauen würden? Der Politikwissenschaftler Eric Uslaner sagt: „Vertrauen ist die Hühnersuppe des Soziallebens.“16
Wenn ich mir zum Beispiel Sushi liefern lasse, muss ich darauf vertrauen, dass das Restaurant frische Zutaten verwendet, dass die Küche sauber ist, dass es meine Kreditkartendaten nicht missbraucht und dass der Lieferant nicht mit meinem Abendessen durchbrennt. Vertrauen ermöglicht kleine und große Handlungen der Kooperation, die zusammengenommen zu höherer ökonomischer Effizienz führen. „So gut wie jede geschäftliche Transaktion beinhaltet ein Element des Vertrauens, auf jeden Fall jede Transaktion, die über einen gewissen Zeitraum durchgeführt wird“, merkt der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Kenneth Arrow dazu an. „Man kann plausibel argumentieren, dass sich ein Großteil der wirtschaftlichen Rückständigkeit auf der Welt durch das Fehlen gegenseitigen Vertrauens erklären lässt.“17
Dank Vertrauen fühlen wir uns zuversichtlich genug, um Risiken einzugehen und uns so weit zu öffnen, dass wir verwundbar werden. Es führt dazu, dass wir uns in die Obhut...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Widmung
  4. Titel
  5. Inhalt
  6. Einführung
  7. 1. VERTRAUENSSPRÜNGE
  8. 2. VERLORENES VERTRAUEN
  9. 3. SELTSAM VERTRAUT
  10. 4. WO LANDET DER SCHWARZE PETER?
  11. 5. ABER SIE SAH DOCH DANACH AUS!
  12. 6. NICHTS GEHT ÜBER EINEN GUTEN RUF – AUCH NICHT IM „DUNKELN“
  13. 7. ZENSIERT: BEKÄME IHR LEBEN EINE GUTE VERTRAUENSNOTE?
  14. 8. BOTVERTRAUEN
  15. 9. BLOCKCHAIN TEIL I: DER DIGITALE GOLDRAUSCH
  16. 10. BLOCKCHAIN TEIL II: DIE WAHRHEITSMASCHINE
  17. Fazit
  18. Glossar der „Vertrauens“-Begriffe
  19. Danksagungen
  20. Anmerkungen
  21. Weiterführende Lektüre